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Anlässen auf Patententziehung für immer erkennen; dies um so mehr, als der Reichskommissär in den weitaus meisten Fällen diese Strafe beantragt, welche der Vernichtung der Existenz des von ihr betroffenen Capitäns oder Schiffsoffiziers gleichkommt. Die Petition schlägt vor, auch eine Patententziehung auf Zeit und die Ertheilung einer Rüge gesetzlich zuzulassen. Ferner soll der Schiffer gegen ein ihn verurtheiltendes Eckenntniß an das Oberseeamt in Berlin apelliren dürfen, was bisher nur dem Reichskommissar gegen ein freisprechendes Eckenntniß gestattet war. Auch die Voruntersuchung soll anders geregelt werden und unter Zuziehung nautischer Beisitzer stattfinden. In Fachkreisen ist keine Meinungsverschiedenheit darüber vorhanden, daß das Gesetz in seiner jetzigen Fassung und Handhabung dem guten Rufe und der bewährten Tüchtigkeit unserer Handelsmarine zu nahe tritt.
Oesterreich.
— In Wien wird der bevorstehenden Orientreise des österreichischen Kronprinzenpaares eine große politische Bedeutung beigelegt, man vergleicht dieselbe sogar mit der Reise des deutschen Kronprinzen nach Madrid und Rom. Einem Telegramm zufolge wird diese Orientreise übrigens nicht, wie es zuerst hieß, im März sondern erst Mitte April stattfinden. Kronprinz Rudolf und Kronprinzessin Stephani werden in Konstantinopel acht Tage verweilen, dort aber nicht Gäste des Sultans sein, sondern auf der Pacht „Miramare", mittelst welcher die Fahrt erfolgt, wohnen.
Tages - Neuigkeiten.
Calw, 20. Febr. Nachdem am letzten Sonntag in unserer alten Kirche der letzte Gottesdienst stattgefunden hatte, ist auch bereits schon mit der Ausräumung derselben begonnen worden. Am nächsten Sonntag, 24. Fbr., wird Vor- und Nachmittags der Gottesdienst im Vereinshaus gehalten werden. In der Turnhalle findet der erste Gottesdienst a m 2. März statt und zwar da es ein Festtag, der Landesbußtag ist, zuerst um 8 Uhr ein Frühgottesdienst, sodann um ft^lO Uhr der Hauptgottesdienst. Die Nachmittags- oder Abendgottesdienste, ferner alle Wochengottesdienste, die Trauungen, die Taufen, sollen im Vereinshaus gehalten werden. In der Turnhalle wird bis Ostern auch eine Orgel aufgestellt werden.
— Durch Beschluß der K. Regierung für den Schwarzwaldkreis vom 15. d. M. wurde Hermann Bub, Rathsschreiber in Cannstatt, zum Stadtschultheißen in Neuenbürg ernannt.
IV. 6. Stuttgart, 16. Febr. Durch den Tod des Gelehrten, Schriftstellers, Dichters und Volksvertreters Dr. Friedr. v. Notter, im Alter von 83 Jahren, ist einer der letzten aus der Tafelrunde des Uhland, Schwab, Bauer, Römer, Pfizer aus dem Leben geschieden, einer der jüngsten aus jener Periode der Ritter vom Geist in Württemberg, die mit ihm so ziemlich ihren Abschluß gefunden haben wird. Am 23. April 1801 in Ludwigsburg geboren, stammt er aus einer angesehenen und reichen Familie aus Calw, wo sein Großvater Bankier und Hofkammerrath (mit den Seybold, Märklin, Dörtenbach, Wagner, verwandt war) gewesen. Sein Vater war Hauptmann im 4. Infanterie-Regiment, machte als solcher den Feldzug in Rußland mit, von wo er nicht mehr zurückkehrte, sondern nach der Schlacht von Mosaisk vermißt wurde und wahrscheinlich in russischer Gefangenschaft starb; seine Mutter war eiste geb. Freiin v. Nast. Friedr. Notter studirte in Tübingen Medizin, die er nie ausübte, sondern sich ganz philosophischen, ästhetischen und historischen, auch staatsrechtlichen Studien hingab. Er ward später mit M e b o l d und Ko l b ein gediegener und fleißiger Mitarbeiter der Allg. Ztg. und des Auslandes und machte sich, selbst ein begabter Dichter, an die Uebertragung italienischer und spanischer Dichter, besonders von Dante, Cervantes u. A. Seine 1863 erschienene Schrift über Leben und Worte Ludwig Uhlands ist wohl das beste, was wir über diesen großen vaterländischen Dichter besitzen. Als Politiker gehörte er der entschieden liberalen Partei an und war auf dem langen Landtag von 1848 und 1849 Abgeordneter des OA.-Bezirks Leonberg (wo er sich öfter auf seinem Familiengute dem Berkheimer Hof aufhielt.) Ein enthusiastischer Förderer der Einheit und Größe Deutschlands trat er 1871—1873 in den ersten deutschen Reichstag als Abg. des II. württ. Reichswahlbezirks Rottweil, Tübingen,
Verhältniß werden? Warum, — wenn ein tiefes Weh Deine Seele belastet, — theilst Du es nicht Demjenigen mit, der Dir in der ganzen Welt am nächsten steht, Deinem Gatten? Begreifst Du nicht, wie schwer, wie unendlich schwer wir uns gegenseitig das Leben machen dadurch, daß eines vor dem Andern sein Herz verschließt? Mag es sein, daß unsere Liebe von Anfang an weder tief, noch stark genug war, um alle Wechselfälle des Lebens zu überdauern, um sich nicht in Gleichgiltigkeit aufzulösen durch die Macht der Gewohnheit. Es ist leider so, ich habe es, wenn auch spät genug, erkannt. Soll aber das Verhältniß geradezu unerträglich werden? Sollen wir uns wie Feinde gegenüber stehen, anstatt zu versuchen, uns in Freundschaft ertragen zu lernen?" , ^ ,
Sie hatte kein Wort der Erwiderung für den Gatten. Ruhig saß sie aus dem gepolsterten Schaukelstuhl, den sie vor den Ofen gerückt hatte, in welchem ein Helles Feuer brannte. Starr sah sie in die Gluth. Ihre kleine Füßchen ruhten auf den erwärmenden Kacheln. Er sah sie lange an in der Erwartung, endlich ein freundliches, erwiderndes Wort zu vernehmen. Aber sie sagte nichts. ^ . . . . ^ ^
Seufzend verließ er das Zimmer, um sich m dem nebenan befindlichen Schlafkabinet zur Ruhe zu legen. Zwei schneeweiß bezogene Betten standen hier. Den Kopf voll wirrer Gedanken, legte Werner sich nieder, allein die furchtbare Aufregung seines Innern ließ ihn den Schlaf nicht finden.
Mit einem unendlich bitteren Gefühle wiederholte er sich immerfort, daß er schmählich getäuscht und betrogen worden sei. Er sagte sich aber auch, daß jenes Gefühl für die Gattin, welches er einst für übermächtig stark und heilig gehalten, nichts weiter, als ein leerer Wahn gewesen war. Ein wunderbares, vollendetes Kunstgebilde aus Marmor, das uns unnuder-
um an dem Ausbau der Verfassung des deutschen Reichs mitzuwirken. Seither lebte er in stiller Zurückgezogenheit in Stuttgart. Er war 2mal ver- heirathet, zuerst an eine Tochter des Generals v. Theobald und dann an seine jetzige Wittwe geb. Faber. Ein gediegener Charakter, durch und durch ein Ehrenmann.
Pforzheim, 18 . Febr. Letzten Donnerstag sprach im kaufmänn. Verein Kapitän W. Bade von Wendorf, welcher die deutsche Nordpol- Expedition 1869/70 mitgemacht hatte, über den Verlauf derselben und insbesondere über das Schicksal seines verunglückten Schiffes Hansa. Dieses wurde von dem andern Schiff der Expedition, der Germania, bald durch Eis getrennt und in diesem festgehalten. Später wurde das Schiff durch die Wucht des Eises zerdrückt und die aus 14 Mann bestehende Besatzung mußte sich auf eine große Eisscholle, auf welcher dieselben eine Hütte erbauten, retten. Auf dieser Scholle, welche mit den Schiffbrüchigen fortgetrieben wurde, mußten dieselben unter den unsäglichsten Leiden und Entbehrungen während 237 Tagen zubringen, bis sie, in die Nähe des Küste Grönlands gelangt, mit Hilfe zweier Bote, die noch in ihrem Besitze geblieben. Land gewinnen konnten und dann von Eskimos ausgenommen und unterstützt wurden. Ein dänisches Schiff brachte dieselben später nach. Kopenhagen. — Gestern hielt im Protestantenverein Prof. Dr. Böhringer von Basel einen Vortrag über Ulrich Zwingli und seine Reformation, in welchem der Redner in markigen Zügen ein Bild von dem Leben und der Wirksamkeit des kühnen und thatkräftigen Reformators zeichnete und dabei auch des Unterschiedes gedachte, der in dessen Vorgehen und dem Luthers bestehe.
Aus dem Waiblinger Bezirk, 19. Febr. Als Kandidat für die Stelle eines Landtagsabgeordneten wird dem Vernehmen nach Oberamtmann Baun von Schorndorf nicht auftreten. Auch der von der Volkspartei angeblich ins Auge gefaßte Herr Retter hätte keine Aussicht durchzudringen, zumal da es im Bezirk an einem geeigneten Manne nicht fehlt. Oekonom Weishaar in Strümpfelbach ist als ein Mann von tüchtigem, praktischem Verständniß, von religiöser und patriotischer Gesinnung, als ein uneigennütziger selbständiger Charakter im Bezirk so geschätzt, daß sich diesem echten Volksfreund das Vertrauen entschieden zuwendet.
Geislingen, 18. Febr. In der Papierfabrik bei Großsüßen wurden vor einigen Tagen beim Sortiren der Lumpen zwei Kinderärmchen die in ein Kittelchen eingewickelt waren, entdeckt. Dieselben sind dem Anschein nach schon längere Zeit vom Körper getrennt und gehören einem Kinde im Alter von 1—2 Jahren an. Die fraglichen Lumpen wurden von einer Firma in Kassel bezogen und deßhalb der dortigen Staatsanwaltschaft Mittheilung von dem unheimlichen Funde gemacht.
— Die Frankfurter Polizei will nicht recht daran glauben, daß der junge Fulda das Opfer eines Raubanfalles geworden sei. Es fiel auf, daß Rock und Ueberzieher nicht vom Stiche durchbohrt worden, sondern nur Weste, Hemd und Unterjacke. Ferner fand man keine Fußspuren eines Angreifers , und nichts deutete an dem Orte der vermeinten That darauf hin, daß ein Kampf stattgefunden habe. Der Verwundete hatte sich für eine bedeutende Summe gegen Unfälle versichert.
Exzesse gegen Juden. In Bselr, Zerkoff (Gouvernement Kieff) wurden am 8. ds. Plakate angeschlagen, welche die Bevölkerung aufwiegelten, die jüdischen Einwohner zu tödten. Obwohl die Plakate auf behördlichen Befehl sofort beseitigt wurden, rottete sich ein Pöbelhaufen zusammen, der aber durch das energische Einschreiten der Polizei an der Ausführung seines Vorhabens im Sinne des erwähnten Aufrufes verhindert wurde. Die Rädelsführer wurden verhaftet.
Vermischtes.
— Durch immer mehr verbesserte große Einrichtungen ist es möglich geworden, den verehrten Hausfrauen die mühevolle und zeitraubende Arbeit des Kaffeebrennens zu ersparen und einen kräftigeren und schmackhafteren Kaffee zu erzielen, als dieses bei dem häufig üblichen Brennverfahren im Haushalt der Fall ist. Berücksichtigt man ferner, daß 1 Pfund roher Kaffee nur Pfund gebrannt ergiebt, so ist bei einem Vergleich der Preise der Vortheil der gebrannten Kaffee gegenüber den rohen leicht ersichtlich. Dann
stehlich anlockt, uns treibt, seine räthselhaften Reize zu studiren und zu entziffern , uns für den Augenblick begeistert und erhebt und dem wir doch zuletzt mit unbefriedigtem Herzen den Rücken kehren, weil kein warmes, pul- sirendes Leben in voller Gluth unserem eigenen Denken und Fühlen entgegen- fluthet, das — und nichts Anderes war Anna ihm gewesen.
Und wenn er dennoch sich jetzt von Zeit zu Zeit in den weichen Kissen aufrichtete und nach der Thür horchte, welche ihn von dem einst so heißgeliebten Weibe trennte, so war es nicht das letzte Aufflackern jener im Erlöschen begriffenen Gluth, es war eine andere, sein Herz mit eisiger Kälte durchschauernde Empfindung. Mißtrauen begann ihn zu erfüllen gegen Diejenige, zu welcher er Zutrauen nimmer fassen konnte.
Warum saß sie mit ihren Gedanken allein in dem Vorderzimmer, anstatt die Ruhe zu suchen, die ihr nach den Anstrengungen des Abends doppelt willkommen sein mußte? Und wenn sie nicht krank war, wie sie ausdrücklich sagte, was war es denn für eine Gemüthsbewegung, die sie verhinderte, ihr Spiel zu Ende zu bringen, sie der Gefahr aussetzte, die Gunst des Publikum gleich am ersten Abend zu verscherzen? Sie, die sonst in diesem Punkte so äußerst peinlich und gewissenhaft war?
Oder war er ihr nicht blos gleichgiltig, haßte sie ihn vielleicht schon? Wie schroff und kalt, fast an Verachtung streifend, war ihr Benehmen an dem heutigen Abend gewesen! Noch jetzt stürmte es wild durch feine Adern, wenn er sich ihr Schweigen und den herben Ausdruck vergegenwärtigte, der sich um die festgeschlossenen Lippen gelagert, als er im eindringlichsten Tone sie gebeten, ein innigeres Verhältniß zwischen ihnen anbahnen zu helfen!
(Fortsetzung folgt.)