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Parteien mit der Abhaltung des Termins auf dem Gerichtstag einverstanden sind, und unter denselben Voraussetzungen Sühnetermine im Sinn von § 471 der Reichs-Civilprozeß-Ordnung (es können also auch außerhalb des Gerichtstagsbezirks wohnende Parteien in Rechtsstreitigkeiten mit Parteien innerhalb desselben sich auf Abhaltung der Termine am Gerichtstag vereinbaren).
Es können ferner an dem Gerichtstage, worauf besonders aufmerksam gemacht wird, die Parteien zur Verhandlung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ohne vorherige schriftliche Klageerhebung, Ladung und Terminsbestimmung vor Gericht erscheinen (R.-C.-Pr.-Ordg. 8 461), auch mündliche Anfragen und Gesuche jeder Art vorgetragen und Anträge und Gesuche (z. B. auf Erlassung von Zahlungs-, Vollstreckungs- und Arrestbefehlen, Entinündigungen und dergl.) nach Vorschrift der Prozeßgesetze zu Protokoll des Gerichtsschreibers angebracht werden.
Verhandlungen in Strafsachen finden nur statt, soweit dies ohne Zuziehung von Schöffen statthaft ist.
Die Ortsvorsteher des Gerichtstagsbezirks werden angewiesen, für genügende Verbreitung dieser Bekanntmachung in ihren Gemeindebezirken Sorge zu tragen.
Den 1. April 1884. ' Oberamtsrichter
Perrenon.
Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 2. April. Das wiederholte Ansuchen Bismarcks auf Entlassung von der preußischen Minist erpräsidentschaft wurde vom Kaiser noch nicht gewährt. Der Fürst hat mit dem Kaiser wie mit dem Kronprinzen mehrfach über die Angelegenheit berathen, doch soll der Kaiser wenig geneigt sein, auf den Vorschlag des Kanzlers bezüglich seiner Enthebung vom Posten eines pr. Ministerpräsidenten einzugehen. Vielfach wird behauptet, die Entscheidung werde wohl noch längere Zeit auf sich warten lassen. — Der Kanzler verlebte seinen Geburtstag in guter Gesundheit und voll Freude über die jährlich wachsende Menge der Zeichen inniger Theilnahme, die ihm aus dem ganzen Reich und fast aus allen Ländern der ganzen Welt zugehen. Leider ist das Befinden der Fürstin kein gutes, schon seit mehreren Wochen, und trübte auch die heutige Familien-
— Die „Köln. Ztg." schreibt: Mit dem 1. April sind die zehn türkischen Offiziere, welche zur ihrer militärischen Ausbildung dem preußischen Heere überwiesen worden waren, bei ihren betreffenden Regimentern in Dienst getreten. Der Vorgang, daß fremdländische Offiziere vollkommen die Rechte und Pflichten preußischer Offiziere übernehmen, ist durchaus neu und hat deshalb auch ein gewisses Aufsehen erregt. Es waren schon wiederholt ausländische Offiziere, namentlich Rumänen und Serben, zu preußischen Truppen- theilen kommandirt, aber hierbei wurde das Verhältniß des „Kommandirt- seins" streng aufrechterhalten und die betreffenden Offiziere blieben nach wie vor Offiziere ihres Heimathsstaates, trugen auch die Uniform desselben und erhielten keine Patente. Die in das preußische Heer übergetretenen früheren türkischen Offiziere sollen den vollen Ernst des dienstlichen Lebens kennen lernen und ihre militärischen Pflichten mit derselben Gewissenhaftigkeit erfüllen, wie ihre jetzigen Kameraden das gewöhnt sind. Der Kaiser hat also mit der in Rede stehenden Maßregel, welche als eine Auszeichnung gelten muß, der Türkei einen neuen Beweis dafür gegeben, wie man es sich bei uns angelegen sein läßt, die militärische Reorganisation der Türkei nach Kräften zu fördern.
O e st e r r e i ch.
Wien, 3. April. Der in Pest verhaftete Redakteur des „Radikalen", Scheffler, gestand, bei einer in der Nähe Wiens abgehaltenen Sitzung, worin die Ermordung Hlubeck's und Blöch'S beschlossen wurde, zugegen gewesen zu sein.
Frankreich.
— Das Kreisblatt von Molsheim im Elsaß druckt einen Brief ab, in
welchem ein junger elsäßischer Soldat die Einnahme von Sontay und die Grausamkeiten folgendermaßen schildert:
„Wir machten 600 Gefangene, welche am andern Tag alle erschossen wurden. Am 15. Dezember war Ruhe. Am 16. nahmen wir die Stadt mit Sturm, Abends 5 Uhr, mein Bataillon war das erste. Wir verloren über 145 Mann. Unser Kapitän, Mehl aus Straßburg, erhielt eine Kugel durch das Herz im Augenblick, wo wir vor dem Thore standen. Er fand einen schönen Heldentod. Mit dem Ruf vivo la krsnoo sprang er vor das Bataillon, den Revolver in der rechten Hand. Das ganze Bataillon folgte ihm auf dem Fuß; zwei Kapitäne wurden blessiert und viele fielen theils todt, theils verwundet. Doch wir hatten die Stadt genommen durch unseren Muth. Es ging mir drei mal hart am Leben vorbei, bin aber, Gott sei Dank, unversehrt davongekommen. Als wir in der Stadt waren, kam die Ordre, daß wir plündern dürfen während 36 Stunden und alles Lebende niedermachen. Nun, lieber Vater, davon sind meine Hände rein. Wie manche Kinder und unschuldige Frauen und unschuldige Väter, die ihre Hände rein vom Pulver hatten, sind niedergemacht worden! Geschossen wurde nicht mehr, nichts als erstochen oder mit dem Kolben todtgeschlagen; es war entsetzlich. In jedem Hause lagen Haufen von Todten und Verwundeten ohne Hilfe. Natürlich, hätte der Feind gesiegt, so hätte er uns auch keinen Pardon gegeben. Wenn der Feind einen von uns erwischt, so wird er gemartert, Glied für Glied, und zuletzt schneiden sie ihm den Kopf ab. Als wir in die Stadt kamen, war jeder Soldat wüthend, und die Rohesten haben manche unschuldige Person ermordet."
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Taqes - Neuigkeiten.
Calw, 3. April. Zum Geburtsfest des Reichskanzlers Fürsten v. Bismarck wurde von einer größeren Anzahl hiesiger patriotischer Männer ein Telegramm folgenden Inhalts abgesendet:
„b- Durchlaucht dem Fürsten Bismarck, Berlin.
Eine Anzahl zu Ehren des Geburtsfestes Eurer Durchlaucht versammelter Einwohner der hiesigen Stadt, welche in ihrer größten Mehrheit die unvergleichlichen Verdienste des Reichskanzlers auf jedem Gebiet seines Wirkens und Schaffens mit Begeisterung verehrt, erlaubt sich Eurer Durchlaucht zu dem heutigen Festtag herzliche Glück- und Segenswünsche darzubringen. Möge Euer Durchlaucht dem Vaterlande noch lange Jahre erhalten bleiben in ungeschwächter Gesundheit und Kraft, dann sind wir sicher, daß die verabscheuungswürdigen Angriffe der inneren und äußeren Feinde des Reichs unter dem Beistand Gottes und des deutschen Volkes an der Kraft und Wahrheit zerschellen werden, von welchen alle Thaten unseres glorreichen Kaisers und des hochverehrten Reichskanzlers ge-^ tragen sind." . -
— In Folge der vom 10.-14. März mit 264 evangelischen und israelitischen Schulaspiranten abgehaltenen Vorprüfung sind unter And. nachstehende Schüler zur Vorbildung für den Volksschullehrerberuf mit Aussicht auf Staatsunterstützung ermächtigt worden: Retter, August, von Ge- chingen, Theurer, Wilhelm, von Gechingen, Delin, Heinrich von Stammheim.
— Der Hundezüchter Herr C. Burger aus Leonberg hat bei der kürzlich beendeten internationalen Hundeausstellung in Nizza einen großen Sieg errungen, indem von seinen 21 ausgestellten Leonberger, Bernhardiner, Ulmer rc. Hunden nicht weniger als 18 von der internationalen Jury mit Preisen ausgezeichnet wurden.
Stuttgart, 3. April. Den neuesten Nachrichten aus San Remo über das Befinden Seiner Majestät des Königs zufolge ist erfreulicher Weise in demselben ein konstanter, wenn auch langsamer Fortschritt wahrzunehmen. Das Athmen ist ausgiebiger und normaler geworden als zur Zeit der letzten Mittheilungen, und die schmerzhaften Empfindungen im Umfang des angegriffenen Lungentheils haben sich vermindert. Doch sind immer noch Ueberreste der nun gerade vor einem Jahr aufgetretenen Lungen- und Rippenfell-Entzündung nachzuweisen und rasche Bewegungen, langes Gehen und insbesondere Bergansteigen verbieten sich von selbst. Es wird daher voraussichtlich von Seiner Majestät noch für längere Zeit ein gleichmäßiges ruhiges Verhalten zu beobachten sein.
Dieser biß sich auf die Lippen. Es bereute es, nicht mit der gehörigen Vorsicht zu Werke gegangen zu sein und den alten Compagnon nach dem Scheine beurtheilt zu haben, wodurch er diesen von vornherein gegen sich eingenommen hatte. Indessen konnte er vorläufig nichts weiter thun, und so nahm er ruhig eine Visitenkarte aus seiner Brieftasche und legte sie dem Compagnon mit der Bitte vor, dieselbe dem Herrn Schwerdtmann zu übergeben.
Jener nickte, ohne von seiner Arbeit aufzusehen, leicht mit dem Kopfe, und Werner verließ das Comptoir mit einer gewissen Beklemmung, von der er sich trotz aller Anstrengung nicht frei machen konnte. Er schritt gedankenvoll nach der Schänke zurück, in welcher er seine Effekten niedergelegt hatte, und ließ sich ein einfaches Abendessen nebst einem Glase Bier serviren. Nachdem er Beides schweigend verzehrt, legte er sich zur Ruhe nieder, da er sich höchst ermüdet fühlte.
Am Vormittage des folgenden Tages trat er pünktlich zur bestimmten Stunde den Gang nach dem Speditionshause von Neuem an, und die Bereitwilligkeit, mit der ein Comptoirdiener ihn sogleich in das Arbeitszimmer des Prinzipals führte, lieferte ihm den Beweis, daß der einstige Jugendfreund ihn nicht vergessen hatte. Dessenungeachtet trat er mit einer gewissen Unsicherheit ein.
Das Bewußtsein, als Bittender zu kommen, verlieh seiner Haltung etwas Unentschlossenes, Zaghaftes, was sich auch nicht verlor, als der an dem einfachen Schreibtische sitzende Geschäftsmann leicht den Kopf wandte und, dem Gaste die Hand enlgegenstreckend, in herzlich klingendem Tone sagte:
„Sieh' da, lieber Werner! Welch ein eigenthümlicher Zufall hat Dich denn nach K... verschlagen? Nimm Platz dort auf dem Sopha."
„Ich bin erst seit gestern hier," erwiderte der Gefragte und musterte dabei die Züge des Spediteurs, als wolle er ergründen, inwieweit der Ausdruck derselben mit seinen Worten übereinstimmte; „konnte es jedoch nicht unterlassen, Dich sogleich aufzusuchen, weil es mich drängte, Dich wieder zu
Werner machte stillschweigend die Bemerkung, daß der Freund sich in auffallender Weise verändert habe. Nicht allein sah er bedeutend älter aus, als man es seinen Jahren nach erwarten konnte; auch jener Zug von Gut- müthigkeit und frischer Lebenslust, der Schwerdtmann's'Gesicht ernst so einnehmend geinacht, schien gänzlich verschwunden.
Wie er so ernst und ruhig beobachtend da saß und jedes seiner Worte bedächtig zu erwägen schien, kam er dem Gaste, welcher an derartige Geschäftsgesichter längst nicht mehr gewöhnt war, ganz wie ein kalter, berechnender Zahlenmensch vor, der nur seinen pecuniären Vortheil im Auge hat und das Wohl und Wehe seiner Nebenmenschen vollständig unbeachtet läßt.
„Bist in Geschäftsangelegenheiten hier?" forschte er weiter und beobachtete dabei mit emporgezogenen Augenbraunen das Antlitz des Freundes so scharf, als wolle er bis auf den Grund seiner Seele dringen.
„Nein!" gab Werner lächelnd zurück; „ich kam einfach hierher, um Dich nach so langer Zeit der Trennung einmal wieder zu sehen. Das war die Hauptsache. Nebenbei aber wollte ich Dich um eine kleine Gefällig eit bitten. Ich suche nämlich eine Stellung, die mich in den Stand setzt, einigermaßen auskömmlich zu leben." (Forts, folgt.)