EINKEHR und AÜSSCHÄH

Für d Katz

»fctSi Abend, 'Wirt!**

Audi so viel, Hausiererjockl. Wieder einmal an- ichann lassen?* 4

Jo, all heilig Zeit halt. Früher hat das Oeft«r* kommen taugt, daß mer'n Leuten mit der War* unter die Augen herumgangen is, bis s* Lust kriegt habn zum Kaufen; hitjt, wos Geld rar is, muß mer sich aufs Sehenwerdn verlegen.

Bist a Schlauer, verstehstn Vorteil.* 4

Gib au mir deine fetten Bissen, laß ich dir gleich mein 4 Kraxen dafür, samt der Schlauheit und 4 m Vortel. Was ich sagn wollt 4 ,n Tagwerker Domini bin ich grad begegnet. 44

Is just kein 4 Ehr 4 . 44

Er war auch mit einer Begleitung, die keine bringt. Ein Schandar hat 4 n eingführt. Er soll beim Grindelbauer eingbrcrdien habn. 44

So, io? Na schau, das nimmt mich gar nit wun­der. Is ja nit sein ersts Stück in derer Weis 4 . 44

Was d 4 sagst! War er denn schon mal eingsperrt gwest?

Dös nit. Damal is er ganz heil davonkommen. War a lustige Geschieht. Weißt es nit? Na, los 4 zu. die alte Brauningerin, 4 s selbe alte, zaundürre Wei­berl. In der Brunngassen hat s 4 ein klein 4 s Häuserl und weit davon ein 4 klein 4 Acker mit Grundbirn 4 und af alln zwein mehr Maus 4 , als s* drein und drauf unterbringen kann. Vorm Jahr war 4 s, da is ihr a alte Kat; 4 krepiert, z 4 erst hat s 4 im ganzen Haus h 4 rumg 4 sucht und glockt: Mitji, Mitjerl! Wirst doch kein* schlechte Mutter machen und deine Kin­der verlassen? Mein schöns, liebs Mitjerl und wie sie 4 s liegen sieht, sagt s 4 : Ach nein, jetjt is dös Mistvieh richtig hin wurdn. Na, mit einer toten Ka$* war nix anz 4 fangen; wann sie s 4 fcber af ihrm Feld eingrabt, so ist dös a Dünger wie an anderer. Weil sie sich doch g 4 scheut hat, daß sie s 4 so ledig anfaßt, bind 4 t sie s 4 fein sauber in a alt 4 s Tüchl, nimmt 4 ! Packerl unterm Arm und geht schön lang­sam nach ihr 4 m Acker.

Nit weit davon steht die Hütten, wo der Domini drein haust mit Weib und Kinder, wo schrein, so krieg 4 n s 4 von der Mutter dLotteriezetteln zun Spieln und vom Vadern Schlag 4 und dös wird fürs Schulgeh 4 n abgrechnet. Na, 4 n selben Abend is der Domini just fuchsteufelswild am Feldweg getän­den, wie allmal mit ein 4 großen Durst, aber wie oftmal mit kein 4 klein 4 Groschen im Sack. Steht da und fahrt sich öften, wie sein Brauch is, mit der Linken übers Kreuz, was ihm g 4 wiß not vom vieln Arbeiten wehtan hat, und rasaunt herum: Kein Herrgott hilft unsereinm, wann mer ihm gleich all Tag* sein Vaderunser oder a paar bett. Muß aber auch a Freud 4 für 4 n Herrgottn sein, wann ihn so a Schnapsbruder Vader heißt!Und schreit er: Himmelsapperment, hitj gilt mer schon all 4 s gleich, ich tu 4 was! Schon a Zeit hat er die Brauningerin dahersteigen g 4 sehn und bemerkt, daß s 4 was tragt, und wie s 4 ganz nah 4 is, faßt er mit der Linken ans Kreuz und mit der Hechten nachm Paket: Her damit, Alte, und fort war er und wärs auch gern gwest, aber nach der anderen Sei­ten zu, doch aus Angst hat s 4 nit von der Stell 4 können, wie s 4 spater gsagt hat: nit um a Gschloß, ich mein 4 aber, sie hätt 4 gehn oder laufen mögen, sie hätt 4 keins dafür kriegt, einer Alten gibt mer doch fürs Davonrennen kein Gschloß, ehnder ver­heißt mers einer Jungen fürs Zulaufen. Mittlerweil is der Domini, schier ein 4 Kopf größer, in sein 4 Hütten treten. Da schaut 4 s her, was 4 s für ein 4 Vadern habts, schreit er sein 4 Leuten zu und wirft s Packl afn Tisch; wie abers Mitbrachte näher is angschaut word'n, da sein s 4 alle miteinander ausgrennt, so ein 4 Eil 4 habn s ghabt, daß s* in d frische Luft kommen.

Ich kanns nit sagen, wer Sach 4 verzunden hat, aber mit einmal kriegn wir allz 4 samm 4 a Vor­ladung vors Kreisgericht, der Domini, d 4 Bräunin- gerin, ich und noch paar, von näher oder von weiten 4 n ganzen Attack mitangschaut habn. No, Brauningerin hat einer von uns aun Wagen gnummen, und so sein wir halt ins Gricht g'fah- ren. Der Domini hat z 4 Fuß gehn können, is auch gleich in aller Früh von daheim fort, war ihm just nit leid, daß er ein 4 ganzen Tag hat feiern kön­nen, und einm löblichen Kreisgericht daran sSchuId geben. Wie mir dort hintreffen, weist mer uns gleich in d 4 Stubn zum Herrn Adjunkt; is a gspa- ßiger Mann gwest, derselbe Herr. Er dürft mal, daß er über alles Bscheid weiß, auch probiert habn, wies Aufhängen tut, denn er hat allweil um sein 4 Hals hrumgfingert, als obn dort noch *s Strickl einschneiden tät.

Gleich nach uns tappt der Domini herein, und wie er d 4 Bräuningerin ansichtig wird, sagt er zu der: Ah, haben s 4 dich schon eingHefert, du alte Hex 4 ? Dös is mer lieh. So is halt doch noch a Ge­rechtigkeit im Land. Du hast mich nit schlecht be- trogn! Herr Adjunkt, sagt er drauf zu dem, freiwillig hat sie sich von mir berauben lassen, hat auch a rechtschaffens Binkerl mitg'führt, was war aber drein?

Jessas, du diebischer Raubmörder, belfert die Bräuningerin, beklag du dich noch! Dukaten hät­ten Teicht drein sein gollen? A verreckt 4 Vieh war drein, und dös war dir vergunnt.

Auf dös hatn Adjunkt der Hals kitjelt, und er sagt: Liehn Leut! Wolln annehmen,s war alles doch nur ein Gspaß.

Hätt 4 dir auch nit gschadt, eifert der Domini gegn ihr und drauf zun Gricht: Ah na, Herr Ad­junkt! Denken S 4 Ihnen, hättenheim Weib und Kind hungern und gehn in der ehrlichen Absicht vom Haus, eins anzpacken, und kriegn nix als a tote Katj! Dös laß ich nit für ein Gspaß gelten!

Dösmal muß abern Herrn Adjunkts Strickl höllmentisch eingschnitten habn, denn er is in d 4 Höh 4 gfahren. Du bist a Vieh! schreit ern Do­mini an. Wars kein Gspaß, so ists Rauh gwest und $afür kriegst bei aller Gnad und Barmherzig­keit paar Jahr. __

Für d 4 Katj? fragt der Domini ganz dumm.

Für d 4 Kag, sagt der Adjunkt.

So, so? no, no! sagt der Domini. Schier mein 4 ich schon selber,s wär 4 nur a Gspaß gwest.

Drauf hat er so a deppets Gelachter angheht, daß mer sich alle miteinander nit anders hah'n helfen können und mitlachen mußten. Und so iss zu sein guten Glück fürs erst Mal dabei bliehn und alls für die Katj gwest. Dösmal aber wird wohl der Herr Adjunkt nit lachen, der Grindel­bauer auch nit. und am allerwenigsten der Domini. Hab mirs doch gleich damal schon denkt, Ka^ laßt Haar 4 , und davon bleibt was anhängen. 44

Ludteig Anzengruber

^öer^&runnnv

fifar rfnffma 6a Rom 0ämr 6er Haifa" ÖrrfalRty ShtfmMmb aus drm raufrtjmirnCFrfanfK ArÄÄjrm- o wir trrn er mufame flang/- <*tfr frinrm /to-dem p\o# und etfllr-luUty

6o {Slttr itjn öw.-^runnma aroijmatrauty j&fröäulr mrfanimftf3nrtoöif7'

Akrntom gninm 3Ua//?r nuflifarfa &V <tfn emt/l- (Wö/n&aa^lugr nfrW mrfa /rtjautE

jSoctj nff 4cm 30ir6rrfrtjrmöm alttiloß ÖT/fi'nr 5üUt gang/ wir rinr^lumr-'

&ti oft fm Öommrr rnfaur/ m und grofi

lind nun frfrtcr3luf rin «Sommrrrag/

/4er nrur öifamna (prirßm la&r-jum ^utjmr Aa 2 ntißrt}anb/m da da^Hn Bit la»

DER. K.ELCH

C/cfdillffncc Kdch/ ted^t du dn Anfeflchr! Ruhr dne Seele tief ln deinem Qründc?

Du Wl fo fchwd^fanwam da Ruf der Stunde Sldt leis und (ern am Kühlen Rande bricht;

Doch hebt ddn Ldb von taufdidfarbnem lieht; Der Himmel flammt durch die KrifMnc Rundg Es Itter lieh Blur aus purputToter'Wundy Du brennd'! Du zCtterft/ Aha K&ftf nicht -

So wohnt da Tod und die VollKommenhdtf Vom alten blinden leben (tren f jfefchleden/

In dir vereinig un^meflhe 2dt7

O neij* fnkdssf dich dem Alund des Atudeiy Duwundetlam Qebltd der TwifKdrr Verfträmc lichry fb Ruh und (pende Frieden.

ftiakidiUxlMfQ

Wort und Schrift / Gedanken zu zwei Gedichten

Wir veröffentlichen hier zwei Sonette,Der Brunnen 44 von Sebastian Blau undDer Kelch 44 von Friedrich Ludwig. Sebastian Blau besingt die Schönheit des spätgotischen Marktbrunnens in Rot­tenburg a. N. und vor unserem Auge ersteht aus diesen* Versen plastisch auch für den, der ihn noch nie gesehen hat, diese prächtige künstlerische Schöpfung aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, der Mechthildishrunnen vor dem Dora.

Adolf Hartmeyer, über dessen schriftkünstleri­sche Arbeiten wir in unserer Ausgabe vom 7. Sep­tember schon berichtet haben, schrieb dieses So­nett in gotischer Schrift, als sinngemäßem Ausdruck der Verse und des Gegenstandes selbst, so daß hier eine Einheit von Form und Inhalt geschaffen wurde, die jeder Künstler als letztes Ziel seines Gestaltungswillens anstrebt.

* Das zweite SonettDer Kelch 44 ist von Friedrich Ludwig auf einen römischen Pokal gedichtet, den die Verse des Dichters im Geiste vor uns erschei­nen lassen, gefüllt mit purpurrotem Wein,Sinn­bild des Tods und der Vollkommenheit zugleich, nach den Worten des Dichters.

Für dieses Sonett fand Adolf Hartmeyer den sinngemäßen Ausdruck in einer lateinischen Schrift, die dem Gedicht die vollkommene graphische Form verleiht.

In solcher Weise schufen die Mönche des Mittel­alters die wundervollen Bibelwerke und viele an­dere Pergamenthandschriften, die durch alle Wir­ren der Zeit auf uns gekommen sind nnd die heute noch unseren Schriftkünstlern in den deut­schen und ausländischen Schriftgießereien als Vor­bilder dienen.

Lange war die Erkenntnis verschüttet, daß enge Zusammenhänge bestehen zwischen Wort und Schrift, Bild und Farbe und dem Ton des gesprochenen oder in Musik gesellen Wortes. Goethe hat sich in seiner Farbenlehre mit diesen Problemen befaßt und der Gießener Philosophie­professor Hans Lorenz Stoltenberg hat in unseren Tagen einenKreis des Ausdrucks der Gefühle 44 geschaffen, der die Entsprechung von Farbe, Klang und Gefühl aufzeigt.

Unsere Baumeister, insonderheit die Schöpfer der gotischen Kirchen mit ihren zum Himmel strebenden Türmen, Pilastern und Ornamenten, waren erfüllt von einem solchen Allgefühl des künstlerischen Ausdruckswillens, das in ihren Bauwerken sich verkörperte. Ihnen gleich taten es in ihren Schriftkunstwerken die Meister der alten Pergamente. Heute mühen sich die Nachfahren Gutenbergs, mit dem vorhandenen typographischen Schriftmaterial, dem Wort einen sinn­gemäßen Ausdruck zu verleihen, zum mindesten da, wo ihnen die Freiheit zur Gestal­tung solcher Druckwerke eingeräumt wird.

Der Dichter selbst bemüht sich ja, in Worten zu malen und unsere Sprache gibt uns Hinweise auf die hier vorhandenen engen Beziehungen: Wir reden von Laut-Malerei in der Dichtung, von Klang-F a r b e in der Musik, von Farb-T o n eines Gemäldes.

Entsprechungen im Figürlichen: Spikes ist schrill und hell, Rundes ist weich und sanft und abgetönt, Massiges tief und schwer und dunkel, so daß man auch im Architektonischen und Bildlichen von einer Klangstimmung reden kann. Ein Tübinger Architekt, Dr. ing. Weidle, ist diesen Zusam­menhängen nachgegangen und hat in seinem Buch Bauformen in der Musik aufgezeigt, wie zura Beispiel die Bauformen des Rokoko und die zeit­genössische Musik eines Mozart im Aufbau sich vollkommen entsprechen.

Ueber die Klangstimmung im Sprach­lichen schreibt Broder Christiansen in seiner Kleinen Prosaschule folgendes:Worte können schon durch das Unmittelbare ihres Klanges in der Seele Stimmungen lösen und in den Worten sind es vor allem die Selbstlauter, die solche Form­kräfte tragen. Häufen sich o und u, dann färbt sich die Sprache dunkler; in i leuchtet sie auf; in a hält sie die Mitte. Die Stimmung des o und u erinnert an die Stimmungen tiefer Töne, an Trauerfarben, an schwer Lastendes, Dumpfes, breit W'Tichtendes; die Stimmung des i erinnert an das steil Aufschwingende, an Spikes und Flinkes und Kleines. So ist es möglich, in Lauten zu malen: in o und u hüllen sich der Feierton der Klage, das Reich des Dunklen und* seine Ahnungen und seine hoffnungsfernen dumpfen Bedrückungen; i aber und seine Verwandten steigen flink und tirilierend empor; a steht auf der Erde,mannhaft, straff, auf­recht, mit klarem Weitblick der Augen.

Hier haben wir, deutlich ausgesprochen und mit Beispielen belegt, die Entsprechung von Wort, Schrift und Klang, und wir wollen dazu den bereits erwähnten H. L. Stoltenberg noch mit einer Aeu- ßerung zu W r orte kommen lassen. Er sagt in sei­nem BuchNeue Sprachgestaltung folgendes:

Die verschiedenen Klanglaute (a, e, i, o, u mit den zugehörigen Umlauten und Doppellauten) ha­ben auch entsprechend verschiedene Gefiihlstöne. Die lichten Klanglaute stimmen heiter, die dunk­len ernst und die ans beiden gemischtenhell- dunklen Umlaute $ nnd ft heiter-ernst. Dia lan­

gen, gezogenen Klanglaute beruhigen, die kurzen, gestoßenen dagegen erregen.

Die Doppelklanglaute ai (ei) und au haben durch den lautlichen Abstand ihrer Bestandteile etwas stark Gespanntes^, aber auch Reiches; das eine wirkt wie Rot mit Gelb ausgelassen grell und ist das Gefühlswort für die Lust; das andere wirkt wie Rot mit Blau bekümmert-dumpf und ist das Gefühlswort für den Schmerz. Der dritte Doppel­laut eu (äu) ist weniger gespannt und darum auch ärmer; ein gedämpfter Ernst spricht aus ihm.

Wie die Klanglaute, so haben auch die Geräusch- laute ganz bestimmte Gefühlstöne. Die weichen Geräii6chlaute haben etwas Stumpfes, Rundes und damit etwas Leises und Mildes; die harten dage­gen etwas Scharfes, Spitzes und damit etwas Lau­tes und Strenges. Die gezogenen Geräuschlaute be­ruhigen, die gestoßenen dagegen erregen, genau wie die entspre&enden Klanglaute.

Im Hinblick auf die Farbigkeit des sprachlichen Ausdrucks entspricht von den Klanglauten das i der weißen, das u der schwarzen Farbe. Darüber sind sich die Gelehrten einig. Hinsichtlich der wei­teren Farbwerte gehen die Ansichten auseinander. Zustimmung fand eine Skala mit e = gelb, a rot, o rr blau und den entsprechendenFarb­mischungen: ä n orange, ö grün, ü = grau, die in einer SchriftWort und Ton, Bild und Farbe publiziert wurde und in der auchfar­bige Gedichte Stoltenbergs abgedruckt sind.

Stoltenberg verfügt über ein geradezu visionäres Farbempfinden, wie es auch Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, gehabt hat. Wer diese Gabe nicht besi^t, mit dem spricht man frei­lich über diese Dingewie zum Blinden über die Farbe.. Eine besondere Veranlagung, die vielen Dichtern, wie zum Beispiel Paul Verlaine, eignet, ist die Synästhesie, das heißt die Gleichschaltung aller Wahrnehmungen, die wir häufig bei primi­tiven Völkern, aber auch bei unseren Kindern fin­den, die etwa Farben nicht nur sehen, sondern auchriechen können. Und Hans von Bülow, der Freund Richard Wagners, sagte regelmäßig beiden Orche8terprohen zum Trompeter, der lauter blasen sollte:Spielen Sie etwas gelber!

Natürlich gibt es kein Rezept, nach dem nun auf Grund dieser Erkenntnisse ein großer Maler oder ein großer Dichtergemacht werden könnte, ebensowenig wie die strenge Beachtung metrischer Regeln aus einem Sixtus Beckmesser einen Wal­ther von der Vogelweide macht. Die hier auf- gezeigten Gesetjmäßigkeiten und insbesondere die Zusammenhänge zwischen Wort und Schrift, Bild, Farbe und Ton 6ind freilich nicht von jedem und von jedem sofort zu begreifen, aber sie sind un­bestreitbar vorhanden.

Mancher Leser wird vielleicht sagen, daß das verstiegene Theorien seien. Aber die Lautmalerei, das Gestalten in Tönen, ist uralt und der A n - fang unserer Sprache überhaupt. Die Brü­der Grimm erzählen uns im Märchen vom Zaun­könig, wie einst jeder Klang seinen Sinn und seine Bedeutung hatte. Der Hammer des Schmieds, der Hobel des Tischlers, das Räderwerk der Mühle redeten jedes in seiner Sprache . . . und sie spre­chen auch heute noch zu dem, dessen Ohren fein genug sind, sie zu verstehen!

Zura Schluß noch ein Wort über die Dichter un­serer beiden Sonette. Sebastian Blau ist unseren Lesern ja kein Fremder. Mit seinem bürgerlichen Namen heißt er Joseph Eherle und stammt aus unserer Nachbarstadt Rottenburg am Neckar. So­eben erschien aus seiner Feder eine Sammlung Gedichte in schwäbischer Mundart, mit dem lau­nigen Titel:Die schwäbischen Gedichte des Se­bastian Blau, ausgewählt, befürwortet und her­ausgegeben von Joseph Eherle, verlegt bei der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart. Das Ge­dichtDer Brunnen ist einer früheren Sammlung seiner hochdeutschen Gedichte mit dem TitelRot­tenburger Bilderbogen entnommen. Einige wei­tere Gedichte dieser Sammlung werden wir in den nächsten Ausgaben unserer Beilage veröffentlichen.

Friedrich Ludwig, der Verfasser des Sonetts Der Kelch, ist ein zweiundzwanzigjähriger Me­dizinstudent, der seit seinem achten Lebensjahr dichtet. Sein erstes Werk ist einPuppentheater nach der Art der Puppenstücke des Grafen Pocri. Ludwig hat zunächst Märchen- und Sagenstoffe für die Puppenbühne bearbeitet. Seit 1940 hat sich Ludwig in einem engeren Kreis von Sachverstän­digen als Uebersetjcr einen Namen gemacht, vor allem mit Werken von Voltaire. Beranger, Müsset, Goldoni (II borbero henifico), Manzoni und Dante. In seinen eigenen Dichtungen, vor allem in seinen Sonetten, huldigt Ludwig einem strengen Form- ideal; daneben hat er zahlreiche Lieder im Volks­ton gedichtet. Von seinen Gedichtübersetjungen sind besonders zu erwähnen die Sonette Michel­angelos, Galileis und anderer italienischer Autoren aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Im Laufe des nächsten Monats wird Friedrich Ludwig in Tübingen mit zwei Veranstaltungen an die Oeffentlichkeit treten und zwar an einem Abend mit Dante im Urtext und in der Lud­wiggehen Versübersetzung. Am zweiten Abend wird er eigene Dichtungen vortragen.

Zwei Stimmen

Man konnte nichts mehr gegen Hitler unter­nehmen, nachdem er einmal im Sattel saß, sagen viele. Ist das wahr? Der Nürnberger Prozeß gibt Antwort auch auf diese Frage.

Im Januar 1937 holte derFührer zu einem Schlag gegen diejenigen Kabinettsmitglieder aus, die immer noch nicht der NSDAP, beigetreten waren. Er richtete an sie ein Handschreiben, ver­lieh ihnen darin mit freundlichen Worten die Par­teimitgliedschaft und helf, was helfen mag ehrenhalber das goldene Parteiabzeichen. Alle nah­men dankend an, bis auf einen.

Der Brief dieses einen mit der Ablehnung der ihm zugedachten Auszeichnung Hitlers wurde im Nürnberger Schwurgerichtssaal verlesen. Der Mann, der ihn schrieb, ist der damalige Reidisverkehrs- minister Elt 5 von Rübenach, und der Brief, datiert vom 30. Januar 1937, hat folgenden Wortlaut:

Mein Führer! Ich danke Ihnen für das Ver­trauen, das Sie mir während der vier Jahre Ihrer Führerschaft geschenkt haben, und für das ehren­volle Anerbieten, mich in die Partei aufzunehmen. Mein Gewissen verbietet mir aber, dieses Anerbie­ten anzunehmen.

Ich stehe auf dem Boden des positiven Christen­tums nnd habe meinem Herrgott und mir selbst die Treue zu halten. Die Zugehörigkeit zur Partei würde aber bedeuten, daß ich den sich ständig verschärfenden Angriffen der Parteidienststellen gegen die christlichen Konfessionen und diejeni­gen, die ihrer religiösen Ueberzeugung treu blei­ben wollen, widerspruchslos gegenüberstehe. Mein Entschluß ist mir unendlich schwer gefallen, denn ich habe niemals in meinem Leben mit größerer Freude und Genugtuung meinen Dienst getan als unter ihrer weisen Staatsführung.

Ich bitte um meine Entlassung.

Mit deutschem Gruß Ihr ergebener Baron von Elt;.**

Herr von Eltj hält alle Formen und Formeln der diplomatischen Höflichkeit ein. Er bezeichnet sogar die Staatsführung Herrn Hitlers als weise. Aber er weigert sich, in die Partei dieses weisen Führers einzutreten, lehnt die Annahme des gol­denen Ehrenzeichens ab und bittet um die Ent­lassung aus seinem Amt als Reichsverkehrsmini­ster, die ihm auch sofort gewährt wird.

Herr Hjalmar Schacht, vormals Reichswirtschafts­minister, folgte der Verlesung dieses Briefes mit besonderer Aufmerksamkeit. Nicht ohne Grund. Er ist einer von denen, die damals das goldene Parteiabzeichen und die Mitgliedschaft der NSD­AP. angenommen haben. Viel genügt hat es ihm freilich nicht, denn er wurde bald abgehalftert, dann steckte ihn sein Führer ing Konzentrations­lager und jetjt sigt er, zusammen mit den anderen Kriegsverbrechern und Parteihäuptlingen, auf der Anklagebank und macht kein sehr kluges Gesicht.

Elg von Rübenach hat das Verhängnis nicht auf­halten können. Keiner der Großen ist seinem Beispiel gefolgt, alle haben sich mitschuldig ge­macht an den Greueltaten und Verbrechen, die von Jahr zu Jahr sich maßlos häuften. Nun hörten sie noch einmal, worüber sie zehn Jahre früher höhnten: die Stimme eines Mannes, dem das Ge­wissen befahl, seinem Herrgott und sich seihet die Treue zu halten und der diesem Befehl ohne Zaudern gefolgt ist, ungeachtet aller Gefahr, die ihm daraus drohte. Ein einziger Mann unter lau­ter Kreaturen von Hitlers Gnaden, an denen sich jegt, nach ihrem Führer und der Rangordnung ge­mäß, ein unerbittliches, gerechtes Schicksal erfüllt. *

Und noch eine Stimme über die Führer des Nationalsozialismus, eine Stimme aus dem Volk, die ja nach dem Sprichwort Gottes Stimme ist.

Wir stehen eng zusammengepfercht in dem über­füllten Straßenbahnwagen, der vom Bahnhof Nürn­berg zum Bahnhof Fürth an der Sperrzone des Justizgebäudes vorüberfährt. In diesen Straßen­bahnwagen hat man die beste Gelegenheit, ethno­graphische Studien zu treiben, und das tue ich mit "Vorliebe. Man kann hier zum Beispiel schon hei oberflächlicher Betrachtung feststellen, wie und in welchem Verhältnis sich in dieser Stadt die bayri­schen und die fränkischen Blutsteile in der Bevöl­kerung gemischt haben. Der Mann hinter dir zum Beispiel, der ununterbrochen vor sich hinschimpft, daß man keinen Plag im Wagen habe und daß die vollgefressenen Nazihonzen jegt laufen und die Saupreußen überhaupt zu Hause bleiben sol­len, dieser Mann ist ein Bayer. Der andere, der dir unaufgefordert sagt, an welcher Haltestelle du heraus mußt, der dir heim Aussteigen noch genau den Weg beschreibt oder &ogar big zum nächsten Häuserblock mitgeht, um dir die Richtung zu wei­sen, dieser Mann ist ein Franke.

Und ein Franke ist auch das alte, verhußelt. Männchen neben mir, das mit uns, gleich nach dem Einsteigen, eine Unterhaltung anfängt.Do sans drin, Lumpn, miserabligen, sagt er und zeigt auf das Gerichtsgebäude.Do hams zerscht gegn Judn und Jesuitn und Franziskaner gheßt und nocha gegn alle Katho- likn und Evangelischn und wer halt sonst no ehhas glaubt hot. Wos eahne an Kragn gangn ist, do ham s an Allmächtigen wieder angrufen, daß er eahne pfeilgrad helfn soll aus dem Schla­massel. Aber dös war mir fei a sauberer Allmäch­tiger, der wo ancr soeben Bagasch helfen tat. dene Lumpn, dene elendigen, miserabligen. I tu koam Menschen nix zload und wünsch niemand nix bös, aber wenns nach mir ganget, no hätts koan sol­chen Prozeß net braucht und ma hätt glei vom Fleck weg alle nebenanand uffghängt. Moanens net a, Herr Nachher?

Vielleicht kann ich gelegentlich dieses Anliegen dem Vorsißenden des Nürnberger Tribunals un­terbreiten. Die Zustimmung zu dem Vorschlag war auf jeden Fall im Wagen allgemein und B ehr herzlich - Will Hanns Hebsadier

Gedanken für heute und morgen

Was jedermann für ausgemacht hält, verdient am meisten, untersucht zu werden. Lichtenberg

Ein Wahn, der mich beglückt,

Ist eine Wahrheit wert, die midi zu Boden drückt.

Wieland

Der Endzweck der Wissenschaft ist Wahrheit. Der Endzweck der Künste hingegen ist Vergnügen.

Lessing

Alle großen Männer sind bescheiden. Lessing