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mehr dessen Gegner sein. So lange eine Partei nichts bedeute, könne sie mit Phrasen spielen, sei sie aber etwas geworden, dann muffe sie jedes ihrer Worte überlegen. Leclerc, Mitarbeiter von Clemenceau'sJustice", feierte sodann Liebknecht als bewährten Freund des französischen Volkes.

R n f; l a n d.

Endlich kommt einmal ein kleiner Lichtblick, der eine Verbesserung der deutsch-russischen Zollverhältnisse erhoffen läßt. Wie nemlich die russischeSt. Petersburger Zeitung" erfährt, wird eine partielle Modificirung, resp. Vereinfachung des russischen Zollreglements in Betreff der Waarenexpedition in's Ausland und umgekehrt geplant, da sich gegen­wärtig in Folge der complicirten Zollordnung an der deutschen Grenze ver­schiedene Agenten eingenistet haben, welchen der Löwenantheil an den Zoll­spesen von den zu transportirenden Waaren zufällt.

Tages - Neuigkeiten.

In Folge der an dem Seminar zu Nagold vorgenommenen Auf­nahmeprüfung sind nachstehende Präparanden zum Eintritt in ein Staats­seminar ermächtigt worden, und zwar: Eberspächer, Karl, von Calw, Beutelspacher, Theodor, von Liebenzell, Breitling, Friedrich von Gechingen.

s. In Liebenzell ist am letzten Sonntag den t8. ds. Mts. der ledige 24 Jahre alte Goldarbeiter Jakoh Tiefenbach von Schömberg, OA. Neuenbürg, beim Nachhausegehen Nachts 11>/s Uhr die Treppe herunterge­fallen und erlitt neben andern Verletzungen einen Schädelbruch, welcher nach zwei Tagen den Tod des Unglücklichen zur Folge hatte.

Stuttgart, 21. Mai. Im Befinden Seiner Majestät des Königs ist eine erhebliche Besserung eingetreten, die Fiebererscheinungen sind vollständig verschwunden und es läßt sich hoffen, daß Seine Majestät, wenn die Witterung günstig ist, in den nächsten Tagen das Zimmer wieder wird verlassen können.

Stuttgart, 21. Mai. Am 17. fand in Stuttgart i« der städt. Turnhalle die konstituierende Versammlung der freiwilligen Kran­kenträger-Kolonne Stuttgart statt. Der Instruktor Dr. Nachtigal sprach dem Württ. Sanitätsverein seinen Dank aus für die Bewilligung der Mittel zur Ausrüstung des jungen Vereins, und wies die Uniform der Kran­kenträger vor; sie besteht aus weißer Mütze mit schwarzem Rand und der Landeskokarde, darüber das rothe Kreuz; Rock und Beinkleid sind grau mit weißen Knöpfen, auf die das Sanitätskreuz gepreßt ist. Die Tragbahren werden von dem Hoflieferanten Karl Schmidt geliefert; sie wurden sshr praktisch, gediegen und elegant befunden. In Zukunft findet jeden Samstag Abend von 810 Uhr in der Turnhalle die Instruktion statt. Man hofft bald in Stuttgart ein Korps von 100 Mann zu haben.

Eschenau, 20. Mai. Heute Vormittag 9 Uhr ereignete sich in dem Nachbarorte Affaltrach ein bedauerlicher Unglücksfall. Ein Mann wollte am gegenüberstehenden Hause eine Katze erschießen. Die Schußwaffe zer­sprang und die Ladung traf ein 2'/sjähriges Kind, das gerade am Tisch war, so, daß sofort der Tod eintrat. Der Jammer auf beiden Seiten ist groß.

Aulendorf, 18. Mai. Vorige Woche sollte eine Hochzeit stattfinden. Der Hochzeitstag war herangekommen, das Hochzeitsmahl bestellt, die Braut und die Hochzeitsgäste erwarteten im hochzeitlichen Gewände den Bräutigam. Dieser aber kam nicht, vergeblich warteten der Standesbeamte und Geistliche und als die Braut in besorgter Weise sich nach des Bräutigams Wohnung begab, lag der Hochzeiter noch gemüthlich im Bett und erklärte, daß es ihm nicht im Schlaf einfalle, zu heirathen. Bei diesem Entschlüsse beharrte er auch trotz allen Zuredens und so mußten denn die Braut und die Hochzeits­gäste das Festmahl ohne Bräutigam einnehmen. Der Bräutigum nahm übrigens an dem Festmahl ebenfalls Theil, nur in einem andern Lokal der gleichen Wirtschaft. Mit dem Vieruhrzug aber begab sich die betrogene Hochzeiterin nach R., um den Beistand eines Rechtsanwalts einzuholen.

Vom Brenzthal, 19. Mai. Ein von Ulm mit dem ersten Zug nach Heidenheim fahrender Geschäftsreisender, der 2. Klaffe fuhr, entdeckte auf der Station Giengen den Verlust seiner Geldtasche, die einige hundert Mark in Papier enthielt. Ein Diebstahl konnte nicht angenommen werden,

da der Reisende allein im Coupee saß. Der Reisende fuhr daher mit dem nächsten Zuge nach Ulm retour, um in seinem Nachtquartier Nachforschungen nach dem Vermißten anzustellen. Unterdessen aber hatte der Condukteur im verlassenen Waggon nach dem Geld gesucht und dasselbe zwischen der Waggon­wand und dem Sitzpolster entdeckt. Stationskommandant Schüler von Heidenheim hat dem Baumverderber in Bolheim, welcher einige Hundert Stämmchen aus einer Baumschule vernichtete, eifrigst nachgeforscht und den­selben auch in der Person eines verheiratheten Mannes entdeckt. Die That war wirklich aus Rache verübt. Als die Frau des Thäters die Sache ent­deckt sah, sprang sie der Brenz zu, um sich zu ertränken, wurde aber von einem Mann daran gehindert.

Ulm, 18. Mai. Um die hiesige Polizei gegen verwegene Angriffe namentlich im Nachtdienst wehrfähiger zu machen, hat die städtische Polizei­behörde einige Muster von Todtschlägern ansertigen lassen. Die Wahl fiel auf ein leichthandliches, in gelbem Zwirn gebundenes Instrument mit je einer Bleikugel an beiden Enden. Die Mannschaft ist seit einigen Tagen damit bewaffnet, mit der Instruktion, sich im Fall der Nothwehr dieser Waffe zu bedienen.

Laupheim, 20. Mai. Am letzten Sonntag Nachts 11 Uhr schlug der Blitz in das Haus des Schneiders Ott in Bronnen und richtete an dem­selben, ohne zu zünden, Beschädigungen an. Der Blitzstrahl hat seinen Weg durch das Gemach genommen, in welchem die aus fünf Köpfen bestehende Familie schlief. Abgesehen von einer vorübergehenden Betäubung des Haus- eigenthümers sind die Bewohner der Gefahr glücklich entronnen.

Baden-Baden, 20. Mai. Die Kaiserin weilt nun bereits acht Tage in unserer Bäderstadt und nach Allem, was man vernimmt, ist das Befinden in fortwährender Besserung begriffen. Täglich unternimmt die Kaiserin Ausfahrten im offenen Wagen. Die Herstellung des Kaiser­preises für das groß; Rennen in Baden ein etwa 60 cm hoher Pokal, bekrönt mit einem springenden Pferde wurde wieder dem Hofjuwelier Ed. Föhr in Stuttgart übertragen. Der Entwurf rührt von Prof. Herin. Herdtle am Gewerbemuseum in Wien her. Die Zahl der Fremden be­ziffert sich bis^ heute auf 8267.

lEingcjandl.) '

Die verehrten Leser gegenwärtigen Blattes waren gewiß von der Ein­sendung im Schwarzwälder Boten, betreffend die Empfehlung unserer viel­geliebten Stadt, als Luftkurort, angenehm überrascht. Schon längst wurde der Gedanke von Vielen im Stillen gehegt, daß Calw, ebenso wie manche andere Orte und Städtchen geeignet wäre, den Ansprüchen eines Luftkurorts gerecht zu werden; sind wir doch, Dank der städt. Verwaltung und des un­ermüdlichen Vorstandes unseres Verschönerungsvereins, in der Lage, durch die prächtigen Anlagen in der nächsten Nähe der Stadt, in die Reihe der Luftkurorte ohne Anstand eintreten zu können.

Diese angenehmen Urtheile kamen Einsender schon vielfach zu Ohren, dagegen kann er auch nicht verschweigen, daß schon manches gegenteilige Urtheil namentlich in Bezug auf das Entrse in unsere Stadt gefallen ist. Es ist nicht schwer zu errathen, daß damit das in gesellschaftl. Kreisen schon oft erwähnte schlechte Bahnhofstraßetrottoir gemeint ist.

Einsender Dieses will vorerst nicht viele Worte über diesen Gegenstand verlieren, dagegen den wohllöbl. Herrn Gemeinderäthen diese Sache ange­legentlichst an's Herz legen, und im Interesse der Stadt (der erste Eindruck ist der beste) den freundlichsten Wunsch aussprechen, dem Herrn Stadt­baumeister baldigst den Auftrag ertheilen zu wollen, diese nützliche Verschönerung in möglichster Bälde zur Ausführung zu bringen.

_Ein Bahnhofsträßler im Einverständniß mit Allen.

Kgl. Sranvesarnr Calw.

Nom .11 bis 19. Mai 1884.

Geborene.

11. Mai. Paul Friedrich, S. d. Pius Graf, Schlossers.

18. , Margarethe Friedrike Pauliue, T. d. Jakob Fr. Hohl, Eisenbahnkondukteurs.

Gestorbene.

17. Mai. Johann Conrad Müller, Tuchmachers Ehefrau, Juliane geb. Dittns, 54 I. a.

18. , Jakob Friedrich Widmann, Nadlers Witrwe, Marie Magdalene, geb. Schmidt,

57 Jahre alt.

19. Johanne Katharine Stickel, ledige Rächerin, 68 Jahre alt.

wände zu verlassen, wenn Ottilien's Benehmen nur im Geringsten den Ver­dacht in ihm befestigte, daß er ihr mehr sei, als der Diener ihres Vaters. Beherrschte doch auch der Gedanke an Emmy viel zu sehr seine Seele, als daß er sich mit der Idee hätte befreunden können, nur um äußerer Vortheile willen ein neues Bündniß zu schließen, bei welchem doch Ottilie sicher die Verlierende war, da er ihr die warme, innige Herzensneigung nicht entgegen­bringen konnte, ohne welche dieses lebhafte, leidenschaftliche Mädchen sich nun einmal nicht glücklich fühlen konnte. Denn seit jenem Zeitabschnitt, wo er im Punkte der Liebe die bitterste Täuschung erfahren, die ein Menschenherz treffen kann, war er zum klaren Bewußtsein gelangt, daß er nur Emmy Wendling so schrankenlos tief, so wahr und rein liebe wie es für den wahren Frieden eines ehelichen Lebens nothwendig war. Wie die Verhältnisse sich auch zu seinen Gunsten gestalten mochten, ohne Emmy erschien ihm die Welt wie eine öde leere Wüste. Die Leidenschaft, welche einst für die begabte Künstlerin sein ganzes Innere durchglüth hatte, nannte er einen Jrrthum seines Herzens, welches mit seinem ungestümmen Schlag die Stimme seiner Vernunft übertäubt hatte.

Woran denken Sie nur so angelegentlich?" fragte Ottilie, die ihn aufmerksam betrachtet hatte, wie er so tiefsinnig neben ihr herschritt.

Es sind Geschäftssachen, über die ich nachdenke, Fräulein Ottilie l" sagte er aufschreckend.So etwas pflegt junge Damen bekanntlich nicht zu intereffiren."

Sagen Sie mir doch, Herr Werner," begann sie nach einer kurzen Pause,wollten Sie so gütig sein und mir streng wahrheitsgetreu eine ein­fache Frage beantworten?"

Sie waren langsam in die dunkle Lindenallee hineingeschritten. Dieselbe wurde nach der Mitte zu von einer zweiten Allee durchkreuzt. Am Kreuzungs­

punkte erhob sich inmitten eines grünen Rasenplatzes auf gußeißernem Piede- stal ein Triton von weißem Marmor, der aus einer kleinen silbernen Röhre einen Hellen Wasserstrahl in die Luft warf, welcher niedersinkend in Tausende von feinen Staubperlen zerstob. Ein schmales Beet, mit Vergißmeinnicht und vielen anderen Blumen bepflanzt, umgab den Springbrunnen zunächst, während sich um den Rasenplatz eine wohlgepflegte Hecke von Rosen und Fuchsien zog.

An diesem reizenden Orte blieb das junge Mädchen stehen und ließ den Arm ihres Begleiters los. Während sie mit einer beinahe fieberhaften Spannung der Antwort des Letzteren entgegenlauschte, griffen ihre zarten Finger auf's Gerathewohl in das Blüthengesträuch, Blumen und Blätter bunt durcheinander pflückend, obwohl sie sich an manchem versteckten Dorn verletzen mußte.

Streng wahrheitsgetreu eine einfache Frage?" wiederholte der Buch­halter langsam,wenn Sie nicht gerade in einer Angelegenheit fragen, die ich so tief in mein innerstes Herz geschloffen habe, daß jede Berührung mir sehr peinlich ist."

Sie sah, wie in tiefe Gedanken verloren, auf den Strauß, den sie in der Hand hielt, und schüttelte dann entschieden den Kopf.

Ich dränge mich nie in anderer Leute Geheimnisse," sagte sie sanft, und was ich wissen möchte, daß könnnen Sie auch ohne Rückhalt jedem Andern mittheilen. Ich wollte Sie einfach fragen, ob Sie ob Sie schon einmal in ihrem Leben geliebt haben?"

Sie stieß die Frage in voller Hast hervor und senkte dann ihr Antlitz in den Blüthenstrauß, um das glühende Roth zu verbergen, das ihr Gesicht bis an die Stirn überflog.

(Fortsetzung folgt.)