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Wenn der Capitalist sein Vermögen in einem industriellen Unternehmen anlegen will, so fragt er sich ganz selbstverständlich: „Welches Unternehmen verspricht mir am meisten Gewinn?"
Er wird doch sicher sein Capital nicht in einem Unternehmen anlegen, von welchem er schon im Voraus weiß, daß nichts dabei verdient wird. ^Selbst wenn er weiß, daß nur die landesüblichen Zinsen verdient werden, so wird er schon lieber sein Geld auf Hypotheken anlegen oder sich sichere Staatspapiere kaufen und nicht ein Risiko tragen, was immer, selbst mit dem besten industriellen Unternehmen, verbunden ist.
Daß aber das Capital sich auf Jndustrieen wirft, das bewirkt der Schutzzoll.
Der Schutzzoll vertheuert die Waare. Das ist richtig, aber das soll er auch. Kann man im Lande eine Waare nicht zu demselben Preise Herstellen, wie sie vom Auslande geliefert wird, so muß man einen Schutzzoll darauf legen, damit sie hergestellt wird, denn entweder das Ausland ist dem Inlands durch langjährige Erfahrung überlegen (England), oder die Arbeitslöhne sind im Auslande billiger (Belgien, Oesterreich), das Ausland hat Überproduktion und verkauft mit Verlust rc. In allen diesen Fällen oder wenn ein Artikel aus irgend einem Grunde im Inlands nicht gemacht wird, muß er durch einen Zoll geschützt werden, damit er gemacht wird.
Im amerikanischen Zolltarif vom Jahre 1871 sieht man dieses Princip durchgeführt. Jeder Artikel, an welchem irgend Arbeit hastet, ist mit hohen Zollsätzen geschützt, nur Rohstoffe sind frei.
Z. B. Uhren hat man mit 25 Prozent all vslvrem belegt, so daß also eine Uhr von 100 Werth 25 -/L. Zoll bezahlt. — In Folge dieses Zolles hat sich in Amerika eine so bedeutende Uhrenindustrie entwickelt, daß sie ihre Fabrikate bereits in alle Welt sendet; auch in Deutschland kaust man jetzt amerikanische Uhren, die hier mit einem Zoll von höchstens 50 ^ eingehen, gleichviel welchen Werth sie haben.
Und doch sind, sowohl in der Schweiz, als in England und nun in Amerika die tüchtigsten Uhrenabeiter — Deutsche.
Vor dem Kriege hat Amerika 100,000 Ballen Baumwolle verarbeitet. Heute, nachdem dort Baumwollengarne mit 20 bis 40 Prozent Werthzoll geschützt sind, verarbeitet es bereits 2 Millionen Ballen.
Der Zoll soll die Waare vertheuern, damit ihre Herstellung ein rentables Unternehmen ist und sich in Folge dessen das Capital darauf wirft.
Es ist unwahr, daß dadurch die Indolenz gefördert und der betreffende Artikel aus die Dauer vertheuert wird.
Denn die Intelligenz bemächtigt sich niemals derjenigen Industriezweige die keinen Gewinn versprechen und mit Recht, sondern sie, gerade sie wendet sich dahin, wo der höchste Gewinn in Aussicht steht.
Also Kapital und Intelligenz wenden sich dahin, nicht die Indolenz.
Und gerade deshalb wird der Artikel nicht auf die Dauer vertheuert. Denn, so lange die Fabrikation eines Artikels ein gutes Geschäft ist. d. h. mehr trägt als die landesüblichen Zinsen, so lange fort wendet sich neues Capital dahin, d. h. entstehen neue Fabriken und die naturnoth- wendige Folge ist, daß die wachsende Concurrenz im Jnlande den Preis der Waare drückt, so daß. er schließlich niedriger ist als vor dem Schutzzölle.
Der Gewinn aber für das Land besteht nicht darin, daß das auf diese Unternehmungen verwendete Kapital hohe Zinsen getragen hat, sondern darin, daß der Artikel nun im Jnlande gemacht wird, daß so und so viele Arbeiter mit beschäftigt worden sind und nun auch fortbeschäftigt werden.
Der Artikel ist jetzt — und das vollzieht sich heut zu Tage in wenig Jahren — billiger als er früher war, aber der Arbeitslohn, der dafür ausgegeben wird, wird im Lande verzehrt und das ist der große Segen der Schutzzölle.
Nehmen wir einen solchen Artikel. Z. B. die sogenannten „Pariser Artikel." —
Da sagen die Gegner der Schutzzölle, die kann der Deutsche gar nicht machen, dazu gehört der französische feine Geschmack,, die Fertigkeit, die auf langjähriger Erfahrung beruht, und das große Kapital. Wenn wir darauf Schutzzölle legen, so werden wir diese Artikel zwar künftighin sehr theuer bezahlen müssen, aber wir werden nichts Schönes bekommen.
Irma bog sich zusammen. „Ich kann nicht," weinte sie.
„Und warum?" Die finsteren Augen verschwanden fast unter den düsteren Falten der Stirn.
Irma preßte die schönen Hände gegen die heftig arbeitende Brust. „Mein Herz!" klang es zaghaft von ihren Lippen.
„Run, Dein Herz?" Der Mann des eisernen Willens und der ungesäumten, wenn auch gewaltsamen That schien die Geduld zu verlieren; so widerspenstig hatte sich seine Tochter noch nie gezeigt. Er war noch einen Schritt näher getreten.
Das gequälte Mädchen kämpfte furchtbar. Glühende Röthe wechselte auf ihren Wangen mit todtenähnlicher Blässe. Eine Ohnmacht schien sie anwandeln zu wollen; der Vater sah es, gespannt, aber mit der erbarmungslosen Fühllosigkeit eines nur von unmäßigem Stolz und Eigenwillen erfüllten Herzens blickte er auf die Tochter nieder.
„Dein Herz?"
„Ist nicht mehr frei," preßte sie mühsam hervor, während ein hülfe- suchender Blick aus den thränenfeuchten Augen durch das Zimmer irrte, ob nicht vielleicht ein Zufall diesem schrecklichen Auftritt ein Ende mache.
„Und wen hat Gräfin Irma Pokolkö gewählt?"
Das Mädchen schmieg und verharrte in ihrer vorigen Haltung.
„Rede! Oder bestreitest Du Deinem Vater auch das Recht, den zu kennen, den Du Dir als Gatten ausgesucht?"
„Irma schüttelte trübe das schöne Haupt.
„Ich kann nicht," preßte sie kaum hörbar hervor.
„Nicht?" rief der riesige Mann, am ganzen Leibe bebend, denn eine
Wohlan, belegen wir Pariser Artikel mit einem hohen Schutzzoll, j<L mit einem Prohibitivzoll. Was wird geschehen?
Die Fabrikation dieser Artikel in Deutschland ist sofort ein gutes Geschäft. Angenommen selbst, aber nicht zugegeben, der Deutsche sei in der Thal nicht fähig, diese Artikel herzustellen — denn ein großer Theil dieser Arbeiter in Paris sind eben Deutsche — so wird der Pariser, weil seine Waare jetzt in Deutschland viel theurer bezahlt wird, als früher, sofort mit seinen Arbeitern, seiner Erfahrung, seinem Geschmack und seinem Kapital nach Deutschland gehen und dort arbeiten und viel verdienen.
Aus diesem letzteren Grunde aber wird das nicht ein Einziger, es werden es viele thun, und schließlich werden doch am Ende auch Deutsche an diesem guten Geschäfte participiren, und in wenig Jahren habe» wir in Deutschland die sogenannten Pariser Artikel gerade so billig und schön, als früher, noch billiger — und der auf sie verwendete Arbeitslohn aber wird nicht in Paris, er wird in Deutschland verzehrt.
(Fortsetzung in nächst. Nr.)
Tages Neuigkeiten.
Stuttgart, 3. Febr. Gefährlicher Dieb. Am 30. Januar d. I. Abends zwischen 8—9 Uhr wurde im Hause Hauptstätterstraße Nr. 79 ein frecher Dieb auf frischer That ertappt, als derselbe mittelst eines Hauptschlüssels die verschlossene Kammerthüre geöffnet und aus verschiedenen Schränken mehrere Damenkleider gestohlen und in. einen Handkoffer, welchen er zu diesem Zweck mitgebracht, sowie in ein größeres Packet verpackt hatte. Bei dem durch einen herbeigerufenen Schutzmann in der Person des wegen Diebsstahl schon mehrfach bestraften und hier mit Stadtverbot belegten Otto Binder, led. Kellner von Besigheim, dingfest gemachten Dieb wurde bei seiner körperlichen Visitation auf dem Polizeiwachzimmer mehrere künstlich gearbeitete Haupt- und Sperrschlüssel, sowie Brechwerkzeuge gefunden Derselbe war auch geständig, am Abend zuvor in derselben Kammer eine Tracht Kleider — sowie an anderen Abenden und an anderen Orten in hiesiger Stadt mehrere Diebstähle verübt und die gestohlenln Gegenstände nach Gaisburg in ein Wirthshaus geschafft zu haben. Bei einer am folgenden Morgen in dem betr. Wirthshaus vorgenommenen Hausdurchsuchung wurde ein reiches Beweismaterial gefunden, welches zur Verhaftung des betr. Wirthes und seiner Ehefrau Veranlassung gab. Auch ein weiterer Dieb wurde bei dieser Untersuchung in der Person des ebenfalls wegen Diebstahls schon mehrfach bestraften und hier mit Stadverbot belegten Johann Franz Trefz, Schneider, von Höpfigheim, OA. Marbach, ermittelt.
— Der wegen in Meßbach verübter Brandstiftung im Oberamts- gerichtsgefängniß zu Künzelsau befindliche Bahl von Meßbach entfloh am letzten Donnerstag, als er mit einem andern Gefangenen im sogenannten Ergehungshof eingeschlossen war. Er hatte sich aber der Freiheit nicht lange zu erfreuen, denn er wurde in Dörzbach alsbald wieder verhaftet. — In Waldsee wurde auf der Stadtwaage eine Kuh gewogen, welche das Gewicht von 14'/z Ztr. hatte; dieselbe ist Eigenthum des Bärenwirths Fluhr dort. — Im Asselfinger Moos, beim Grenzgraben, ist ein unbekanntes Frauenzimmer todt aufgefunden worden. Ob ein Nnglücksfall oder ein Verbrechen vvrliegt, wird sich bei der gerichtlichen Untersuchung Herausstellen. — Dieser Tage hatte ein Zivilkondukteur von Braunsbach ein wegen Unterschlagung von Stuttgart aus ausgeschriebenes ca. 20jähriges Frauenzimmer von dort nach Künzelsau zu liefern. Zwischen Morsbach und Künzelsau bat dieselbe den Kondukteur um die Erlaubniß, ein wenig bei. Seite treten zu dürfen, was ihr gewährt wurde. Als der vertrauensselige Kondukteur nach einiger Zeit nach seinem Schützling sich umsah, war derselbe spurlos verschwunden, hat auch bis jetzt noch nicht für gut gefunden, sich zu melden.
München, 2. Febr. Unter den Sägebesitzern des bayr. Waldes ist eine Petition an den Reichstag im Umlauf, welche sich für Erhöhung des Zolls auf Sägewaaren von 25 auf 75 H bis 1 Mark für den Doppelzentner ausspricht. Die Petition behauptet, daß die von der preuß. Regierung in Aussicht genommene Erhöhung des Holzzolles der einheimischen Industrie keinen genügenden Schutz gegen den Raubbau des.
entfernte Ahnung, daß seine Tochter unter ihrem Stande eine Wahl habe treffen können, empörte sein stolzes Blut. Warum nicht? — — Ist er em Fürst?" frug er, da die Tochter noch immer keine Antwort gab.
Irma schüttelte das Haupt.
„Ein Graf?"
„Nein."
Der eiserne Mann erbebte. als habe ihn ein unsichtbarer Schlag getroffen. Er holte tief Athem, ehe er weiter frug:
„Aber doch ein Edelmann?"
„Irma preßte das Haupt in den Schooß, sie war unfähig, zu antworten.
„Ist es ein Edelmann? Antworte!" donnerte der Vater, unbekümmert darum, daß nur ein schwaches Weib vor ihm saß.
Ein leises, kaum merkliches Kopfschütteln der Tochter war die einzige Antwort. Graf Pokolkä keuchte; sein mächtiger Körper schien von konvulsivischen Zuckungen durchrieselt zu werden.
„Wer ist er? Kenne ich ihn? stieß er mühsam hervor.
Irma hatte sich langsam aufgerichtet. Mußte es denn einmal sein, warum sollte sie um ihrer Liebe willen nicht dem Vater in das Auge blicken dürfen? Entsetzt fuhr sie zurück — aus diesen Blicken sprach das Todes- urtheil für den, der es gewagt, aus seiner Niedrigkeit das Auge zu der Gräfin Pokolkö zu erheben.
(Fortsetzung folgt.)