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ten sie, da in Nürnberg schon Württemberger Hopfen zu 160 bis 180 ^ verkauft worden ist, für die Produzenten nicht ungünstig werden zu wollen.
— Die Schreinerstreik-Agitatoren halten bis jetzt, obgleich der Streik thatsächlich zu Ende ist, denselben scheinbar noch aufrecht, erfuhren aber bereits am Samstag in einer abgehaltenen Schreiner-Versammlung Opposition, die immer mehr hervortritt. Daß die ganze Bewegung sozialistisch war, wird allgemein erkannt. Jetzt ist eine solche bei den Corsettwebern eingeleitet.
Vorstadt Berg, 9. Septbr. Gestern Morgen wurde dem seit 25 Jahren in der Kuhn'schen Maschinenfabrik beschäftigten Arbeiter Konrad Lang von Gaisburg von Seiten seines Prinzipals eine freudige Ueberrasch- ung. Als derselbe in der Frühe an seine Arbeit ging, fand er seinen Platz mit Guirlanden und Blumen geschmückt, dabei lag ein Hundertmarkschein und ein Diplom mit entsprechender Widmung für treue, 25jährige Dienstleistung in diesem Geschäft.
Besigheim, 10. Sept. Heute Mittag zwischen 11 und 12 Uhr wälzten sich wieder gewaltige Rauchsäulen aus Walheim gen Himmel, was auf einen wiederholt dort ausgebrochenen Brand schließen ließ. Die alsbald ertönenden Feuerglocken bestätigten die Vermuthung und es liegen nun wieder drei Gebäude, das Gasthaus zum Waldhorn und zwei Scheunen in Asche. Es ist dies innerhalb eines Jahres der 7. in diesem Orte ausgebrochene Brand.
Ellwangen, 7. September. Gestern Abend ereignete sich ein be- dauernswerthes Unglück. Einige Gymnasisten der unteren Klaffen hantirten am Bahnhof mit einem Revolver, den einer von ihnen gekauft hatte. Plötzlich krachte ein Schuß und traf einen der Knaben, den 13jährigen Sohn des hiesigen Briefträgers Koch, in die Brust, so daß die Lunge verletzt wurde und der Arme nun in Lebensgefahr darniederliegt. Wie oft ist schon vor derartigen Spielereien gewarnt worden, aber vergeblich. Hier kann nur eine Beschränkung des Waffenverkaufes helfen.
Friedrichs Hafen, 8. Sept. Der auf dem linken Kopfe der hiesigen Hafeneinfahrt neu erbaute, zu Aufnahme der Nebelglocke bestimmte gußeiserne Pavillon ist im Wesentlichen fertiggestellt und es hat sich in den letzten Tagen der Referent in Hafenbausachen, Oberbaurath Dr. v. Ehmann hier eingesunden, um im Beisein eines Vertreters des K. Hüttenwerks in Wafferalfingen, aus welch' letzterem die Arbeiten in gelungenster Weise hervorgegangen sind, die neue bauliche Anlage einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Es konnte die schöne Ausführung des Baues, der einer Hauptbedingung — das schöne Licht des unter der Glocke plazirten Regenerativbrenners für die Hafeneinfahrt nach keiner Seite hin zu beeinträchtigen — bestens entspricht, konstatirt werden. Die jetzt zweckmäßig und an richtiger Stelle angebrachten Beleuchtungs- und Läuteeinrichtungen bilden eine Zierde der hiesigen Hafeneinfahrt.
Ulm, 8. Sept. Gestern Vormittag wurde in der Nähe des Forts Unterer Eselsberg von der dortigen Wache ein junger Mann festgenommen, weil er sich mit einer Karte dort Herumgetrieben und sich dadurch verdächtig gemacht hatte. Der Festgenommene ist aus Leutkirch, bei Verwandten hier auf Besuch und wollte sich mit der Karte in der Hand vom Eselsberg aus die Umgegend von Ulm besehen. Er wurde bei der Polizei, wohin er geliefert wurde, nachdem er sich über seine Persönlichkeit ausgewiesen hatte, alsbald auf freien Fuß gesetzt. — In der vergangenen Nacht hat ein müßiger Kopf den schlechten Witz sich erlaubt, mit Bleistift geschriebene Zettel an einige Häuser anzukleben, auf welchem die Juden aufgefordert werden, bis zum 1. Oktober Ulm zu verlassen, widrigenfalls sie Alles zu befürchten hätten. Der Zettel schließt mit den Worten: „Tod den Juden."
Vermischtes.
— Während bis jetzt in antisemitischen Organen viel davon die Rede war, daß von Seiten reicher Israeliten Unsummen für den Tisza - Eszlarer Prozeß aufgewendet worden seien, erzählt jetzt die „Kreuzztg." eine Geschichte, welche die ungarischen Israeliten in einem anderen Lichte erscheinen läßt. Das Blatt behauptet, es sei an die Herren Eötvös und Funtak, die beiden hervorragendsten Vertheidiger im Tisza - Eszlarer Prozesse, von der israelitischen Landeskanzlei in Pest die Mittheilung eingelangt, daß diese Stelle zu
die Parthie zu Ende und die Zeche berichtigt war, schickten sich die Männer an, den Schützengarten zu verlassen.
Nur eine kurze Strecke konnten sie zusammen gehen. Rettig's Haus lag außerhalb der Stadt, und um auf dem kürzesten Wege dorthin zu gelangen, mußte er eine links abführende Allee einschlagen. Er verabschiedete sich daher bald von den Genossen und setzte seinen Weg allein fort.
„Habt Ihr wohl bemerkt?" fragte der Apotheker seine beiden Begleiter, als der Rentier außer Hörweite war, „wie schweigsam sich Berner verhielt, als das Gespräch auf Rettig's Tochter kam?"
„Ich hab's ja von vornherein gesagt", antwortete der Kämmerer, „daß aus der Geschichte nichts werden würde. Ein Mann wie der Doktor Berner sieht nicht blos auf's Geld, sondern auch auf Herz und Gemüth. Na, und wie es damit bei dem Fräulein Rettig bestellt ist, das wird ja so ziemlich bekannt sein.
„Wie es mir scheint", nahm der Bürgermeister das Wort, „so wäre der Doktor wohl zu einer Verbindung mit dem Mädchen geneigt, eben der Mitgift wegen. Auch der alte Rettig würde es nicht ungern sehen. Es wird wohl wieder an dem Mädchen selbst liegen. Hat sie nicht bereits fünf ehrenwerthe Bewerber ablaufen lassen? Der Doktor wird das halbe Dutzend voll machen."
„Ich dächte aber, wenn sie überhaupt noch unter die Haube will, wäre es Zeit", warf der Apotheker hin, „sie muß ja bereits am Ausgang der Zwanziger stehen."
„Wer weiß, ob nicht die Freier herzlich gern von selbst gegangen sind", sagte der Bürgermeister, „nachdem sie gesehen haben werden, daß Manches nicht so ist, wie es sein soll. Unter uns gesagt", fuhr er im leisen Flüster-
Honorirung der beiden Herren für Eötvös 2400 und für Funtak 1800 fl. bereit halte, welche Beträge die Herren gegen Quittung beheben mögen. Die beiden Vertheidiger haben diese Entlohnung refusirt, weil dieselbe mit ihren Leistungen in gar keinem Verhältnisse stehe. Sie haben nahezu anderthalb Jahre unsäglich viel Mühe und Arbeit mit dem Tisza - Eszlarer Falle gehabt und Eötvös allein habe während dieser Zeit mindestens 2000 fl. aus seinem Eigenen auf Spesen verwendet.
— Aus dem Tagebuch der vielgesuchten, dieser Tage endlich geretteten und nun in Hammerfest gelandeten holländischen Nordpolexpedition erhält die N. Zür. Ztg. folgende Mittheilungen: Kurz nachdem im August vorigen Jahres der begleitende deutsche Dampfer Louise das holländische Nordpolschiff Varna verlassen hatte, gerieth letzteres in das Treibeis, fror fest und trieb mit dem Eise hilflos zwischen 70» nördlicher Breite und 63» östlicher Länge mehrere Wochen umher. Im September begegnete die Varna dem dänischen Nordpolfahrer Dymphna; letzterer gerieth bei dem Versuch, die Varna zu retten, gleichfalls ins Treibeis, darin festfrierend. Da jeder Versuch, das Land zu erreichen, scheiterte, baute die holländische Expedition ihr Observatorium auf das umgebende Packeis und unternahm regelrechte Beobachtungen. Anfangs Oktober begannen unter fürchterlichem Krachen die ersten großen Eisschiebungen; die ganze Mannschaft flüchtete von Bord des ächzenden Schiffes aufs Eis. Die Eisfläche fing an zu bersten, offene Meerspalten erschienen, so daß die Mannschaft vom Schiffe getrennt wurde. Eine Woche später schlossen sich wieder die Riffe und die Mannschaft kehrte an Bord zurück, wo sie die vorgeschriebenen wissenschaftlichen Beobachtungen im Sinne der internat. Polarstationen fortsetzte. (Alle Seenationen haben um die Mitte des vorigen Jahres nach gemeinschaftlichem Plaue arbeitende Polarstationen zur Erforschung des Süd- und Nordpols eingerichtet.) Die Arbeiten nahmen einen guten Fortgang, bis zum Weihnachtsheiligenabend die furchtbarste Katastrophe eintrat. Die Eismassen setzten sich mit donnerndem Krachen in wilde Bewegung und zerquetschten die Schiffswände der Varna. Die Besatzung, durch Nachts vorhergegangene Stöße allarmirt, floh mit sämmtlichem wissenschaftlichem Material und den Instrumenten, den Schlitten, Booten und Hunden aus dem berstenden Schiffe und es gelang ihr, unversehrt den Bord der Dymphna zu erreichen. Das dänische Schiff, stärker gebaut und durch vorgelagertes Packeis geschützt, entging der drohenden Quetschung. An Bord der Dymphna wurden sodann die wissenschaftlichen Arbeiten fortgesetzt, bis am 25. Januar die Kälte auf 85 Grad Fahrenheit stieg. Anfangs April begannen große Eisschmelzungen, das Wasser wurde wieder sichtbar und die Wärme wuchs schnell. Am 24. Juli lösten sich die Eismassen um die Varna und das zerborstene Schiff sank in die Tiefe. Da die Dymphna ihrer Ordre gemäß noch ein zweites Jahr im Eismeer überwintern wollte, verließen die Holländer am 1. August die gastfreien Dänen und begannen in langer Karavane mit Booten und Schlitten eine verzweifelte Fahrt über die mürben brechenden Eisschollen nach der vermuteten Küste. 3 Wochen waren sie unter täglichen Gefahren unterwegs, dann erreichten sie die Insel Waigatsch, südlich im karischen Meere. Hier wurden sie 5 Tage nach ihrer Ankunft (am 26. vergangenen Monats) von 3 nach ihnen suchenden Dampfern (Louise, Nordenskjöld und Obi) gefunden. Das erstgenannte deutsche Schiff nahm die Geretteten an Bord, brach aber auf der Fahrt im Treibeise die Schraube. Darauf nahm Nordenskjöld die d. Nordpolfahrer ins Schlepptau, während Obi vorauseilend die Nachricht der gelungenen Rettung ans Land brachte. Von der Expedition ist kein Mann verloren; ebenso ist die gesammte wissenschaftliche Ausbeute gerettet und bereits in Hammerfest.
Bremen, 8. Sept. Der Postdampfer Gl» io, Capt. G. Meyer, vom Uorällentf^cn Lkoyä in Kremen , welcher am 22. August von Bremen abgegangen war, ist heute wohlbehalten in Baltimore angekommen.
— Die Ueberreste Shakespeares werden einem Beschlüsse des Stadtrathes von Stratford-am-Avon gemäß ausgegraben werden, „um den Schädel des Dichters mit der in der Kirche aufgestellten Büste zu vergleichen und den Streit über das Aussehen Shakespeares endgiltig beizulegen." Ob dies durch die Betrachtung des Schädels möglich werden wird, erscheint gerade so fraglich, wie die Identität der im Grabe Shakespeares ruhenden menschlichen Ueberreste mit jenen des großen Dichters.
tone fort, „ich bezweifle es, daß Rettig's so reich sind, als sie sich den Anschein geben."
Der Apotheker zuckte die Schultern, der Kämmerer aber sagte: „Etwas muß da sein. Der alte Rettig, der Vater des jetzigen, hat ein ziemliches Vermögen mit seinem Kramladen und seinem Pfandleihgeschäft zusammengewuchert. Freilich hat unser Freund in seiner Jugend ein gut Stück Geld drauf gehen lassen. Auch die Frau hätte ein wenig wirthschaftlicher und häuslicher sein können. Frau und Tochter verbrauchten viel in Putz und Kleidern. Noch jetzt sehen wir's ja. Kaum ist eine neue Mode aufgeblitzt, so ist Fräulein Rettig schon mit all' dem neuen Flitterkram behängen. Von unfern Frauen und Töchtern kann's ihnen Niemand gleich thun. Das ist schon richtig! aber bei Alledem kann das Geld noch nicht alle sein, meine ich, und wer Ottilie Rettig kriegt, macht immer noch eine gute Parthie."
Während dieses Gespräches ging derjenige, dessen häusliche Verhältnisse einer so scharfen Kritik unterzogen worden, mit raschen Schritten die Allee entlang, welche seiner Besitzung entgegen führte. Der Abend war kühl geworden. Ein Luftzug strich erfrischend durch die Wipfel der Lindenbäume, die ihre schwarzen Schlagschatten über den Weg warfen und diesen dadurch finsterer machten. Auch im Herzen des Wanderers mochte es finster aus- sehen. Die starren Gesichtszüge, die zusammengezogenen Augenbrauen, die gerunzelte Stirn verriethen es. Oft flüsterte er in unterbrochenen Sätzen vor sich hin und ballte wie im heftigen inneren Groll die Hände. Endlich tauchte seitwärts ein Licht zwischen dem grünen Blattgeflecht der Obstbäume auf, und der Rentier verließ die Allee, um einen schmalen, zwischen Kornfeldern hiulaufenden Weg einzuschlagen, welcher direkt auf sein Haus zuführte.
(Fortsetzung folgt.)