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verliest eine königliche Botschaft, welche die Landtagssesfion bis zum 31. Janual verlängert. Statt des Gesetzentwurfs betreffend die Fortdauer de» Malzaufschlags nahm der Landtag mit 89 gegen 52 Stimmen den Ausschußantrag an. wonach die Forterhebung nur auf drei Monate genehmigt wird. Referent Ruppert hob gegenüber den Bedenken des Finanzministers hervor, bei der Stellung der Majorität des Hauses gegenüber dem Ministerium müßten alle sonstigen Gründe in den Hintergrund treten.
Oesterreick-Ungarn
Wien, 22. Nov.. 5 U. 15. M. Nchm. Die montenegrinische Regierung erklärte dem Vertreter Oesterreichs, daß sie den Insurgenten in der Crisvocie nicht den Uebertritt auf montenegrinisches Gebiet gestatte.
Schweiz.
Bern, 22. Nov. 1 Uhr 50 Min. Der BundeSrath hat den Staatsrath von Teisin eingeladen, den Liberalen Battaglini als in den Nationalrath gewählt zu betrachten und die auf den 27. d. Mts. angeordnete Nachwahl abzubestellen.
Frankreich
— Die Pariser Blätter gemäßigter Richtung sprechen mit Hochachtung von der deutschen Thronrede. So schreibt der National: „Wenn wir die kaiserliche Botschaft vom fconz Standpunkte zu beurtheilen haben, so dürfen wir uns dazu Glück wünschen, daß Deutschland sich mit Beharrlichkeit dem Studium der Aufgaben seiner inneren Politik widmet. Die Welt ist ruhig, wenn Berlin den Frieden wünscht, und man muß Hrn. v. Bismarck die Gerechtigkeit miedersahren lassen, daß er das Protektorat, zu welchem er aus dem Kongresse von 1878 die Grundlage gelegt, mit einer j wahrhaft erhabenen Denkungsweise übt. Noch einmal hat er mit ganz un- i gewöhnlicher Bestimmtheit erklärt, daß dar starke Deutschland es als seinen Endzweck betrachtet die Ruhe des Kontinents zu sichern; er fügt hinzu, daß er es sür seine Pflicht halte, das Vertrauen zu rechtfertigen, welches sich an die Aufrichtigkeit dieser olympischen Rolle knüpft. Wir haben keinen Grund, ihm nicht aufs Wort zu glauben. Nur allzu oft hat man übertrieben mißtraut den Versicherungen des Hrn. v. Bismarck, der sich darin gefiel, manchen Gegner durch die Wahrheit zu täuschen. Ein genialer, durch 15jährige unvergleichliche Triumphs in seinen Ideen bestärkter Staatsmann kann die gemeinen Kunstgriffe des Macchiavellismus verschmähen; er bleibt gefährlich für Jeden, der ihm auf seiner Bahn hinderlich tn len Weg treten wollte." Der Temps verkennt nicht, daß die deutsche Thronrede die wirthschastliche Politik des Fürsten Bismarck in ihrem ganzen Umfange aufrecht erhält urtd schließt: „Da die Gewalt des Fürsten Bismarck ihre Quelle nicht im Patament hat. so kann der Kanzler warten; er darf hoffen, daß er du- Opposition aufrerben wird. und kann in den feindlichen Voten des Reichstags nicht eine definitive Verurtheilung, sondern nur eine Vertagung seiner Entwürfe erblicken."
Marseille, 19. Nov. In verwichener Nacht wurden Mauer- .anschläge angeheflet, in welchen es heißt: „Es ist Zeit, den erbitterten Kampf ohne Waffenstillstand und ohne Gnade wieder zu beginnen, weil man nicht wehr gleichgiltig bei der tunesischen Greulichkeit bleiben kann, in welcher unsere Soldaten zum Ruhme und zum Besten Gambetta's, des meineidigen Bürgers u. s. w., hingemordek werden." Der Aufruf schließt mit den Worien: „Arbeiter, laßt uns die Mittel anwenden, welche die Wissenschaft bietet, deren sich die Nihilisten und die Fenier zum Vorbilde bedienen. Es ist eine Handlung der Menschlichkeit, den Ausbeutern und Meuchelmördern des Volkes den Tod zu geben."
Italien.
Rom, 20. Nov. Das noch rm Laufe dieses Monats erscheinende Grün buch wird eins erklärende Note Mancinj's über die Wiener Zusammenkunft enthalten. - In einer an das Konnte sür die Wiederherstellung des Domes in Florenz gerichteten Zuschrift des Großherzogs Ferdinand von Toskana erklärt sich der Großherzog als Beweis seiner Liebe sür Florenz bere.l, dar große Tabernakel der heil. Jungfrau auf eigene Kosten Herstellen zu lasten.
Tages-Nerrigkeiten.
Stuttgart. 18. Nov. Der Ankuppler Gottlob Treiber von Heilbronn wurde den 18. d. M. Nachmittag» kurz nach 4^ Uhr bei Ausführung eines Ranqirmanöver» auf dem Bahnhof Heilbronn aus eigener Unvorsichtigkeit zwischen die Buffer zweier Güterwagen mit der Brust eingepreßt und sofort getödtet.
Stuttgart. 21. Noo. Gestern (Sonntag) ereignete sich hier ein schlimmer U n g l ü S s f a l l. Abend 9 Uhr 15 fuhr nämlich der von Ludwigsburg kommende Personenzug (in Folge falscher Weichenstellung) auf den zur gleichen Zeit abgegangenen Calwer Personenzug auf und es gab. trotzdem beide Züge bei der großen Nähe des Bahnhofs (nahe der Schillerstraße) ziemlich langsam fuhren, doch einen Zusammenprall von solcher Wucht. daß bei dem Calwer Zug der erste Wagen
2. Klaffe dem vor ihm laufenden Sicberheitsgeoäckwagen die Rückwand eindrückte, und da unter dem Wagen selbst die Räder unten abgerissen waren, derselbe in den Gepäckwagen hineingeschoben wurde, wobei alles widerstrebende Holz- und Eisenwerk wie Papier zusammengebogsn wurde oder in Stücke brach. Vom Ludwigsburger Zug wurde der Sicherheitswagen hoch in die Höhe gehoben, hart an der Gaslaterne vorbei, die er weit überragte, von den dahinter gehenden Personenwagen waren die Perrons abgedrückt, so daß sie Wand an Wand standen, einem Wagen
3. Klaffe war dieselbe sogar noch oben schräg eingedrückt, und die Räder mit ihren Achsen standen abgerissen quer auf dem Geleise. Zum Glück aber war der Wagen im Calwer Zug ganz leer und so sind nur 4 Verwundete zu beklagen. Die Verwundeten sind: Herm. Halm, Präzeptor m Kornlhal. Kontusion am linken Bein, Bluierguß nach Innen. Jnstiiutsoorsteher Körb er von Kornthal, leichte Kontusionen. Frl. Manch vön Feuerbach, Bruch des linken Beines, Paul Oßwald aus Ludwigsburg, Unterschenkel gebrochen und zersplittert, Frau Fried. Kübler hier, beide Füße gequetscht , starke Verletzungen an Kopf und Brust. — Der erste Staatsanwalt Lenz verfügte sich heule Vormittag 9 Uhr auf die Unglücksstelle zum Zweck der Untersuchung der Ursache des Unfalles.
Stuttgart, 22. Nov. Gestern Nachmittag wurde Frhr. v. E tz- los fstein, Kabinelsches S. Maj. des Königs. Geheimer Rath und Ordenrkanzler a. D . zur Erde bestattet. Dem Sarge, welcher mit Blumen und Palmen reich bedeckt war, folgte ein eigener Blumenwagen, dann die Wagen des Königs und der Königin, der Herzogin Vera und von Urach, des Prinzen Weimar und vieler Herrschaft!», über 20 Wagen. Am Eingänge in den Pragfrievhos erwarteten zahlreiche Leidtragende den Sarg, das gesummte Ministerium und der k Hofstaat, die Mitglieder des diplomatischen Korps, die Generalität mit dem kowmandirenden General v. Schachtmeyer, viele andere hohe und jüngere Offiziere, Künstler. Gelehrte u. s. w. Obeihofprediger Prälat Gsrok hielt am Grabe, oas mir grünen Pflanzen dekonrt war. oi» Trauerrede, nachdem eine Trouermusik gespielt und das Quartett des k. Snigchors den Choral „Es ist vollbracht" gesungen halte. Der Redner hov insbesondere die Herzensgüle unv die hohe Begabung des Verewigten hervor. Ec sah dem Tode, der ihn nach Oiägiger Krankheit ereilte, wenige Tage nachdem er in anscheinend bestem Wohlsein seinen 63. Geburtstag gefeiert, mit vollkommener Fassung entgegen. Der Text der Rede war auf Wunsch des Verstorbenen „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt!" Gesang beschloß die ernste Feier.
Ludwigsburg, 21. Nov. Unsere Wintervergnügungen haben mit dem Auftreten des berühmten Zauberers Agoston einen guten Anfang genommen. Derselbe hat letzten Samstag im hiesigen Sommertheater, das zu diesem Zwecke für die gegenwärtige Jahreszeit entsprechend eingerichtet wurde, seine Vorstellungen eröffnet. Er debülirte mit einigen Produktionen aus der modernen Salonmagie, Physik und Illusion, verbunoen mit der Darstellung eines Gespensterspuks in der Klosterruine von Cre- mona. Die mit Eleganz und wunderbarer Geschicklichkeit eröffnet!» Produktionen werden nicht verfehlen, auch zu den künftigen Vorstellungen eine große Anzahl Schaulustiger herbeizusühren.
— In Eßlingen sind sammt Filialen 8802 bl Wein gekeltert worden,
„Ein reizendes, liebes Mädchen!" flüsterte der Apotheker vor sich hin „Sie muß sich prächtig ausnehmen, wenn sie erst seidene Kleider und einen Hut trägt. Ich will —"
„Hier ist die Dose!" brüllte Niklas, indem er seinen langen Arm aus- streckte, und dem Prinzipal das Verlangte entgegenhielt.
„Hier sivd Ihre Handschuhe, lieber Vater!" sagte Netti. die in diesem Augenblicke erschien.
Ter Comm andant warf noch einen Blick nach der Küche, dann schritt d,i Hausihür zu.
„Herr Czabo l" rief Ncklas im tiefsten Baffe.
„Was gibt es noch?"
„Warten Sie noch einen Augenblick!"
„Warum?"
„Sie haben ja den Säbel auf der rechten Seite!"
„Verwünscht!" murmelte Herr Czabo.
Mir Hülfe des langen Niklas ward das Versehen ausgeglichen, und der Commandant scbrrtl stolz durch die belebten Straßen. *
Niklas stand in der Thür und sah ihm nach.
„Ich wollte, ich hätte ihn nicht darauf aufmerksam gemacht I" murmelte er. „Anstatt daß die Leute ihn grüßen, würden sie über ihn lachen!"
Aergerlich ging er in seine Apotheke.
Vlll.
DieFlucht.
Die Dämmerung war angebrochen Thekla war so erschüttert von den Ereignissen dieses verhävgnißoollen Tages, daß sie sich einige Augen
blicke der-Ruhe überlassen mußte; sie setzte sich auf das Bett in ihrer Kammer neben der Küche und ließ das glühende Köpfchen in das weiße Kiffen herabsinken.
„Janos, Gras Esthi, dient als Korporal!" flüsterte sie. „Hätten ihn meine Augen nicht gesehen, ich wü.de es sür ein Spiel meiner aufgeregten Phantasie halten! Welch' ein Schicksal! Der gräfliche Bräutigam ist ein Korporal, und die gräfliche Braut ist die Köchin eines Apothekers in Sem- lin. Wahrhaftig, man könnte darüber lachen, wenn die Sache nicht zu ernst wäre, denn es handelt sich um Freiheit, vielleicht auch — um das Leben!"
Thekla hielt beide Hände vor das Gesicht, sie wollte den Thränen- strom ersticken, der aus ihren Augen rann. Ein Knistern, als ob Jemand leise durch die Küche schlich, ließ sich vernehmen. Thekla fuhr empor, rasch ihre Thränen trocknend. Dann ergriff sie das Licht und trat unter lautem Herzklopfen in die Küche hinaus. Der Schein des Lichtes fiel aus die weiße Uniform des Korporals.
„Thekla!" rief mit unterdrückter Stimme der junge Mann.
„Janos!" schluchzte das Mädchen.
Beide stürzten sich einander in die Arme und feierten durch einen innigen Kuß. in den sich das Solz der Thränen mischte, das schmerzliche, ver- hängnißvolle Wiedersehen.
Der Graf gewann seine Fassung zuerst wieder. er wußte ja, welche Gefahr seiner geliebten Thekla drohete.
„Still!" flüsterte er. „Nimm dies Papier, er wird Dir Alles sagen "
Er drückte dem zitternden Mädchen ein Brieschen in die Hand, dann verließ er eben so leise und vorsichtig das Haus, wie er es betreten halte.
(Fortsetzung folgt.)