sitzung am Sonnabend kam im Reichstage die Frage der obligatorischen Ar« beitsbücher zur Erörterung. Die Abgg. Ackermann, von Schalscha und Günther- Sachsen sprechen sich für die Einrichtung aus, die von den Abgg. Löwe« Berlin, Lüders, Kräcker und Oechelhäuser entschieden bekämpft wurde. Diese Debatte wurde unterbrochen durch die Vorlesung einer Allerhöchsten Botschaft, in welcher dem Hause die Berathung des Etats pro 1884,1885 und der Unfallversicherung aus sozialpolitischen Gründen ans Herz gelegt wird. — Die Bestimmungen bezüglich der Arbeitsbücher wurden abgelehnt. Nächste Sitzung Donnerstag, 1 Uhr. Allgemeine Rechnung pro 1879/1880 und Krankenversicherung. Schluß 4 Uhr.
Berlin, 13. April. Die Holzkommission hat die Zollermäßigung für Grubenhölzer angenommen, dagegen eine solche für Faßdauben abgelehnt; die Vorlage der Regierung wurde im Uebrigen mit 11 gegen 10 Stimmen angenommen. Regierungs-Commissar Burchard stellte Erleichterungen im Grenzverkehr und betreffs der Abfälle in den Holzschleifereien auf dem Verordnungswege in Aussicht. Es findet nun die zweite Lesung statt.
— Nachdem somit in der Kommission das Gesetz angenommen ist und die zweite Lesung im Plenum erst Ende ds. Mts. auf die Tagesordnung kommen wird, begab sich unser Abgeordneter, Hr. Stälin, alsbald von Berlin nach Stuttgart, um über diese Zeit an den dortigen Kammerverhandlungen theilzunehmen.
Freiburg, 14. April. (Tel.) Im Prozeß wegen des Hug- stettener Eisenbahnunglücks wurden alle Angeklagten frei- gesprochenund sämmtliche Kosten aus die Staatskasse übernommen.
Oesterreich.
— Ein Attentat der pöbelhaftesten Art ist dieser Tage gegen die Kaiserin von Oesterreich, die bekanntlich zum Besuche ihrer schwer erkrankten Schwester, der Gräfin von Trami, in Baden-Baden weilt, verübt worden. Bereits vier Mal wurden die Kaiserin und ihre Begleiter mit Steinen beworfen und auch getroffen, als sie spazieren ritten. Es fand dies an vier ganz verschiedenen Stellen im Walde statt. Die frechen Thäter sollen halb erwachsene Burschen sein, welche einer exemplarischen Züchtigung hoffentlich nicht entgehen werden.
England.
Dublin, 14. April. Das Schwurgericht hat Joseph Brady der Ermordung Burkes für schuldig erklärt und denselben zum Tode verurtheilt.
Rußland.
Moskau, 12. April. Die Krönungsinsignien wurden bei der Ankunft am Bahnhof von dem Generalgouverneur von Moskau, von dem Gouverneur der Stadt, von dem Oberpolizeimeister und von mehreren anderen hohen Würdenträgern empfangen, am Bahnhof war eine Ehrenwache vom Astrachanschen Regimente ausgestellt. Vom Bahnhofe aus wurden die Krönungsinsignien hierauf in feierlichem Zuge nach dem Thronsaal übergeführt. Voran ritt ein Trompeterkorps, dann folgte eine Abtheilung des dritten Sum'schen Dragonerregiments, an welche sich vier Kammerjunker, vier Kammerherren in offenen Wagen anschlossen. Sodann folgten zwei Ceremonienmei- ster, ein stellvertretender Ceremonienmeister, der Hofmeister Baron Bühler, hierauf kamen in einzelnen Wagen: die kleinere Kette des Andreasordens, die größere Kette des Andreasordens, der Reichsapfel, das Scepter, die Krone der Kaiserin, die große Krone des Kaisers. Eine Schwadron des dritten Sum'schen Dragonerregiments bildete den Schluß des Zuges, der das Ni- kolskythor passirte und bei der Waffenkammer anhielt, wo die Krönungsinsignien vom Grafen Orlow-Davidow und anderen Würdenträgern in Empfang genommen und nach dem Thronsaal gebracht wurden. Auf dem ganzen Wege hatten sich große Volksmaffen aufgestellt, die den Zug unbedeckten Hauptes an sich vorüberziehen ließen.
Stuttgart, 13. April.
21. Sitzung der Kammer der Abgeordneten. Eingelaufen eine Eingabe um den Bau einer Eisenbahn von Biberach-Ochsen- hausen nach Memmingen zum Anschluß an die bayerischen Bahnen. Die T.-O. führt zur Berathung der Kap. 1 und 2 des Hauptfinanzetats pro 1883 85 Civilliste je 1,821,442 45 H und je 316,464 73 H
für Donativgelder, Witthume und Apanageschlösser. Ohne Debatte verwilligt. Kap. 3 Staatsschuld und Kap. 3" Schatz- anweisnngen. (Berichterstatter H a r t e n st e i n.) Die Gesammtstaats. schuld beträgt pr. 1. April 1883 423,931,707 76 H und pr. 1. April
1884 421,574,036 33 H. Der Berichterstatter bemerkt, daß unsere
Staatsschuld mit 37<>/o der gesammten Staatsausgaben in den Etat eingestellt sei und daß davon 88»/g auf die Eisenbahnschuld kommen. Sie erfordern 15.380,467 79 H Zins, während die Reineinnahmen der Eisenbahnen nur 13,068,935 -/IL 30 H betragen, also weniger 2,311,502 48
die aus den Steuern gedeckt werden müssen. Referent spricht sich gegen die fortwährende Vermehrung der Staatsschuld besonders der allgemeinen Staatsschuld aus und hätte gehofft, daß der Hr. Finanzminister mit seinem Zauberstab das Mittel gefunden hätte, die neu aufgenommenen 1,581,000 M auf andere Weise als durch ein Anlehen zu decken. Als Zinsenbedarf für das Jahr 1883/84 werden 17,401,229 29 H, für 1884/85
17,503,078 95 exigirt und verwilligt; als Tilgungsbedarf
1883/84 2.357,671 43 L; 1884/85 2,445,832 13 L und als
Kosten für die Einlösung der Obligationen und Coupons je 20,500 «A. Als Verzinsung der 1881/83 ausgegebenen Schatzanweisungen find für 1883/84 296,875 exigirt, wovon aber 50,000 ^ abgestrichen und nur 246,875 bleiben. Dabei wird aber von dem Abg. Wüst energisch stark gegen das seit 1881 jetzt bei uns eingeführte amerik. Annuitätensystem aufgetreten und der Wunsch ausgesprochen, daß auch, wie auch der Berichterstatter befürwortet, aus Ueberschüffen Schulden bezahlt werden. Dasselbe empfiehlt Probst, der im höchsten Fall eine Frist von 50 Jahren zur Heimzahlung der Anlehen will, wogegen sich Finanzminister v. Renner ausspricht. Es werden übrigens mit Ausnahme der eben erwähnten 50,000 ^ sämmtliche Exigenzen sowie die Art. 5 bis 10 des Finanzgesetzes genehmigt. Ebenso die Erhöhung des Betriebsfonds der Staatskaffe auf 6 Millionen, die Ausgabe neuer Schatzanweisungen und die Aufnahme eines Anlehens von 3,441,843 16 ^ zur Deckung der Tilgungsquote an der Eisenbahnschuld.
22. Sitzung der Kammer derAbgeordneten. Fortsetzung der Berathung des Hauptfinanz-Etats. Kap. 4, Renten. Unter denselben laufen die Haller Siedersrenten sowie die Militärverdienstordenspensionen, genehmigt ohne Debatte. Kap. 5, Entschädigungen. 94,089 ^ 7 L und 62,258 7 darunter die Brandversicherungs
prämien fürs K. Hoftheater und für die Theater-Requisiten, genehmigt ohne Debatte, Kap. 6, Pensionen, genehmigt. Kap. 9, Geheimer Rath, (Besoldungen für 5 Staatsräthe 40,000 für Kanzlei- und übriges Personal 16,250 ^ und Kanzleikosten 2000 cik) Hier entsteht eine längere Debatte, im Verlauf deren selbst das Fortbestehen des bekanntlich verfassungsmäßig eingesetzten, wenn auch jetzt in seinen Funktionen beschränkten Geheimenraths in Frage gestellt wird. Zuerst beantragte Lang die im Etat eingesetzte Erhöhung der niedersten Gehaltsklaffe von 2 Staatsräthen von je 6800 auf 7400 c,1L abzulehnen, da in gegenwärtiger Zeit der seitherige Gehalt als ausreichend betrachtet werden sollte. Probst regt die Frage an, ob der Geh.-Rath, so wie er jetzt zu seinen verschiedenen Funktionen berufen sei, als eine dauernde Einrichtung bestehen bleiben solle. So wie er jetzt zusammengesetzt sei, sei der Geh. Rath ein Kollegium, das nicht leben und nicht sterben könne, v. Mittnacht weist darauf hin, daß schon bei den im Jahr 1876 ftattgehabten Verhandlungen beide Kammern das lebhafteste Interesse an dem ungeschmälerten Fortbestand des Geh. Raths gehabt haben. Die Funktionen derselben feien durchaus keine unbedeutenden. Er mache auf die Entschädigungen.im Expropriations-Verfahren, auf die Ausübung der Episkopalrechte u. s. w. aufmerksam. Die von Probst angeregte Frage werde er jedenfalls in Erwägung ziehen. Der Antrag auf Verwillig- ung der vollen Exigenz für den Geh. Rath wird fast einstimmig angenommen. Kap. 9" Verwaltungsgerichtshof, nach längerer Debatte wird die Exigenz genehmigt. ___
Tages - Neuigkeiten.
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Calw, 15. April. Gestern Abend kurz vor 6 Uhr ereignete sich im Bischof ein höchst bedauerlicher Unglücksfall, der durch Unvorsichtigkeit einer
und rennt nach dem brennenden Schlöffe zu. Ein Blick zeigt ihr, daß der Graf sein junges Weib aus den Flammen gerettet hat; diese ruft nach ihrem Kinde, das unfehlbar schon in der Wiege von den Flammen erreicht ist. Der Graf will zurück, sein Kind zu retten, in das sichere Verderben. Da stürzt die Amme halb sinnlos herbei, sie weiß kaum, was sie thut, aber sie reicht ihr eigenes- Kind der Gräfin hin. Diese preßt es in ihre Arme und sinkt ohnmächtig zusammen. Herr, der jetzige Graf Jrtvany ist der Sohn eines Taglöhners und nicht das ächte Kind des seligen Grasen," schloß die Zigeunerin mit feierlichem Tone, das dunkle, lebendige Auge fest auf den Grafen gerichtet, um die Wirkung ihrer Worte zu beobachten.
Graf Pokolkö hatte mit steigender Ungeduld der vermeintlichen Mär zugehört und jetzt zum Gehen sich wendend, sagte er leichthin, doch im ärgerlichen Ton:
„Und um dieser Lüge willen ließest Du mich Herausrufen, wo ich besseres zu thun habe? Wärest Du nicht ein elendes Weib, ich wollte Dich anders dafür büßen lassen. Jetzt mach, daß Du fortkommst."
Eine furchtsamere Natur wäre bei den harten Worten und den drohenden Blicken des riesenstarken Mannes vielleicht dem Rathe gefolgt, allein die Alte ließ sich so leicht nicht abfchrecken. Mit entschlossener Miene vertrat sie dem Grafen den Weg nach der Thür und rief, die Hand betheuernd auf die Hand legend:
„Herr, für jedes unwahre Wort lasset mich zeitlebens in Euren tiefsten Keller sperren; aber zum Beweis für das, was ich gesagt habe, lasset einen Zeugen rufen, dem ihr den Glauben nicht versagen werdet: Die Frau Gräfin Jrtvany."
Graf Pokolkö wich einen Schritt zurück, anscheinend mehr, weil er scheute, das Weib zu berühren.
„Wie?" rief er unwillig, „Du wagst auch —"
„Herr, ich wage mehr, als Ihr denkt, ich wage Freiheit und Leben, wenn ich fortfahre," versetzte die Zigeunerin mit ernstem Nachdruck, „denn wisset, Herr Graf, der wahre Sohn der Frau Gräfin lebt. Ich war es, die sich in das Schloß gewagt, um das verlassene Kind noch im letzten Augenblick zu retten."
„Nun ist es genug mit Deinem Gefasel!" nahm jetzt der Graf heftig das Wort; „weißt Du nicht, daß Du durch Unterschlagung eines hochgeborenen Kindes Deine Freiheit für das ganze Leben verwirkt hast?"
„Freiheit und Leben, Herr; ich weiß es!" rief die Zigeunerin eindringlich, und ich bin bereit, vor Gott und jedem Zeugen meine Aussage zu wiederholen."
„Weib, Du rasest!" versetzte der Graf während er doch betroffen zurückfuhr, da die Alte mit so zuversichtlicher Bestimmtheit auftrat. Die Begebenheit war ja so einfach. Möglich war es ja immerhin.
„Herr ich will Euch beweisen, daß ich die Wahrheit rede," fuhr die Zigeunerin mit feierlichem Ton fort. Hat Graf Jrtvany etwa Manieren eines Edelmanns? Gleicht er im Entferntesten seinem hochseligen Vater in Charakter oder Gestalt? Oder hat er etwas von seiner milden, einst so schönen Mutter."
(Fortsetzung folgt.)