Reisen viel in Anspruch genommen war, beweist am besten der Umstand, daß er etwa 768 Schriften hinterlassen hat. Man hat berechnet, daß ein Ab­schreiber, der täglich 10 Stunden schriebe, ein volles Menschenleben hinzu­zubringen hätte, um sie zu kopiren.

Luther war auch, wie seine Reden und Schriften wider den Türken und den Papst, wider die aufständischen Bauern und an den christlichen Adel deutscher Nation, über die weltliche Obrigkeit und für die Schule er­geben, ein guter Politiker; keine Tagesfrage blieb ihm fremd und die Leitung der Reformationsangelegenheiten läßt den Staatsmann erkennen. Wo es galt, gerecht zu tadeln, galt ihm jeder Stand gleich. Er eiferte ebenso offen, gegen die Fehler der Großen, wie der Bürger und Bauern; er griff die Mauer der Romanisten" an, daß sie einen geistlichen und weltlichen Stand unterschieden und Vorgaben, allein die Schrift zu kennen:Ein jeglich Glied hat sein eigen Werk. Das macht Alles, daß wir eine Taufe, ein Evangelium, einen Glauben haben und sind gleiche Christen."

Die Macht der Worte Luther's erhellt nicht nur daraus, daß es mit Recht heißt;Gottes Wort und Luther's Lehr' vergehen nun und nimmer mehr;" sondern es ist das schönste Zeugniß für die Bedeutung des großen Reformators, daß sie noch heute in voller Kraft nachwirken und einen deutschen Kronprinz veranlaßten, zu Wittenberg an die Einigkeit in der Kirche zu erinnern. Es spricht für die Macht von Luthers That und Wort, daß alle Versuche des Papstes und der Ultramontanen, seine Persönlichkeit herabzuziehen und sein Wirken anzuschwärzen sich nur als eine Glorifizirung des großen Reformators erwiesen haben, indem sie erkennen ließen, unter welchen großen Gefahren und schrecklichen Bedrohungen Luther wacker stand­gehalten hat. So tritt denn heute noch nach vierhundert Jahren sein Bild leuchtend aus dem Dunkel der Geschichte hervor; es erfüllt sich das Wort des Psalms: Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen! Die Erinnerung an das große Reformationswerk stärkt das deutsche Volk in seinem Ringen für geistige Freiheit, und lebendige Begeiste­rung loht an dem Ehrentage Luthers hoffnungsvoll empor!

Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

Der Kaiser, welcher sich des besten Wohlseins erfreut, unter­warf am Sonnabend die neuerrichtete Ruhmeshalle einer eingehenden Be­sichtigung, der Rundgang nahm gegen zwei Stunden in Anspruch. Der Reichskanzler, Fürst Bismarck, befindet sich nach den letzten Nachrichten gut, dessen ungeachtet ist sein Zustand immer noch ein derartiger, daß der Reichskanzler voraussichtlich an den demnächst zu erwartenden Berathungen des preußischen Landtages persönlich nicht wird theilnehmen können.

Am Freitag wurde durch das offiziöse Telegraphenbureau eine Depesche versandt, wonach inDirschau ein russischer Nihilist, der vorgab, ein Attentat auf den Fürsten Bismarck zu planen, verhaftet wurde. In seinem Besitz wurde eine Morphiumspritze und ein Gedicht nihilistischen Inhalts vorgefunden. Selbstverständlich mußte diese sensationelle Mittheil­ung mit der größten Vorsicht ausgenommen werden, denn derAttentäter mit der Morphiumspritze" machte gleich von Anfang an einen gar zu zweifel­haften Eindruck. Es stellt sich nun heraus, daß die Verhaftung des angeb­lichen Bismarckattentäters nicht am Freitag sondern bereits am vergangenen Sonntag stattgefunden hat. Er gab eine phantasiereiche Erzählung zum Besten, in welcher seinegestohlenen Reisemittel" eine Hauptrolle spielten. Diese gestohlenen Reisemittel, die freiwillige Gestellung und die Morphium­spritze lassen wohl darauf schließen, daß man es hier mit einemhöheren Bummler" zu thun hat, der für diesen Winter gewiß einer kostenlosen Ver­pflegung in einem preußischen Gefängniß benöthigt. DieserAttentäter" bildet augenblicklich die humoristische Person in den Tageszeitungen, weniger belästigend erscheint die Nachricht, daß man sich in leitenden Kreisen mit dem Gedanken trägt, über Frankfurt a. M. in Folge der Explosion im Po­lizei-Gebäude den kleinen Belagerungszustand auf Grund des Sozialisten-, Gesetzes zu verhängen. Begreiflicher Weise sieht man dieser Entschließung mit einiger Besorgniß entgegen, vorläufig indessen steht wohl nicht zu erwar­ten, daß die Befürchtungen feste Gestalt annehmen werden. In Bezug

Angelegenheiten kümmern. Wer meine Lebensweise in zudringlicher Weise beobachtet oder zu erforschen sucht, um boshafte und hämische Bemerkungen darüber in die Oeffentlichkeit zu bringen, verleumderische Gerüchte in Umlauf zu setzen, oder auch nur seiner ekelhaften Neugier zu genügen, der vergiftet meiue Ruhe, und ich betrachte ihn als meinen Feind."

Und Sie würden ihn ohne Weiteres niederstoßen oder über den Hau­fen schießen?" fragte der Assessor.

In dem Falle., daß seine Beleidigungen in Thätlichkeiten ausarten, gewiß!"

Nur in dem Falle?"

In keinem anderen würde ich einen Mord begehen!"

Der Assessor schwieg nachdenkend, und es entstand eine Pause, die nur von dem prickelnden Geräusch der Feder unterbrochen wurde, welche der Protokollführer mit größerem Eifer als je über das Papier hetzte.

Die öffentliche Meinung urtheilt nicht günstig über Sie. Sie stehen in dein Rufe, gewisse Betrügereien verübt zu haben und nur aus Mangel an vollgiltigen Beweisen der gerichtlichen Bestrafung entgangen zu sein. Man sagt", hier wurde die Stimme des Assessors auffallend, langsam durch­dringend und laut,Sie hatten Ihre Frau durch die ausgesuchtesten, raffinirtesten Quälereien, durch Kummer, Aerger aller Art, systematich zum Grabe befördert."

Wieder zuckte es krampfhaft durch die starren Züge des Angeschuldigten. Ich weiß es, man sagt so!" erwiederte er ruhig und fest.

Was halten Sie von diesen Gerüchten?" fuhr der Inquirent fort.

Sie sind erlogen! vollständig unbegründet!"

auf den Frieden Europas macht sich allerwärts eine versöhnende, friedeathmende Haltung bemerkbar. Leider tauchen in einzelnen Zeitungen immer wieder unerquickliche Nachrichten auf. So schreibt dieVossische Ztg." unter dem 4. d. M.:Angeblich ist bei der Militärverwaltung die Vermehr­ung der deutschen Artillerie nunmehr beschlossene Sache und ein bezüglicher Voranschlag bereits aufgestellt." Allerdings bedeutet diese Mittheilung an und für sich nicht viel, denn die Militärbehörden mögen soviel Voranschläge aufstellen wie sie wollen, das Wesentlichste bei derartigen Neuerungen, bei welchen es sich doch recht sehr um den Beutel der Steuerzahler handelt, ist die Genehmigung durch den Reichstag. Wie sehr wir mit unseren Ver­muthungen, daß der Hofprediger Stöcker nicht in den evangelischen Oberkirchenrath kommen werde, Recht hatten, beweist die offizielle Nachricht, wonach der neuberufene Hof- und Domprediger Bayer zum Oberkonsistorial- rath ernannt und in den Oberkirchenrath berufen worden ist. Herr Stöcker, dessen Bemfung mit Sicherheit erwartet wurde, tritt also nicht in den ev. Oberkirchenrath.

Die Vagabundenfrage, die bei Beginn des Winters wieder größere Dimensionen anzunehmen droht, wird bei der Feststellung des nächsten Etats voraussichtlich wieder eine Rolle spielen. Der Minister des Innern wird nämlich, um der Vagabundage in ausgiebiger Weise gegenübertreten zu können, eine Vermehrung der Landsgendarmerie fordern.

Die Rinderpest ist erloschen. Der Reichskanzler (i. Vertr. Eck) veröffentlicht die Bekanntmachung, wonach die Rinderpest im ganzen Reichsgebiet als erloschen zu betrachten ist.

Eine besondere Rührigkeit, so schreibt man aus Kiel, macht sich in diesem Herbste bei unserer Marineverwaltung bemerkbar. Man dehnt die Hebungen zu Wasser soweit als möglich aus. Während des ganzen Oktobers wurde die Kieler Bucht für Torpedoschießversuche und Probefahrten benützt. Wenn es die Witterung irgendwie zuläßt, sollen diese Uebungen bis tief in den Monat hinein fortgesetzt werden.

Für alle diejenigen Personen, die mit überseeischen Ländern, welche im Verdacht stehen, von der jüngst erloschenen Cholera-Epidemie inficirt ge­wesen zu sein, im postalischen Verkehr stehen, veröffentlicht derR. u. St.-A." eine beherzigenswerthe Mittheilung. Es werden nämlich alle über Suez kommenden Briefschaften, aus Ostindien, China, Australien u. s. w., sowie Briefe aus Egypten in den italienischen Hafenorten einer Desinfection unter­worfen. Zu diesem Zweck werden sie mit einem scharfen Instrument durch­stochen, um mit einer reinigenden Essenz gehörig durchräuchert zu werden. Es werden bei dieser Prozedur häufig Bildwerke, Photographien, Werth­gegenstände rc. beschädigt und es empfiehlt sich daher, die Versendung solcher Sachen mit der Briefpost aus den bezeichneten Ländern bis zur Aufhebung der Quarantänemaßregel auszusetzen, oder einen anderen Weg der Versend­ung zu wählen.

O e st e r r e i ch.

Nach den neuesten Nachrichten hat der akademische Senat der Pra­ger Universität beschlossen, den Antrag des Unterrichtsministeriums, gegen den bekannten Professor Rohling wegen dessen antisemitischer Hetz­schriften die Disciplinaruntersuchung einzuleiten, mit der Vorstellung zu be­antworten, daß der Senat Rohlings Schreibweise prinzipiell verdamme, je­doch gegen ihn einzuschreiten nicht für angezeigt erachte, es ihm vielmehr an­heimgebe, daß eventuell der Staatsanwalt gegen ihn Vorgehen möge.

Frankreich.

Augenblicklich kann wohl kein Zweifel mehr darüber herrschen, daß der Rücktritt Challemel-Lacour's eine beschlossene Sache ist. Merkwürdiger Weise äußert die Regierung nicht einmal ein konventio­nelles Bedauern über den Verlust dieses Staatsmannes, sondern sie lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit hauptsächlich auf einen anderen Gegenstand, und ^as ist die Vorlage des Kriegsministers Campenon über die Colonial-Armee, welche der Kammer in dieser Woche zu- , gehen soll. Es soll für dieselbe die Dringlichkeit beantragt werden. Ob die Regierung hierbei einen ebensolchen Sieg erringen wird wie bei der Tonkin- frage, ist zweifelhaft. Vielleicht ist die Errichtung der Colonial-Armee, als eine ganz bedeutende Verstärkung des stehenden Heeres, der Kern der ganzen Tonkinfrage.

Angenommen, sie gingen von einer Person aus, die Ihnen feindlich gesinnt wäre, und Sie hätten die Beweise darüber in Händen, was würden Sie thun?"

Ich würde den böswilligen Verläumder vor die Klinge fordern."

Und wenn er es weigert, sich mit Ihnen zu schlagen?"

Dann würde ich ihm auf offenem Markte die Zähne einschlagen, daß das Schandmaul hinfort kein verleumderisches Wort mehr hervorsprudeln könnte."

Und wenn er Ihnen das Kompliment erwiderte?"

Dann würde ich ihn tödten!" versetzte der Gefragte mit eisiger Ruhe.

Dazu bedürfen Sie allerdings eines Dolches!"

Nicht mit Rücksicht auf einen solchen Fall trug ich ihn. Erst seit man gewaltsam in mein Haus einzubrechen versuchte, hielt ich es für nöthig mich mit einer Waffe zu versehen."

Der Assessor fragte nach einzelnen Umständen, die sich auf diesen Ein­bruch bezogen, verlangte namentlich genaue Auskunft über den dritten der Strolche, dessen man nicht hatte habhaft werden können. Steinfels sagte aus, was er von dem Sachverhalt wußte. Der Assessor hatte hierauf bezügliche Akten vor sich liegen. Er durchlief ihren Inhalt noch einmal flüchtig.

Sie kennen den Ermordeten?" fragt er dann.

Nein!" lautete die Antwort.

(Fortsetzung folgt.)