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den, da die „Sarthe" , welche dort allerdings einige Cholerafälle an Bord hatte, desinfiziert wurde und 45 Tage auf "Reisen war , und ein anderes Schiff im Hasen Toulons keinen Cholerafall hatte. Er habe jedoch später konstatirt, daß das Kontagium nicht allein in Toulon wirksam war, sondern auch in Marseille. Brouardel und Proust in Uebereinstimmung mit den Touloner Aerzten schließen daher aus das Vorhandensein der asiatischen Cholera. Ungeachtet dieser Erklärung hielt Dr. Fauvel seine Meinung, daß es die sporadische Cholera sei, aufrecht. Eine Kommission, bestehend aus den Doktoren Brouardel, Proust, Fauvel, Peter u. A. wurde eingesetzt, welche die Mittel zur Bekämpfung des Uebels angcben soll.
Paris, 2. Juli. (Dep. d. Fr. I.) Der ehemalige Botschafter Tissot ist gestorben. — Die Nationalseier am 14. Juli wird nicht hinausgeschoben; das Festprogramm wurde heute veröffentlicht. Der Gesundheitszustand in Paris ist vorzüglich. — Die genaue Zahl der bei Langson erlittenen Verluste beläuft sich auf 22 Todte und 53 Verwundete. — Das Journal Paris will wissen, die Regierung werde eine Entschädigung von 500 Millionen Francs für die Verletzung des Vertrags von Tientsin von China verlangen. Die Nachrichten aus Tongking bestätigen, daß auf dem Marsche nach Langson zahlreiche Sonnenstichfälle bei den Truppen vorgekommen sind.
Toulon, 2. Juli, Abends. Seit heute Vormittag 10 Uhr sind 6 Cholera-Todessalle, in Marseille 4 vorgekommen.
O e st e r r e i ch.
Bad Gastein, 1. Juli. Für den deutschen Kaiser sind kürzlich Zimmer im Badeschloß, für dessen Gefolge solche im Schwaigerhaus bestellt worden. Die Ankunft Kaiser Wilhelm's wird für den 15. Juli erwartet, lieber eine Entrevue mit Kaiser Franz Joses verlautet, daß dieselbe nicht hier, sondern in Salzburg oder in Ischl stattfinden soll.
Tages - Neuigkeiten.
Stuttgart, 3. Juli. Die Loose der vom Württemb. Rennverein projektirten Volksfesilotterie zur Hebung des Cannstatter Volksfestes kommen vom 15. d. M. ab zur Ausgabe durch die Generalagentur von Eberhard Fetz er. Tie Ziehung erfolgt am 29. September, also zum Volksfeste. Ausgegeben werden 37,500 Loose ü 2 -4L, an Gewinnen sind ca. 350 vorgesehen, bestehend in Pferden, Ochsen, sonstigem Vieh, sowie in Haus- und landwirthschaftlichen Geräthen. Als Hauptgewinne sind bestimmt 70 Pferde und 30 Stück Vieh im Werthe von 37,000 c4L, der Rest der Summe abzüglich von 10,000 -4L wird auf die übrigen Gewinne verwendet.
— Eine hübsche Vergnügungsreise machte Bommas, der in Stuttgart im Oktober vorigen Jahrs durchgebrannte Postbeamte. Zunächst reiste er durch Bayern nach Triest und von dort über Venedig, Bologna, Rom, Neapel nach Palermo. Hier ward er verhaftet, aber wieder sreigelassen, da er vorzüglich italienisch iprach und ein Rundreise-Billet durch Spanien und Frankreich vorzeigte. Von Palermo ging er dann nach Tunis, Algier, Oran, Turgis (Marocco), Gibraltar, Malacca, Cordooa und Lissabon; zurück nach Madrid und von dort nach Paris. In Madrid ward er ebenfalls verhaftet, aber wieder sreigelassen. Von Paris ging er nach London und schiffte sich Anfangs Februar aus einem Dampfer der „Monarch"-Linie nach New-Iork ein, um hier schließlich nach dreimonatlicher idyllischer Zurückgezogenheit endlich seinem Schicksal in Gestalt des Hülfsmarschalls Bernhard in die Hände zu fallen.
Eßlingen, 2. Juli. Die Traubenblüthe ist bei der herrlichen Witterung in vollem Gang, theilweise sogar vorüber, und es berechtigt der Stand unserer Weinberge zu den schönsten Hoffnungen. In den früheren Lagen hat der Rebstock allerdings durch die rauhe Witterung, die theilweise im Juni geherrscht, etwas gelitten, doch dürste das nicht von besonderen Belange sein. — Auch der Schluß der Heuernte ist noch günstig verlaufen und unser Fruchtfeld steht so schön, wie seit Jahren nicht.
Tübingen, 2. Juli. Vor dem hiesigen Schöffengericht gelangte gestern die Beleidigungsklage zur Verhandlung, welche der Vorstand der hiesigen deutschen Partei Prof. Dr. Eimer und 17 Ausschußmitglieder derselben gegen den verantwortlichen Redakteur des hier erscheinenden „Volksfreund aus Schwaben", Louis Haller, wegen mehrerer in genanntem
Blatte erschienener, eine Reihe von schweren Ehrenbeleidigungen gegen die Mitglieder und Führer der hiesigen deutschen Partei enthaltender Artikel erhoben hatte. Den Vorsitz führte Amtsrichter Kellenbach. Vertreter der Privatkläger war R.-A. Wetzel II., als Vertheidiger stand dem Bekl. zur Seite R.-A. Steiner von Stuttgart. Das Urtheil erklärt den Angekl. zweier Beleidigungen, die eine begangen gegen den Privatkläger Prof. Eimer und dessen 17 Mitkläger, die andere in zwei besonderen Artikeln gegen Prof. Eiirer allein, für schuldig und erkannte gegen denselben bezüglich der ersten eir; Gesängnißstrafe von 12. bezüglich der zweiten eine solche von 4 Tagen, int gesammt eine Gesängnißstrafe von 14 Tagen; außerdem sprach dasselbe da Privatklägern das Recht zu, den verfügenden Theil des Erkenntnisses einmal in dem Blatte des Beklagten oder in der „Tüb. Chronik" auf Kosten des Beklagten veröffentlichen zu lassen.
Reutlingen, 1. Juli. Die Heuernte ist seit voriger Woche in vollem Gange ; vom frühen Morgen an sieht man hochbeladene Heuwagen einführen. Die Qualität des Futters ist eine ausgezeichnete, dagegen schlägt die Quantität da und dort zurück. Auch den Weinbergen kommt das herrliche Wetter sehr zu statten. Die Traubenblüthe hat begonnen und wird voraussichtlich rasch vorübergehen. In den meisten Lagen hat es viele Trauben. Auch die Halmfrüchte berechtigen zu schönen Hoffnungen; die Früchte stehen prächtig da, ebenso die Kartoffeln, von welchen die Frühsorten bereits blühen. Wenn Alles erhalten bleibt, so haben wir Hoffnung auf ein gutes Jahr.
Schorndorf, 2. Juli. Aus Anlaß des Marsches des Füsilierbataillons des Württ. 3. Infanterie-Regiments zu den Regiments-Exerzitien wird die hiesige Stadt und die Gemeinde Weiler am 12. August d. I. Einquartierung in der Stärke von etwa 450 Mann erbalten. Außerdem werden aus Anlaß der diesjährigen Herbstübungen ca. 5300 Mann, 273 Offiziere und 1720 Pferde in der hiesigen Stadt und in 13 Landorten und zwar vom 12. Sept. d. I. ab untergebracht werden. — Welch' erheblichen Schaden Hagelschläge auf die ökonomischen Verhältnisse der Gemeinden und ihrer Angehörigen werfen, geht aus der betrübenden Thatsache hervor, daß die Ausstände der in den letzten 2 Jahren durch Hagelschaden schwer heimgesuchten Gemeinde Winterbach am 31. März d. I. 9546 betragen haben.
Aalen, 2. Juli. In Pommertsweiler hiesigen Bezirks starb dieser Tage ein 3jähriges Kind in Folge des Genusses von Früchten der Herbstzeitlose.
Ochsenhausen, 1. Juli. Die für den Menschen unwürdigste Wette ist eine solche in Bezug auf Essen oder Trinken. Gleichviel kommen die Zeitungen gar häufig in die Lage, hievon berichten zu können und so oft mußte schon der Freß- oder Saufheld seine Bravour mit dem Leben büßen. Ein hiesiger Taglöhner zeigte gestern ebenfalls einen außerordentlichen Appetit. Er verzehrte in Folge einer Wette in einer hiesigen Wirth- schaft, wie man sich landläufig ausdrückt, „auf einen Sitz": 1 Paar Rauchwürste, 1 Portion geräuchertes Schweinefleisch, 5 Portionen saure Kutteln, 7 Brote und 8 Glas Bier. Nach dieser Leistung zündete der Riesenessir gemüthlich sein Pfeifchen an und sagte: „So, jetzt hau'n i au mol wieder gnuag gessa!" Er behauptete noch daß er sich ganz wohl und behaglich befinde.
Friedrichshafen, 1. Juli. Ihre Majestät die Königin mit den Herzoginnen Elsa und Olga von Württemberg ist heute Nachmittags I Vs Uhr mittelst Extrazugs zum Sommeraufenthalt hier eingetroffen. Ihre Majestät wurde - bei der Ankunft von Sr. Maj. dem König auf dem Bahnhof empfangen und in's Schloß geleitet unter freudigen Zurufen der zahlreich versammelten Einwohnerschaft. Im Gefolge Ihrer Majestät befinden sich die Staatsdame Baronin v. Massenbach und der Erste Kammerherr der Königin, Frhr. v. Reischach. Mit Höchstderselben ist auch der Generaladjutant des Königs, General der Infanterie, Frhr. v. Spitzemberg, hier angekommen.__
Kgl. StÄndesarnr Ea l w.
Vom 26. Juni bis 3. Juli 1884.
Getraute.
3. Juli. Fritz Heinrich Balbach, Bäcker von Neuenstadt a.^L., O.A. Neckarsulm, mit Marie Luise Kaufmann in Calw.
Gestorbene.
26. Juni. Karl Gottlieb Rappold, 1 Jahr alt, S. d. Gottlieb Rappold, Tnchscheercrs.
27. . WNHelmine Sofie Friedricke Sinner, 12 Jahre all, T. d. Jakob Wilhelm
Sinner, CondukteurS.
Da war zunächst eine Nachbarin, Frau Martha Krause. Dieselbe sagte folgendermaßen aus:
„Mein Grundstück stößt direct an das des Pfarrers. Ich hätte entschieden bemerken müssen, wenn sich ein Fremder dem Hause näherte, denn, wie fast alle Abende, saß ich auch an dem Abende der Mordthat am geöffneten Fenster, um die milde Landluft zu genießen. Ja ich befand mich sogar nicht einmal allein, denn vor dein geöffneten Fenster stand eine andere Nachbarin, eine Frau Zeichen. die mir plaudernd Gesellschaft leistete. Wir beiden konnten so die Straße nach beiden Richtungen hin überblicken, und es hätte uns unmöglich entgehen können, wenn irgend wer die an und für sich leere Straße um diese Zeit passirt hätte. Erst spät trat ich vom Fenster zurück und begab mich nach der an mein Zimmer grenzenden Küche, um den Abendimbiß für mich und meinen Sohn, der noch nickt aus der Fabrik zurückgekehrt war. zu besorgen. Noch damit beschäftigt, vernahm ich einen furchtbaren Angstschrei, und eine Minute später stürzte Fräulein Jordan todtenbleich zu mir ins Zimmer und bat mich um Gottes Willen, schnell nach dem Pfarr- hause zu kommen, da ihr Pflegevater plötzlich gestorben sei. Ich folgte natürlich doppelt eifrig diesem Gesuch, da ich den Pfarrer Zacharias sehr verehrte. Ich war so die erste, die nach der Schreckensthat rm Pfarrhause erschien und habe auch da nickts Verdächtiges bemerkt, als höchstens eine lebhafte Unruhe, die Fräulein Elffe zur Schau trug, und die ich nicht allein dem Schmerz über dgn plötzlichen Tod des Pflegevaters zuschreiben konnte."
So lautere die Aussage der Frau Krause. Die Vernehmung derselben hatte mithin keinerlei Resultat. Dennoch vereidigte ich dieselbe eigentlich mehr der Form wegen, als um den Jnbalt ihrer Aussagen sicher zu stellen.
Die vorhin erwähnte Nachbarin, Frau Zehden, ließ sich genau in der Weise aus wie Frau Krause. Auch sie brachte nichts Neues und auch ihr Verhör war in wenigen Minuten beendigt. Ebenso verhielt es sich mit den Aussagen anderer Zeugen. Kurz, die Annahme, daß ein Anderer als die Elise Jordan den Mord begangen haben könnte, schien für mich vollständig ausgeschlossen.
Ich ging nun zum Verhör der Angeschuldigten selbst über. Ich mußte sehr schonend verfahren, denn dieselbe war durch die Ereignisse der letzten Tage heftig ergriffen. Sie war noch sehr leidend, oft versagten ihr die Kräfte, so daß ich das Verhör eine Viertelstunde und darüber abbrechen mußte.
Zu Ende geführt sollte die Sache unmöglich heute werden, denn die Berufspflicht erforderte meine Anwesenheit in Z., von wo aus dann die Untersuchung weiter geführt werden mußte.
Elise Jordan sagte, oft von Thränen unterbrochen, etwa Folgendes aus:
„Ich lebte mit meinem Großvater sehr glücklich. War er schon bemüht, mir das Leben so angenehm wie möglich zu machen, Alles zu thun, was er mir in den Augen absehen konnte, so hatte auch ich nur einen Wunsch, und zwar den, ihm für die Liebe, die er mir angedeihen ließ, dankbar zu sein. Doppelt war der Wunsch in mir rege seit jener Stunde, wo ich erfahren, daß ich eigentlich nicht seine Tochter, sondern das von ihm angenommene Pflegekind sei. Nie wurde unsere Eintracht durch irgend etwas gestört, und der einzige Schmerz, den ich empfand, der uns aber beide noch näher führte, war der, als die Wirthschafterin, die mich wie eine Mutter erzogen hatte, das Zeitliche segnete." (Forts, folgt.)