Deutschlands Hermann Müller und Otto WelS an der Tagung teilnehmen.
Generalstreiksdrohung in Berlin.
Berlin, 3. Nov. In der gestrigen Plenarversammlung der Berliner GewerkschaftSkommisston wurde eine Resolution angenommen, in der erklärt wird, daß, wenn der Konflikt in dem Berliner Gastwirtsgewerbe in drei Tagen nicht beigelegt wird, die Plenarversammlung fest entschlossen ist, den Generalstreik tn Berlin zur Anwendung zu bringen.
Verhaftungen in Gleiwitz.
Gleiwitz, 3. Nov. Gestern abend besuchten französische Soldaten das evangelische Vereinshaus und verhafteten die Teilnehmer an einem Abendkurs, meist Kriegsteilnehmer und ehemalige Schüler der Mittelschulen, etwa 60 Personen, die nach der französischen Kaserne gebracht wurden.
Der Botschasterrat nnd die Internierung König Karls.
Paris, 2. Nov. Der Botschasterrat hat sich über die Frage, wo Karl zu internieren sei, noch nicht schlüssig werden können. Man erwartet die Zustimmung der portugiesischen Regierung znr Internierung auf der Insel Madeira. An dieser Zustimmung ist nicht zu zweifeln, denn Portugal hat während des Krieges sich der Entente angeschlossen und gehört also mit zu ihr. Es ist im Grunde genommen nichts anderes als eine englische Kolonie, besonder- mit Rücksicht aus sein finanzielles Vasallen erhältnis zu London.
Blutige Zwischenfälle bei der tschechischen Mobilmachung.
Berlin. 3. Nov. Aus Eger wird gemeldet: Eine Prager Militärabteilung welche die Pferdemusterung in Eger durchführen wollte, geriet tn Streit mit der Bevölkerung, weil sie die übernommenen Pferde nicht in bar, sondern in Anweisungen auf die Steuerbehörden bezahlte. Das Militär wurde von den zornigen Bauern angegriffen und feuerte. Eine große Zahl Toter und Verwundeter soll auf dem Platze geblieben sein. Man spricht von 40 Toten und 80 Verwundeten. _
Aus aller Welt
Den deutschen Toten.
-j- Paris, 2. Nov. Zum Gedächtnis der in französischer Erde ruhenden deutschen Krieger legte der Botschafter Dr. Mayer heute auf dem Pariser Friedhof tn Jvry, wo ungefähr 100 deutsche Krieger beerdigt sind, in Gegenwart der Mitglieder der Botschaft und der übrigen deutschen Stellen in Parts einen Kranz nieder. Die Gemahlin des Botschafters widmete einen Kranz für die deutschen Mütter u. Frauen. Sämtliche Gräber waren mit frischen Bumen geschmückt.
Aus Stadt und Bezirk.
Nagold, 4. November 1921.
In unserem Schaufenster sind anläßlich der Evangelisations Vorträge von Missionar Vielhauer religiöse Schriften und Bücher ausgestellt.
Militär- u. Deteraneu-Bereiu Nagold. Am 13. Nov. 1921 hält der Verein tn der hiesigen Turnhalle fein 50jähr. Jubiläum ab. Die Vorstandschaft hat sich dahin geeinigt, dieses Jubiläum festlich zu begehen, dafür aber, infolge der Kürze, die Weihnachtsfeier für dieses Jahr ausfallen zu lassen, worauf die Mitglieder sowie Freunde und Gönner aufmerksam gemacht werden. Ferner werden diejenigen Kameraden, welche im Feld, d. h. an der Front oder in der Etappe oder in der Heimat zum Heeresdienst eingezogen waren, auf die Bestellung der Kriegsdenkmünze 1914^18 mit Besitzzeugnis, das nur bei dem Vorstand des Vereins bestellt werden kann, hin gewiesen. Diese Denkmünze kostet den Besteller mit der Verleihungsurkunde 10 Der UebererlöS aus diesem Betrag fließt der Unterstützungskasse für die Kriegererholungsheime zur besseren Verpflegung und Ausrüstung zu. Deshalb sollte es kein Kamerad, der in Betracht kommt, versäumen, hievon Gebrauch zu machen. Die besagte Kriegs-
Niemand lasse den Glauben daran fahren, daß Gott H durch ihn eine große Tat will. Luther. ^
Lichtenstein.
10) Romantische Sage von Wilhelm Hauff.
Der Platz vor dem Rathaus bot indes einen ganz eigenen Anblick dar. Die Tage waren noch kurz und die Abenddämmerung war während der Tafel unbemerkt heretngebro- chen; man hatte daher Fackeln und Windlichter angezündet; ihr dunkelroter Schein erhellte den großen Raum nur sparsam und spielte in zitternden Reflexen an den Fenstern der gegenüberstehenden Häuser und auf den blanken Helmen und Brustharntschen der Ritter. Wildes Rufen nach Pferden und Knechten scholl aus der Halle des Rathauses, das Klirren der nachschleppenden Schwerter, das Hin- und Herrennen der vielen Menschen mischte sich tn das Gebell der Hunde, in da- Wiehern und Stampfen der ungeduldigen Rosse, eine Szene, die mehr einem in der Nacht vom Feinde überfallenen Posten als dem Ausbruch von einem friedlichen Mahle glich.
Ueberrascht blieb Georg unter der Halle stehen. Der Anblick so vieler fröhlicher Gesichter, der kräftigen Gestalten, die in jugendlichem Mute ansprengten, kühne Reiterkünste übten und dann singend und jubelnd tn kleinen Haufen abzogen und in der Nacht verschwanden, dieser nächtliche, flüchtige Anblick erinnerte ihn, wie ungewiß, wie schnell auch diese Tage vorübergehen würden, wie alle diese fröhlichen Gesellen dem tiefen Ernst des Krieges entgegenzögen, wie mancher, noch ehe der Frühling völlig heraufgtnge, mit seinem Körper den grünen Rasen decken werde, wie sie gefallen sein würden, ohne mit ihrem Blute etwas eingelöst zu haben, als die Träne eines Kameraden und den kurzen Ruhm, als brave Männer vor dem Feinde geblieben zu sein.
Unwillkürlich streifte sein Auge nach jener Seite hin, wo er seinen Kampfpreis wußte Er sah dort viele Leute an
denkmünze darf als letzte bei den übrigen Auszeichnungen getragen werden.
Bolksbildungskurse Nagold. Heute abend 8^4 Uhr hält Studienrat Knödler einen Lichtbtldervortrag über Ober- schlesten, nächsten Montag spricht cunci. iur. Gerhard Schott über Dante. Damit beginnen die Vorträge dieses Winters. Es sollen folgen: Die Geschichte der Hvhenberger (Studien-» direkter Dteterle), Die Besiedlung des Schwarzwaldes in vorrömischer und römischer Zeit und im frühesten deutschen Mittelalter (2—3 Abende mit Lichtbildern von Direktor Dr. Göss- ler, Stuttgart), Die Geschichte der Nagold in alter Zeit (Professor Dr. Wagner), Hohennagold (Studienrat Knödler), Einführung in die Darbietungen der Schwäbifch-n Volksbühne: Dorqusto llasso (Studienrat Gös). der Widerspenstigen Zäh- hmung von Shakespeare und Die Ehre von Sudermann (Professor Bauser). Ferner Ludwig Thoma (Studienrat Schmid), Goethe-Lavater (VolkSschulrektor Kiefner), Der Untergang des Abendlandes von Spengler (1—2 Abends von Stadtpfarrer Völter-Wtldberg), Johannes Müller (Stadtpfarrer Dr. Schauer). Außerdem: Blut und Impfung (Studienrat Dr. Bretschneider) und wahrscheinlich einige Lichtbilder- vorführungen. Die Vorträge finden im Fcstsaal des Seminars statt. Für den Vortrag wird in der Regel 1 erhoben, für alle Vorträge des Winters werden Karten zu 10 -/«i ausgsgeben. Wagner.
* Ouvertürenabend des Seminars. Nach längerer Pause gab das Seminar gestern den ersten Vorspielabend der „Saison," der in der Hauptsache Mozart gewidmet war. Wenn der Abend zu der Hoffnung berechtigt, daß die Einrichtung der Dormerstagvorsptele wieder eine regelmäßige sein wird, dann hat er neben den übrigen Genüssen, die er bot, seinen Zweck reichlich erfüllt.
* Falsche Reichsbankuote zu 100 Von den Reichs
banknoten zu 100 mit dem Datum vom 1. 11. 1920, die seit Anfang ds. Js. dem Verkehr zugeführt wurden, find jetzt Fälschungen ausgetaucht, die als solche durch das Fehlen des Wasserzeichens oder durch Abweichungen im Wasserzeichen wie auch an dem nur vorgetäuschten Faserstreifen leicht zu erkennen sind. Es wird daher nochmals darauf hingewiesen, daß die echten Noten dieser Ausgabe auf der Mitte der Rückseite einen kupferbraunen Faserstreifen tragen, der nicht in aufgedruckten Farbftrtchen besteht, sondern aus Pflanzenfasern, die in daS Papier eingelassen sind und sich mit einer Nadel loslösen lassen müssen. Die echten Noten tragen ferner auf dem rechten und linken unbcdruckteu Rande ein Wasserzeichen * 100 * * 100 * ^t., das aus dem einen Rande in Heller,
auf dem andern in dunkler Ausführung erscheint. Gibt also eine 100 Note zu Zweifeln Anlaß, sei es durch Abweichungen im Papier,- sei es durch unklare verschwommene DruckauSführung, dann.prüfe man Wasserzeichen und Faser- strsifen und wird so vor Verlusten geschützt sein. Vor Annahme dieser Nachahmungen sei also gewarnt I
* Belohnung für Aufdeckung von Falschmünzerwerk- stätteu. Es wird in Erinnerung gebracht, daß das Reichs bank-Direktorium für die Aufdeckung von Falschmünzerwrrk- stätten und für zweckdienliche Mitteilungen, die zur Festnahme und Bestrafung von Herstellern und wissentlichen Verbreitern von falschen Reichsbanknoten führen, Belohnungen auSgesetzt hat, die im Einzelfalle, je nach der Gefährlichkeit der Falschstücke, dem Umfang des Münzverbrechens und dem Maß der Beihilfe bei der Aufdeckung bis zu einer Höhe von 10000 bemessen werden und sowohl an Fahndungsbeamte, als auch an Privatpersonen zur Verteilung kommen können. Auch in den Fällen werden angemessene Belohnungen gezahlt, in denen durch die Aufmerksamkeit des Publikums und der Beamten Münzoerbrechen verhütet werden.
* Aebergangsbestimmmrgen für die Avsfuhrabgabe. Die Uebergangsbestimmungen für die Erhebung der neuerhöhten Ausfuhrabgabe werden so gestaltet sein, daß von der erhöhten Abgabe frei bleiben 1. solche Verkäufe nach europäischen Ländern, die vordem 20. Oktober 192l mit festen Preisen abgeschlossen find und für die ein Ausfuhrantrag bis zum 1. Dezember an die Außenhandelsstelle abgesandt ist, 2. Verkäufe nach Uebersee, wenn sie auf eine Offerte mit festen
den Fenstern stehen, aber der schwärzliche Rauch der Fackeln, der wie eine Wolke über den Platz htnzog, verhüllte die Gegenständ« wie mit einem Schleier und ließ sie nur wie ungewisse Schatten sehen; unbefriedigt wandte er sein Auge ab. „So ist auch meine Zukunft," sagte er zu sich, „das Jetzt ist Helle, aber wie dunkel, wie ungewiß das Ziel."
Sein freundlicher Wirt riß ihn aus diesem Küstern Sinnen mit der Frage, wo seine Knechte mit seinen Pferden seien. Wenn der Platz, woraus sie standen, Heller erleuchtet gewesen wäre, so hätte vielleicht der gute Kraft eine flüchtige, aber brennende Röte, die bei dieser Frage über Georgs Wangen zog, bemerken können. „Ein junger Kriegsmann," antwortete er schnell gefaßt, „muß sich so viel wie möglich selbst zu helfen wissen, daher habe ich keine Diener bet mir. Mein Pferd aber habe ich Breitensleins Knechten übergeben."
Der Raisschreiber lobte im Weiterschrsiterr die Strenge des jungen Mannes gegen sich selbst, gestand aber, daß er, wenn er einmal zu Felde ziehe, den Dienst nicht so strenge lernen werde. Ein Blick auf sein zierlich geordnetes Haar und den fein gekräuselten Bart überzeugte Georg, daß sein Begleiter aus voller Seele spreche, und die zierliche, bequeme Wohnung, in welcher sie bald darauf anlangten, widersprach diesem Glauben nicht.
DaS Hauswesen des Herrn von Kraft war eine sogsnannte Junggesellenwirtschaft, denn Herrn Dieterichs Eltern waren längst abgeschieden, als er in das Mannesalter und zugleich in seinen Posten beim großen Rate eintrat. Er würde sich vielleicht längst um eine Genossin seiner Herrlichkeit umgesehen haben, wenn nicht die Anmut des Jung- gesellenlebens, der nicht zu verachtende Vorteil, von allen jungen Damen der Stadt als eine gute Partie (nach heutigen Begriffen) angesehen und honoriert zu werden, vor allem aber, wie man sich ins Ohr flüsterte, die entschiedene Abneigung, die seine alte Amme und Haushälterin vor einer jungen Gebieterin hegte, ihn immer von diesem Schritte abgehalten hätte.
Herr Dieterich hatte ein großes Haus, nicht weit vom Münster, einen schönen Garten am Michelsberg, sein Hausgeräte war im besten Stande, die großen eichenen Kästen voll des köstlichsten Linnenzeuges, das die Krastinnen und
Preisen, die vor dem 20. Oktober 1921 hiuausgelegt wurde, getätigt werden und der entsprechende Aussuhrantrag bis zum 15. Januar 1922 an die zuständige Außenhandelsstelle abgesandt ist. Durch diese Regelung soll eine nachträgliche Preisänderung bei schon getätigten Geschäften, da sie das Vertrauen auf die Zuverlässigkeit des deutschen Kaufmanns und Industriellen im Ausland schädigen würde, vermieden werden.
* Unsere Bögel. Der Winter kommt oft ganz unangemeldet mit all seiner Strenge. Unseren Standvögeln jedoch schon im Oktober einen gedeckten Tisch zu bieten, ist unzweckmäßig: „Sattsein macht stumpf und träge; Kampf hält die Kräfte rege!" Solange der Boden noch offen oder nicht hoch mit Schnee bedeckt ist, solange bedarf es der Bogelfütterung in vollem Umfange nicht. Um die lieben Tierchen indes an die Futterplätze zu gewöhnen, ma> hie und da eine kleine Zukost genügen. In der Hauptsache sollen sich aber die aefieder- ten Gariengehilfkn ihre Nahrung jetzt noch an Bäumen, Sträuchern, an Büschen und Halmen, in Hecken u. Zäunen, in Fugen und Ritzen suchen, also arbeiten, solange es geht. Keine weichliche Barmherzigkeit, die die Vögel gleichsam nur zu Bettlern erzieht. Klopft aber die rauhe Not an, dann streut die wahre Liebe mit vollen.Händen.
* Weinbehandlungs-Kurs. In dev Zeit vom 28. Nov. bis 10. Dez 1921 finser, worauf nochmals hingewiesen sei, in der Weinbau-Versuchsanstalt zu Weinsberg ein Kurs über Weinberettung und Weinbehandlung statt. Anmeldung beim Vorstand der Anstalt unter Angabe von Alter und Berus bis zum 10. Noo. 1921.
Württemberg.
Beschlagnahme von Brennholz. Freudenstadt, 1. Nov. Auf dem Stadtbahnhof wurden seitens der Stadt 32 Rm. Papierholz und 28 Rm. Scheiterholz beschlagnahmt, die bei einer stcidt. Holzversteigerung für die Brennholzversorgung der Bürgerschaft unter der Bedingung abgegeben wurden, daß sie nicht weiter veräußert werden. Da sie aber an einen Holzhändler weiter veräußert wurden, beschlagnahmte die Stadt das Holz. Ein Gesuch des Holzhändlers, das Holz freizugeben, wurde vom Gemeinderat abschlägig beschieden.
AmtsjübUiium. Herrenberg, 3. Noo. Am letzten Samstag fand anläßlich einer BeztrkSralssttzung eine filiere. den Bezirk wie die beteiligten Beamten sehr ehrende Jubiläumsfeier statt. Waren cs doch im April 35 Jahre, daß Oberamts- sparkasster Weil und am 30. Okt. 30 Jahre, daß Oberamls- baumetster Riecker im Dienste der AmtSkörperschaft tätig sind. Oberamlmann Risch übermittelte den Jubilaren den wohlverdienten Dank.
Schweres Explosiousunglück. Stuttgart, 3. Noo. Auf dem Lagerplatz der Aiteisenhandlurg Falk-Adler tn Cannstatt explodierte eine Granate, an der sich einige Arbeiter zu schaffen machten. Drei Arbeiter wurden dabet vollständig in Stücke zerrissen.
Der motorlose Flug. Stuttgart. 2. Noo. Der Bedeutung des motorlosen Flugzeugs wird von wissenschaftlicher Seite aus dadurch entsprochen, daß an den techn. Hochschulen dieses Problem unter die Unterrichtsfächer ausgenommen worden ist. An der Techn. Hochschule Stuttgart wird in diesem Semester von Prof. Baumann eine seminaristische Vorlesung über den Srgeiflug abgehalten, wo tn Rede und Gegenrede in wissenschaftlicher Weise auf Fragen aus Theorie u. Praxis der Segelflicgeret eingegangen wird.
r Der Fleischverbrauch. Stuttgart, 3. Noo. Daß der Fleischverbrauch seit Aufhebung der Zwangswirtschaft wieder sehr rasch und stark zugenommen hat, geht aus den nunmehr vorliegenden Ziffern über die Tiere hervor, an denen im ersten Halbjahr 192l die Schlachtvieh- u. Fleischbeschau vorgenommen worden ist. Die Statistik führt für diese Zeit folgende Zahlen für ganz Württemberg auf, wobei wir zu Vergleichszwecken die entsprechenden Zahlen des letzten Frie- densha!bjahres'(1. Jan. bis 30. Juni 1914) besiügen: Pferde 1561 (680), Ochsen 4005 (7275), Bullen 4245 (5503), Kühe 24 543 (22 251), Juugriuder 28 175 (42 321), Kälber 60 122 (92 974), Schweine 70365 (276 12 l!), Schafe 8624 (8244) U. Ziegen 465» (22486). Der N'ckarkreis (Stuttgart) steht der
ihre Zofen seit-vielen Generationen in den langen Winterabenden zusammengesponnen hatten; die eiserne Truhe im Schlafzimmer enthielt eine erkleckliche Anzahl von Goldgülden, Herr Dieterich selbst war ein hübscher, solider Herr, ging immer geschniegelt und gebügelt, mit gesetztem, anständigem Gang tn den Rat, hatte einen guten Haus- und Ratsverstand, war aus einer alten Familie: war es ein Wunder, wenn die ganze Stadt sein Leben pries, und jedes hübsche Ulmer Stadtkind sich glücklich gefühlt hätte, in diesen bcquem aus- stasfierten Ehehimmel zu kommen?
Georg kamen übrigens die Verhältnisse bei näherer Be- stchtigung nichts weniger als lockend vor. Die einzigen Hausgenossen deS Ratsschretbers waren ein alter, grauer Diener, zwei große Katzen und die unförmlich dicke Amme. Diese vier Geschöpfe starrten den Gast mit großen, bedenk- lichen Augen an, die ihm bewiesen, wie ungewohnt ihnen ein solcher Zuwachs der Haushaltung sei. (Forts, folgt.)
—d—
Lüge und Wahrheit.
Was du teurer bezahlst, die Lüge oder die Wahrheit?
Jene kostet dein Ich, diese doch höchstens dein Glück!
Friedrich Hebbel.
Nicht auf jeden wird diese Beweisführung Hebbels Eindruck machem Ts wird manchen geben, dem sein Glück (d. b. hier: sein Wohlbefinden, seine Bequemlichkeit) ein höheres Gut ist als sein Ich. Man muß schon hohe Forderungen stellen und scharfe Maßstäbe an sich selber anlegen. wenn man dem .Ich" überhaupt einen Inhalt geben will, der den Wert jenes „Glücks" zu überbieten imstande ist. Für viele Zeitgenossen ist das Ich eine ziemlich nebelhafte Größe. Soweit es nicht im Sinne des Egoismus mißverstanden wird, tritt es zurück oder verschwindet ganz hinter dem Vielerlei dessen, was täglich von außen an uns herantritt. Daß wir unser Ich als kostbares Gut hüten müssen, ja noch mehr: daß wir die Aufgabe haben, es reiner und besser zu machen unserem Ziele entgegen („vor jedem steht ein Bild des, das er werden soll . . ."), dieser Gedanke kommt den wenigsten, oder erscheint gar als übertriebene, verstiegene Schrulle von