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SCHWÄBISCHES TAGBLATT
AUS DEM WIRTSCHAFTSLEBEN
Verstaatlichung oder Gemeinwirtschaft?
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Auf der Suche nach der Wirtschaftsform der Zu- kunft ist in Frankreich ein interessantes Experi- ment unternommen worden. Gegen die Verstaat- lichung der Industrie erheben sich dort wir be- richteten ünlängst darüber mehr und mehr Be- denken. Die bisherigen Erfahrungen sind nicht durchaus ermutigend; ein recht beträchtliches Defizit der verstaatlichten Betriebe im vergangenen Jahr hat die verantwortlichen Kreise zu nachdenklichen Betrachtungen geführt. Man befürchtet, nicht zu Unrecht, die Bürokratisierung der Wirtschaft, und vor allem die Enttäuschung der Arbeiter, deren so- ziale Stellung sich durch Verstaatlichungsmaßnah- men kaum gebessert hat. Man sucht daher nach neuen Wegen, um die kapitalistische Wirtschafts- form durch eine soziale und gerechte Ordnung ab- zulösen.
Um diese neuen Wege bemühen sich in Frankreich sehr eifrig katholische Kreise, wie die dem Domi- nikanerorden nahestehende Gruppe„ Economie et Humanisme". Sie ist bestrebt, den Menschen wieder zum Mittelpunkt und Endzweck allen wirtschaftli- chen Schaffens zu machen. Die Lösung dieses schwie- rigen Problems sieht sie nicht in der einfachen Er- setzung des Großkapitals durch den noch allmächti- geren Staat, sondern in der Bildung unabhängiger Arbeits- und Betriebsgemeinschaften, die den Arbei- ter am Gedeihen des Unternehmens interessieren. Die Arbeit soll wieder einen persönlichen. Charakter erhalten, selbst wenn sie am laufenden Band gelei- stet wird. Der Mensch aber soll vor der hoffnungs- losen Vermasung bewahrt werden. So ist das Ziel nicht Verstaatlichung, sondern Sozialisierung auf ge- nossenschaftlicher oder gemeinschaftlicher Basis.
Ein Industrieller, der zu besagter Gruppe gehört, empfiehlt eine vertragliche Verbindung von Kapital und Arbeit, bei der die Betriebsgemeinschaft der Ar- beiter dem Kapitalisten gegenüber, der lediglich Geldgeber sein soll, als Unternehmer gilt.
Diese Betriebsform wurde neuerdings für die Lyoner Automobilfabrik Berlien vorgeschlagen. Das Unternehmen wurde dem Zugriff seiner Besitzer, die mit den deutschen Besatzungsbehörden zusam- mengearbeitet hatten, entzogen, ohne daß die Ak- tienmehrheit in den Besitz des Staates überging. Au- genblicklich wird der Betrieb von den Vertretern der Arbeiterschaft geführt, doch findet man, daß die Rechte der politisch unbelasteten Aktionäre auf die Dauer nicht gänzlich vernachlässigt werden kön- nen. Die Regierung beabsichtigt die Verstaatlichung
Deutscher Import
über holländische und belgische Häfen Niederländische und belgische Schiffahrtskreise hatten sich, wie wir an dieser Stelle früher melde- ten, seit einiger Zeit lebhaft darum bemüht, daß ein Teil der für Deutschland bestimmten Importe über holländische und belgische Häfen geleitet werde. Die Verhandlungen zwischen einer niederländisch- belgischen Delegation und Vertretern der Militär- regierungen der Bizone haben jetzt zu einer Ver- ständigung über dieses Problem geführt. Die Ab- ordnungen haben ihren Regierungen Vorschläge ge- macht, die inzwischen veröffentlicht worden sind. Es sollen nach ihnen jährlich 1 Mill. Tonnen Waren über die Häfen Rotterdam und, Amsterdam, und 700 000 Tonnen über Belgien geleitet werden. Die niederländische Regierung erklärte sich damit ein- verstanden, für den Transport von einem ihrer Hä- fen nach einer deutschen Rheinstadt Kredit zu ge- währen, wobei die auf noch unbestimmte Zeit aus- gestellten Rechnungen zu Lasten Deutschlands ge-
Geschäftliches
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des Werkes, die Arbeiter hingegen wünschen die als die der kapitalistischen Konkurrenzunternehmen. Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes. Da taucht Von sozialistischer Seite wird die Möglichkeit, daß als dritte Möglichkeit die Gründung einer Arbel- solche Arbeitergemeinschaften sich zu sehr von tergesellschaft" auf, die einen Vertrag mit der Fi- ihrem eigenen Gewinnstreben leiten lassen und da- nanzgesellschaft" der Aktionäre schließen könnte. her nur bereit sein könnten, die besten und tüch- Diese Finanzgesellschaft hätte keinen Einfluß auf tigsten Arbeiter in ihre Reihen aufzunehmen, als die Betriebs- und Geschäftsführung des Unterneh- eine Gefahr bezeichnet. Dieses Argument scheint mens und würde lediglich eine bestimmte jährliche uns jedoch abwegig denn es geht ja nicht nur Vergütung erhalten. darum, eine soziale Ordnung, sondern auch eine ge- rechte Ordnung zu schaffen. Keine Wirtschafts- form kann ja auf die Förderung der Leistung ver- zichten, und die Belohnung der guten Leistung ist ein in unserer wirtschaftlichen Vergangenheit nur häufig zu wenig beachtetes Gebot der Gerechtig- keit. Im übrigen würden sich diese Dinge irgendwie ganz von selbst ausgleichen, sobald der Gedanke der. Arbeitergemeinschaften in größerem Rahmen ver- wirklicht würde. Für uns Deutsche, die wir auf allen Gebieten unseres Lebens nach neuen Formen suchen müssen, bedeutet er jedenfalls eine Anregung von bedeutendem Interesse, denn viele von uns dürften sich dem Gedanken der Wirtschaftsverstaatlichung nach unseren Erfahrungen mit einem allmächtigen
Ein praktischer Versuch dieser Art, der allgemein als ein Erfolg gilt, ist die seit einigen Jahren beste- hende Gemeinschaft Marcel Barbu" in Besançon eine Uhrengehäusefabrik. Der frühere Eigentümer des Betriebes, Marcel Barbu, hat seine Rechte an die Arbeitergemeinschaft" rechtsgültig abgetreten und erhält dafür eine monatliche Nießbrauchent- schädigung von 50.000 Francs. Die Fabrik wird aus- schließlich von Arbeitern verwaltet. Mitglied der Ge- meinschaft kann nur werden, wer ein Jahr im Be- trieb arbeitet. Der Gewinn wird nach einem verein- barten Schlüssel verteilt, wobei ein bedeuten- der Teil zur Reservenbildung verwen- det wird.
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Die Arbeitsleistung des Betriebes ist eher höher Staat widersetzen.
Außenhandel
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KURZNACHRICHTEN
BERLIN. Tabak für Deutschland, und zwar nach einem über die Vereinigtę Export- Import- Agen- tur abgeschlossenen Vertrage 50 000 kg
liefern
die USA. Er soll, mit deutschen Tabaksorten ge- mischt, zur Herstellung von Zigaretten für Deutsch- land verwendet werden. Die amerikanische Militär- regierung erwägt den Ankauf von 500 000 kg grie- chischem Tabak, der bereits vor Kriegsausbruch von Deutschland importiert wurde.
BERLIN. Ein Wirtschaftsvertrag Norwegen- Bizone ist abgeschlossen worden. Norwegen erhält chemi- sche Produkte, Textilien, Stahlerzeugnisse und elek- trische Einrichtungen, und liefert Pyrit, Fische, Walöl und Mühlsteine für Papiermühlen.
AACHEN. Einen Antrag auf Beteiligung am Fern- gasexport aus dem Aachener Kohlengebiet hat die belgische Regierung bei der britischen Militärre- gierung für Deutschland eingereicht. Es wurde noch nicht entschieden.
BERLIN. Die Exportlieferungen der Bizone er- reichten im Juli einen Betrag von 22 375 800 Dollar.
hen. Die belgische Regierung würde sich diesem Ver- fahren anschließen. Für beide Länder zusammen würde das eine Kreditgewährung von 4 Mill. hfl. be- deuten. Für jede transportierte Tonne würden die Niederlande und Belgien 1,12 Dollar erhalten.
Dieses Abkommen soll für die Dauer eines Jahres geschlossen und stillschweigend verlängert werden, falls keine Kündigung oder Aenderung erfolgt. Die niederländische und die belgische Regierung haben den Vereinigten Staaten und Großbritannien mitge- teilt, daß sie die Vorschläge annehmen. Falls diese ihr Einverständnis geben, könnte vor dem 15. Sep- tember ein detailliertes Abkommen ausgearbeitet und ratifiziert werden.
In niederländischen Schiffahrtskreisen wird die Regelung nicht allzusehr begrüßt. Man findet es in bezug auf die Verteilung des Transitverkehrs zwi- schen den Niederlanden und Belgien sehr enttäu- schend. Wenn man an die Zeit denke, da Antwerpen noch nicht einmal den zehnten Teil der Fracht trans- portierte, die über Rotterdam nach Köln ging, be- stehe wenig Grund zur Freude.
BERLIN. Ein Devisenbonus von 7,5 Prozent des effektiv anfallenden Devisenerlöses ist nach einer Verordnung der deutschen Verwaltung für Inter- zonen- und Außenhandel mit Wirkung vom 1. Sep- tember für die Ostzone festgelegt worden. Er dient exportfördernden Zwecken, wie: Einfuhr zusätz- licher Rohstoffe, Waren für die Ausrüstung des Be- triebes, der Arbeiter und Angestellten, aber auch zur Kostendeckung von Marktanalysen und Ge-
schäftsreisen.
BERLIN. Die Einfuhr von 8000 t Roheisen aus Rußland in die Sowjetzone gibt die sowjetisch li- zenzierte Agentur ADN. bekannt. 50 Prozent dieser Menge seien bereits eingetroffen.
BERLIN. Zu Handelsbesprechungen zwischen Bel- gien und der Sowjetzone wird nach Mitteilung der belgischen Militärmission eine belgische Delegation in Berlin erwartet.
Ausland
BOSTON. Ankauf von Fischkuttern für Deutsch- land? Nach einer Meldung der New York Times" versuchen das Staatsdepartement und das Kriegs- departement, in Neuengland und an der pazifischen Küste 300 für den Wiederaufbau der deutschen Fl- schereiflotte bestimmte Fischkutter zu kaufen, um mit dieser Maßnahme zur Herabsetzung der deut- schen Lebensmitteleinfuhr beizutragen. Offizielle Kreise in Washington erklären zwar, nicht unter- richtet zu sein; andererseits meldet man, es seien deutsche Fachleute zur Beratung mit Spezialbeam- ten der amerikanischen Regierung eingetroffen.
WIEN. Dem Pariser Goldabkommen vom 4. Ja- nuar 1946 ist Oesterreich beigetreten, um seinen An- spruch auf Rückerstattung des von Deutschland ge- raubten. Goldes 91 256,9 kg Feingold im heutigen Werte von 975 536 261 Schilling geltend zu ma- chen.
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BRÜSSEL. Ein Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der chemischen Produktion wurde zwischen Holland, Belgien und England für die Dauer von zunächst drei Jahren abgeschlossen.
PARIS. Der Preisindex in Frankreich ist( 1938 100) von 882 im Monat Juli auf 998 im Monat Au- gust angestiegen.
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Französische Zone
9. September 1947
KOBLENZ. Eine Bewertung der Weine, deren Preise über 3600 Mark je 1000 Liter liegen, ist von der Oberen Preisbehörde der Landesregierung Rhein- land- Pfalz angeordnet worden. Die verschiedenen Preisklassen sind der Oberen Preisbehörde bis spä- testens 30. 9. bzw. 31. 12. 47 zur Bewertung anzustel- len, widrigenfalls sie zu den Grundpreisen abzulie-
fern sind.
BERLIN. Torfhaltigen Boden hat die Deutsche geologische Landesanstalt im französischen Sektor von Berlin festgestellt. Mit der Ausbeutung des auf 500 000 t Trockentorf geschätzten, bei Hermsdorf lie- genden Vorkommens will man bald beginnen.
Anglo- amerikanische Zone
BERLIN. Ausfuhr von Zeitungs- und Buchpapier aus der amerikanischen Besatzungszone verboten Von der amerikanischen Militärregierung wurde die Ausfuhr von Papier für Zeitungen und Bücher aus der amerikanischen Besatzungszone verboten und angeordnet, die geringen Papierbestände ausschließ- lich für den deutschen Inlandsverbrauch zurückzu- halten.
sollen die britische Besatzungsbehörden aus WIESBADEN. Nur noch 300 Volkswagen monatlich den Wolfsburger Motorenwerken( früher Volkswagenwerk Fallersleben) erhalten, während von dem Rest 50 Prozent für den deutschen Bedarf und 50 Prozent für Exportzwecke verfügbar sein sollen. WIESBADEN. Neues Kleingeld in Papierform und zwar Fünf- und Zehnpfennigscheine, beabsichtigt die amerikanische Militärregierung demänchst in der Bizone herauszugeben.
BERLIN. Die Nutzholzexporte aus der britischen Zone nach Großbritannien haben im Juli mit 152 231 t eine Rekordhöhe erreicht. Weitere fast 100 000 t.la- gen Ende Juli in den Häfen zur Verschiffung bereit. HAMBURG. Die Zementindustrie der britischen Zone konnte infolge unzureichender Energieversor- gung in der ersten Hälfte dieses Jahres nur zu einem Fünftel ihrer Produktionsfähigkeit ausgenutzt wer- den.
Stromversorgung gefährdet
MÜNCHEN. Drohender Zusammenbruch der Strom- versorgung. Stromknappheit infolge katastrophalen Wassermangels hat für München einschneidende Stromkürzungen notwendig gemacht. Haushalte dür- fen nur noch ein Viertel ihrés Aprilkontingents ver- brauchen. Abwechselnd in einer Hälfte des Stadt- gebietes wird der Strom während eines halben Ta- ges vollständig abgeschaltet. Straßenbahnen verkeh- ren sonntags überhaupt nicht mehr, werktags nur noch in Stunden stärksten Berufsverkehrs. Vergnü- gungsbetriebe, Theater, Kinos, Kabaretts usw. dür- fen zwischen 19 und 22 Uhr keine Vorstellungen mehr veranstalten. ,, Um einen vollständigen Zusam- menbruch der Stromversorgung in Bayern zu ver- hindern, werden, wie im vergangenen Winter, Indu- striefeiertage angeordnet werden", erklärte General Walter J. Mueller.
HAMBURG. Nur noch ein Drittel ihrer normalen Stromerzeugung erreichen die Rheinisch- Westfäli- schen Elektrizitätswerke des oberbergischen Kreises. Die Wasserstände der Talsperren und Stauwerke sind erheblich abgesunken und betragen zurzeit nur noch 5,7 Mill. cbm gegenüber Normalständen von 20 Mill. cbm.
KASSEL. Die Edertalsperre mit 202 Mill. cbm Fas- sungsvermögen kann infolge der anhaltenden Trok- kenheit den Wasserstand der Weser nicht mehr re- gulieren. Nach einem Notplan soll die Tageszufuhr von 1,6 Mill. cbm an zwei Wochentagen ganz aus- fallen, damit wenigstens an den übrigen fünf Tagen der dringendste Schiffsverkehr aufrecht erhalten werden kann.
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