7. 1946

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Baden-Baden. 800 französische Kinder sind aus Paris nach dem Schwarzwald unterwegs, wo sie sich mehrere Wochen erholen sollen.

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Stuttgart. Dre kürzlich gegründete deutsche Sektion der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit hat eine Einladung zum ersten Kongreß des Internationalen Frauenverbandes in Luxemburg erhalten. An ihm werden Vertreterinnen aus'S7 Län­dern teilnehmen.

Miinchen. In zwanzig Münchener Betrieben sind bei Betriebsrätewahlen gewählt worden: 36 Kandi­daten der KPD., 15 SPD., 8 CDU. und 10 Parteilose.

Münche n. Das bayerische Wirtschaftsministerium hat angeordnet, daß bestimmten Wirtschaftszweigen die fehlenden Arbeitskräfte auf dem Weg der Ar- "Pachtung dem Kontrollrats-

besehl Nr. 3 zugeführt werden.

München. Die bayerische Regierung hat einen Gesetzentwurf über die staatsbürgerliche Gleichberech­tigung der Flüchtlinge ausgearbeitet. Danach sind alle Ostflüchtlinge, die östlich der Oder und Eörlitzer Neiße gewohnt haben, und alle solchen von außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches mit deutscher Ab­stammung vollberechtigte Staatsbürger.

München. Der Austausch von Evakuierten aus der amerikanischen in die russische Zone wird auf Er­suchen der russischen Militärregierung am 15. Juni eingestellt, weil mehr Personen in die russische Zone eingcreist sind als umgekehrt.

Würzburg. Die CSU. ist für Stadt und Kreis Würzburg verboten und ihrem Vorsitzenden Dr. Dürr ist jede politische Tätigkeit untersagt worden, weil die Partei Personen ausgenommen und eine davon sogar zum Wahlpriiser ernannt hatte, die seit 1033 zur NSDAP, gehört hatten.

Wiesbaden. Die kommunistische Partei ist auf Grund der Bestimmung, daß erst mindestens 15 Prozent Stimmenanteil die Vertretung einer Par­tei sichert, außer in Hanau in keinem Stadtparlament Groß-Hessens vertreten.

Lng/fzcchs Torrs

Bielefeld. Als Nachfolger Bodelschwinghs ist Konsistorialrat Hardt zum Leiter der Anstalt Bethel ernannt worden.

Herford. Nach einem Bericht des Hauptquar­tiers der Rheinarmee hat der ehemalige Ecstapoches in Südfrankreich, Oberst Suhr, im Gefängnis Selbst­mord begangen. .

treter der vier Besatzungsmüchte Deutschlands sind zugegen.

Paris. Die stellvertretenden Außenminister der vier Großmächte setzen ihre Beratungen über die Friedensverträge fort.

Paris. Der französische TankerPalmyre", das größte Tankschiff der Welt, ist aus St. Nazaire zu seiner ersten Fahrt nach Venezuela ausgelaufen.

Warschau. Zehn Angehörige des Wachpersonals des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig sind zumTode verurteilt worden. Zwei Angeklagte sind sreigesprochen worden.

Moskau. Am letzten Montag ist Michail Jwano- witsch Kalinin, von 1919 bis 1916 Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR., im Älter von 71 Jahren gestorben.

Belgrad. Die neue Rundfunkstation, eine der modernsten und stärksten Europas, hat mit ihren Sen­dungen begonnen.

Lissabon. Die portugiesische Regierung ist da­mit einverstanden, daß Großbritannien und die Ver­einigten Staaten ihre Flugstützpunkte auf den Azoren noch weitere 18 Monate benützen.

Washington. In Amerika soll ein Luftverkehr mit 285 Meter langen Luftschiffen ausgenommen wer­den, die nicht nur zur Beförderung von Lasten und Fluggästen, sondern auch als fliegende Flugzeug­träger dienen sollen.

New Bork. Wogen eines offiziellen Empfangs des polnischen Generals Vor-Komorowsky durch die Stadt New Park und leine Begrüßung durch den stellvertretenden Generalsekretär der UN. protestier­ten der polnische Botschafter Dr. Lange und der Sowjetdelegierte Kromyko. Bor-Komorowsky steht auf der polnischen Kriegsoerbrecherliste.

New Bork. Die Seemannsgewerkfchasten haben den Internationalen Eewerkschaftsbund in Paris um Unterstützung in allen Welthäsen ersucht, falls es zum Streik kommen sollte.

Ottawa. 5000 Seeleute sind in den Streik getre­ten, um die Herabsetzung der Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden zu erreichen.

Rio de Janeiro. Auch Brasilien wird demobili­sierten Polen der Armee Anders di« Einwanderung gestatten.

Tokio. Der japanischeNürnberger Prozeß" ge­gen 26 Mitglieder der früheren Regierung, an der Spitze Ministerpräsident To>o, hat begonnen.

Nanking. Der letzte Ministerpräsident der frühe­ren sogenannten Nankingor Nationalregierung,Tschang Kung Po, ist wegen Hochverrats hingerichtet worden.

Kranrösiscch«; Konsulate Im Südgebiet der französischen Zone bestehen fol­gende französischen Interessenvertretungen mit dem Charakter von Konsulaten: in Baden-Baden (Schillerstraße 19) für die Bezirke Baden-Baden, Bühl und Rastatt; in Freiburg i. Br. (Maximi- lianstraße 19) für die Bezirke Freiburg und Kon­stanz; in Tübingen (Schloß) für die französische Zone von Württemberg und Hohenzollern und vor­läufig den bayerischen Kreis Lindau.

Da die Eebietdständigkeiten genau begrenzt sind, haben sich Interessenten unbedingt an da» nach ihrem Wohnort zuständige Konsulat zu richten.

Oie Kationen

Eine Dreimächtekommission zur Untersuchung der Ernährungsverhältnisse ist nach einer Reise durch die drei Westzonen nach Berlin zurückgekehrt. Es sind die Städte Stuttgart, Freudenstadt, Schram­berg, Kassel, Hannover, Bremen, Düsseldorf und Esten besucht worden. Seit der Kürzung der Lebens­mittelrationen ist eine wesentliche Verschlechterung des Ernährungszustandes des deutschen Volkes festzu­stellen. Die Kommission fordert eine Erhöhung der Kalorienzahl auf 1150 pro Tag. Selbst 1550 Kalorien seien auf die Dauer nicht ausreichend.

Oie KvnsmnKenossenslllakten Die Konsumgenossenschaften waren im Jahre 1911 alsVerbraucherringe" der deutschen Arbeitsfront übereignet worden. Beim Zusammenbruch drohten die Genossenschaften als NS.-Organisationen im all­gemeinen Chaos zu versinken. Dank der Tatkraft aller Genossenschaftler konnte aber im Einvernehmen mit den Militärregierungen der westlichen Zonen das Genossenschaftswesen weitergeführt werden. Heute werden schon wieder von einzelnen Genossenschaften bis zu 11 Prozent der Waren verteilt.

In Tuttlingen haben am 29. Mai die Geschäfts­führer der Konsumgenossenschaften Südwürttembergs und Südbadcns getagt. Auch Vertreter von Noro- württemberg, Baden, Großhessen und der englischen Zone waren anwesend. Hauptreserent war ein Ver­treter der Eroßeinkaufsaesellschaft deutscher Konsum­vereine (GEE.st die in den einzelnen Zonen Zweig­niederlassungen errichtet hat,um so die schädlicheZonen- trennung zu überwinden. 1l. a. sind neuerdings im Kompenjationsoerfahren Fische aus der englischen Zone gegen Faßdauben und Kistenholz aus der fran­zösischen Zone getauscht worden. Ein Verband ssid- wiirttembergischer und siidbadischer Konsumvereine ist in Vorbereitung.

Es gibt zweierlei Deutsche: die einen sitzen hinter den Schaltern und die anderen möchten dahinter sitzen. Sieglrieö fabobsobll

Lübeck. Der Präsident der Deutschen Friedens- gesellschaft, Freiherr von Schönaich, der früher zur Demokratischen Partei gehört hat, ist der CDU. bei­getreten.

Torrs

Erfurt. 1000 Wohnungen, das find 38 Prozent des geschädigten Wohnraumes, sind im ersten Nach- kricgsjahr wieder hergerichtet worden.

Dresden. Die Brotversorgung des Bundeslands Sachsen ist bis zum Anschluß an die neue Ernte bei den jetzigen Versorgungssätzen gesichert.

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Berlin. In Berlin gibt es jetzt wieder eine Friedrich-Ebert-Straßc, sine Stresemannstraße und einen Rcichskanzlerplatz. Ferner einen Karl-Liebknecht- Platz, einen Engslsplätz, eine Quiddestraße und eins Ringelnatzstraße.

Berlin. Die alliierte Kommandantur hat für Oktober Stadtratswahlen ungeordnet.

Berlin. Die Zentralverwaltung für Volksbildung in der russischen Zone hat die Anwendung von Kör­perstrafen in den Schulen verboten.

Potsdam. Die berühmte Mühle im Park von Sanssouci ist ein Opfer des Krieges geworden.

Oranienburg. Der ebemalige Chefredakteur desBerliner Tageblatts", Theodor Wolff, der nach der Besetzung Frankreichs dort als Emigrant verhaf­tet und in das Konzentrationslager Oranienburg ge­schafft worden war, ist dort im November 1913 ge­storben.

Wien. Der ehemalige Lagerarzt von Auschwitz, SS.-Obersturmfiihrer Dr. Mayer, und der frühere SS.-Abwehroffizier Herbert Nicolatoni sind in Oester­reich verhaftet worden.

Amsterdam. In Anwesenheit von Vertretern aus 13 Ländern hat hier ein Kongreß des Internatio­nalen Christlichen Eewerkschaftsbundes begonnen.

Kopenhagen. Eine zcntraleuropäische Jnland- transportorganisation verhandelt hier über das Pro­blem des Abtransportes überschüssiger Fische aus Skandinavien in die Notstandsgebiete Europas. Ver­

klön DIurmeltier

Die Hamburger WochenzeitschriftDie Zeit" hat kürzlich einmal vorgeschlagen, von Freitag abend dis Dienstag früh einenWochenendschlaf" einzuführen und während dieser drei Tage alle Arbeits- und Ge­schäftstätigkeit ruhen zu lassen. Das entspreche der knappen Ernährung; eine ausgiebige Bettruhe müsse die fehlenden Kalorien ersetzen.

Organisieren" wird man den Massenschlaf wohl noch nicht können, wie so vieles andere. Und wann soll man dann Fußball spielen und seinen Sonntags­ausflug machen?

Aber ein bißchen was ist dran. Mancher hat sich ja wohl bereits entschlossen, die Dämmerschoppen und Abcndskat dadurch zu ersetzen, daß er mit den Hüh­nern schlafen geht.

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Der Berliner Magistrat wird folgende Denkmäler entfernen lassen: Die Siegesallee beim Tiergarten, das Denkmal Wilhelms I. an der Schloßfreiheit, die Kolonnaden auf ber Charlottenburger Brücke und vierzig weitere alte Generäle, Prinzen und Fürsten. Ein Befehl des alliierten Kontrollrats hat zur Be­schleunigung dieses längst erwogenen Schrittes bei­getragen. Was künstlerisch wertvoll ist, kommt ins Museum; was nicht, wird eingeschmolzen oder ver­nichtet.

Auf dem Stuttgarter Karlsplatz steht auch so ein überflüssiger Reiter. Ob sich die Stadtväter werden entschließen können, ihn dem Feuerofen zu über­liefern?

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Ein Teil der bayrischen Hochalmen in der Gegend von Berchtesgaden liegt dicht an der österreichischen Grenze. Die Schmuggler sind dort auch in normalen Zeiten gern unterwegs gewesen und der jetzt betrie­bene Tauschhandel bedient sich mit Vorliebe dieser Gelegenheit, Lebensmittel und Tabakwaren zu be­schaffen. Der Viehauftrieb begünstigt dabei die Ver­schiebung von lebenden Tieren. Der Bürgermeister von Bad Reichenhall hat deshalb jetzt verordnet, daß

jeder Viehaustrieb auf grenznahe Almen in Zukunft zehn Tage vorher dem Zollamt zu melden ist.

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Der englische Journalist Ralph Hewins berich­tet von einem Abstecher nach Schweden. Einzelheiten über die Ernährungsverhältnisse des' Landes. Nur Zucker, Schweinefleisch, Fett und zeitweise Brot find noch rationiert. Eier, Räucherlachs, Hummer und alle Sorten Fische gibt es in großen Mengenmarken­frei" zu kaufen.

Schweden hat schon lange ein bxschkänktes Alko­holverbot. Es gibt ja nach gewissen Voraussetzungen eine bis vier Flaschen Schnaps im Monat. Autofah­rer, die die Verkehrsregeln nicht eingehalten haben, ausgesprochene Säufer, Leute mit Steuerrückständen und Frauen unter 27 Jahren erhallen keinerlei Al­kohol. .

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Frau Aiblinger kommt zum Schuster und erklärt ihm:Lieber Herr Schuhmachermeister, könnten S' mir nicht die Schuhe von meinem Maxl besohlen?" Der ehrbare Handwerker beugt sich darauf über sein Kundenbuch, runzelt die Stirne und sagt:Tut mir leid, gute Frau, das Kontingent ist bereits er­schöpft!"So etwas Dummes, jetzt hat mir mein Maxl extra für Sie ein paar Zigaretten mitgegeben."Ja", stammelt der Schuhmacher­meister mit schmachtendem Blick,da bleibt uns dann nur ein Ausweg; wir müssen es halt aufs Sonder­kontingent schreiben." (-. 7tx.)

G. DI. v. Weber, DIeister der Oitarre Carl Maria von Weber, der Schöpfer desFrei­schütz", besten Todestag sich am 5. Juni 1916 zum 120/ Male gejährt hat, ist drei Jahre seines kurzen Lebens in Stuttgart und Ludwigsburg gewesen, als ausgelassener Gesellschafter, Klavier- und Gitarre­spieler bort so bekannt wie sein musischer Vorgänger Schubart. Er ist in gewissem Sinne der Ahnherr der späteren Wandervogel- und Klampfenpoesie die sich jetzt nach zwölf Jahren Blockmusik wieder schüchtern zu rühren beginnt.

Urne

Die unter der UeberschriftKollektiv, schuld?" in Nr. 39 des Schwäbischen Tagblalts erschienenen Ausführungen des Herrn Theo Schweißer können nicht unwidersprochen bleiben. Es ist nicht gut für unser Volk, die Schuld an unserem Unglück im wesentlichen einem Stande aufzubürden. Leider ist es richtig, daß sehr viele Akademiker und darunter auch Juristen sür die Ereignisse der letzten zwölf Jahre mitverantwort­lich sind, aber die Verallgemeinerung des Herrn Schweißer ist ungerecht.

Wenn er gerade die Juristen besonders aufs Korn nimmt, so befindet er sich dabei in merk­würdiger Gesellschaft nämlich in der desFüh­rers" Adolf Hitler. Viele Leser werden sich noch erinnern, daß Hitler in seinen Reden keinen Be­rufsstand so beschimpft und lächerlich zu machen versucht hat, als die Juristen. Das tat er, weil er wußte, daß in diesen Kreisen von vielen seine Weltanschauung abgelehnt und nicht so geurteilt wurde, wie er es haben wollte. Hitler, Göring, Himmler. Heß, Streicher, Sauckel, Ley, Murr, Robert Wagner, Mutschmann und viele andere führende Nationalsozialisten waren keine Akade­miker. Der Nationalsozialismus war nicht die Be­wegung der Gebildeten, sondern die der Halb­gebildeten.

Sicher hat Herr Schweißer sehr verächtliche Ver- treter derAkademiker" kennengelernt, aber er wird, wenn er leidenschaftslos prüft, nicht bestrei­ten können, daß es auch andere Kriegsgerichtsräte und Militärärzte gab. Ich jedenfalls kenne Kriegs­gerichtsräte, die mutig und menschlich urteilten, und ich kenne auch Aerzte die unermüdlich und mit großer Hingabe das Los der Verwundeten und Verstümmelten zu lindern versuchten und auch ge­lindert haben.

Man höre doch endlich mit den unglückseligen Verallgemeinerungen auf:der Akademiker, der Bauer, der Arbeiter, der Deutsche" usf. Es gibt ihn und es gibt ihn nicht. Wenn es sich um Schuld oder Nichtschuld handelt, gibt es ihn nicht. In je­dem Stand gibt es Schuldige und Nichtschuldige, und zeigt man mit dem Finger nur auf die An­gehörigen des einen Standes, so erschwert man es denen der anderen Stände, zu erkennen, daß sich auch in ihren Reihen Schuldige befinden. Man macht damit die Einsicht fast unmöglich, daß nicht beim Blick nach außen, aber beim Blick nach innen sehr viel Wahres an dem Worte Dosto­jewskis ist:Alle sind an allem schuldig" auch Herr Theo Schweißer und ich.

Randrat: Renner, Tübingen *

Herr Schweißer bemerkt dazu:Ich wollte keineswegs alle Akademiker angreifen, sondern nur diejenigen in führenden und maßgebenden Stellen. Die Mehrzahl der Angeklagten in Nürnberg sind wohl doch Akademiker, ohne deren Erfahrung und Klugheit Hitler seine Verbrechen nicht hätte aus­führen können. Gewiß gab es auch ausgezeichnete Aerzte. (Sie hatten aber wenig Aussicht auf Be­förderung.) Vielleicht gab es sogar menschliche Kriegsgerichtsräte und ehrliche Zahlmeister.

Wenn man den BegriffSchuld" im Sinne Dostojewskis auf alle Menschen ausdehnen will, wird er inhaltlos. Ich möchte doch annehmen, daß das Maß an Schuld, das Herr Renner und ich auf uns geladen haben, erheblich geringer ist als das der Kriegsgerichtsräte, die Hunderte von Solda­ten wegenZersetzung der Wehrkraft" zum Tode verurteilt haben."

Wie der Krieg finanziert w orden ist

Nach der Berliner ZeitungTelegraf" betrugen die Ausgaben des Reichshaushalts während fünfeinhalb Kriegsjahren 635 Milliarden Mark. Davon waren mindestens 500 Milliardenechte" Kriegsaüsgäben. Sie wurden gedeckt: zu 28 Prozent durch Steuern, zu 18 Prozent durch fundierte Schulden (Anleihen und verzinsliche Schatzanweisungen), zu 36 Prozent durch schwebende Schulden (insbesondere Reichsschatzwechset und unverzinsliche Schatzanweisungen), zu 7 Prozent durch Verwaltungseinnahmen (Post und Reichsbahn), zu 11 Prozent durch Leistungen der besetzten Länder; also über die Hälfte durch Schulden.

Im Jahr 1933 betrug die Reichsschuld rund 12 Mil­liarden Mark; bei Kriegsausbruch waren cs (infolge der Ausrüstung) 31 Milliarden geworden, bei der Kapitulation 106 Milliarden.

Der Geldumlauf belief sich 1933 auf 5,7 Milliarden, bei Kriegsausbruch etwa auf 11 und bei Kriegsende auf 65 Milliarden.

chen wurde. Magistrat und Zunftmeister Unter­zeichneten zum Schluß ein Protokoll, worauf alles zürn Rathaus zurückging und dort entlassen wurde.

Originell wie alles, oft aber sehr hart, war die Justiz. Felddiebe hing man in einem Korb am Rathaus auf. Streitsüchtige Weiber steckte man mit den Köpfen in die sogenannteGeige", so daß sie sich aus nächster Nähe betrachten und bespucken, aber nicht mit den Händen erreichen konnten. Lä­stermäuler wurden an den Schandgalgen gebun­den, vor dem Mund einen langen Schnabel, der ein Glöckchen trug. Böse Buben machten sich ein Vergnügen daraus, die Malefikantin mit Stroh­halmen unter der Nase zu kitzeln, daß das Glöck­chen bei jeder Bewegung lustig bimmelte. Unzucht wurde am Pranger gebüßt, der Mann mit einem Strohkranz auf dem Kopf und einem Strohdegen an der Seite, das Mädchen mit dem gleichen Kranz, Strohzöpfen und einem Strohgürtel um die Hüften. Anonymen Briefschreibern wurden die Briefe vom Scharfrichter in der Hand verbrannt.

Eine besondere Liebhaberei des Reichsstädtchens war das Theater, eine Leidenschaft, die bis in die Gegenwart lebendig geblieben ist. Zwei Gesellschaf­ten, selbstverständlich auch paritätisch geschieden, standen im Wettstreit miteinander und suchten sich den Rang abzulaufen. Große literarische Taten haben sie zwar nicht vollbracht. Das Niveau der Erzeugnisse ihrer dichtenden Landsleute ging, soweit sich Texte erhalten haben oder sich aus den lang­atmigen barocken Titeln schließen läßt, nicht über das damals übliche Maß hinaus. Die evangelische Gesellschaft aber kann sich zweier bedeutsamer Tat­sachen rühmen. Sie brachte mit Regine Teller zum erstenmal eine Frau als Darstellerin auf die Bühne, während vorher Frauenrollen immer von Männern gespielt wurden. Und unter Christoph Martin Wielands Leitung brachte sie 1761 in einer denkwürdigen Aufführung Shakespeares von ihm ins Deutsche übersetztenSturm" zum erstenmal in Deutschland auf die Bühne, einer Aufführung, in der zwei heimatliche Dilettanten die Hauptrolle spielten, die bald darauf der reichsstädlischen Enge entliefen, um als Sterne am deutschen Theater­himmel zu glänzen: Karl Friedrich Abt und Feli­citas Knecht! Dt« katholisch« Gesellschaft aber rettete

die mittelalterlichen Passionsspiele mit ihrem ris­sigen Schaugepräge, van dem wir uns heute kaum mehr eine Vorstellung machen können, ins 19. Jahr­hundert herüber. Zahlreiche Künstler, Maler, Mu­siker, Goldschmiede und Edelsteinschneider hatten ihre Heimat in der kunstverständigen und kunst­liebenden Stadt, die 1803 ihre Reichsunmittelbar­keit verlor und zunächst an Baden, später an Württemberg kam.

IVlea eulpa

Von Rslisr

Gottlieb Riedermeier (oder Vordermeier, ich weiß nicht mehr) war Pg. gewesen. Von 1933 oder von 1937, das weiß ich auch nicht mehr genau. Er hatte jedenfalls mitgemacht, und als nach dem Zusammenbruch der Hitlerei die Rede von der Kol­lektivschuld aufkam, mußte er sich bei ehrlicher in­nerer Prüfung sagen, daß er auch sein Stück Schuld an unserem Unglück mittrug.

Cs war nicht so groß, daß er von einem alliier­ten oder auch deutschen Gericht hätte verfolgt wer­de» können. Auch bei sorgfältiger Lektüre des in der benachbarten Zone erschienenen Entnazifizie­rungsgesetzes durfte er sich mit einer gewissen Er­leichterung sagen, daß ihm kaum Gefahr drohe, auch wenn die Reinigung einmal in seiner Heimat ausbräche. Schließlich war er ja nur ein Mitläu­fer gewesen, und wenn er sich nun still hielt und keine Dummheiten machte, dann würde die böse Zeit wohl auch verübergehen, wie diegroße" Zeit, an der er sich beteiligt hatte.

Aber Niedermaier (ich weiß nicht, schrieb er sich mit ai oder ei) war im Grunde ein rechtlich den­kender Mensch, ein Mann mit Gewissen, und er konnte sich deshalb bei dieser erleichternden Fest­stellung nicht ganz beruhigen. Cr hatte nun ein­mal eine Schuld auf sich liegen, wenn sie viel­leicht auch nicht groß war; und eine Schuld, nicht wahr muß gesühnt werden. Wenn ihn kein Ge­richt 'und keine Obrigkeit strafte, dann mußte er wohl selber über sich zu Gericht sitzen und eine Buße über sich verhängen. Nach einigen unruhi­gen Nächten, in denen er sich darüber den Kopf > zerbrochen hatte, siel ihm auch eine solche ein.

Vor Niedermayers Hause (kann sein, er schrieb sich auch mit y) lag ein riesiger Dreckhaufen. Es war die Erde, die man im Jahr 1944 ausgebuddelt hatte, als man dort einen großen Bunker zum Schutz vor den feindlichen Fliegern baute, die Göring leider nicht hatte abhalten können, sich in der deutschen Luft zu bewegen. Dieser Dreckhaufen mußte weg; aber auf dem Rathaus war man sich noch nicht chan^ einig, wer ihn wegbringen sollte: die ganze Bevölkerung, oder nur die Männer, oder von ihnen hinwiederum nur die Pgs., oder nur die Aktivisten. Außerdem fehlte es an Schippen, an Fahrzeugen, an Treibstoff oder an sonst etwas, so daß der Dreckhaufen ein Jahr nach dem Ende des Krieges immer noch dalag.

Niedermeier hatte sich schon manchmal darüber geärgert, daß dieser verfluchte Dreckhaufen, der ihn störte und unliebsame Erinnerungen in ihm weckte, nicht von der Bildsläche verschwand. Nun war ihm also die Erleuchtung gekommen: er, er selber würde den verdammten Haufen wegschaffen und mit ihm den Druck auf seinem Gewissen, das immer wieder, wenn auch nur ein klein wenig, nagende und bohrende Schuldgefühl.

Er war im Besitz einer Hacke, einer Schaufel und eines Schubkarrens. Er wußte, wo das Loch in den ehemaligen Luftschutzbunker führte. Also begann er eines schönen Sommermorgens um fünf Uhr, den Dreckhaufen abzugraben. Er füllte seinen Karren, fuhr damit ist den Stollen, leerte ihn um, kehrte zurück, füllte ihn wieder und so weiter. Bis sieben Uhr hatte er zehn Schubkarren voll Erde abgeführt; es mochte etwa ein Kubik­meter sein.

Als er um sieben Uhr heimkam, um zu früh­stücken, echten Ersatzkaffee, eine Scheibe Brot und drei kalte Kartoffeln denn um 7 Uhr 30 mußte er im Geschäft sein, rechnete er sich nebenher aus, daß der Haufen rund 600 Kubikmeter groß war. Wenn er täglich zwei Stunden arbeitete, ohne Sonn- und Feiertage, würde er ihn in zwei Jahren abgegraben haben. Zwölf Jahre hatte das Dritte Reich gedauert, an deni er beteiligt gewe­sen war. Sechs Jahre war sein Nachbar im K.Z. gewesen. Das Zahlenverhältnis zwöls zu sechs zu zwei schien ihm recht günstig in der Bemessung der

Strafe, die er sich zudiktiert hatte. Er war eigent­lich noch ganz gut weggekommen. Als er auf dem Weg ins Büro war, pfiff er munter vor sich hin (ich glaube, es war der König-Karl-Marsch, aber ich will Herrn N. nicht blohstellen); es war ihm so leicht ums Herz wie schon lange nimmer.

Im Sommer 1948 können wir also damit rech­nen, daß der Dreckhaufen in der B.-Straße ver­schwunden sein wird.

Sollte das Beispiel meines Freundes Nieder­meier (es fällt mir ein, er schreibt sich doch mit ei) Schule machen, dann ginge es vielleicht sogar et­was rascher.

Eine Sorge kann ich allerdings nicht ganz unter­drücken: daß dem braven Niedermeier seine Tätig­keit am Ende wieder unterbunden werden wird.

Gewiß: er kann mit seiner freien Zeit, seiner Schäufel und seinem Schubkarren machen, was er will. Aber auch mit der Erde, aus der jener Dreck­haufen besteht? Gehört die etwa auch ihm?

Und ist das Betreten des ehemaligen Luftschutz­bunkers, in dem inzwischen etliche Ratten einge- zogen sind, nicht am Ende wegen Einsturzgefahr verboten? Oder überhaupt verboten?

Ja, darüber muß man sich wohl noch Gedanken machen. Ich glaube, Niedermeier sollte sich mit einer Eingabe an die Verwaltungsbehörde wenden, unter Beifügung seines Fragebogens natürlich.

Kadaie und lüeke"

Die dritte Aufführung im Tübinger Schauspicl- hakls, die in einigen Rollen Ambefetzungen brachte, war geeignet, denen, die behaupteten, Schiller habe unserer Zeit nichts mehr zu sagen, zu bewegen, wie lebendig und zeitnahe er noch ist. Das ausoc '. . te

Zusammenspiel aller Mitwirkenden war w. 1 n Hauptverdienst der Aufführung. Günther Eube hat die Rolle des Ferdinand gemeistert und hält bis zum Schluß auf gleicher Höhe durch. Er versteht es, in überzeugender Weise die Verderbtheit seines Standes bloßzustellen und sich die starke Ethik des neuen Bürgertums zu eigen zu machen. Der Sekre- tarius Hans Mcssemer trug nicht nur die fuchsrote Perücke, er verkörperte wahrhaft den hinter­hältigen Schleicher und elenden Schurken.

Anhaltender Beifall bewies, daß cs gelungen war, das Publikum innerlich anzusprechen und daß cs auch begeisterungsfähig ist. L.

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