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Gesunde Skepsis

Auf unseren Leitartikel Das große Vakuum" von Gerd Moest( Nr. 83) hat die Redaktion eine Reihe von Zuschriften erhalten. Nachstehend veröffentlichen wir die wesentlichste der ein- gegangenen Entgegnungen.

Unsere Väter reden so viel von dem tiefen Abgrund", dem großen Vakuum", in das sich ihre Söhne stürzen. Sie analysieren mit beacht- licher Geduld unsere Mentalität, die sie kri- tisch nennen, womit sie zersetzend und passiv sagen wollen. Damit haben sie nicht ganz un- recht; wir sind kritisch, ja, mehr als das: wir sind skentisch geworden. Indes, sie übersehen, oder wollen nicht wahrhaben. daß hinter sol- cher Skepsis nicht sentimentales Verharren steht, vielmehr zwingende Erfahrung, das Credo von politisch Ungläubigen, wenn man so will.

In einer Zeit, die voll ist von egoistischen Interessen, da ständig politische Schiffbrüche erlitten werden, erkennt die Jugend es für wichtiger, abwartend zu sehen, wie nun das vielbesprochene Neue" gestaltet werde und wohin es führt, als sich in enge parteiliche

Tendenzen einzuhüllen.

Man müßte um mit Anatole France zu reden zuerst wissen, ob( politische) Gläu- bigkeit eine Tugend ist, und ob wahre Festig- keit nicht darin besteht, daß man bezweifelt, woran man zu glauben keine Veranlassung hat.

Solche politische Einsicht bedeutet nicht sinnloses Wühlen in allen negativen Zeiter- scheinungen, aber Forschen, Prüfen und Ab- wägen; bedeutet nicht Erstickung von großen Ideen. sondern vorsichtige Analyse ihrer Durchführung. Man wird z. B. unter der Ju- gend wenige finden, die sich gegen die Idee der Demokratie stellen. wohl aber solche, die in der Art ihrer Durchführung ein Paradoxon sehen. Darin liegt keineswegs ein böswilliges Aufspüren des Negativen, sondern nur eine gesunde Skepsis gegenüber dem Eifer Unbe-

rufener.

Die Alten dürfen sich also nicht wundern, wenn die Jugend zunächst nicht in Scharen in ihre Parteien, Gewerkschaften und Ver- bände strömt. Abneigung gegen erneutes Sich- eingliedern in Organisationen tut das ihre. Es fällt niemand ein, diese, Flucht in das Indi- viduum" zu bestreiten, ja, man kann sagen: sie war unvermeidlich nach den vergangenen Jahren. Die Alten dürfen hier nicht um jeden Preis mit nachhelfender Hand eingreifen wol- len, sich in das Gemüt des jungen Menschen tasten, um Komplexe und falsche Vorstellun- gen zu beseitigen". Sie müssen spüren, daß Innere Entscheidung Zeit erfordert, und daß sie nur durch Vorbild beeinflußt werden kann. Die Jugend würde sich freuen, wenn sie in der deutschen Politik mehr Sauberkeit sehen würde.

Gesunde Skepsis wird uns nicht in geistige Enge führen, vielmehr vor den alten deutschen Extremen bewahren. Sie wird uns weder er- lauben, kleinstaatlich zu denken, noch unsere und unseres Volkes Kraft an Chimären zu vergeuden.

Jener ganz undeutsche sechste Sinn des rea- len, aber weltläufigen Denkens ist eine Folge von gesunder Skepsis.

Die ältere Generation muß sich darüber im klaren sein, daß man bei den bisherigen poli- tischen Leistungen keinen Enthusiasmus ver- langen kann, auch wenn man alle Schwierig- keiten sich klar vor Augen hält. Es ist kein Geheimnis, daß heute, wie immer, Wunsch- bild und Wirklichkeit auf völlig verschiedenen Ebenen liegen.

Dies ist in Wahrheit das große Vakuum, nicht die Skepsis der Jugend.

Die Männer der guten Taten, nicht der schö- nen Worte, werden uns auf ihrer Seite haben. stud. phil. Peter Hengel

" Unsere Stimme" für 15 Tage verboten BADEN- BADEN. Das Organ der KPD. in Württemberg- Hohenzollern ,,, Unsere Stimme", ist für die Dauer von 15 Tagen verboten wor- den, weil das Blatt einen Artikel mit ,, beleidi- genden Aeußerungen über alliierte Staatsmän- ner" veröffentlicht haben soll.

Her Teeymann geht spazieren

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EBERHARD ORTHBANDT

SCHWABISCHES TAGBLATT

Ungelöstes Demontageproblem

Neue Erklärungen

DÜSSELDORF. Der Wirtschaftsminister von Nordrhein- Westfalen, Prof Dr. Eric Nöl- ting, gab am vergangenen Mittwoch vor dem Landtag bekannt, daß die britische Militär- regierung gewisse Zugeständnisse hinsichtlich der Demontagen gemacht habe:

1. Die Demontage soll nicht die Durchfüh- rung laufender Exportaufträge stören 2. Sie soll erst dann erfolgen, wenn die Ueberleitung der von ihr betroffenen Arbeiter und Angestellten an neue Arbeitsplätze ge- währleistet erscheint.

3. Bauanlagen sollen mit Ausnahme gewis- ser unterirdischer Anlagen nicht gesprengt

werden.

4. Infolge einer Anrechnung der Demonta- gen auf die Reparationsschulden der Bizone werden keine Entnahmen aus der laufenden Produktion erfolgen.

von

5. Die Demontageliste wird als endgültig bezeichnet, jedoch mit zwei Einschränkungen, da a) die verbotenen Industrien nicht in der Liste enthalten sind b) die Fernwirkung, ins- besondere von Kohlenförderung und Schlüsselbetrieben der Eisen- und Stahlge- winnung und damit der Energieversorgung gegenwärtig nicht beurteilt werden kann Wirtschaftsminister Nolting hob dann her- vor, daß sich auf der Demontageliste seiner Ansicht nach vier verschiedene Zielsetzungen überschneiden: Sicherungsdemontagen, Repa- rationsdemontagen Beschränkungsdemonta- gen und Konkurrenzdemontagen. Demontagen aus konkurrenzwirtschaftlichen Erwägungen ließen sich nicht in Abrede stellen.

Der Ministerpräsident von Nordrhein- West- falen, Arnold, forderte in einer Sonder- sitzung des Landtags, der Demontageplan solle durch eine völkerrechtlich bindende Erklärung der britischen und amerikanischen Militär- regierung in eine endgültige Liquidation des Krieges und in eine Abgeltung aller Repara- tionen in der Bizone umgewandelt werden.

Reparationen sollten nur zwischen Staaten vereinbart und von Staat zu Staat übergeben werden. Es sei politisch unklug, wenn Besat- zungsmächte sich selbst Reparationsleistungen von Privatpersonen des besetzten Landes be-

Bekenntnis zu Europa LAHR. Auf dem ersten Parteitag der Demo- kratischen Partei Südbadens stellte Wirt- schaftsminister Wildermuth in seiner Rede fest, daß Deutschland nur noch in ei- nem einigen Europa leben könne. Europa aber bedeute Verständigung zwischen dem fran- zösischen und dem deutschen Volke. Nur ein verbundenes Europa sei in der Lage, sich aus den Gegensätzen zwischen der angelsächsi- schen Macht und der Sowjetunion herauszu- halten. Ohne Deutschland gebe es kein Eu- ropa, ohne Europa kein Deutschland.

Die Demokratische Partei sehe als künftige deutsche Staatsform den Bundesstaat an Auf dem Gebiet der Wirtschaft sei das Zwangs- system der Bewirtschaftung am Ende seiner Möglichkeiten angelangt. Eine Steigerung der Produktion sei nur möglich, wenn die Verwal- tung der Wirtschaft wieder in deutsche Hände gelegt werde und die Besatzung sich auf die Kontrolle beschränke. Einzig die Freiheit des Exporteurs im Verkehr mit seinen Kunden gewährleiste eine Erhöhung der Ausfuhr.

Rücktritt Clays?

BERLIN. General Clay hat bei dem Kriegs- departement sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Er will sich bis Anfang 1948 zurückziehen. In Washington nennt man als Nachfolger am häu- figsten General Draper, den augenblick- lichen Unterstaatssekretär im Kriegsministe- rium, und sieht darin den aufrichtigen Wunsch der USA, den Wiederaufbau Deutschlands einem Sachverständigen für wirtschaftliche und finanzielle Fragen zu übertragen.

Aufklärungsfeldzug

BERLIN. Nach einer Mitteilung des Direk- tors der amerikanischen Nachrichtenkontroll- abteilung will die amerikanische Militärregie-

hen blieb, oder so oft vor ihm auftauchte, bis jener sich fügte.

Als er nun mit geröteten Wangen, zusam- mengepreßten Lippen, gesenkten Augenbrauen und einem scharfen Blick den jungen Mann Heute war sie, die niemand zu finden fixierte, während seine aufgerichtete Haltung pflegte, schon besetzt, teilweise besetzt, aber und seine Miene deutlich zu erkennen gaben, Herr Freymann hätte sich im Augenblick auch daß er wisse, was er wolle, hätte jeder sich durch den schweigsamsten und fremdesten vielleicht in aller Eile im Innern gefragt, ob Nachbarn gestört gefühlt. Dennoch schritt er er mit diesem gereiften kräftigen Herrn frü- nach kurzem Ueberlegen mit festen, ja ener- her irgendeine Meinungsverschiedenheit ge- gischen Schritten auf die Bank zu, entschlos- habt habe, die jener jetzt auszutragen wün- sen, sich durch keinen Umstand von seinem sche, und würde sich sofort zu einer Entschul- Vorhaben abbringen zu lassen und endlich digung bereitgefunden haben wieder an den geregelten Tagesablauf anzu- nun dieser schwächliche bleiche junge Mann, knüpfen, der seit heute nacht fortdauernd un- der förmlich zusammensank und Herrn Frey- terbrochen worden war. mann hilflos entgegenstarrte.

Der Fremde, ein junger, sehr blasser, schmal- gesichtiger Mann mit einem düsteren, leiden- den Ausdruck in den Mienen, hatte ihn offen- bar nicht gehört; er war damit beschäftigt, eine Anzahl Goldstücke zu zählen oder zu begutachten, die neben ihm auf der Bank, aber dicht bei seinem Körper lagen, und zu denen er neue aus seiner Tasche fügte. Von Zeit zu Zeit blickte er sich scheu um, und bei dem letzten dieser Blicke bemerkte er Herr Freymann, zuckte zusammen, strich mit einer Handbewegung die Münzen ein, wobei eine entrollte, schüttete sie blitzschnell in die Tasche, und wandte seine Augen aufs neue Herrn Freymann zu, indes seine Miene von Minute zu Minute furchtsamer wurde.

Herr Freymann stand, so zurückgezogen er auch, seine Pension verzehrend, lebte, dem Le- ben mit heißer Anteilnahme gegenüber; nie- mand, der seinen Rat suchte, ging ungetröstet von dannen, niemand, der einer Zurechtwei- sung bedurfte, entging ihr, wenn Herr Frey- mann sich vorgesetzt hatte, sie zu erteilen, und was seine Worte nicht ausgerichtet hät- ten, besorgte seine kernige Gestalt und die Ernsthaftigkeit seines Wesens; wo er nicht überzeugen konnte, übte er einfach Zwang aus, indem er so lange vor dem andern ste-

um so mehr

Nachdem Herr Freymann den Abstand, der sie trennte, überwunden hatte und vor dem jungen Mann stand, und sich gerade nieder- lassen wollte, fiel ihm ein weißer Stecken in die Augen, der hinter die Bank gerutscht, aber deutlich zu erkennen war. Ohne zu fragen griff Herr Freymann hin und holte ein weite- res Stück seines Spaliers hervor, das er schwei- gend an die Bruchstelle des ersten Stückes

hielt.

,, Aha!", sagte er und schoß einen kurzen, eindrucksvollen Blick auf den jungen Mann

ab.

,, Na", fuhr er dann, sich selbst um des Frie- dens willen besänftigend, fort, ,, hier ist ja Platz für zwei auf der Bank. Sie haben etwas verloren, Herr, wollen Sie es nicht aufheben?" Damit wies Herr Freymann auf das Goldstück

an der Erde und setzte sich.

Der andere murmelte Unverständliches, bückte sich gehorsam, stand ruckhaft auf, und sank darauf mit einem Wehlaut auf den Sitz zurück, faßte sich aber.

,, Ist Ihnen übel?", fragte Herr Freymann und beobachtete ihn. Er sah, daß des jungen Mannes Jacke, und höher hinauf: sein Hemd- kragen, und noch weiter oben: das Kinn, durch Blutflecken verunziert war.

neue Unklarheiten

schafften Reparationsansprüche könnten daher nur an Deutschland gestellt werden, nicht aber an Privatpersonen

In einer Erklärung des britischen Oberbe- fehlshabers in Deutschland, die von Außen- minister Bevin genehmigt wurde, wurde auf die Frage eingegangen, inwieweit die vorlie- gende Demontageliste die endgültige alliierte Reparationsforderung darstelle. Nach dieser Erklärung hat die britische Regierung ent- schieden, daß diese Liste die endgültige Auf- stellung von Reparationen in Form von Ka- pitalsubstanzen in der britischen Zone dar-

stelle.

Was Reparationsansprüche anderer Art an- belange, könne die britische Regierung die endgültige Regelung nicht allein und im voraus bestimmen.

Ruhrkohlenabkommen in Kraft

DÜSSELDORF. Das Ruhrkohlenabkommen, das den Uebergang der angloamerikanische Ruhrkohlenverwaltung in deutsche Hände un- ter einer britisch- amerikanischen Aufsichts-

31. Oktober 1947

Kleine Weltchronik

Deutschland

BADEN- BADEN. In der Nacht zum Mittwoch ist der Gewerkschaftssekretär der französischen Zone, Matthias Schneider, tödlich verunglückt.

FURTH. Die Fürther Kriminalpolizei ist einer in- ternationalen Großschiebe bande auf die Spur ge- kommen, die Geschäfte mit Milliardenumsätzen ge- tätigt hat. Die Schwarzhändler haben nach eigenen Aussagen für eine jugoslawische Handelsdelegation" gearbeitet.

KASSEL. Umsiedler aus der sowjetischen in die westlichen Zonen und umgekehrt benötigen ab so- fort für den Grenzübertritt keinen Interzonenpaß mehr.

HANNOVER. Ein Teil der ehemaligen Heeres- munitionsanstalt Godenau, die auf der Demontage- liste steht, ist durch Explosionen zerstört worden. Bisher sind 20 Verletzte und 6 Vermißte zu beklagen. BERLIN. Ein Berliner Rechtsanwalt hat festge- stellt, daß in Deutschland seit dem Zusammenbruch jährlich zwei Millionen Abtreibungen vorgenommen wurden, die in Berlin allein 6000 Todesfälle zur Folge hatten.

BERLIN. Wie die Neue Zeitung" meldet, sollte der Atomforscher, Prof. Heisenberg, in die Ostzone entführt werden.

BERLIN. Die SED ist jetzt der größte Großgrund- besitzer in der Ostzone. U. a. befindet sich das 3000

Schirmherrschaft der Tochter Wilhelm Piecks, BERLIN. Dr. Kurt Schumacher wird von den USA

kommend, heute eine Pressekonferenz abhalten und morgen eine große politische Rede halten.

Ausland

toffel-, Eler-, Zucker- und Brotrationen herabge-

PRAG. In der Tschechoslowakei werden die Kar-

behörde vorsieht, enthält u. a. folgende Haupt- Moigen große Gut Börnicke bei Berlin unter der punkte: Die Verantwortung für die Kohlen- förderung im Ruhrrevier geht durch die Schaf- fung einer deutschen Kohlenverwaltung in deutsche Hände über, wobei diese Körper- schaft der britischen und amerikanischen Mi- litärregierung für eine wirksame Arbeit ver- antwortlich ist; eine amerikanisch- britische Kontrollgruppe überwacht die deutsche Ver- waltung und erläßt an sie Direktiven; eine be- sondere Abteilung des Wirtschaftsrats der Bi- zone übernimmt diejenigen Funktionen, die der Kohlenindustrie gegenüber ausgeübt wer- normalerweise von einer Regierungsbehörde den; die Interessen nichtdeutscher Besitzer von Bergwerksaktien sind zu schützen; die Frage der Eigentumsverhältnisse( Sozialisie- rung) wurde nicht angeschnitten.

Die britischen Behörden haben am vergan- genen Dienstag das Inkrafttreten des in Mos- kau unterschriebenen englisch- französisch- russischen Vertrages, der eine gleitende Skala für die deutschen Kohlenexporte vorsieht, be- kanntgegeben.

rung einen Aufklärungsfeldzug über die de- mokratische Staatsform und die Fehler des Kommunismus durchführen. Es solle jedoch nicht die sowjetische Regierung, sondern nur der Kommunismus überhaupt angegriffen wer- den. Deutsche und amerikanische Redner, Rundfunk und Zeitschriften der Militärregie- rung sollen zur Durchführung dieses Pro- gramms eingesetzt werden.

Protest von kirchlicher Seite KÖLN. Die katholischen Erzbischöfe Deutsch- lands appellierten in einem dringenden Ge- such an den Alliierten Kontrollrat, sich des Schicksals der zivilinternierten Frauen, Män- ner und Jugendlichen, sowie der aus briti- scher und amerikanischer Gefangenschaft ent- lassenen und in der Sowjetzone neu verhaf- teten ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen anzunehmen. Auch einem besiegten Volke ge- genüber müßten die Gesetze der Menschlich- keit und Gerechtigkeit gewahrt werden. Der deutschen Oeffentlichkeit ginge der Glaube an eine Gerechtigkeit völlig verloren. Der Al- liierte Kontrollrat wurde aufgefordert, dieses bestehende Unrecht durch geeignete Maßnah- men zu beseitigen.

Die Zahl der internierten Kinder steige von Monat zu Monat, bisher etwa 2000, die Mehr- zahl unter 14 Jahren. Ueber das Schicksal die- bekannt. ser Jugendlichen sei im allgemeinen nichts

Es widerspreche den Gesetzen der Mensch- lichkeit und der Gerechtigkeit, wenn auf der einen Seite die Verbrechen des Naziregimes durch

ein weltöffentliches Gerichtsverfahren abgeurteilt, auf der anderen Seite aber un- kontrollierbare Maßnahmen gegen Kinder und Jugendliche, die noch nicht im Besitz straf- rechtlicher Verantwortlichkeit seien, ange- wandt würden.

,, Sie hatten Nasenbluten, nicht wahr?", fuhr Herr Freymann fort ,,, ich dachte mirs. Sie ha- ben wohl kein Taschentuch?"

setzt.

WARSCHAU. Wie Reuter meldet, hat der wegen Kriegsverbrechens an Polen ausgelieferte frühere Hauptmann Peter Baumgart ausgesagt, er habe Hit- ler und Eva Braun am 26. April, wenige Tage vor ihrem angeblichen Selbstmord, nach Dänemark ge-

flogen.

BOGOTA. Die Außenminister Latein- Amerikas be- raten zurzeit über die Möglichkeit eines kollektiven Abbruchs der Beziehungen zur UdSSR. Wie aus Belgrad verlautet, wird in Zukunft Jugoslawien die sowjetischen Interessen in Brasilien vertreten.

RIO DE JANEIRO. Der brasilianische Senat hat mit 35 gegen 19 Stimmen das Gesetz über die Auf-

hebung der kommunistischen Mandate gebilligt.

NEU DELHI. Am vergangenen Montag ist die asiatische Arbeitskonferenz eröffnet worden, an der 22 Delegationen teilnehmen.

Landtagsitzung in Bebenhausen

BEBENHAUSEN. Am kommenden Mitt- woch, 5. November, wird der Landtag von Württemberg- Hohenzollern vormittags 9.30 Uhr zu seiner 8. Sitzung zusammentreten. Die Ta gesordnung, umfaßt acht Punkte, u. a eine große Anfrage, die gegenwärtigen außerge- wöhnlichen Holzhiebe bétreffend und eine weitere große Anfrage, die sich mit der beab- sichtigten weiteren Entnahme von Maschinen und der Zerstörung ehemaliger Rüstungsbe- triebe befaßt, ferner die Beratung verschie- denen Gesetzentwürfen.

Politische Säuberung TÜBINGEN Der Staatskommissar für die

politische Säuberung, Traber, hat in den letzten Wochen die Kreisuntersuchungsaus- schüsse gebildet, so daß nunmehr in allen 17 Kreisen von Württemberg- Hohenzollern die erste Instanz eingerichtet ist. Die bis jetzt be- stehenden vier Spruchkammern werden späte- stens am 15 November ihre Arbeit aufneh-

men.

Mehrere tausend Revisionsanträge sind be- reits an die Kreisuntersuchungsausschüsse wei- tergeleitet worden, Spruchkammern vorgelegt zu werden. Für das Interniertenlager Balingen wird eine eigene Spruchkammer eingesetzt, die im Lager selbst tagen wird. Auch für die Hochschulprofesso- ren ist eine eigene Spruchkammer vorgesehen. Herausgeber und Schriftleiter: Will Hanns Hebsacker Dr. Ernst Müller und Alfred Schwenger Weitere Mitglieder der Redaktion: Dr Helmut Kiecza und Joseph Klingelhöfer Monatlicher Bezugspreis einschl Trägerlohr 1.50 RM., durch die Post 1.74 RM., Einzelverkaufspreis 20 Pig. Erscheinungstage Dienstag und Freitag

um anschließend den

jedermann sich getroffen gefühlt hätte: die Wirkung aber, die diese einfachen Worte auf den jungen Mann hervorbrachten, war wun- derbar.

,, Nein", murmelte sein Nachbar widerspen- stig, aber dann fuhr er auf: ,, Sie dachten sichs? Wieso dachten Sie sichs Was geht Sie mein Nasenbluten an? Kann ich nicht bluten, wie" warum quälen Sie mich so! Nehmen Sie mich und wo ich will?"

,, Gewiß", versetzte Herr Freymann ,,, das dürfen Sie, und wenn ich mich nicht irre, ha- ben Sie schon einmal heute von dieser Frei- heit Gebrauch gemacht. Bedienen Sie sich also meines Taschentuches."

Der junge Mann wurde noch um eine Spur bleicher und musterte Herrn Freymann aus dem Augenwinkel in einer Weise, als ob er eine gefährliche wilde Schlange neben sich wisse, und schlug das Taschentuch aus.

,, Wie Sie wünschen", sagte Herr Freymann friedfertig. ,, Ich habe übrigens eine Frage an Sie: können Sie mir nicht die Inschrift auf dieser Münze erklären?"

Und Herr Freymann, ohne sich etwas Böses dabei zu denken, hielt seinem Nachbarn das Goldstück mit fast heiterer Miene vor die Augen.

,, Betrachten Sie es nur genau", munterte er den jungen Mann auf ,,, Sie haben sicher ähn- liche Stücke in Ihrer Sammlung!"

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Dem anderen schien der Atem zu stocken. Warum", begann er unsicher ,,, warum soll ich Ihnen Auskunft geben? Warum gerade ich? Ich verstehe nichts von Münzen!"

,, Nun, nun", begütigte Herr Freymann, man muß nicht gerade ein Kenner sein, um urtei- len zu können; ohne jeden Grund tragen Sie sicherlich nicht eine Münzsammlung bei sich. Aber wenn Sie mir nicht antworten wollen schön. Herr Willdank kennt diese Münze si-

cherlich."

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Herr Freymann suchte den Frieden von ganzem Herzen, aber die Weigerung des jun- gen Mannes hatte ihn erbost, und er betonte den letzten Satz stärker als nötig war, und sprach in einem so kurzen, scharfen Ton daß

,, Herr!", schrie er und begann zu zittern, doch gleich gefangen Sagen Sie doch, daß Sie von der Polizei sind! Spielen Sie doch nicht

mit mir wie die Katze mit der Maus! Dieser verwünschte Stock, der ist an allem schuld. Als ob ichs nicht geahnt hätte! Aber was sollte ich machen mit einem gebrochenen Fuß? Sonst Aber eine gute Spürnase habt ihr Schnüffler! wäre ich ja gleich drunten liegengeblieben!

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Was sehen Sie mich so kalt an? Worauf war-' ten Sie noch? Holen Sie einen Wagen, sage ich Ihnen, holen Sie einen Wagen. Mich kön- nen Sie ganz unbesorgt hier lassen, ich bin Ihnen sicher, ich kann keinen Schritt mehr wäre und mich tun! Wenn ich nicht von dem Spalier gestürzt es ist ein Hohn nicht hätte wieder auf eine Spalierlatte stützen müssen! Die dünnen Stäbe tragen ja nicht! Unterwegs brach der Stock noch einmal! Und natürlich Sie finden die Hälfte! Ach, wenn Sie die Schmerzen hätten, die mich zerreißen! Aber da sitzen Sie wie ein Basilisk und lauern mich an! Sofort als ich Sie sah, wußte ich, wer Sie sind. Euch Herren erkennt man gleich! Ihr könnt eure Augen nicht verdecken! Thr seht immer aus, als wolltet ihr euch auf einen stürzen. Und dann diese Scheinheiligkeit! Zu- erst die Bruchstücke des Stockes vergleichen dann das Taschentuch anbieten, nur um

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zu zeigen, daß ihr im Bilde seid und daß ihr nicht so dumm seid das bißchen Blut einem Opfer zuzuschreiben, und daß euch das Blut auf der Straße nicht entgangen ist! Dann kommt die Münze zum Vorschein und dann Herr Willdank! Und bei alledem wissen Sie, daß ich stillhalten muß, das haben Sie ja gleich gesehen. Oder hatten Sie es auch geahnt"? Und jetzt bitte! Tun Sie, was Sie nicht lassen können! Im Namen des Gesetzes... ich weiß, ich weiß!" ( Fortsetzung folgt)

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