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SCHWABISCHES TAGBLATT

Nürnberger Prozeßverfahren ,, unfair"?

NÜRNBERG. Zwischen dem amerikanischen Haupt- ankläger in Nürnberg, General Taylor, und dem Vorsitzenden des amerikanischen Militärtribunals 5, Richter Wennerstrum, sind Meinungsverschle- denheiten über die Fairneẞ" der Prozeßführung in Nürnberg entstanden. Der Hauptverteidiger im ab- geschlossenen Aerzteprozeß. Dr. Servatius, hat sich an die UN gewandt und als Gebot der Gerech- tigkeit eine Nachprüfung der Entscheidungen durch das höchste Weltgericht einzuleiten und sofort den Vollzug der Todesstrafen auszusetzen gefordert, da die Verfälschung des Prozeßbildes" heute wohl kaum mehr berichtigt werden könne.

Es habe sich immer wieder herausgestellt, daß sich das Prozeßverfahren des anglo- amerikanischen Rechts als ungeeignet erwiesen habe. Bereits am Freitag hatten sich die Sprecher der Verteidigung in den Krupp-, I.G.- und OKW- Prozessen, Kranz- bühler, Boettcher und Laternser, in einem Telegramm an Präsident Truman gewandt und ihn gebeten, seinerseits die Durchführung eines fairen Verfahrens zu sichern. Alle Bemühungen, ein solches zu erreichen, seien bisher an den von ame- rikanischen Militärdienststellen erlassenen Vorschrif- schriften gescheitert.

Im Namen der Gesamtverteidigung im Prozeß ge- gen die I.G.- Direktoren übergab Rechtsanwalt Dr. Dix am Samstag dem Gericht eine schriftliche Er- klärung, in der er sich gegen die von der Anklage- vertretung erhobene Beschuldigung der Dokumen- tenentwendungen und-vernichtungen durch die Ver- teidigung" wendet. Die Beschuldigung sei eine Ver- leumdung; zu dem Zeitpunkt, als die fraglichen Dokumente von Griesheim nach Ludwigshafen ge- sandt wurden, nämlich zwischen 1945 und Mitte 1946, habe noch keine Anklageschrift und auch keine Ver- teidigung für den I.G.- Prozeß bestanden.

Der Verteidiger des im Südostgenerale- Prozeß zu 7 Jahren Gefängnis verurteilten Angeklagten De h- ner, Dr. Gawlick, richtete am Freitag an die Vorsitzenden sämtlicher Militärtribunale den Antrag, eine Plenarsitzung aller Gerichte einzuberufen, um das gegen seinen Klienten gestellte Urteil zurück- zuweisen. Zur Begründung führte er aus, daß im Prozeß gegen Friedrich Flick und fünf Direktoren seines Konzerns das amerikanische Militärgericht 4 den höheren Befehl als Strafausschließungsgrund anerkannt habe, sobald ein persönlicher Notstand für die Person vorlag, die den Befehl ausführen sollte. Das Militärgericht 5 habe dagegen in seinem Urteil gegen die Südostgenerale den höheren Befehl nur als strafmildernd gelten lassen.

Der evangelische Landesbischof von Kurhessen, Wüstemann, erklärte in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Rates der evangelischen Kir- chen in Deutschland, Landesbischof D. Wurm, evan- gelische Kreise hätten die dringende Bitte ausge- sprochen, die Kirche möchte sich mehr mit den Nürnberger Prozessen beschäftigen. Ohne in ein schwebendes Verfahren eingreifen zu wollen, sei zu fragen, ob es der Gerechtigkeit entspreche, wenn die Siegermächte allein als Ankläger und Richter auftreten, obgleich die Bestellung neutraler Richter möglich wäre. Ferner sel zu fragen, ob die militäri- schen Vorbereitungen Deutschlands überhaupt als Fortsetzung von Seite 1

Anklagepunkt vertreten werden könnten, nachdem die allgemeine Abrüstung nach 1918 unterblieb und heute auf selten der Siegermächte in großem Um- fange weitergerüstet werde. Schließlich weist der kurhessische Landesbischof auf die Anwendung der Atombombe und die Luftangriffe während des Krie- ges hin.

Simpfendörter nicht betroffen" STUTTGART. Von der Stuttgarter Spruchkammer 11 wurde der frühere württemberg- badische Kultmini- ster, Wilhelm Simpfendörfer, am vergange- nen Freitag als vom Befreiungsgesetz nicht betrof- fen" erklärt. Die Entnazifizierungsabteilung der US- Militärregierung für Württemberg- Baden hat sich jedoch ihre Stellungnahme vorbehalten.

Der gegenwärtig im Interniertenlager Ludwigsburg sich befindende ehemalige Reichsbankpräsident, Dr. Schacht, hat gegen den Staat Württemberg- Baden Klage auf Festsetzung der Berufungsverhand- lung erhoben. Schacht habe nach Auffassung seines Verteidigers auf Vornahme dieser Amtshandlung ein Recht, well durch die Verzögerung der Beru- fungsverhandlung sein Recht auf persönliche Frei- heit erheblich beeinträchtigt werde und sie einer dem deutschen Recht unbekannten Vorwegnahme des Strafvollzuges gleichkomme. Andererseits wird

vom württembergisch- badischen Befreiungsministe- rium bekanntgegeben, daß ein beschlagnahmter Brief Schachts, in dem er führende Politiker der Gegen- wart als Bankerott- Politiker und Marionetten" be- zeichnet und des ,, Schmarotzerlebens" bezichtigt hat, als Angriff auf die Demokratie gewertet und nach dem Befreiungsgesetz ein Nachspiel haben werde. In einem offenen Brief Landesbischof D. Wurm vertritt der württembergisch- badische Land- tagspräsident Wilh. Keil die Ansicht, daß sich aus dem Kanzelerlaß des evangelischen Kirchenpräsiden- ten Niemöller, mit dem sich der Bischof solidarisch erklärt habe, die Vorstellung ergebe, die Kirche marschiere Arm in Arm mit den Feinden der Demo- Eratie.

an

10 Jahre Intern erungslager tür Jüttner

NEUSTADT, Kreis Marburg. Der ehemalige Stellvertreter Himmlers und Befehlshaber des Er-. satzheeres, Max Jüttner, wurde von der Son- derspruchkammer des Internierungslagers Neustadt in die Gruppe der Hauptschuldigen eingereiht und auf die Dauer von 10 Jahren in ein Arbeitslager verwiesen. In der Begründung des Spruches heißt es, daß Jüttner der organisatorische Schöpfer der Waffen- SS war, durch die Aufstellung fremdländi- scher SS- Legionen bewußt das Völkerrecht verletzte und an der Niederschlagung der Verschwörung des 20. Juli 1944 in hervorragendem Maße beteiligt ge- wesen sei.

Entnazifizierung in der Ostzone eingestellt

BERLIN. Der Oberbefehlshaber der Ostzone, Mar- schall Sokolowski, unterzeichnete am 26. Fe- bruar einen Befehl, der die Auflösung der Ent- nazifizierungskommissionen in der sowjetischen Be- satzungszone bis zum 10. März anordnet. Alle Ver- fahren gegen ehemalige Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen, die von den Kommissionen bis zu dieser Frist nicht abgewickelt werden können und bei denen keine ausreichenden Gründe vor- liegen, um ein gerichtliches Verfahren einzuleiten, werden eingestellt. Ehemalige Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen, die ihrer Posten in öffent-

lichen Betrieben enthoben oder von diesen Posten abgesetzt wurden, aber ihr Wahlrecht nicht ein- büßten, sollen sich durch ehrliche und loyale Ar- beit" im Laufe der Zeit die Rückkehr zu ihrer- tigkeit wieder erwerben können. Die Posten in den Justiz- und Polizeiorganen sowie leitende Stel- lungen im Verwaltungsapparat bilden eine Aus- nahme, die bis zum Erlaß einer gesonderten Ver- fügung in Kraft bleibt. Verfahren gegen Personen, die verbrecherische Handlungen begangen haben, sind von der deutschen Polizei oder durch die deut- schen Gerichte durchzuführen.

Nachrichten aus aller Welt

MÜNCHEN. Für den von der US- Militärregierung abgelehnten Dr. Semler wurde als Abgeordneter der bayerischen CSU der Direktor der Bayerischen Lan- deszentralbank, Dr. Franz Elsen, in den Frankfurter Wirtschaftsrat gewählt.

MÜNCHEN. Aus den drei bayerischen Internie- rungslagern sind seit Oktober 1947 insgesamt 1086 Internierte entflohen. Bei 956 handelt es sich um ehemalige Angehörige der SS. Bisher konnten nur 291 Flüchtige wieder verhaftet werden.

FRANKFURT. Auf Anweisung der US- Militär- regierung sollen in oberbayerischen Lagern depo- nierte fabrikneue JU- 52- Flugzeugmotore, insgesamt 1500 mit einem Wert von etwa 5,6 Millionen Dollar verschrottet werden, obwohl sie von verschiedenen Ländern, Belgien und Holland z. B., zur Aufrecht-

Frau Scholtz- Klink in Bebenhausen verhaftet gung, in dem darum gebeten wurde, das Ehe- paar Stuckenbrok in dem der Familie zu Wied gehörenden Teil des Schlosses unterzubringen. Die Verhaftete berichtete weiter, daß sie sich nach der Flucht aus Berlin in Letzkau bei Mag- deburg vom dortigen Bürgermeister neue Pa- piere auf den Namen Stuckenbrok hätte aus- stellen lassen, nachdem sie ihm erzählt hätte, die alten Papiere seien auf der Flucht verloren

gegangen.

Die ehemalige Reichsfrauenführerin tauchte im Oktober 1945 in Bebenhausen auf; Heiß- meyer befand sich damals krankheitshalber im Lazarett Beuron.

Zu der immer wieder verbreiteten Nach- richt, sie habe sich im Zuge der Selbstmord-

aktion hoher SS.- Führer ebenfalls selbst um- gebracht, erklärte die Verhaftete, diese Mel- dung im Berliner Funkhaus gehört und sofort dementiert zu haben, glaube aber, daß dieses Dementi nicht mehr über den Sender gegan- gen sei. Später habe sie dann aus begreiflichen Gründen keinen Wert mehr darauf gelegt, durch ein Dementi erneut das Gespräch auf ihre

Person zu bringen.

Im Verlauf des Gespräches erklärte Frau Scholtz- Klink: ,, Ich habe bis zum letzten Au- genblick an den Sieg geglaubt und bin auch jetzt noch der Ueberzeugung, daß wir den Krieg gewonnen hätten, wenn Adolf Hitler

Die Temperamente

Von Herbert Eulenberg Unsere Altvordern hatten es leicht, wenn sie bei der Gemütsart der Menschen nur vier Tem- peramente unterschieden und in freier Anleh- nung an Schillers Punschlied" dachten: ,, Vier Elemente, niemals gesellt, bilden das Leben, bauen die Welt." Wir vermögen diese scharfe Trennung der Gemütszustände und ihrer Er- regbarkeit bei den Menschen nicht mehr ganz mitzumachen, weil wir die berühmten vier Ei- genschaften allzu oft gemischt und verquickt vorfinden. Der alte griechische Arzt Hippokra- tes, der vor zweitausend Jahren die gesunde und kranke Menschheit um sich beobachtete, stellte jene berühmte Einteilung auf, indem er die seelischen Unterschiede, die in unserem Geschlecht bestehen, durch die ungleiche Mi- schung der vier körperlichen Grundsäfte er- klärte: Nämlich des Blutes( sanguis), wonach man die von diesem Stoff beherrschten die Sanguiniker nannte. Sodann des Schleimes ( phlegma), dessen Uebergewicht die Phlegma- tiker schafft. Drittens der gelben Galle( chole), deren Vorherrschaft die Choleriker ihren Na- men zuzuschreiben haben. Der schwarzen Galle ( melaina chole), die, wenn sie in besonderer Stärke ihren Einfluß beimengt, die Melancho- liker, die Trübsalbläser, hervorruft. Wir- cheln heute etwa über diese vereinfachte Auf- teilung der Temperamente, wie dies schon der zanksüchtige römische Arzt Galenus, der immer alles besser wissen wollte, fünfhundert Jahre nach Hippokrates getan hat. Er erweiterte be- reits die vier üblichen Temperamente auf acht bis zwölf. Viel mehr haben wir bis heute auch nicht feststellen können. Aber wir glauben in- folgedessen überhaupt nicht mehr so steif und fest an die vorherrschende Note im Wesen eines Menschen, der von seiner Gesundheit und von seinen Launen abhängig ist wie das Meer von den Winden. Auch seine wirtschaft- lichen Verhältnisse können ihn stark beein- flussen. Und die verschiedenen Altersabschnitte,

rechtzeitig zu einer Verständigung mit Eng- land gekommen wäre. Mit Rußland allein- ren wir schon fertig geworden. Im übrigen hätten wir den Krieg gewonnen, wenn nicht so viel Verrat gegen den Führer verübt wor- den wäre." Heißmeyer schloß sich dieser Er- klärung an.

Auf einen ihm zugegangenen Fragebogen hatte Heißmeyer die Frage, ob er Pg. gewesen sei, mit ,, nein" beantwortet, aber eingetragen. er habe schon 1932 die NSDAP gewählt. Die Entnazifizierungskommission entschied: ,, Ent- lastet ohne Maßnahmen."

,, Was ich getan habe, war in meinen Augen anständig und gut", erklärte Frau Scholtz- Klink weiter. ,, Ich habe es verhindert, daß die von Himmler geforderten Frauenbataillone aufgestellt werden konnten. Auch heute lehne ich jede Kritik an den Maßnahmen des ,, Füh- rers" ab." Hitler stehe viel zu hoch, als daß irgendeiner an ihm Kritik üben könnte.

Die zehn Kinder, die die beiden Verhafteten in die Ehe mitgebracht haben, sind an ver- schiedenen Orten untergekommen. Das einzige Kind aus dieser Ehe, ein dreijähriger Junge, wurde im Herbst des vergangenen Jahres von einer Tochter der Verhafteten nach Bebenhau- sen gebracht.

erhaltung ihrer Flugbetriebe dringend benötigt wür- den.

HAMBURG. Etwa 18 000 in der britischen Zone in Internierungslagern untergebrachte Personen, die den in Nürnberg als verbrecherisch erklärten Orga- nisationen angehörten, sind auf Ehrenwort entlas- sen worden.

JENA. Alle Dokumente und Erinnerungsstücke über den Aufenthalt russischer Truppen in Jena und Umgebung während der napoleonischen Kriege müs- sen auf Anordnung des Stadtrates sofort abgeliefert werden.

BERLIN. Ein französisches Sprengkommando ver- suchte am vergangenen Samstag mit 52 t Spreng- stoff den großen Bunker in Berlin- Humboldthain, den sogen. Kampfbunker, zu sprengen. Es wurde jedoch lediglich ein Teil der Südwand eingedrückt und aus der Ostwand ein Mauerstück herausgeris-

sen.

PARIS. Frankreich und England haben bereits die Einladungen an die 14 anderen Nutznießerstaaten des Marshall- Plans für die neue 16er- Konferenz,

die nunmehr endgültig am 15. März stattfinden soll, abgeschickt.

WIEN. Vom Wiener Volksgericht wurde der Halb- bruder Hitlers, Joseph Mayerhofer, als illegaler Nazi" zu 1% Jahren Gefängnis verurteilt. Mayer- hofer, vor 1937 einfacher Eisenbahnangestellter, wurde nach dem Anschluß" Generaldirektor einer bedeutenden Versicherungsgesellschaft.

MADRID. Im Prado der Residenz des Caudillo

fand am Donnerstag die feierliche Bildung eines Rates des Königreiches" statt.

WARSCHAU. Nach den vom polnischen Justiz- ministerium veröffentlichten Statistiken beträgt die Zahl der zum Tode verurteilten deutschen ,, Kriegs- verbrecher" bis jetzt 1055 Personen. Ueber 8000 wei- tere wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt.

einen Gesetzesentwurf, wonach die vormilitärische WARSCHAU. Das Parlament billigte einstimmig Schulung der Jugend obligatorisch wird. Insgesamt drei Millionen Jugendliche werden dadurch erfaßt.

MOSKAU. Fünf Millionen Kommunisten gibt es zurzeit in der europäischen Randzone, stellte ein Moskauer Rundfunkkommentator fest. Vor dem Kriege zählte die KP in diesen Ländern etwa 160 000 Mitglieder.

lief am Sonntagmorgen bei Rehovoth auf eine Mine. JERUSALEM. Ein aus Aegypten kommender Zug Dabei wurden 3 Wagen zertrümmert und 19 briti-

sche Soldaten getötet, sowie zahlreiche weitere ver- letzt.

BOMBAY. Am Samstag hat der Dampfer ,, Empreẞ Die beiden Verhafteten sind in das Tübinger of Australia" mit den letzten britischen Truppen in Gefängnis überführt worden. Indien Bombay verlassen.

die der Mensch zu durchlaufen hat, ändern sein Wesen oft vollständig. Wie oft erleben wir es, daß Leute, die in der Jugend leicht- fertig, leidenschaftlich und aufbrausend wa- ren, in älteren Jahren gesetzt, ruhig und fromm werden. Und wie manches Mal wandelt eine Krankheit einen fröhlichen Menschen zu einem Kopfhänger um.

Denn wenn das Temperament eines Men- schen immer sich gleich bliebe, würde man kaum Ueberraschungen an seiner Umwelt er- leben. Aber so kann es doch geschehen, daß unsere Nachbarn und nächsten Freunde uns plötzlich durch einen Sinneswechsel in Erstau- nen versetzen. Mutige und feurige Menschen können mit einemmal, wenn ihnen die Nerven reißen, in das Gegenteil, in Angst und Zaghaf- tigkeit verfallen. Was mancher, der im Krieg gewesen ist, wohl an sich oder an anderen hat beobachten können: Ich kannte mich selbst nicht mehr", sagt man wohl hinterher von sol- chen Augenblicken, in denen die Beherztheit oder Entschlossenheit in einem nachgelassen hat. Andererseits können zugespitze oder ge- fährliche Lagen Kräfte und Gemütsanlagen in den Menschen anspannen, die er selbst oder andere gar nicht in ihm vermutet haben, so daß er außer sich gerät. Ein griesgrämiger Kerl kann infolge einer glücklichen ärztlichen Be- handlung wenn auch nicht gerade zu einem immerfrohen Leichtfuß, so doch zu einem er- träglichen Mitglied der menschlichen Gesell- schaft umgeformt werden. Und es gibt kaum ein unglücklich und weltschmerzlich veranlag- tes Wesen, das nicht durch den Gewinn des großen Loses aufgeheitert oder gar im Grunde verändert würde. Natürlich bleibt eine gewisse feststehende Linie in dem seelischen Gefüge eines Menschen. Aber der Abwandlungen und Spielarten in seinem Wesen gibt es doch so viele, daß man von ständigen Temperamenten kaum sprechen, noch damit bei der Seelenfor- schung arbeiten mag. Vielfach liegen die menschlichen Wesensformen auch übereinan- dergeschichtet und werden erst durch be-

stimmte Wallungen aus ihrer Verlagerung frei- gemacht. Zu diesem loslösenden Vorgang in unserem Innenleben findet sich bei Hebel oder Hauff ein ergötzliches Geschichtchen: Ein rei- sender Engländer fährt zu ihrer Zeit mit ei- nem Postwagen durchs Schwabenland. Vorn auf dem Bock sitzt ein träger, schwerfälliger, schlafmütziger Postkutscher, das Urbild des Phlegmas. Plötzlich stürzen aus einem Gehölz drei oder vier Räuber hervor. Werfen sich vor die Kutsche, zwingen die Pferde zum Halten und die Reisenden zum Aussteigen.

Der Bärenhäuter auf dem Bock sieht dem allem gemächlich zu. Da, als die Kerle anfan- gen, roh auf die Gäule loszuschlagen, ändert sich mit einem Ruck sein phlegmatisches Tem- perament. Er springt herunter, haut den ersten Strolch nieder und teilt auch den beiden an- deren derartige Schwabenstreiche" aus, daß der vierte entsetzt über diesen sanguinischen rasenden Roland die Flucht ergreift. Auf die erstaunte Frage des Engländers an den saum- seligen, trödlichen Kutscher, warum er denn nicht sofort zugegriffen habe, gibt dieser die bezeichnende klassische Antwort: ,, Herr! Ich mußte erst in die richtige Wut geraten."

Neue Bücher

Deutscher Humor. Gereimtes und Un- gereimtes aus alter und neuer Zeit. Ausgewählt von Oskar Jancke, R. Piper& Co.- Verlag, München.

Die Frage: ,, Was ist deutscher Humor?", die der Herausgeber in der Vorrede des Werkes anschneidet, weiß seine Sammlung eindrucks- voller und überzeugender zu beantworten als alle spitzfindige Untersuchung. Von Hans Sachs über Fischart, Abraham a Santa Clara bis hin- über zu Joachim Ringelnatz, Dr. Owlglaẞ, Erich Kästner und Walter Foitzik ist der Bogen ge- spannt. Ein im Geistigen ebenso tiefgründiger, wie im Landschaftlichen weit, und bunt sich dehnender Raum wird durchforscht und abge- schritten. Das Ergebnis dieser philologischen

2. März 1948

Wald und Bodenreform

Von Forst direktor Maier, Tübingen

Der Fragenkomplex Bodenreform und Wald hat eine politische und eine fachliche Seite. Auf der fachlichen Seite gibt es wenig Meinungsverschieden- heiten. Die Forstverwaltung des Landes Württem- berg- Hohenzollern vertritt, wie die Fachvertreter der anderen Länder der Westzonen, die Auffassung, daß die Produktivität in der Forstwirtschaft eine Funktion der Flächengröße ist, jegliche Aufteilung zu mehr oder weniger großen Produktionsrück- gängen zwangsläufig führen muß, und daß unsere Volkswirtschaft sich Produktionsminderungen in der Forstwirtschaft einfach nicht mehr leisten kann. Es kommt also in der Zukunft auf jeden Fest- meter Holz an und hier vor allem auf dasjenige Holz, das der gesamten Volkswirtschaft zur Ver- fügung steht und nicht nur bestimmten Verbrau- chergruppen. Daher ist vor allem die Marktleistung ein ganz besonderer Produktivitätsmaßstab, und hier stehen nun einmal Staatswald, Großprivat- wald und großer Körperschaftswald mit eigenen Forstverwaltungsbeamten mit Abstand

Stelle.

an erster

Die Landesforstverwaltung muß vor der Teilung oder gar Zersplitterung leistungsfähiger Waldungen immer wieder warnen. Sie läßt sich dabei nur vom Gesichtspunkt der Produktivität leiten und es ist ihr dabei völlig Nebensache, wer produziert. Ihr einziges Bestreben ist, daß möglichst viel produziert wird, und daß die derzeitige Zuwachs- leistung nicht nur erhalten, sond n mc. die Berrere verkäufe gesteigert wird. In konsequenter Weise daher vor einer stärkeren Vermehrung wa va diger produzierenden Besitzarten es kommt ihr dabei auf Popularität nicht an- und empfiehlt, falls aus politischen Gründen entgegen der fachlichen Stel- lungnahme der Großprivatwaldbesitz doch beschränkt werden sollte, die Verstaatlichung der ab- zutretenden Flächen. Damit würde der Wald in die Hand des geeignetsten Waldbesitzers gelangen und der breitesten Oeffentlichkeit zugänglich gemacht, also im wahrsten Sinne des Wortes ,, Volkseigentum" werden.

Die Landesforstverwaltung verteidigt nicht den ,, Fürstenwald". Sie tritt nur ein für die Produktivi- tät der Gesamtforstwirtschaft, deren Erhaltung und, wo immer möglich, deren Steigerung. Sie wendet sich auch nicht grundsätzlich gegen die Bildung von Neugemeindewald schlechthin, sondern gegen die Bildung von kleinerem Gemeindewald und gegen die Bildung von Bauernwald, beides als Regelfall. Die Abneigung gegen die Vermehrung des Staats waldbesitzes ist übrigens für den Fachmann un- erklärlich, wo doch jeder Staatsbürger Aktionär am Staatswald" ist. Aber gegen so unangebrachte Schlagworte wie Die Staatsomnipotenz darf durch Erweiterung des Staatswaldbesitzes nicht vermehrt werden" kann man schwer ankämpfen, so schwer wie gegen alle Schlagworte dieser Art. Wer ist denn dieser Staat" für diese Rufer? Etwa nicht die geschlossene Gemeinschaft aller Staatsangehörigen? Und ist es so furchtbar ungerecht, diesen etwaigen neuen Vermögenszuwachs dieser Gesamtheit zu- gute kommen zu lassen, statt einigen zufällig wald- nah gelegenen" Gemeinden?

Die Landesforstverwaltung begrüßt es lebhaft, wenn der derzeitige Regierungsentwurf vorsieht, daß die Waldfrage aus dem Bodenreformgesetz herausgenommen und einer späteren Regelung, die mit aller Sorgfalt und in aller Ruhe durchzuplanen ist, vorbehalten wurde.

( Ein knapper Auszug aus einem Artikel.)

Die Enteignungen in der Ostzone

BERLIN, Weitere Enteignungen privater Betriebe und deren Ueberführung in die Hände des Volkes" wurde auf einer Tagung der Innenminister der Länder der Ostzone beschlossen. Die zentrale deutsche Kommission für Sequestrierung und Be- schlagnahme erhielt die Anweisung, eine endgültige Liste der für die Enteignung vorgesehenen Betriebe auszuarbeiten. Es wurde betont, daß dies die letzte Liste sein soll, damit die dauernde Bedrohung, der sich viele Betriebe der Ostzone gegenübersehen, durch eine wirtschaftliche Beruhigung abgelöst wird, ohne die ein Wiederaufbau unmöglich ist",

Eßlingen wählte Dr. Roser TÜBINGEN. Landtagsabgeordneter Dr. Dieter Roser( SPD) ist mit 15 995( 60,1%) Stimmen zum Oberbürgermeister von Eßlingen gewählt worden. Der bisherige Oberbürgermeister erhielt 32,1% der Stimmen. Dr. Roser, stellvertretender Fraktions- vorsitzender der SPD im Landtag von Württem- berg- Hohenzollern, ist gebürtiger Eẞlinger.

Herausgeber und Schriftleiter. Will Hanns Hebsacker Dr. Ernst Müller und Alfred Schwenger Weitere Mitglieder der Redaktion: Dr Helmui Kiecza und Joseph Klingelhöfer Monatlicher Bezugspreis einschl Trägerlohn 1.50 RM., durch die Post 1.74 RM, Einzelverkaufspreis 20 Pfg. Erscheinungstage Dienstag und Freitag

und von guter Laune beherrschten Wander- schaft, eben das uns vorliegende Buch, hält in Aufbau und Auswahl nicht nur den spitzesten Rezensentenfedern stand. Es ist darüber hin- aus angetan, seinen Platz auch dann noch im verlegerischen Katalog zu behaupten, wenn der Zugwind der Stabilität so manches von der heutigen Buchproduktion längst verwehte. Ein schönes, ein in allen Teilen geglücktes Buch. Ein Buch wirklichen Humors, der nach einem Wort Wilhelm Raabes den ernstesten Dingen des Daseins zuzurechnen ist.

Kbl.

Friederike und die Freunde, Novel- len von Johannes Tralow, Drei Fichten Verlag, München.

die Kurzgeschichten, anekdotenhaft dargestellt, Die Bezeichnung Novellen ist irreführend; entsprechen weder in der äußeren Form noch in der Gestaltung der Novelle. Sprachliche Form und Geschliffenheit des Stils lassen ab und zu noch Wünsche offen, doch beleben tref- bewegte und pointierte Handlung. fend charakterisierte Gestalten die dramatisch

-r.

Morgenrot, Jahresgabe unserer Dichter, herausgegeben von Otto Lautenschlager, Karl- Mayer- Verlag, Stuttgart.

In diesem geschmackvoll ausgestatteten Büchlein geben sich 54 Dichter, Schriftsteller und Graphiker, lebende und auch erst kürz lich verstorbene, aus dem, schwäbisch- ale mannischen" Raum ein Stelldichein. Der Her ausgeber hat die Grenzen seines Auswahlge- bietes nicht kleinlich eng gezogen. Auf diese Weise kommen auch Franken und ,, Wahl- schwaben" zu Wort, die freilich bedenkenlos auch durch andere Vertreter ihrer Landschaf- ten ersetzt werden könnten. Die Schwäché solcher nach äußeren Gesichtspunkten zusam- mengestellten Anthologien liegt in der unter- schiedlichen Qualität des Gebotenen. Es ist also nicht verwunderlich, daß sich unter dem verheißungsvollen Titel Morgenrot" reife dichterische Gaben und leichte Feuilletons ver einigen.

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