Johann Heinrich Pestalozzi / Ein Gedenkblatt zu seinem 200.Geburtstag

Aus dem Stanzer Brief

Y.5.

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Pestalozzi und wir

Von Dr. Roser

Die großen Erzieher des 18. Jahrhunderts woll­ten den Menschen zur Natur führen, die Natur im Menschen verwirklichen, die Menschennatur wie- derherstellen: Rousseau, indem er das Kind aus der überfeinerten und naturwidrig gewordenen Gesellschaft seiner Zeit herausnahm, um es natur­gemäß, der inneren Natur des Menschen entspre­chend, zu erziehen; Pestalozzi, indem er das Kind aus Armut, Not und widernatürlicher Entrechtung einporhob und durchallseitige Besorgung zur natürlichen Entfaltung seiner Kräfte führte. Rous- seaus pädagogische Anstrengung richtet sich auf das durch Ueberkultur gefährdete, Pestalozzis er­zieherische Menschenliebe auf das durch Verwahr­losung bedrohte Kind. Das Ziel, das Rousseau ge­wiesen und Pestalozzi verfolgt hat, ist beiden gleich^ einen besseren Menschen zu schaffen, der aus den zum Guten und Brauchbaren entwickelten Kräften seines Inneren eine bessere Welt schüfe.

Der verschiedene Ansatzpunkt ihres Strebens macht für unsere heutige Lage Pestalozzi zum deutlicheren Vorbild, auch wenn er selbst ohne Pousseaus Vorgang nicht gedacht werden kann. Unsere Jugend ist nicht durch Ueberkultur ge­fährdet. sondern durch Verwahrlosung aus innerer und äußerer Not bedroht. Tausende von Krieger­waisen und Flüchtlingskindern bedürfen Pestaloz­zischer Liebe und Aufopferung, um ihre Men­schenwürde und Menschennatur zu bewahren. Die Bemühungen Pestalozzis auf dem Neuhof und in Stanz, in Burgdorf und Iferten, das in seinem Buche vonLienhard und Gertrud* 4 geschilderte Tun der gütigen Mutter und des tüchtigen Leh­rers weisen uns die Richtung, die tätige Menschen­liebe gehen muß, um Kinder aus deräußersten Zurückse^ung ihrer Menschennatur 4 * zu retten und sie zur ursprünglichen Natur des Menschen zu führen.

Rousseau sah diese ursprüngliche Natur in einem kulturphilosophisch und knlturkritisch begründe­ten Urzustand des Menschen, Pestalozzi sieht sie im Bilde gesunden Zusammenlebens des einfachen Landvolks in Familie und Gemeinde, in den na­türlichen Wirkungen derVaterkraft** und der in­nigen Mütterlichkeit. Aus ihnen entwickelt er sein System, der Natur in ihrer eigenen Entwicklung Handreichungen** zu leisten. Roussean begründet ein Ideal der neuen menschlichen Gesellschaft, Pestalozzi hält sich an die historisch gewordene und da und dort noch lebendige und echte Wirk­lichkeit unverdorbener Menschen.

Wie Rousseau ist auch Pestalozzi in der Praxis gescheitert, zunächst aus äußeren Gründen und zu Unrecht verkannt, später, da sein Unternehmen in Iferten Weltruhm gewonnen hatte, aus inneren Gründen. Seine geistige Gestaltungskraft reichte nicht aus, das zu erfüllen, was die Kraft und der Mut seines großen Herzens erstrebt hatten. Er versuchte, durch methodische Technik, deren un­genügende geistige Begründung sie zur bloßen Spielerei mit zusammenhanglosen Elementen, mit Worten, Zahlen und Formeln machte, zu erreichen und zu befestigen, was ihm als Idee aus der Ueberfülle seines kinderliebenden Herzens zu­geströmt war. Diese Zwiespältigkeit dürfen wir nicht nur in Kauf nehmen und in mancherlei gro­tesken Formen verirrter Handwerklidhkeit be­lächeln, sondern müssen sie im geheimnisvollen Zusammenspiel der inneren Kräfte einer großen Seele stehen lassen, damit aus Ehrfurcht in uns wirksam werde, was er zuinnerst war: ein Genie des Herzens.

Diese Genialität strahlt am hellsten und rein­sten aus den Berichten, die er uns über seine Tä­tigkeit in Stanz gegeben hat. In ihnen wird deut­lich, wie Pestalozzi durchallseitige Besorgung des Kindes**, durch Nachahmung derVorzüge, die die häusliche Erziehung hat,die die Kinder um­gebende Natur, die täglichen Bedürfnisse, und die immer rege Tätigkeit derselben selbst als Bildungs- mittel derselben benu^te, damit die Kinder durch ihre Erziehung nicht aus ihrem Kreis ge­hoben, sondern durch dieselbe vielmehr fester an denselben angeknüpft würden.

Sein reines Erziehertum spricht unmittelbar zu uns, wenn er sagt:Daß mein Herz an meinen Kindern hange, daß ihr Glück mein Glück, ihre Freude meine Freude sei, das sollten meine Kin­der vom frühen Morgen bis an den späten Abend in jedem Augenblick auf meiner Stirne sehen, und auf meinen Lippen ahnden. Aus diesem Gefühl der Unmittelbarkeit zum Kinde stammen auch die pädagogischen Urweisheiten, die er uns als unver­gängliches Erbe hinterließ, so sehr er selbst in Ihre Anwendung fehlte:Ich achtete es für bös, mit Kindern von irgendeiner Sache zu reden, von der sie nicht auch wissen, was sie sagen. Mein Gang, die Vorstellungen und Begriffe von Recht und Pflicht bei meinen Kindern in erzeu­gen, gründete sich ganz auf die täglichen Anschau­ungen und Erfahrungen ihres Kreises.Die erste Epoche des Nachdenkens hei den Kindern wird durch einen wortreichen und mit der Geistes­beschaffenheit des Lernenden und seinen äußeren Verhältnissen unpassenden Unterricht verwirrt. Die eigentlichen Vorteile der menschlichen Kenntnisse und des Wissens bestehen für das Men­schengeschlecht in der Sicherheit der Fundamente, Ton denen sie ausgehen und auf denen sie ruhen.

In diesem Geiste ursprünglichen Erziehertums Erfaßt Pestalozzi Gesichtspunkte, die erst unser Jahrhundert in seinem Sinne pädagogisch zu ver­wirklichen beginnt:Ich ging eigentlich darauf aus, das Lernen mit dem Arbeiten zu verbinden und beides ineinander zu schmelzen, und:Da­her muß bei der Erziehung der Menschen die ernste und strenge Berufsbildung allem Wortunter­richt notwendig vorhergehen**, oder:Kinder lehr­ten Kinder. Da ich keine Mitlehrer hatte, sefcte ich das fähigere Kind zwischen zwei unfähige, » . . und ihr gegenseitig erwachtes inneres Leben führte sie beiderseits vorwärts. Dort wird ihm als Grundsa^ alles Unterrichtens offenbar,das Unbedeutendste, so die Kinder lernten, zur Voll­kommenheit zu bringen, und nie in nichts zurück *u gehen, sie kein Wort, das sie einmal gelernt hatten, vergessen, keinen einzigen Buchstaben, den sie wohlgeschrieben, jemals wieder schlechter schreiben zu lassen. Ich war mit den Langsamsten geduldig; aber wenn eines etwas schlechter machte, als es dasselbe schon gemacht hatte, war ich streng.

Dabei bleiben ihm inmitten dieser Tätigkeit die Grenzen schulischer Veranstaltung durchaus be­wußt:Ich achtete die Uebel, die durch das *u frühe Schulen und alles das, was an den Kindern

Freund, ich erwache abermals aus meinem Traum, sehe abermals mein Werk zernichtet, und meine schwindende Kraft unnüg verschwendet.

Aber so schwach, so unglücklich mein Versuch war, so wird es jedem menschenfreundlichen Her­zen wohltun, sich einige Augenblicke oh demsel­ben zu verweilen, und die Gründe zu überlegen, die mich überzeugen, daß eine glückliche Nachwelt den Faden meiner Wünsche sicher da wieder an­knüpfen wird, wo ich ihn lassen 'mußte.

Ich sah die ganze Revolution von ihrem Ur­sprung an für-eine einfache Folge der verwahr­losten Menschennatur an, und achtete ihr Verder­ben für eine unausweichliche Notwendigkeit, um die verwilderten Menschen zur Besonnenheit über ihre wesentlichsten Angelegenheiten zurückzulen­ken.

Ohne Glauben an das Aeußere der politischen Form, die sich die Masse solcher Menschen selber würde geben können, hielt ich einige durch sie zur Tagesordnung gebrachte Begriffe und rege ge­machte Interessen für schicklich, hie und da etwas für die Menschheit wahrhaft Gutes anzuknüpfen.

Also brachte ich auch meine alten Volkserzie­hungswünsche, so viel ich konnte, in Umlauf und legte sie vorzüglich mit dem ganzen Umfang, in dem ich sie denke, in den Schoß Legrands (damals einer der Direktoren der Schweiz). Er nahm nicht nur Interesse dafür, sondern urteilte mit mir, die Republik bedürfe der Umschaffung des Erziehungs­wesens unausweichlich, und war mit mir einig: die größtmöglichste Wirkung der Volksbildung könnte durch die vollendete Erziehung einer merklichen Anzahl Individuen aus den ärmsten Kindern im Lande erzielt werden, wenn diese Kinder durch ihre Erziehung nicht aus ihrem Kreis gehoben, sondern durch dieselbe angeknüpft würde . . .

Außer dem nötigen Geld mangelte es übrigens an allem, und die Kinder drängten sich herzu, ehe weder Küche, noch Zimmer, noch Betten für sie in Ordnung sein konnten. Das verwirrte den An­fang der Sache unglaublich. Ich war in den ersten Wochen in einem Zimmer eingeschlossen, das keine 24 Schuh ins Gevierte hatte. Der Dunstkreis war ungesund, schlechtes Wetter schlug noch dazu, und der Mauerstaub, der alle Gänge füllte, vollendete das Unbehagliche des Anfangs . . .

Unter zehn Kindern konnte kaum eins das Ahe. Von anderm Schulunterrichte oder wesentlichen Bil­dungsmitteln der Erziehung war noch weniger die Rede . . .

Außer einer Haushälterin allein, ohne Gehülfen, weder für den Unterricht der Kinder, noch für ihre häusliche Besorgung ^trat ich unter sie und eröffnet« meine Anstalt. Ich wollte es allein, und ich mußte es schlechterdings, wenn mein Zweck erreicht werden sollte. Auf Gottes Erdboden zeigte sich niemand, der in meine Gesichtspunkte für den Unterricht und die Führung der Kinder hätte eintreten wollen. Audi kannte ich damals beinahe niemand, der es auch nur hatte können. Je gelehr­ter und gebildeter die meisten Menschen waren, mit denen eine Verbindung möglich gewesen, desto weniger verstunden sie midi, und desto unfähiger zeigten sie sich, die Anfangspunkte auch nur theo­retisch festzuhalten, auf die ich zurückzugehen

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außer der Wohnstube gekünstelt wird, erzeugt worden sind, sehr groß.

All sein Tun und Denken aber ist beschlossen in dem einfachen Satje:Ich kannte keine Ord­nung, keine Methode, keine Kunst, die nicht auf den einfachen Folgen der Ueberzeugung meiner Liebe gegen meine Kinder ruhen sollte. Diese Liebe gibt ihm die Kraft, nach jedem Rückschlag neu daranzugehen,den großen Traum seines Lebens: dieMenschenschule zu verwirklichen. In ihr war er seinen Kindern Vater und Mutter, Leh­rer und Pfleger, Arzt und Prediger zugleich, in ihr war er seihstmit grauen Haaren noch ein Kind, in ihr steht seine ehrwürdige Gestalt vor uns als Mahnung, Aufruf und Vorbild, aus ihr leuchtet der milde Schimmer seiner gütigen Augen B« «ns herüber, die wir seiner Tugenden bedür­fen, die Not der Kinder unserer Zeit zu meistern.

suchte. Am meisten aber widerstrebte ihnen der Gedanke und die Möglichkeit seiner Ausführung, keine künstlichen Hülfsmittei, sondern bloß die die Kinder umgebende Natur, die täglichen Be­dürfnisse und die immer rege Tätigkeit derselben seihst als Bildungsmittel derselben zu benufcen ..

Meine Ueberzeugung war mit meinem Zweck eins.

Ich wollte eigentlich durch meinen Versuch be­weisen, daß die Vorzüge, die die häusliche Er­ziehung bat, von der öffentlichen müsse nach­geahmt werden, und daß die lefctere nur durch die Nachahmung der erstem für das Menschen­geschlecht einen Wert hat . . .

Das unglückliche Land hatte durch Feuer und Schwert alle Schrecknisse des Krieges erfahren. Das Volk verabscheute größtenteils die neue Ver­fassung. Es war erbittert gegen die Regierung, und hielt seihst ihre Hülfe für verdächtig. Durch sei­nen von Natur melancholischen Charakter hing es, allem Fremden als Neuerung abgeneigt, mit bit­terer und mißtrauischer Hartnäckigkeit an dem ganzen Umfange seines alten, auch noch so elen­den Daseins. Ich stand unter ihnen als ein Ge­schöpf der neuen verhaßten Ordnung. Zwar nicht als ihr Werkzeug, aber als ein Mittel in der Hand von Menschen, die sie sich auf der einen Seite im Zusammenhang mit ihrem Unglück dachten, und von denen sie auf der anderen Seite im ganzen ihrer sich vielfach durchkreuzenden Ansichten, Wünsche und Vorurteile unmöglich befriedigt wer­den konnten.

Indessen so drückend und stoßend die Hülf- losigkeit, in der ich mich befand, war, so war sie von einer anderen Seite dem Inneren meiner Zwecke günstig. Sie nötigte mich, meinen Kindern alles in allem zu sein. Ich war von Morgen bi« Abend so viel als allein in ihrer Mitte. Alles, was ihnen an Leih und Seele Gutes geschah, ging au« meiner Hand. Jede Hülfe, jede Handhietung in der Not, jede Lehre, die sie erhielten, ging unmit­telbar von -mir aus. Meine Hand lag in ihrer Hand, mein Auge ruhte auf ihrem Auge. Meine Tränen flössen mit den ihrigen, und mein Lächeln beglei­tete das ihrige. Sie waren außer derWelt, sie waren außer Stanz, sie waren bei mir, und ich war hei ihnen. Ihre Suppe war die meinige, ihr Trank war der meinige. Ich hatte nichts, ich hatte keine Haushaltung, keine Freunde, keine Dienste ura mich, ich hatte nur sie. Waren sie gesund, ich stand in ihrer Mitte, waren sie krank, ich war an ihrer Seite. Ich schlief in ihrer Mitte . . .

Mein wesentlicher Gesichtspunkt ging jetyt aller­erst darauf, die Kinder durch die ersten Gefühle ihres Beisammenseins und hei der ersten Entwick­lung ihrer Kräfte zu Geschwistern zu machen, das Haus in den einfachen Geist einer großen Haus­haltung zusammenzuschmelzen und auf der Basis eine« solchen Verhältnisses und der aus ihm her­vorgehenden Stimmung das rechtliche nnd'sittliche Gefühl allgemein zu beleben. Ich erreichte diesen Zweck mit ziemlichem Glück . . .

Ueber alleR erhöh sie die Ansicht, nicht ewig elend zu bleiben, sondern einst unter ihren Mit­menschen mit gebildeten Kenntnissen und Fertig­keiten zu erscheinen, ihnen nüglich werden zu können, und ihre Achtung zu genießen. Sie fühl­ten, daß ich sie weiterbringe als andere Kinder; sie erkannten den inneren Zusammenhang meiner Führung mit ihrem künftigen Lehen lebhaft, und eine glückliche Zukunft stellte sich ihrer Einbil­dung als erreichbar und sicher dar. Darum ward ihnen die Anstrengung bald leicht . . .

Ueberall war mein Grundsag: das Unbedeu­tendste, so die Kinder lernten, zur Vollkommen­heit zu bringen, und nie in nichts zurückzugehen, sie kein Wort, das sie einmal gelernt hatten, ver­gessen, keinen einzigen Buchstaben, den sie wohl­geschrieben, jemals wieder schlechter schreiben zu lassen. Ich war mit den langsamsten geduldig; aber wenn eins etwas schlechter machte, als es das­selbe schon gemacht hatte, war ich streng . . .

Das waren meine Traume; ich mußte Stans ver­lassen, da ich jefct io nahe an ihrer Erfüllung su sein geglaubt haha»

Das Urteil der Zeitgenossen

Fichte in seinenReden an die deutsch« Nation:

Die bestimmte Erziehung, von der aus wir uns die Rettung der deutschen Nation versprechen, haben wir als eine gänzliche Umschaffung des Menschengeschlechtes bezeichnet . . . Der feste und gewisse Geist, von welchem früher als von der einzig möglichen Grundlage eines wohleingerichte­ten Staates gesprochen worden, soll im allgemei­nen erzeugt werden . . . Der Gedanke einer sol­chen neuen Erziehung ist keineswegs als bloßes zur Uebung des Scharfsinns und der Streitfertig­keit aufgestelltes Bild zu betrachten, er soll zur Stunde ausgeübt und ins Leben eingeführt wer­den . . . Die Ausführung soll sich an den von Joh. Heinrich Pestalozzi erfundenen, vorgeschlagenen und unter dessen Augen schon in glücklicher Aus­übung befindlichen Unterrichtsgang anschließen. Wir wollen diese unsere Entscheidung tiefer be­gründen und näher bestimmen.

Zuvörderst, wir haben die eignen Schriften des Mannes gelesen und durchdacht und aus diesen unseren Begriff seiner Unterrichts- und Erziehungs­kunst uns gebildet: gar keine Kunde aber haben wir genommen von dem, was die gelehrten Neuig- keitsblätter darüber berichtet und gemeint, und über die Meinungen wieder gemeint haben.

Für den Grundbegriff bürgt mir zuerst die Ei­gentümlichkeit des Mannes selbst, wie er diese in seinen Schriften mit der treuesten und gemütvoll­sten Offenheit darlegt. An ihm hätte ich ebenso­gut wie an Luther . . . die Grundzüge des deut­schen Gemüts darlegen und den erfreuenden Be­weis führen können, daß dieses Gemüt in seiner ganzen wunderwirkenden Kraft in dem Umkreis der deutschen Zunge noch bis auf diesen Tag walte. Auch er hat ein mühevolles Leben hin­durch, im Kampf mit allen möglichen Hindernis­sen, von innen mit eigener, hartnäckiger Unklar­heit und Unbeholfenheit und seihst spärlich aus­gestattet mit den gewöhnlichsten Hilfsmitteln der gelehrten Erziehung, äußerlich mit anhaltender Verkennung gerungen nach einem bloß geahnten, ihm selbst durchaus unbewußten Ziele, aufrecht gehalten und getrieben durch einen unversiegbaren und allmächtigen und deutschen Trieb, der Lieh« zu dem armen, verwahrlosten Volke. Diese Lieh« hatte ihn, ebenso wie Luthern ... zu ihrem Werk­senge gemacht und war das Leben geworden in seinem Leben, sie war der ihm selbst unbekannt« und feste und unwandelbare Leitfaden dieses sei­nes Lebens, der es hindurchführte durch alle ihn umgehende Nacht, und der den Abend desselben krönte mit seiner wahrhaft geistigen Erfindung, die weit mehr leistete, denn er je mit seinen kühn­sten Wünschen begehrt hatte. Er wollte bloß dem Volke helfen; aber seine Erfindung, in ihrer ganzen Ausdehnung genommen, hebt das Volk, hebt allen Unterschied zwischen diesem und einem gebildeten Stande auf, gibt, statt der ge­suchten Volkserziehung, Nationalerziehung und hätte wohl das Vermögen, den Völkern und dem ganzen Menschengeschlechte aus der Tiefe seines dermaligen Elends emporzuhelfen . . .

(Ich hoffe, vielleicht täusche ich mich selbst darin, aber da ich nur um dieser Hoffnung willen noch leben mag, so kann ich es nicht lassen zu hoffen; ich hoffe, daß ich einige Deutsche über­zeugen und sie zur Einsicht bringen werde, daß es allein die Erziehung sei, die uns noch retten könne von allen Uebeln, die uns drücken . Da« Ausland hat andern Trost und andere Mittel; es ist nicht zn erwarten, daß es diesen Gedanken j« einigen Glauben beimessen werde. Ich hoffe viel­mehr, daß es zu einer reichen Quelle von Belusti­gungen für die Leser ihrer Journale gedeihen werde, wenn sie je erfahren, daß sich jemand von der Erziehung so große Dinge verspreche!)

G o e t*h e nach dem Tagebuch Sulpiz Boisseröes am 5. 8. 1815:

Als wir im Dunkel gegen* zehn nach Haus« kamen, klagte Goethe seinen Jammer über die« Pestalozzische Wesen. Wie das ganz vortrefflich nach seinem ersten Zweck und Bestimmung . . . Aber wie es das Verderblichste von der Welt werde, sobald es aus den ersten Elementen hinaus­gehe, auf Sprache, Kunst und alles Wissen und Können angewandt werde, welches notwendig ein Ueherliefertes voraussetje und wo man nicht mit unbekannten Größen, leeren Zahlen und Formen zu Werk gehen könne.

W ieland imTeutschen Merkur 1801:

Der edle Pestalozzi, einfach und groß wie dl« Natur, die ihn säugte, wälzte wahrlich bei der ge­meinen Not und Belagerung nicht etwa bloß ein« leere Tonne. Nein, er stiftete zu Burgdorf eine Lehranstalt, von welcher alle, die sie genauer zu prüfen und die Lichtfunken, die hier sprühten, von den Eisenbrocken, die auch glanzten, wenn die geschlagen werden, zu unterscheiden wußten, mit Lob und Achtung zu sprechen gar nicht satt werden konnten. (Von allen Seiten kamen drin­gende Aufforderungen, seine Methode durch den Druck bekannt zu machen. Es ist geschehen, und die Schrift, in welcher der neidlose Mann sein« trefflichen Erfindungen öffentlich darlegt (..Lien­hard und Gertrud), gehört unstreitig zu den wich­tigsten Erscheinungen, die den Genius des neuen Jahrhunderts zu einem Agathodämon machen kön­nen. Man darf nur die Einleitung lesen, um innig ergriffen zu werden und dem Manne nachzufühlen, der, gänzlich von allen Hilfsmitteln der Erziehung entblößt, Oheraufseher, Zahlmeister, Hausknecht und fast Dienstmagd in einem ungebauten Hanse, unter Unkunde, Krankheiten und Neuheiten aller Art auf 80 Kinder um sich versammelte und an allen seine einfache Idee siegreich erprobte, um dem Spruch wahr zu finden:

Was kein Verstand der Verständigen sieht,

das schaut in Einfalt ein kindlich Gemüt.)

Friedrich I. von Württemberg in der Königlichen Resolution vom 1. Februar 1812:

Wir befehlen ausdrücklich, daß bei jedem Lehr­plan alles, was auf die Pestalozzische Methode, welche wir ein für allemal in öffentlichen Insti­tuten nicht eingeführt wissen wollen, hindeuten würde, durchaus vermieden werde.

Laßt uns wieder Menschen werden, damit wir wieder Bürger, damit wir wieder Staaten werden können. Pestalozzi

1« der Familie maß beginnen, was im Vater­land« glänzen teil. Pestalozzi