57. Jahrgang

Nro. 32.

Ämt8- unä Intekkigenzbkatt für äen /iezirli.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag.

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Donnerstag, den t6. März 1882

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Politische Nachrichten

Dc » tschts Rei ch.

Berlin, 13. März. Dem heutigen Trauergottesdienste in der russi­schen Botschaftskapelle wohnten der Kaiser, der Kronprinz, die Prinzen Karl und Friedrich Karl, Wilhelm, Alexander und der Prinz August von Würt­temberg, sowie die Erbprinzen von Hohenzollern und Meiningen bei. Die Mitglieder des Königshauses, welche der russischen Armee angehören, trugen russische Uniform. Außerdem waren anwesend Feldmarschall Moltke und Deputationen der Regimenter, deren Inhaber Kaiser Alexander II. gewesen. Der Kaiser begrüßte den russischen Gesandten Saburoff bei der Ankunft und Abfahrt herzlich und bewegt.

Berlin, 13. März. Auf gestern (Sonntag) Bormittag 11 Uhr hatte die Fortschrittspartei in allen <1 Berliner Reichstagswahl­kreisen Volksversammlungen behufs Bekämpfung des Tabak­monopols veranstaltet. Die Versammlungen fielen gründlich ins Wasser, woran allerdings das wundervolle Wetter eine Hauptschuld getragen haben mag. Stark besucht war nicht eine einzige, und bei einigen der Besuch ein geradezu jammervoller. Natürlich wurden überall die vorgeschlagenen Reso­lutionen gegen das Tabakmonopol angenommen. Die Feier des Kais ers- Geburtstages soll auf konservativer Seite eine einheitlich geleitete und gleichsam gemeinsame werden, sofern jedem Wahlkreise aus den Mitteln des Zentralkomites eine bestimmte Summe zur Verfügung gestellt ist, aus welchen in sämmtlichen Festlokalen ein Theil der Festkosten bestritten werden soll. Die Veranstaltung im Einzelnen ist Sache der örtlichen Vereine.

O e st e r r e i ch - 1l u g a r n.

Wien, 14. März. Offiziell wird aus Ragusa vom 13. ds. ge­meldet: Die Insurgenten griffen am 11. d. M. das Jägerbataillon am Zagwosduk an, wurden aber zurückgeschlagen, und verloren 50 Mann. Sie ließen Tode auf dem Kampfplatze zurück. Der Verlust der Truppen betrug 1 Offizier und 2 Mann todt, 2 verwundet, Am 11. ds. griffen auch Insurgenten die Truppen bei Percovac an, wurden aber gleichfalls mit Ver­lust zurückgeschlagen. Der Verlust der Unsrigen betrug 7 Verwundete. Eine Feldtelegraphenstation wurde in Crkoice am 12. ds. eröffnet.

Ruhla» d.

St. Pe'tersburg, 14. März. DasJournal de St. Petersburg" sagt bezüglich des gestrigen Jahrestages des Todes des Zaren Alexander II. und des heutigen Jahrestages der Thronbesteigung Alexanders Ui : Daten großer historischer Erinnerungen sind Stunden, wo man wenig geneigt ist, sich mit fremden Dingen zu beschäftigen, noch weniger, denselben übertriebene Wichtigkeit beizulegen oder gar sich in fremde Dinge einzumischen. Rußland denkt in dieser Stunde mit Sammlung an die große Mission, welche die Vorsehung ihm unter der Aegide seiner erhabenen Souveräne zugetheilt hat. Es ist dies die Mission des Fortschritts, der Civilisation, der friedlichen Ent­wickelung, der Eintracht und des Zusammenwirkens so zahlreicher unter das Szepter unseres Monarchen gestellter Völker. Jedes Friedensjahr muß den Wohlstand Rußlands vermehren und dadurch das Ansehen und die Achtung, welche ruhige selbstbewußte Kraft verleihen. Darin liegt die wahre, eines großen Reiches würdige Größe, welche Rußlands Herrscher stets zu wahren wußten, und auch die einzige, welche es in unseren Tagen erstrebt."

Petersburg, 14. März. Gestern fand Gottesdienst in sämmtlichen Kirchen statt. In der Festungskirche ivurde um 11 Uhr Vormittags eine Seeleninesse ausschließlich für die kaiserliche Familie abgehalten. Der Kaiser und die Kaiserin langten in offener Equipage vom Winterpalais an. Nach Beendigung der Messe verweilten sie lange Zeit knieend im Gebet am Grabe des Vaters und begaben sich sodann in derselben Equipage mit ihrer Familie und Gefolge zur Sühnekapelle am Katharinakanal, woselbst wiederum eine Messe in Gegenwart der Generalität, der Behörden, der Staatsvertretung und einer Ehrenwache der Leibkompagnie der Garderegimenter Preobra- schansky und Pawlow stattfand. Der Messe uni zwei Uhr Nachmittags in der Festungskirche wohnten das diplomatische Corps, das Offizierkorps, höhere Beamte sowie zahlreiche Deputationen bei. Die Gräber des Kaisers und der Kaiserin waren mit Blumenkränzen bedeckt, welche fortwährend herbeige­getragen wurden. Zu Häupten der Sarkophage waren Kaiserkronen ange­bracht. Die Messen in der Festungskirche und der Sühnekapelle, deren In­neres erleuchtet war, wurden bis spät Abends fortgesetzt. Die letztere um­standen bis in die Nacht hinein Volksmassen.

Tages-Neuigkeiten.

Frankreich.

Paris, 14. März. Der Verlust zweier republikanischen Depu- tirtensitze zu Uzes und Samt-Omer, wo vorgestern Monarchisten gewählt wur­den, wird von der republikanischen Presse tief beklagt. DieRepublique franqaise" erklärt, unter dem Regime des Listenskrutiniums hätten solche Mißerfolge nicht stattfiinden können.Voltaire" beschwört die Kammern, von der Politik der Schlaffheit und Enttäuschung abzustehen, da die Republik bedroht sei, sobald die Wähler begännen, sich von ihr abzuwenden oder gleich­gültig zu werden. Das Elpsee-BlattParlement" ineint, die häufigen Mi­nisterkrisen und die Unfruchtbarkeit des Parlaments, sowie die Genehmigung der Jnbetrachtnahme radikaler Gesetzentwürfe diskreditirten die Republik.

Stuttgart, 14. März. Elekrische Beleuchtung. In den Bureaus der Telegraphenbauanstalt der Herren C. und E. Fein ist seit einigen Tagen elektrische Beleuchtung mit Vacuum-Glühlicht eingerichtet worden und bewährt sich vollständig. Das Licht, von der Stärke von ca. zwei Gas­flammen per Lampe, ist ein äußerst angenehmes und hat außerdem gegen­über der Gasbeleuchtung den Vortheil, daß die Temperatur des beleuchteten Raunies nicht gesteigert wird; außerdem aber wird die Luft nicht wie bei anderen Beleuchtungsarten durch die gesundheitsschädlichen Verbrennungs­produkte verschlechtert. Namentlich verdient auch noch die vollständige Ge­fahrlosigkeit des Lichtes hervorgehoben zu werden. Zirkus Corty, welcher jetzt bereits zehn Wochen hier verweilt, macht noch immer volle

«Feuilleton. Der alte Komödiant.

Novelle von August Schräder.

(Fortsetzung.)

Ich hätte die traurige Geschichte nicht erzählen sollen, rneinte der alte Komödiant.

Und doch ist es gut, recht gut!

Aber warum denn? Erklären Sie mir doch, Herr Stein

Nun, so mögen Sie es denn wissen, ineine Frau ist eine geborene Lorenz .

Und Johanna

War die Schwester meiner Frau. Wir haben die Arme oft beklagt und als todt beweint. Daß sie verheirathet, war uns bekannt

Knobel stand zitternd vor dem Förster.

Wo ist Johanna? fragte er erregt.

Wir wissen es nicht. Ihr letzter Brief mar der, in dem sie uns an- zeigte, daß sie nnt Herrn Bornstädt getraut sei. Es war uns unmöglich, irgend Etwas zu erfahren. Ich begrüße Sie als Schwager!

Die berden Männer reichten sich die Hände.

Nun trat auch Dorothea wieder ein.

Knöbel ivar so bewegt, daß er kaum reden konnte.

Johanna hat nicht recht an mir gehandelt, stammelte er; aber ich ehre den­noch ihr Andenken und freue mich, die Schwester meiner Frau kennen zu lernen.

Willkommen, willkommen! rief die Gattin des Försters. Ihnen will ich glauben, daß Sie Ihre Frau nicht leichtsinnig gekränkt und verlassen haben. War mir doch immer, als ob ich Sie für mehr, denn einen früheren Kollegen halten müße. Ich habe mich nun ausgeweint wir können ruhig sprechen.

Und so geschah es. Dann holte Dorothea den letzten Brief ihrer Schwester, den sie aufbewahrt hatte. Johanna sprach darin das Glück aus, das sie in der Vereinigung mit dem Manne fände, den sie als Künstler und als Mann gleich hoch stellte. Jede Zelle athmete Liebe und Verehrung.

Knöbel war außer sich.

Was soll ich denn nun denken? fragte er. Nach diesem Briefe läßt sich Leichtsinn oder Untreue nicht' annehmen. Eine Frau, die so von ihrem Manne spricht, kann ihn nicht böswillig verlassen.

Vielleicht, meinte der Förster, hat sie in der schrecklichen Noth den Kopf verloren hat sich, von der Verzweiflung getrieben, das Leben genommen.

Denke an den Reisenden, an den Wagen, erinnerte Dorothea.

Freilich, freilich!

Wir können nur dann ein Urtheil fällen, wenn das Räthsel mit dem Fremden gelöst ist.