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SK. 63
Gegritt-Vel ;826.
Dienstag den 17. März 1825 Fernsprecher Nr 29 88. Jahrgang
Ta^eslpiegel
Me Antwort des Völkerbundssekrekärs bezüglich des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund traf telegraphisch am Samstag in Berlin ein. Minister Slresemann so« einer, günstigen Eindruck empfangen haben. Das GesarntkabineL wirch eine endgültige Stellung erst nehmen, wenn die Enk fcheidung des Völkerbundsrats im schriftlichen Wortlaut vor «eat. Am Mittwoch werden der Reichskanzler und Slrese «ann mit den Parteiführern fich besprechen.
Das Befinden des englischen Staatssekretärs Lord Cur- zon. der sich einer Operation unterziehen mutzte, hat sich gebessert.
Aufgeschoben oder aufgehoben?
Nämlich das vielbestrittene Genfer Protokoll. Seit Jahr und Tag gab es ein Rätselfragen: Wird England es «»nehmen oder nicht? Briand, der glänzendste Redner Frankreichs, hat es mit dem sozialistischen Abgeordneten Boncour vor Jahr und Tag gemacht und Mac Donald hat zu Gevatter gestanden. Aber es war sehr voreilig von ihm gehandelt. Denn von Woche zu Woche wuchs der Widerspruch gegen dieses „Friedensinstrument". Auf der 5. Völkerbundsversammlung — es war am 2. Oktober 1924 — wurde beschlossen, „allen Mitgliedern Zu empfehlen, das Protokoll in ernste Erwägung zu ziehen". Und als in England Mac Donald gestürzt wurde und die konservative Regierung Waldmin ans Ruder kam, da schwieg man sich anfänglich über das Schicksal des Protokolls aus. Das war ein verdächtiges Zeichen. Und schließlich hieß es, die Regierung könne dem Parlament die Genehmigung des Protokolls nicht empfehlen.
Vorige Woche nun war der Völkerbundsrat wieder einmal zusammen. Zum dreiunddreißigsienmat. Der englische Außenminister Chamberlain reiste in höchst eigener Person nack Genf. Und am Donnerstag hielt er dem totgeborenen Kind Bricmds und Mac Donalds die Leichenrede. Sie troff freilich von allerlei Lobsprüchen auf die Urheber das Protokolls. Echt diplomatisch wurden ihre „guten Absichten" über alle Maßen gelobt. Aber zuletzt doch das „Unannehmbar" ausgesprochen. Warum? Auf Antrag des Japaners Isbii kam seinerzeit die Bestimmung herein,'daß in gewissen Fällen ein Eingreifen des Völkerbunds auch bei sogenannten „inneren Angelegenheiten" einer Nation statthast sei. Also etwa zwischen Emstand und seinen Dominions. So etwas kann begreiflicherweise der englische Stolz und Weltberrsch-aftssinn nie zugeben. Das englische Weltreich läßt sich nie und nimmer in seine Häuslichen Händel dreinreden. Dann die Bestimmung wirtschaftlicher und Militärischer Sanktionen gegen den „Angreifer"! Sie war erst recht ein zweischneidiges Schwert. Der „Angreifer" wird z. B. mit seinen militärischen Dorbereitunaen zu Wasser und cu Land nicht erst warten, bis ein Streitfall mit seinem Gegner ausgebrochen ist. Vielmehr wird er sich langer Hand vorbereiten, dann, wenn er fertig ist, einen Streit vom Zaune brechen und sofort losschlagen. Nun wird der ganze Völkerbund gegen den Bösewicht ausgeboten. Deutschland wird dabei der gegebene Kriegsschauplatz sein, wie ehemals im Dreißigjährigen Krieg. Auch das paßte Chamberlain nicht. Und wir Deutsche können ihm dafür dankbar sein. Denkbar auch, daß er sich nicht für alle Grenzen, die der Versailler Vertrag gezogen hat, also auch für die neue Grenze Deutschlands gegen Polen und die Tschechen einsetzen will. Bekanntlich war das auch der wunde Punkt, um desssntwillen Amerika den Versailler Vertrag anzunebmen keine Lust hatte.
Kurz: Chamberlain leimte das Genfer Protokoll ab. Briand hielt die.Gegenrede: sie war ein Feuerwerk, wie »Ke seine Roden. Aber sie batte keine UÜberzeugungskraft. Der Tscheche Be ne sch sprach selbstverständlich für das Protokoll, aber er wollte auch nicht England vor den Kops stoßen. Und so stellte er Len Antrag: „Die englische Er- Körung, sowie olle Erklärungen, die bereits vorliogen und noch erfolgen würden, auf die sechste Völkerbundstagung zu verschieben." Vielleicht war das eine goldene Brücke für Frankreich. Solche „Verschiebungen" kennt man- Frankreich hat aber diesmal das Spiel verloren. Wenn auch Polen und die Tscheche! unt vielleicht auch Java« ihm beipflichten, die andern werden es doch mit England halten. Und man wird sich hüten, in derselben Sache sich eine zweite Schlapve zu holen. '
Bei diesem Anlaß kam wieder einmal der ganze Wert oder besser Unwert des Völkerbunds lo recht deutlich rinn Vorschein. Wir wollen von der Völkerbundsoersammlung selbst ganz schweigen. Di? ist ein viel ru großer Apparat, als daß sie richtig arbeiten könnte. Mehr Gepränge, als Handluna! Aber auch der Völkerbunds rat ist ein unpraktischer Avvarat. Schon deswegen, weil seine Beschlüsse zu ihrer Gültigkeit Einstimmigkeit erfordern. Wie wird man aber 9 Köpfe für olle wichtigen Fälle unter einen Hut bringen? Unmöglich. Ja, man könnte mit gutem Grund die Rechtsgültigkeit der seit- beriaen Beschlüsse mrfeckiten. Denn Amerika, das al«
Hauptmacht'ausdrücklich im Rat vertreten sein soll, hat jo nie mitgetan.
Und damit kommen wir zu dem Schlußurteil Chamber l a i n s, das uns ganz aus dem Herzen gesprochen ist. Er sprach ein großes Wort gelassen aus. Nämlich: „Jeder weiß, daß der Völkerbund so, wie er jetzt besteht, keineswegs jener Völkerbund ist, wir er von seinen Gründern gemeint war"
Stimmt. Das haben wir Deutsche (man denke an das Saarland und an Oberschlesien) mehr als einmal zu spüren bekommen. Vtft kl.
N
eue Nachrichten
Zur Reichpräsideukenwahl
Die sechste Kandidatur
Berlin, 16. März. Der Landesausschuß der Bayerischen Bolkspartei hat den bayerischen Ministe,präsi- )entcn Dr. Held mit seiner Zustimmung als Kandidaten lufgestellk. Der Ausschuß erklärte es als unmöglich für die Partei, für Marx oder Zaires zu stimmen. — Es gibt nun Uso 6 Kandidaturen für die Reichspräsidentschaft: Zc.rres, Marx, Braun, Thälmann, Held und Hellpach.
Der Wahlkampf beginnt
Der Reichsblock stellt in dem Wahlaufruf für Dr. karres das Leitwort auf: Einheit der Deutschen, Reinheit des öffentlichen Lebens, das Staatswohl über den Parteikeist, ein Weg, ein Wille. Der Aufruf ist von Generalfeld- narschall von Hindenburg und Großadmiral Tirpih unter- jeichnek. Die Wirtschaftliche Vereinigung ist »em Aeichsblock beigetreten-
Zn einer Vertreterversammlung der Rechtsparteien, der Vaterländischen und der Wirtsch-c fismrbände in Württemberg wurde am Montag der Anschluß an de« Reichsblock beschlossen.
Die in München abgehaltene Landesvorstandssitzung des Bayerischen Bauern- und Mittelstandsbundes bedauert es in einer einstimmig angenommenen Entschließung lebhaft, daß es wieder einmal im entscheidenden Augenblick nicht gelungen sei, die Zusammenfassung aller bürgerlichen Parteien zu erreichen. Die Unterstützung der Kandidatur der Linken komme für den B. B. u. M-V. nicht in Frage. Der Landesvorstand hat es aber auch abgelehnt, die Wahl des Kandidaten der Rechtsparteien seinen Mitgliedern und Anhängern zu empfehlen. Welchen Kandidaten die Parteileitung diesen vorschlagen wird, hängt von der Entscheidung ab, die die Frakticmsversammlung der Wirtschaftlichen Bereinigung trifft, die am nächsten Dienstag in Berlin stattfindet.
Am 19. März, nachts 12 Uhr, läuft die Anmeldefrist für die Wahlvvrschläge ab. In den folgenden 8 Wochentage müssen die Wahlzettel fertiggestellt werden, die die Namen der Bewerber in der Ordnung nach dem Abc enthalten. Die praktischen Einzelheiten der Wahl liegen den Landesregierungen ob.
Der Eisenbahn erstreik
Berlin, 16. März. Im Berliner Bezirk sind auch einige hundert Eisenbahnarbeiter zur Arbeit zurückgekehrt, dagegen bat in anderen Städten der Ausstand zugenommen; so sind in Bremen 400 Arbeiter in den Streik getreten.
Nach einer Versammlung der Streikenden des kommunistischen freien Eisenbahnerverbands zogen etwa 1000 Mann mit roten Fahnen zum Gebäude der Reichsbahndirektion und riefen: „Hoch die Wellrevolution, nieder Oeser und di« Reichsbahnüirektion!"
Bei dcm Umzug kam es verschiedentlich zu Ausschreitungen. Ein Straßenbahnwagenführer wurde gewaltsam zum Halten veranlaßt und mit einer eisernen Stange bearbeitet, Die ihm zu Hilfe eilenden Schutzleute wurden bedroht, woraus einer derselben einen Schuß abgab, durch den ein Streikender tödlich verletzt wurde.
Berlin, 16. März. Die „Rote Fahne" bericbtet, die so zialdemokratische Reichstagsfroktion wolle die Forderung-« für Reichswehr und Schutzpolizei im neuen Reichshaushalt plan ablehnen.
Die Schandtaten der Besahungstruppen
Berlin, 16. März. Nach dem amtlichen preußischen Be richt sind im Jahr 1923 in Westfalen 63 und in der Rheinprovinz 76 Personen von den Besatzungstruppen getöte: worden; fragliche Fälle sind hierbei unberücksichtigt geblie ben. Hiervon wurden erschossen: von den Franzos« 83 Männer, 2 Frauen, von den Belgiern 26 Männer, 1 Frau. Be 23 männlichen und 1 weiblichen Person findet sich nur di, allgemeine Angabe, daß sie von den Besatzungstruppen er schossen" seien. Auf je einer Zählkarte ist angegeben, „vor belgischen Soldaten totaeschlagen", „von Marokkanern tot geschlagen" und „erschossen von einem Engländer". Ihren Beruf nach waren von den getöteten Männern 84 Arbeite, 117 Bergleute), 17 Angestellte, 14 selbständige Kausstuls usm.
8 Polizerbeamte, 6 sonstige Beamte, 3 selbständige Berufe
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,7>.^vieruigsvirv!irig in r-epen
Darmstadk, 16. Märu Die Verhandlungen zwilchen Zen trum, Demokraten und Sozialdemokrat»»? zwecks ll'IT r herstelluna d»r früborc-n Weimarer Koalition baden dos Er gebnis gel.ab'. daß die drei Parteien sich zur Rcgi-.'rungz bildung vee»i,'ai haben. Die von den Rechtsparteien nnL dem Land: >nd beantragte Landtagsavslösnng wurde aboe leb nt. Heften hatte seit den Neuwahlen vom 7. Dezember 1824 nach dem Austritt der Deutschen Volkspartei aus dei Groben Koalition keine parlamentarische Negierung -"br da die Regierung damals zurückgetrsten und nur mit de: „Führung der Geschäfte" beauftragt war.
LparvorjchsZge des dänischen Hrieasm'iistsrs
Kopenhagen, 16. März. Der sozialistische Kricgsmiiiisie: hat, da tzr auf eine baldige Erledigung seines Anrüstung- Vorschlags nicht rechnen kann, dem Reichstag einen Ab änderungsvorsMag zum Haushaltgesetz vor ge legt. Danae sollen die Manöver in diesem Jahr (wie im r origen) öS ckrn werden, womit der Staat 1500 000 Kron«»n > e Ferner soll eine Reihe von militärischen Neuan'.';.:," und Kasernenbauten, die in der Militärordn-.-z i- ch
vorgesehen sind, vertagt und damit weitere 6 006'' 00 st , - ' : erspart bleiben. Die Ersparnisse wurden von den st-mse- vativen und der Bauernlinken abgolehnt. lo daß ein Strei wegen des Haushaltsgesetzes wahrscheinlich ist.
Die Einladung zum Eintritt in den Völkerbund
Genf, 16. März. Der Völkerbundsrat hat auf bade: -sche, mit dem bekannten Vorbehalt abgegebene Aus- nahmegesuch vom 12. Dezember 1924 -der Reichsregierunc ein Einladungsschreiben zugehen lassen, worin Deutschlai,k gleiche Rechte zugeftanden, aber auch gleiche Pflichten auf- ! erlegt werden. Eine Altsnahm» bezüglich des Artikels 16 des Völkerbttnüsstatuts zu machen, sei unmöglich. Es werde Deutschland selbst zustehen, im gegebenen Fall zu sagen, bis p, welchem Grad es in der Lage wäre, den Anforderungen aus Beteiligung an dem kriegerischen Unternehmen zu entsprechen. Ueberdies nehme jeweils ein Mitglied des Völkerbunds und des Völkerbundsrats an der entsprechenden Entscheidung über die Anwendung der Grundsätze der Völker- bundssatzung teil. Jeder Vorbehalt, ob ein einzelner Staat sich hiebei beteiligen wolle oder nicht, würde die Grundlage des Völkerbunds untergraben und wäre mit der Stellung kines Völkerbundsmitglieds unvereinbar. — Das Schreiben ist von dem Spanier Ouinones de Leon verfaßt.
Die milikärische Ueberwachung
Gens, 16. März. Der Völkerbundsrat hat bezüglich der nilitärischen Ueberwachung Deutschlands. Oesterxeicbs. Ungarns und Bulgarien beschlossen: Den Ueberwachungskoi» Missionen ist gemäß den Vorschlägen der Unterkomririffirm die unbedingte freie Durchführung ihrer Ausgabe zu gewährleisten. Das Eeneralsekretariajs möge prüfen, inwieweit zu diesem Zweck den zu übe» wachenden Staaten die Auflage zu machen ist, entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen; da» Sekretariat wird ermächtigt, schon jetzt diese vier Staaten zur Duldung der Ueberwachung zu verpflichten. Die weitere Prüfung eines Ueberwachungssystems für die Entmilitarisierung des Rheingebiets soll aus die nächste Tagung verschoben werden. Polen soll aufgefordert werden, dem Generalsekretär ausführlich die Gründe darzulegen, au» denen Polen eine ständige Mitgliedschaft in der Uebev» wachungskommission beansprucht. — Deutschlands „Gleichberechtigung" im Völkerbund scheint demnach doch recht sonderbar gedacht zu sein.
Paris, 16. März. Der „Matin" meint, Lord Curzoo und der bisherige englische Botschafter in Berlin, LorÜ d'Abernon haben durch ihr Ränkespiel die eigenklich» Politik Chamberlains durchkreuzt. Bei der heutigen Bespr» chung mit Herriot werde daher nur die englisch-srvnzösischq Meinungsverschiedenheit in der Sicherheitsfrage noch eins mal vor aller Welt klargelegt.
Der Kulturkampf iu Frankreich
Paris, 16. März. In der Notre Dame-Kirche erklärt« Kardinal Dubais von der Kanzel, der päpstliche Stuhl und der Nuntius haben von der letzten gemeinsamen Erklärung der französischen Kardinale gegen das Schulgesetz keine Kenntnis gehabt. Die Erklärung wolle keine Kriegserklö'- rung und keine politische Handlung sein, sie wünsche auch nicht den Sturz der Republik; sie sollte nur den Gläubigen vor Augen führen, daß die jetzigen Gesetze Frankreichs Li« Rechte der katholischen Geistlichkeit und der Orden verkennen. — Dem „Oeuvre" zufolge ist der Rückzug des Kardinals auf eine unmittelbare Weisung aus Rom zurückzuführen.
Die Präfektur und die Bürgermeisterei in Mülhausen i.E. baden durch Anschläge bekannt gemacht, best Eltern, die ihre Kinder nicht in die staatlichen Schulen schicken, o> >n das Staatsgesetz verstoßen und bestraft weiden. Im Eft ch rottd durch Anschläge in den Kirchen zum Schulstrei-k ausgefwl eru