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den Schutz von Handel und Schifffahrt sich beziehen, nachträglich noch eine besondere Instruktion erhalten, nach welcher er angewiesen wird, bei Berührung von Häfen, wo Agenturen des östreich - ungar. Lloyd bestehen, Anlaß zu nehmen, mit den Lloydagenten in näheren Verkehr zu treten, über die Rentabilität der indo-chinesischen Linien des Lloyd, über deren Benützung für den Frachtenverkehr und sonstige einschlägige Fragen sich zu unterrichten und darüber Bericht zu erstatten. Auch die Frage der etwaigen Ausdehnung der indo-chinesischen Linien des Lloyd, sowie die Frage des Abschlusses von Kartellverträgen seitens des Lloyd mit fremden Schiffahrtsgesellschaften wegen Weiterbeförderung der auf den Lloydschiffen trans- portirten Maaren nach Häfen. welche der Lloyd nicht berührt, ist in den Kreis der Berichterstattung zu ziehen und hierüber mit den Agenten des Lloyd und jeden anderen Schifffahrtsgesellschaften sowie mit den östr.-ungar. Konsularbehörden eingehende Erörterungen zu pflegen. Ferner wird berichtet, daß seitens der östr.-ungar. Kriegsmarine für den Herbst d. Js. 4 Expeditionen geplant sind, und zwar soll eine Korvette nach der Ostküste, eine nach der Westküste Afrikas, eine nach Ostasien und Australien und ein Kanonenboot nach Südamerika abgesendet werden. Die Kommandanten erhalten für die kommerzielle Berichterstattung Instruktionen, die in beiden Reichshälften ausgearbeitet wurden. — Der Voss. Z. wird aus Warschau mitgetheilt, daß eine polnische Deputation, an deren Spitze Graf Zamoisky und Wielopolsky stehen, sich nach St. Petersburg begeben wird, um den Kaiser einzuladen, nach Warschau zu konimen.
E n q l a n S.
London, 29. Juli. Der Marquis von Salisbury und Sir Stafford Northcote beabsichtigen, wie der Standard erfährt, gegen Ende Sept. eine politische Rundreise in Schottland vorzunehmen. Die beiden Führer der Torypartei werden Reden in Edinaurgh, Aberdeen und anderen Städten halten. — In Barnsley fand gestern die jährliche Versammlung der Mitglieder des Verbandes der Kohlengrubenarbeiter von Yorkshire unter Betheiligung von über 15,000 Personen statt. Die gefaßten Beschlüsse befürworteten eine Reform der Gesetze mit Bezug auf die Inspektion von Bergwerken und die Entschädigung für persönliche Verletzungen durch Grubenunfälle, und erklärten sich zu Gunsten einer direkten Vertretung der Kohlengrubenarbeiter im Parlament.
Tages - Neuigkeiten.
Hirsau, 31. Juli. Die Aufführung von „Lichtenstein" und „Der Vetter aus Bremen" am letzten Samstag, durfte sich eines außerordentlichen Besuches erfreuen, so daß die jungen Leute dem vielseitigen Wunsch einer Wiederholung entsprachen und die beiden Stücke am Montag mit demselben Erfolg nochmals zur Aufführung brachten. Eingeleitet wurde dieselbe durch nachstehenden von Hrn. Th. Beyttenmiller gedichteten sinnigen Prolog:
Co herzlich als wir wieder ausgenommen Im lannengrünen, holden Nagöldthal,
So herzlich sind sie Alle unS willkommen Zn unsrem Spiele hier im Waldhornsaal! —
Zn unsrem Herzen strömet heut auf's Neue
Herüber durch das ganze Cchwabcnland
Sin süßer Gruß der Liebe und der Treue
Vom Lichtenstein bis an des Schwarzwalds Rand.
Wie hier den Fürsten klüglich noch gerettet Vor seiner Feinoe tätlichem Geschoß Ein treuer Hirte, nächtlich noch gebettet lind ihn bewacht in seinem sichern Schoß;
So hat dort in der dunklen Felsenritze Auch seinen Herrn, in seinem liefen Fall,
Hoch aus des'Lichlensteincs Wolkensitze Geborgen lang der wackere Vasall;
Und neben ihm ist jugendlich entsprossen Ein Bund der Liebe echter deutscher Art,
Den Alle wir schon srüh ins Herz geschlossen Als hohes Lied uns lebenslang bewahrt. —
Dem schwäb'schen Dichter reicht die biedre Rechte Ein Barde Nordens mit des Liedes Kraft —
Ein früher Tod hat, jenen im Gefechte,
Und diesen auf dem Siechbelt uns entrafft,
Doch mag der Tod das Leben auch beschatten,
Es blüht die Freude aus der Trauer Flor,
Aus deutschem Herzen brechen gern und gatten Sich Ernst und Wehmuth, Freude und Humor.
Druni führen wir mit unsrer Dichtung Gaben Vom Lichtenstein zur Weser Sie die Bahn;
Sind „Vetter" wir doch Alle ja in Schwaben,
Schließt jener uns ans Bremen gern sich an. —
Nun aber, eh' den Vorhang wir entrollen,
Erbitten, im Bewußtsein unsrer Schuld,
Schwach in der Kraft, doch lauter in dem Wollen,
Wir Ihre Nachsicht, Ihrer Liebe Huld '
Ermuthigt durch das vielfach gespendete Lob und den finanziellen Erfolg zu Gunsten der Armen Hirsau's, werden die jungen Freunde dramat. Kunst am heutigen Samstag, Abends 6 Uhr, diesmal in den Klosterruinen, vorausgesetzt daß die Witterung kein Veto einlegt, „Der Nachtwächter" von Th. Körner und wiederholt „Der Vetter aus Bremen" zur Darstellung bringen. Entree nach Belieben und Verwendung zu gleichen Zwecken.
— In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wären in Hirsau bald 2 Menschen ums Leben gekommen. Bäckermstr. Stotz, bis vor Kurzem Besitzer der Schwane, und dessen Gehilfe, wurden von noch glimmender Asche des Backofens entstandenen Gasen so betäubt, daß sie nur schwer zum Leben zurückgebracht werden konnten.
Althengstett. (Eingsdt.) Letzten Sonntag wurde hier eine Feier abgehalten, wie eine solche wohl niemanden im Ort in Erinnerung sein dürfte. Schultheiß Weiß hielt seinen 61. Geburtstag, wozu er seine Nachbarkollegen, den Gemeinderath und seine näheren Bekannten eingeladen hatte. Von den acht erschienenen Ortsvorstehern ergriff zuerst Herr Stahl aus Ostelsheim das Wort und feierte den Jubilar in einem kleinen Gedicht, in welchem er seinem Kollegen noch zwei „Hiskiasportionen" wünschte. Darnach wies ein Lehrer aus der Gemeinde auf die Rüstigkeit und Thätigkeit des Feiernden
hin, der, wie alle öffentlich Angestellten, leider aber auch seine bitteren Erfahrungen machen müsse, deren es in seinen 13 zurückgelegten Amtsjahren nicht wenige gewesen sein dürften. Und doch sei in gegenwärtiger Zeit das Amt eines Ortsvorstehers im Hinblick auf die vielen neuen Gesetze so schwer zu verwalten. Allein der Christ müsse sein Amt als ein „Haushalten" im Aufträge Gottes ansehen, nur so werde dann auch der Herr Ortsvorsteher einst von dem himmlischen Richter treu erfunden werden im Großen wie im Kleinen. Nörgelein dürften ihn nicht verdrießen, nicht lähmen. Es sei leider eine krankhafte Erscheinung unserer Zeit, die guten Eigenschaften eines Menschen zu übersehen und dagegen recht laut von dessen Splittern zu reden, wodurch der eigene Balken zu verdecken gesucht werde. Ganz besonders geschehe dies Beamten gegenüber. So sei es auch bei dem hiesigen Ortsvorstand. Allein er solle nur fortfahren im Aufsehen auf den einstigen Richter sein Amt zu versehen, dann werde er das Bittere der Vergangenheit durch das überreichte und als Erinnerung dienende Glas Wein verschwindend machen. Und sollten Gott so seine Wege Wohlgefallen, so würden gewiß seine Feinde mit ihm zufrieden sein und die Zahl seiner Freunde werde immer mehr wachsen. Daß er schon heute einen schönen Kranz derselben zähle, zeige die heutige Versammlung, die ihre Theilnahme an seinem Ehrentage bezeuge und zugleich es zu schätzen wisse, daß eine so schöne Anzahl seiner Amtsgenossen herbeigekommen sei. Redner erlaube sich diesen Herren Kollegen den Dank der Anwesenden auszudrücken; indem die Ehre, die ihrem Ortsvorsteher heute erwiesen werde, der Gemeinde selbst gelte. Hierauf ergriff der Ortsvorsteher von Dennjächt das Wort, hob die amtlichen Thätigkeiten und Eigenschaften des Herrn Weiß hervor, lobte seine Wegregulirungen, anerkannte die Friedfertigkeit und Einigkeit des anwesenden Gemeinderaths und verwies den Jubilar ebenfalls auf die Treue mit dem Wunsche, er möge der Gemeinde, seiner treuen Gattin und seinen unversorgten Kindern noch lange erhalten bleiben. Thränen in den Augen des Gefeierten war der redende Dank seines Innern und warmer Händedruck der Abschiedsgruß den Heimkehrenden. — Allen Betheiligten nochmals bester Dank, dem Ortsvorsteher aber leuchten die beschriebenen Stunden als Helle Sterne hinein in die verschleierte Zukunft.
^v. 6. Stuttgart, 29. Juli. Die Typhusberichte über Stuttgart werden sowohl durch das Gerücht als durch auswärtige Korrespondenzen auf ganz unverantwortliche Weise übertrieben. Und doch ist keinerlei Grund, irgend etwas zu verheimlichen. Die wöchentlichen Nachweise der Bevölkerungsvorgänge der Stadt Stuttgart haben sich seit langen Jahren als mit größter Gewissenhaftigkeit geführt, bewährt. Nun ergibt sich aber aus dem Nachweis über die Woche vom 20. bis 26. Juli einschließl. daß von 55 verstorbenen erwachsenen Personen nur eine einzige am Typhus verstorben ist. Der beste Beweis, daß der Typhus in der Civilbevölkerung durchaus nicht epidemisch herrscht und daß die einzelnen vorgekommenen Fälle durchaus gutartigen Charakters sind. Beim Militär sind viele Typhuserkrankungen vorgekommen, aber noch kein Todesfall. Uebrigens ist die totale Absonderung der Kranken in einem eigenen Lazareth auf der So- litude bereits vollzogen, so daß nicht die mindeste Ansteckungsgefahr vorliegt. Der St.-Anz. enthält nun heute Nachmittag eine offenbar aus amtlicher Feder fließenden Artikel hierüber (vom K. Kriegsministerium?s mit genauen Zahlenangaben. Es bestätigt dies unsre Mittheilung, daß noch kein Todesfall beim Militär vorgekommen, obschon bis heute Abend die Zahl der Erkrankten bis auf 82 gestiegen ist. Die Krankheit ist also eine durchaus gutartige, denn sie hat schon in den letzten Tagen des Juni begonnen und noch kein Todesfall. Uebrigens sind alle Vorsichtsmaßregeln getroffen.
Cannstatt, 30. Juli. Eine recht nette Erfahrung machte letzter Tage ein hiesiger Bürger mit 2 Stromern. Dieselben stellen sich nämlich regelmäßig alle 4—5 Wochen ein, um durch Fechten sich das nöthige Kleingeld zu verschaffen. Diesmal wurden sie aber zur Rede gestellt und gefragt, ob es ihnen denn gar nicht möglich gewesen sei, Arbeit zu bekommen. „Nein, mit dem besten Willen nicht", war die Antwort. Daraufhin wurden sie eingeladen, mit in den Hof zu kommen, allwo ihnen der gewissenhafte Bürger vorschlug, ca. 20 Butten Composterde auf seinen Acker zu tragen (der Acker liegt nämlich unmittelbar neben dem Haus, wäre also keine große Strecke zu tragen gewesen). Die arbeitsliebenden Leute, zwei ganz gesunde, starke Burschen, sahen sich aber gegenseitig ganz verblüfft und fragend an und konnten sich nicht entschließen zuzugreisen; der betr. Mann sprach dann noch zu, versprach ihnen eine ganz gute Bezahlung. Da erklärte endlich einer davon: „Ja, meine Hosen, für die wäre es doch schade, wenn ich sie da ruiniren würde". Da hörte aber bei dem gutmeinenden Cannstatter M Ruhe auch auf, er nahm rasch eine Hand voll Steinen und dirigirte solche den Taugenichtsen an die Köpfe, worauf sie sich dann eilends aus dem Staube machten. „
Wien, 28. Juli. Die Nichtigkeitsbeschwerde des zum Tode durch den Strang verurtheilten Anarchisten Stellmacher wurde vom obersten Gerichtshöfe in geheimer Sitzung verworfen und das erftrichterliche Urtherl vollinhaltlich bestätigt. Die Akten befinden sich jetzt beim Justizministerium zur Antragstellung an den Kaiser. — Der Raub- und Mordgenoffe Stellmachers, der Anarchist Kämmerer, der sich im Garnisonsgerichte m der Alserkaserne in Haft befindet, wird strengstens bewacht, und zwar soll dies weniger geschehen, um ein Entweichen des Anarchisten zu verhindern, als vielmehr, um ihn vor Anschlägen gegen sein Leben von Seiten seiner eigenen „Partei" zu sichern. Die Aus- und Eingänge der Alserkaserne werden daher Tag und Nacht überwacht und keine Unberufene werden in den Kasernenrayon, Leute vom Zivil aber nur gegen Erlaubnißschein eingelassen. Kämmerer ist im linken Flügel des 2. Stockwerkes, im sogen. Bandahofe m Gewahrsam. Das Gebäude ist drei Stock hoch und in allen Stockwerken sind Militärhäftlinge untergebracht. Durch eine eiserne Thur, welche Tag uns Nacht verschlossen und von Unteroffizieren, sowie von 2 mit aufgepflanzten Bajonneten und scharf geladenen Gewehren versehenen Posten bewacht wird, gelangt inan in das 1. Stockwerk. Auf den Gängen marschiren doppelte Wachposten auf und ab; vor der Zelle Kämmerers steht noch überdies ein