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Die Reihe der Exekution an den fanatisirten Muselmännern, die am 11. Juni v. I. in Alexandria und anderen egyptischen Städten eine Christen­metzelei inszenirten, ist am vorigen Donnerstag um eine weitere vermehrt worden. Dieselbe wurde an einein Araber vollzogen, der überführt worden war, am genannten Tage in Alexandria einen Europäer ermordet zu haben. Der Delinquent wurde gehenkt. Etwa 2000 Europäer, darunter viele Frauen, wohnten der Hinrichtung bei, die am Morgen vor einem der Thore Alexan- dria'S stattfand. Englische Truppen waren nicht zugegen, nur die eingeborene Polizei sorgte für die Aufrechterhaltung der Ordnung, und der Gouverneur und der Präfekt von Alexandria, sowie andere Beamten waren erschienen. Ballal, so hieß der Verurtheilte, hielt eine lange Ansprache an die Volks­menge und betheuerte seine Unschuld. Die Leiche blieb den ganzen Tag hängen und wurde von Massen von Europäern und Eingeborenen in Augen­schein genommen.

Stuttgart, 28. April.

29. Sitzung der Kammer der Abgeordneten. Die Tag.-Ordn. führt zu dem zurückgestellten Kap. 64 des Kult-EtatS betr. die Akademie Hohenheim. Die Kommission berichtet über die Prüfungs­anstalt für landwirthschaftliche Maschinen und die Einrichtung einer Molkereianstalt, die letztere wird von den Abg. Haug, Egg­mann und Bantleon, welche Bedenken dagegen haben, bekämpft, wäh­rend Länderer, Frhr. v. Hermann, v. Weber, Zipperlen, Dentler u. A. für dieselbe eintraten. Der Kommissionsantrag auf Ver- williaung wird angenommen und das ganze Kap. genehmigt. Kapitel 92, Wissenschaftliche Sammlungen, Bibliothek, Münz- und Alter« thümerkabinet, Naturalienkabinet, genehmigt. Ebenso Kap. 93, Kunstschule und Kunstsammlungen. Bei Kap. 93" Kunstgewerbeschule, wird gleichfalls die Exigenz ohne Debatte verwilligt, ebenso Kap. 94 Konservatorium der vaterländischen Kunst- und Alterthums-Denkmale. Kap. 95, Staatssammlung vaterländischer Kunst- und Alt erthums-Denkmale. Hier wird auf die Feuergefährlichkeit des gegenwärtigen Lokals hingewiesen und der Wunsch ausgesprochen, die Samm­lung bald in das Bibliothekgebäude gebracht zu sehen. Kap. 96, Staats- berträge an Privatvereine für Wissenschaft und Kunst je 12,170 v. Reiser bittet auch um einen Staatsbeitrag für den Diöcesan-Verein von Rottenburg und Ellwangen, welcher für die katholische Kirche dieselben Zwecke verfolge wie der Verein für christliche Kunst für die evang. Kirche. Kultm. v. Geßler wird darauf Rücksicht nehmen. Bis jetzt sei keine Anregung an ihn gelangt. Kap. 96" Beiträge an öffentliche milde Stiftungen und Anstalten zur Entschädigung für ihren Postportoaufwand in Folge der Auf­hebung der Portofreiheit je 3120 Kap. 97, Kosten der Theilnahme an dem wissenschaftlichen Unternehmen der europäischen Gradmessung je 1000 ^ Damit ist der Etat des Kultdepartement erledigt. Sodann werden noch verwilligt je 50,000 für den Reservefonds und Kap. 110" Auf­wand an Postporto infolge der Aufhebung der Portofreibeit in Dienstsachen je 320,0000 Das Kap. 110 Leistungen an das deutsche Reich wird

ausgesetzt. Nächste Sitzung Montag 9 Uhr. Tag.-Ordn.: Gesetz-Entwurf über Beschaffung der Geldmittel für den Eifenbahnbau, sowie für außer­ordentliche Bedürfnisse der Verkehrsanstalten und Petittonen.

^ Tages - Neuigkeiten.

^ Am 7. Mai feiert eine Ehepaar in Hirsau (wovon die Frau von

Calw ist) das Fest ihrer goldenen Hochzeit. "Von einem Kirchgang müssen die beiden Eheleute absehen, indem der Mann (geb. 1806) seit einigen Jahren fast ganz erblindet und die Frau (geb. 1809) durch Athembeschwerden verhindert ist, auch nur ihr Stübchen zu verlassen. Von 6 Kindern ist den jetzt mittellosen keines zur Stütze ihres Alters geblieben. Auf ein für sie einge­reichtes Gesuch an Se. Maj. den König wurde ihnen ein Gnadengeschenk von 20. übermittelt.

Stuttgart, 27. April. Die Genesung Seiner Majestät des Königs hat in der letzten Zeit erfreuliche Fortschritte gemacht; Höchst-

derselbe hat nicht allein besseren Appetit und Schlaf, sondern fühlt Sich auch j wieder kräftiger und bringt täglich einige Stunden außerhalb des Bettes zu. Das Aussehen Seiner Majestät erscheint übrigens noch ziemlich angegriffen und es wird Höchstderselbe immerhin noch längere Zeit besonderer Schonung und Ruhe bedürfen.

Stutttgart, 28. April. (Strafkammer.) Gestern stand der 26- jährige Taglöhner Johann Lehner von Ulm hier vor der 1. Strafkammer, angeklagt des schweren Diebstahls und der Sachbeschädigung durch Ab- ' schneiden von 7 Roßschweifen im Stalle des Eilgüterbeförderers Kormann hier. Es war am Sonntag früh, den 18. Febr. d. I.. als die Pferde- i knechte des Kormann 7 Schimmel ohne Schweife stehen sahen, und gegen 10 Uhr desselben Morgens verkaufte der Angekl. die Schweife, welche 3 Pfd. > wogen, für 3 60 H bei einem hiesigen Bürstenmacher. Man kam dem ^

Diebe bald auf die Spur und fand ihn versteckt aus dem Henboden der Bardili'schen Bierbrauerei am Montag 19. Febr. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fand man weiße Pferdehaare auf dem Boden, an den Klei- dern, in den Taschen des Angekl., welcher den Diebstahl leugnete und be- hauptete, diese Pserdehaare seien schon lange in und an seinen Kleidern, ' weil er sich mit Scheeren von Pferden befasse. Er habe am Sonntag Vor- S mittag einen ihm bekannten Pferdeknecht Namens Wilhelm aus Bayern (den f Geschlechtsnamen wisse er nicht) hier getroffen und dieser habe ihn gebeten, die Pferdehaare zu verkaufen, da er nicht Bescheid wisse; dieser Wilhelm müsse der Dieb sein. Allein es warm so viele Beweise der Schuld gegen ! den Angekl. gesammelt, daß man unmöglich den bekannten Unbekannten als , Dieb ansehen konnte, sondern in schuldig sprechen mußte. In Anbetracht der beispiellosen Bosheit und des großen Schadens, den der Angekl. durch den Diebstahl von so geringem Werth anrichtete (er beträgt gegen 12 1500 -4L), wurde er zu 2 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurtheilt. j

Mannheim, 27. April. Die heutige 10. ordentliche Generalver« j sammlung der Auktionäre der Badischen Anilin« und Sodafabrik in Ludwigs. ' Hafen und Stuttgart hat gemäß den Anträgen des Aufsichtsraths beschlossen den Reingewinn wie folgt zu vertheilen: Dem Amortisations - Conto 1,431,767.42, dem Reserve-Conto --LL 495,804.45, dem Unterstützungs-Conto -4L 60,000 zu überweisen, eine Dividende von 25 Prozent im Gesammtbe- . trag von ^ 4,125,000 zu vertheilen. Die vertragsmäßigen und statuari­schen Tantiemen betragen 991,608.90, der Gewinnübertrag beträgt 578,292.77. Der Direktionsbericht konstatirt den erfreulichen Stand des Unternehmens, dessen Umsatz seit dem Bestehen der jetzigen Gesellschaft um mehr als das Vierfache sich gesteigert hat. Die Rücklagen auf Amorti­sations- und Reserve-Conto betragen in dieser Periode bereits ca. 93 pCt. des Aktienkapitals. Die ausscheidenden Aussichtsrathsmitglieder Herren Kom- merzienrath Knosp und C. Eckhard wurden wieder gewählt. i

Literarisches.

Der Miki;g«iiank« >a Württemberg uml äie Verkalke zu seiner Verwirkkiikuag.

Von Major Albert Pfister. Verlag von W KöhIhainmer in Stuttgart.

Preis 1 Mark.

Es ist in Württemberg bis in die neueste Zeit immer wieder versucht worden, die Einrichtung einer Miliz mit allen ihren verschiedenen Vortheilen an Stelle eines be­währten Wehrjystems zu empfehlen. Daß eine derartige Erscheinung nichts Neues, zeigt uns der Verfasser, der sich ichon durch eine Reihe von Werken militärischen und allgemein historischen Inhalts bekannt gemacht hat, in der angeführten Schrift. Es bestand in alten Zeiten in der That in Württemberg eine Landmiliz, welche noch im 30jährigen Krieg f im Stande war, ihre Schuldigkeit zu thun. Am Ende de» vorigen Jahrhunderts wurde ! sie wieder warm empfohlen, von den Landständen in Schutz genommen u. bei dem drohen­den Einfall der Franzosen wirklich ins Leben gerufen und aufgestellt. ES ist ergötzlich zu i

lesen, welche Organisation sie hatte, welche Thätigkeit sie entwickelte, welche Figur sie machte. !

Als die Franzosen sich in der That dem Lande näherten, mußte man die Miliz nach Hause gehen lassen; sie war nicht gegen den Feind zu verwenden. Alles Geld, alle Zeit war un­nütz vergeudet. Denn eine militärische Einrichtung muß von militärischem Geist, von t militärischem Wissen und Können getragen sein. Sv war eS früher und so ist es heute ,^nsch; alles Experimenliren auf diesem Gebiete ist zu gefährlich und zu kostspielig, so leicht und verführerisch es auch erscheint. Der Verfasser hat eS verstanden, mit seiner eigenen Darstellung auch die Urtheile und Stimmen der Zeitgenossen zu einem recht anziehenden Bilde zu vereinigen.

Fräulein Ilona, welche erklärte, sie nicht abgeben zu dürfen, die aber gleichwohl die Briefe mit der freundlichsten Bereitwilligkeit entgegenr.ahm."

Und was sprachen Sie an jenem Abend mit ihr, als ich als ich Sie überraschte?"

Jetzt leuchtete es plötzlich wie ein tieferes Verständniß über das Antlitz des jungen Mannes. Der angstvolle eifersüchtige Blick aus dem Auge der Geliebten hatte ihm alles gesagt. Er trat, den Ausdruck reinster Liebe in den treuen, wahrhaften Aiigen näher auf dieselbe zu.

Ich beschwor die Dame, Ihnen, gnädige Gräfin, nur ein Wort von meiner Verzweiflung und inneren Qual zu erzählen, denn alle Versuche, selbst zu Ihnen zu dringen, blieben fruchtlos. Daß jene Worte an Ihr Ohr drangen und von einer Gräfin Pokolkö anders ausgelegt werden konnten, vermochte ich nicht zu ahnen. Mein Herz gehört ewig Ihnen."

Irma hatte schon das Haupt in tiefem Erröthen gesenkt. Sie sah, daß Schmerz und Eifersucht sie getäuscht. Bei den letzten Worten des jungen Mannes hob sie mit lieblichem, glücklichem Lächeln die schönen Augen wieder und ehe noch eine der umstehenden Personen eine Bewegung des Entgegenkommens von Seiten des einen oder anderen der Liebenden gesehen lagen sich beide in den Armen.

Die alte Torzsika stand am Fenster. Ihr Auge funkelte, das Nicken ihres Kopfes verrieth ihre innere volle Befriedigung. Edle Menschen ent­weihen nicht weihevolle Augenblicke durch überflüssige Worte. Graf Pokolkö und Gräfin Jrtvany hatten sich, während die beiden Liebenden sich versöhn­ten, voll zufriedenen Einverständnisses angeblickt. Jetzt traten sie auf ein­ander zu, um sich stumm die Hände zu reichen und dann dieselben segnend über die Häupter der Glücklichen zu strecken.

Graf Pokolkö unterbrach zuerst die stumme Scene. Er richtete sich,

als gelte es, eine schwere Last abzuschütteln in seiner ganzen gewaltigen Größe auf und sagte, ein wenig verlegen die Gräfin anblickend:

Wir haben ganz vergessen, meine Gnädige, daß wir Hochzeit halten wollten; wir werden damit nun allerdings noch warten müssen. Was wer­den unsere Gäste dazu sagen?"

Wo das Glück unserer Kinder aus dem Spiele steht, Herr Graf", versetzte die Dame einfach und mild,da achte ich nicht auf das Kopfschüt­teln der Welt. Unsere Gäste werden sich wundern, das ist wahr, doch das wird uns nicht verhindern, glücklich zu sein."

Sie faßte die Hände der jungen Leute und ihr seliges Lächeln bewies, daß das Mutterherz neu zu leben begonnen hatte.

Aber wie benachrichtigen wir ihn?" Graf Pokolkö wagte nicht den Namen dessen auszusprechen, den er meinte.

Alle Anwesenden sahen sich verlegen an. Das war eine heikle Auf­gabe. Alle schwiegen, keines wußte zu rathen. Da trat Torzsika näher heran und den Arm des Grafen leise berührend, sagte sie:

Lasset ihn hierher rufen, Herr! Wenn er sieht, wie es steht, wird er Euch am ersten aus dem Weg gehen."

Der Rath ist gut, Torzsika!" nickte der Graf erleichtert.Und was in meinen Kräften steht, soll geschehen, um dem Enttäuschten sein Loos er­träglich zu machen."

Er zog die Klingel und befahl dem eintretenden Diener, den Grafen Jrtvany auf einen Augenblick herzubitten. Obwohl das Versammlungszim­mer der Hochzeitsgäste nahe lag, dauerte es doch r. ehrere Minuten, bis der Diener zurückkehrte und meldete, der Graf sei nirgends zu finden gewesen.

(Schluß folgt.)