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Nr. ^1
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Freitag den 35. Januar 1924
Verbreitetste Zeitung t« OberamtSbezirk. — An« zeigen sind daher von beste« Lrfolg.
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98. Jahrgang
Tagesspiegel
Der Reichspräsident hak zugleich im Namen der Reichs- > zierung dem Vorsitzenden der Sowjetregierung und dem ilkskonunifsar Tschitscherin das Beileid zum Tod Lenins Ausdrücken lassen. Auch dem Vertreter der Sowjetregierung st» Berlin wurde die Teilnahme ausgesprochen.
Der Führer der französischen Sozialist,, Albert Tho- >7!ns. hatte eine zweistündige Unterredung mit dem Reichs- : ' beiksminisker Dr. Brauns. Der Zweck der Besprechung r ar eine Warnung vor dem weiteren Abl>-u des achtstündigen Arbeitstags in Deutschland.
In Berlin sind zum 1. Februar 250V Staats- und 15VV sMlifche Beamte „abgebaut" worden. — Wegen Verweigerung des zehnstündigen Arbeitstags ist weiteren 2SVV Arbeitern in Berlin gekündigt worden.
Der thüringische Minister Hermann wurde auf Antrag seines Verteidigers aus der Untersuchungshaft entlassen.
Poincare hat den Vorschlag Lord Eurzons, den ganzen Areik über die Auslegung der Pflichten der Besatzungs- Mächte gegenüber der deutschen Verwaltung dem Haager Schiedsgericht zu unterbreiten, abgclehnt. >
Der zweite Pariser Sachversiärchigen-Ausschutz für die riapitalflucht wird seine nächste Sitzung am Donnerstag nächster Woche in Berlin abhalten.
Die italienischen Kammenvahlcn sind auf 6. April festgesetzt worden. Die neue Kammer soll am 24. Mai. dem , hrestag des Eintritts Italiens in den Welkkrk«-, inentreken.
Unterhaus und Reichstag
Ein Vergleich
Jeder politisch Denkende in Deutschland empfindet rvoist etwas Neid beim Lesen des englischen Pnrlamentsberichts. La erklärt der abtretende Konservative B a l d w i n. daß seine Partei gegen eine Arbeiterregierung eine besonnene Opposition treiben werde und nicht daran denke, den Gegner durch Hakanen und Quertreibereien an der Ausführung seines Amtes zu hindern. Und der zur Macht gelangende Sozialist Macdonald erklärt, niemand brauche zu befürcht-n. daß die Arbeiterpartei marxistische Kunststücke machen, etwa das Kapital beschlagnahmen werde, um es zu verschwende». Hinwiederum macht der bisherige erste Lord k--r Admiralität, A m e r y, dem aus außenpolitischen Grsiuven di« gewaltige Vergrößerung der englischen Flotte am Herzen liegt (52 neue Kreuzer in den nächsten 10 Jahren d-ie'es unerhörte Nüstungsprogrannn Len SoziaMe» schmackhaft, indem er nachweift, daß die Ausführung der -epkcmten Bauten 32 000 Arbeitern dauernde Beschäftigung gäxrn wird. .
So haben sich in der Sitzung des brikichen Unterhauses kommende Regierung und künftige Opposition die Hände gereicht, ein glänzendes Beispiel politischer Disziplin. Woran üogt es? Cs üegt andvrlleberliefernng, die den englischen Parlamentarismus groß gemacht hat. Es liegt mehr, als man ahnt, an einer Reihe von Aeußerlichkeiten und schein- baren Eigensinnigkeiten, die aber erst den inneren Wert des englischen Parlamentswesens her aus gebildet haben und immer wieder neu verjüngen.
Der Deutsche, der den berühmten kleinen Saal im West- minster-Palast, in dem das Haus der Gemeinen tagt, nicht aus eigener Reiseersahrung kennt, der weiß aus vielen Zeitungsartikeln, daß der Sprecher aus seinem altertümlichen Wollsack fitzt, daß er und seine Clerks mittelalterliche Perücken tragen, daß die ganze Mitte des Saals vom „Tisch des Hau- »er" beherrscht wird, auf dem das Zepter und andere Wahrzeichen lagern, und er weiß auch, daß auf der einen Sette des Tisches die Opposition und auf der anderen Seite die Regierungspartei sitzt mit den jeweilige» Ministern in der ersten Reihe. Welchen Gnflnß diese Anordnung auf die ganze Art d'-r parlamentarischen Arbeit hat, welche Möglichkeiten der Leistung sie gibt, das ist eben bezeichnend für die englische Volksvertretung. Die politischen Gegner 'sprechen zueinander über den Tisch des Hauses hinweg. Sie wenden sich mit ihren Ausführungen unmitteWar an ihr Gegenüber. Dieses Verfahren macht viel mehr als in den festländischen Parlamenten den Eindruck, daß man anklagen, daß man Einwände Heraussardern, daß man etwas erreichen will.
Weniger bekannt als diese Dinge ist in Deutschland die Tatsache, daß der Saal des „Hause os Commons" so klein ist, daß er bei weitem nicht alle vom Volk erwählten Abgeordneten faßt. Eine große Zahl von ihnen ist dazu verurteilt, den Verhandlungen fern zu bleiben. Verhältnismäßig nur wenig« Volksvertreter führen die politischen Geschäfte. Aber auch dies hat fein Gutes: Das Haus macht stets einen vol- i e n Eindruck. Jeder Wähler, der das Parlament besucht, nimmt den Eindruck mit, daß in Westminster fleißig gearbeitet wird. Wie anders wirkt der Besuch des Deutschen Reichstags auf den deutschen Wähler ein! Der große Raun; ist meist leer. Die Anwesenden achten kaum aus d'n Tribünenredner. Sie lesen und schreiben, sie schwatzen und lachen. Im englischen Parlament verbietet der Widerhall des kleinen Raums sede übermäßige Anstrengung der Stimmkraft. Ein Redner, der hier mit lautem Getue sprechen wollte, wäre bald lächerlich. Infolgedessen sagt a u cd ein jedcrnur
vas, was er zu sagen hat. Er sagt es ungezwungen und natürlich. Das Ganze macht mehr den Eindruck einer in- slimen und wirksamen Verhandlung zwischen ernsten Männern als der Reichstag, wo die Tribüne oft dazu benutzt wird, Dinge zu sagen, dieman woanders nicht lagen darf. ,
- Deutschland steht in der Vorbereitung von Neuwahlen. Im Ministerium des Innern werden Reformentwürfe ausgearbeitet. Das republikanische Wahlsystem mfl seiner Ver» koxpeluna von Proporz- und Listensystem yat zur Vorherrschaft der Parteimaschinen und dazu geführt, daß das Schwergewicht für die Aufstellung der Kandidatenliste in der sZentrale liegt und das Parlament immer ärmer an Persönlichkeiten wird. Will man die Reform wieder ganz von der theoretischen und doktrinären Ecke aus machen? Läßt sich Nicht so manches aus dem ältesten und praktischsten Parla- -mentarismus der Welt, dem englischen lernen? —er.
Die russischen Bestechungsgelder
Seit geraumer Zeit veröffentlicht das setzi den radikalsten Flügel der französischen Sozialisten vertretende Blatt „Hülm amte" tagtäglich Urkunden, die ihm von der bolschewisti- ßch-en Regierung aus den Geheimakten des russischen Außen- iimmsterlums zur Verfügung gestellt worden sind Bisher Acht fest, daß beinahe die gesamte große Purst»- Presse und ßweifthos auch ein Teil der einflußreichen Provinzpresse mit russischen Staatsgeldern für die Herbeiführung des Welt- krisvL Helschen worden ist. „Matin", „Journal", „Petit Pa- srisien", „Echo de Paris", „Figaro", „Libre Parole", „Gau- ilois", „Journal", die halbamtlichen Abendblätter „Temps" ernd „Journal des Debüts", dazu noch die großen Provinz- tzettungen. deren Liste man einstweilen nicht kennt, sie alle hoben russische Schmiergelder genommen, um entsprechend pen Wünschen des russischen Kriegstreibers Jswolsky und Keiner französischen Mitverbrecher den Weltkrieg „endlich" — nach Jswolskys eigenem freudigen Wort — herbei» tzvfiihren.
Die durch die Kammercmfrage des linksradikalen Abgeordneten Marcel Cachin angekündigten neuen Enthüllungen der „Humanite" enthalten den schlüssigen Beweis, daß sich cm dieser Blutgelderverteilung neben dem Finanz- inÜH späteren Innenminister Klotz, und neben Sriand, deffe»> ßkclle noch nicht ganz aufgehellt ist, an allcrwfter Stelle der-
Minister- und spätere Staatspräsident Pv'ncarö beteiligt hat nachgesagt werden können, nämlich daß er es jahrelang, das Schlimmste ist, was jemals einem leitenden Staatsmann hat nachgesagt werden können, nmiMch daß er es jahrelang, mit eisiger Berechnung, darauf abgesehen hat, mit Hilfe ausländischer Schmiergelder sein eigenes Volk in einen mörderischen Krieg zu treiben und die Welt in ein Blutbad zu stürzen, schweigt Poincare in allen Tonarten, schweigt, trotzdem sogar sehr franzosenfreundliche Welschschweizer Blätter ihm den tc Hinsehen Rat erteilt haben, nun doch endlich einmal eine fi.ner berühmten Sonntagsreden zur „Klärung" dieser seiner eigensten Angelegenheit zu verwenden.
Schon im Jahr 1909 (am 16. März) sieht sich der ständige Bestechungsagent, den Rußland in Paris unterhält, ein Herr Rassaelowitsch. der übrigens heute noch in Paris lebt, und der die Urkunden der „Humanite" in -eann Punkte hat Lügen strafen können, veranlaßt, seiner Regierung zu berich« reu, daß er wenig Zuversicht in den Kriegsw-Uen des französischen Volks habe. Namentlich werde dieses sich schwerlich für innen infolge der Haltung Serbiens entstehenden Krieg zwischen Rußland und Oesterreich begeistern, wenn durch die Störung des Friedens durch Serbien ein Krieg mit> Deutschland entstehen sollte. Rafsaelowitsch sieht damals, gestützt auf seine Pariser Beziehungen, den kommenden Weltkrieg voraus. „Das österreichisch-ungarische Heer besetzt Belgrad, man sieht die Mobilisierung Rußlands, den Aus»' morsch einiger Armeekorps an der österreichischen Grenze,! man sieht Deutschland durch die gleichen Maßnahmen an der russischen Grenze antworten, Frankreich semersetts an seiner Ostgrenz«, England entsendet seine Panzerschiffe cich der Ostsee. Man wird noch einmal verhandeln inddvrnwird derWeltkriegausbreche n." Das alles sah man also 1909 in Paris so klar voraus; nur um die Kriegsbegeisterung der französischen Bevölkerung bei diesem Kr'.egsanlaß ist Oer russische Schmiergelder-Agent besorgt. Und nicht nur er. Auch die Herren Poincare und Klotz waren nicht etwa um die Erhaltung des Weltfriedens bange, sondern nur darum, auf welche Weife rechtzeitig die von ihnen benötigt« Kriegs st immung erzeugt werden könne. Sie sahen, das sichere Mittel dazu in einer mit genügend viel Rubel zu unternehmenden Bestechung der französischen Presse. Für das Gelingen dieses ihres Vorschlags setzten sie sich förmlich ein. Der von der russischen Regierung angewiesene Schmiergelderbetrag muß nur hinlänglich c oß sein. 300 000 Franken müssen, zahlbar in drei Raten, ongeuüsftn werden. Ueber ihre Verteilung haben Poincare und Klvtz nicht nur mit Jswolsky förmlich verhandelt, sondern sich ausdrücklich ausbedungen, daß Rese Schmiergelder nicht vt.ue ihre unmittelbare Beteiligung verte-.lt werden dürften. Sa berichtet Jswolsky an Sassonow, --aß nichts ohne
narherige Besprechung mit Poincarö unternommen werdech Dürfe, der ausdrücklich für das in ihn gesetzte volle Vertraue^ gedankt habe. Ein anderknal wird Poincares Fach-» 'enntnis in der Schmiergeldcrverteilun^ tobend hervorgehoben. Ausgemacht wurde dabei, daß dis Gelder bei der Bank von Frankreich hinterlegt werden miiU ton, da man dort vor Ausplaudereien sicher sei. D-e Bann Waris-Pays-Bas dagegen käme nicht in Betracht, weil ihre! leiden Direktoren Schweizer seien. Dem Finanzminifteri Klotz wird seine gute Kenntnis der käuflichen Provinzpreff« bescheinigt. Jswolsky wünscht ausdrücklich, daß an dem vom Klotz zu diesem Zweck bis Ende Januar verlangten Betrag» von 100 MO Franken nicht gemarktet werden dürfe. Raffaelo- miisch kann dem russischen Botschafter bald dazu Glück wünschen, daß dieser im „Temps" Berichte sinder, die er — selbst Diktiert hat. An den russischen Ministerpräsidenten Kokowzew schreibt er einmal, daß er über die Operationen gegenüber der »Presse Abscheu empfinde. Aber da Poincare die Fortsetzung der Bestechungen wünscht und der Erfolg sichtbar und unbestreitbar sei, so sei nichts zu machen als neue Rubel zu schicken.
So erreichte mit Poincares Hilfe und Anweisung Is- nwlsky nach und nach das Ziel, welches er schon istr Oktober 4908 dem damaligen Direktor des „Eclair". Ernest Judst, dev Durch eine Zuschrift an die „Humanite" als neuer Zeuge auf bin Plan tritt, auseinandergesetzt hatte: Entzündung »eines Weltkriegs mit Verwickelung Deutschlands in diesen Weltkrieg zu dem Zweck, die sDarda nellen mit Konstantinopel für Rußland zu erobern. Dazu mußte man Frankreichs unbedingt sicher sein.
Das ist ein knapper Auszug aus den bisher vorliegenden ^Enthüllungen. Die Pariser Presse schweigt dazu, und sie hat Grund. Poincare selbst schweigt ebenfalls, und vielleicht aus Demselben Grund. Noch sind die Veröffentlichungen der „Hu- Lnanite" nämlich nicht abgeschlossen, und das Blatt ist so unfreundlich, in seiner letzten Nummer anzudeuten, daß es die y?riginalguittungen über die Verwendung der Schmiergelder
Die deutsche Goldnotenbank
Der Plan dos Dr. Schacht
Berlin, 24. Jan. Der Berliner Berichterstatter des „Petit ,P . .sien" erfährt über die Pläne des Reichsbankpräsidenten iDr. Schacht bezüglich der Goldnotenbank folgendes: Di« »Bank soll mit einem Kapital von einer Milliarde Goldmart ausgestattet werden. Zunächst werden Banknoten bis zu« Höhe von 2 Milliarden Gvldmark ausgsgrben, die zur häkstt !mit Goldwerten gedeckt sein müssen. Wenn der Bedarf ar sGoldumlaufsmitteln es erforderlich machen sollte, könnt« »später der Danknotenbetrag bis auf 3 Milliarden erhöh -werden. Die Zeichnungen auf die Milliarde sollen in Deutschland und im Ausland erfolgen, doch sollen d-e Zeichner «ich! verpflichtet sein» ihre Namen onzugeben sie können aact Durch Strohmänner zeichnen lassen. Für ous ins Auslam gebracht deutsche Kapital soll keine Bestrafung ergehen wenh der Eigentümer Antelle der Goldnotenbank bis zur sHälH feines Auslandsbarbesitzes übernimmt. Die Reichs> jb a nck wird sich mit einem Goldbetrag beteiligen, der ihr vhiu Belastung zur Verfügung fleht. Me Zeichnungen in GÄd oder Devisen, die das Baukkapital bilden,, sollen in einem neutralen Land hinterlegt werden, urni fi wohl gegen eine Revolution in Deutschland als gegen die Beschlagnahme durch eine feindliche Macht gesichert zu fein.
Die Bant darf keine Spekulationsgeschäfte machen; ihr Nusfichtsrat besteht ausschließlich aus Persönlichkeiten des wirtschaftlichen Lebens. Di« Einlösung der crusgegebenen Banknoten gegen Gold oder Deoisen nach Ablauf: eines Jahrs wird verbürgt, ebenso das Bankgeheimnis, sowohl seitens des Reichs als durch Berrräg? mit den aus-i ländischen Treuhändern. Die Aktienanteile werfen ein« ins Gold zahlbare Dividende ad. Die Bank ist sleuer- und al> »gabefrei. Don dem Reingewinn erhält das Reich zwei» Prozent des Aktienkapitals, von dem Rest erhalten die Aktionäre 5 Prozent ihres Kapitals und außerdem 50 Prozent des über die Dividende hinausschießenden Gewinns. Durch Zusammenarbeiten mit der Reichsbank vermeidet die Goldnotenbank erhebliche Einrichtung-»- und Personalausgabcn. Der Bestand der Bank wird auf 26 Jahre i.chergestelll. Bei: der Auslösung vecieilen die Zeichner das Kapital und die. Rücklagen unter sich. Wenn die Bank vom Reich verwor- n wird, entfällt auf die Aktienanteile das Mache der Dur h- Ichnittsdividenden der letzten -0 Jahre, mindestens jedoch das Doppelte des Kapitalnennbetrags und dis-Hälfte der Rück- sogen. Die Verlängerung der Konzession von seiten des Reichs ist vorgesehen. Das Reich erhält nach erfolgter Rückzahlung der Rücklagen 10 Prozent vom emgezahlten Aktienkapital, die Hälfte des nach Auszahlung von S Prozent a«. die Aktionäre verbleibenden Ueberschusies über die Dividende und im Auslösungsfall die Hälfte des Rücklagekapitals.
Der Berichterstatter meldet ferner, Dr. Schacht schätze de«! Gc' mtbetrag der in Deutschland befindlichen ausländische« Dc isen aus 2 Milliarden Goldmark und das im Ausland untergebrachte Kapital deutscher Eigentümer ebenso hoch.