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Ursache der so plötzlichen Tode» konstatiren zu können. Der Jammer der Ellern ist unbeschreiblich; dieselben werden allgemein sehr bedauert. (Die Sec ion har den Genuß von vegetabilischem Gifte, wahrscheinlich von Tollkirschen, nachgewiesen.
— Tübingen, 13. Juli. Am letzten Sonntag Nachmittag, etwa zwilchen 4 und 5 Uhr, konnte «an hier im Neckar, etwas oberhalb der Stadt, eine interessante Szene beobachten, die Taufe von 4 Wiedertäufern. Da diese Gemeinschaft jedenfalls zu den stillen im Lande gehört, so war von der Sache vorher nicht» bekannt geworden, aber angelockt durch da» Singen eines Choral«, hatten sich einige Spaziergänger am Ufer de» Neckars eingefunden, die nun sich gegenüber auf dem entgegengesetzten Ufer, etwas oberhalb des Wörde», eine kleine, aus etwa 20 Personen bestehende Gesellschaft von meist bäuerlich gekleideten Wiedertäufern erblickte. Diese schickten sich an, 4 Personen an« ihrer Mitte, 2 Weiber und 2 Männer taufen zu lassen. Die Täuflinge waren mit langen, bis.auf die Knöchel reichenden weiß«« Hemden bekleidet, der Täufer hatte ein ebenso langes, aber schwarzes Gewand an. Der Täufer stieg zuerst «n's Wasser und gab, als er die Oertlichkeit zweckentsprechend fand, denen am Ufer mit der Hand ein Zeichen, daß die Handlung hier vorgenommen werden könnte. Nun stieg eines der Weiber in'S Wasser. Der Täufer führte sie etwa 10 Schritte vom Ufer weg und stellte sie dann so, daß ihr Gesicht flußabwärts gerichtet war. Hierauf sprach er mit feierlicher Stimme dir Taufformel. Bei dem Worte Amen aber stürzte das Weib, durch einen leichten Druck des Täufers gelritet, rückwärts in» Wasser, daß die Wellen über ihr zusammenschlugen. Der Neckar war an dieser Stelle nicht b-sonderS tief, dar Wasser bedeckte nur eben den Körper des liegenden Weibe». Dieses stand sofort wieder auf und damit war für dasselbe die Taufhandlung geschlossen. Ter Täufer führte sie wieder ans User, wo ihr das schwarze Luch wieder umgeworfe« wurde und sie sich «nlleiden konnte. Auf ganz gleiche Art wurde an den 3 andern die Taufe vollzogen.
— Horb, 13 Juli. Die Einwohnerschaft von hier ist schon seit einiger Zeit IN große Aufregung versetzt durch einen Prozeß, den die Staatsverwaltung gegen die Stadt angestrengt und der im Fall» des Unterliegen« der Stadt, da e» sich um die Herausgabe einer Summe von etwa SO-90 000 handeln dürste, nicht geringe Verlegenheiten bereiten würde. Das Objekt betrifft die Floßabgaben. welche die Stadt seit einer langen Reihe von Jahren von den den Neckar befahrende« und bei der Stadt anlegenden Flößern nach Ansicht des Fiskus widerrechtlich erhoben hat. Erst bei Gelegenheit der kraft de« Reichsgesetze« erfolgten Aufhebung dieses Flußzolle« und aus Veranlassung eines Anspruches auf Ablösung dieses Rechts, den die Stadt erhoben hat. kam der Gegenstand zur Erörterung. Denn da die städtische Verwaltung ihren Anspruch auf dir Ablösungssumme, die übrigens im Etat des Landes schon vorgesehen war, beziehungsweise auf die Erhebung des Zoll« nicht in dokumentarischer Form nachzuweisen vermochte, so wurde seitens de» Staat» nicht allein die Zahlung der Ablösungssumme verweigert, sondern auch die Herausgabe der widerrechtlich vereinnahmten Zölle von der Stadt gefordert und nach erfolgter Weigerung gegen dieselbe eine Klage angestrengt.
— München, 14. Juli. Die Herzogin Vera von Württemberg, welche sich einige Zeit hier aufgehalten hat, ist heute nach Rom weitergereist und wird von da aus zu längerem Aufenthalt nach St. Moriz in der Schweiz überfiedeln.
— Der hoLconservative Landrath Weyrauch in Cassel hat dem Oberbrandmeister Ochs in Wehlheiden dieser Tage erklärt, daß er (Ochs) sein seit vielen Jahren geführte» Ehrenamt ferner nicht führen könne, weil er Mitglied der Fortschrittspartei sei. Diese Aeußernug wurde in Gegenwart von Zeugen gethan. als die Wehlheidener Feuerwehr, und nicht zum wenigsten ihr Obmann, wenige Stunden zuvor mit seltener Bravour einen Brand gelöscht und mehrere Personen mit eigener Lebensgefahr vom Feuertods gerettet hatte. Der Obelbrandmeister Och» hat mit einem Briefe geantwortet. welchen die Zeitungen nicht hinter den Spiegel stecken. Es heißt in demselben: »Für meine Amtsführung bin ich Ihnen verantwortlich,
Herr Landrath, meine politische Ueberzeugung, die ich als freier deutscher Bürger hege, geht Sie indessen sa wenig an. wie «ich die Ihrige. Beim Ausbruche eines Feuers wird nicht gefragt: brennt es bei einem Fortschrittemann, Nationalliberale» oder Sonservativen, sondern da« Gefühl, daß alle Menschen Brüder sind, beseelt jeden Einzelnen, weß politischen und religiösen Glaubens er auch sei. bei dem Rettungrwerke. Oder sollen etwa getrennte fortschrittliche, nationalliberale oder conservative Feuerwehren bestehen, die nur dann in Thätigkeit treten, wenn es bei einem ihrer Partei Zugehörigen brennt? Würde die Jüdin, die der Maurer Heinrich Schaub vom Dache des Hahn'schen Hause« bei dem Brande am 4.' Juli mit Lebensgefahr rettete, etwa von einer conservativen Feuerwehr ihrem Schicksal überlassen worden sei«? Ich glaube es nicht, so we.rig wir ich der Ansicht bin, daß die Politik mit der Ausübung der Pflicht der Nächstenliebe überhaupt etwas zu thun hat; denn in solcher besteht die uneigennützig« Hingabe des Feuerwehrmanns höheren oder niederen Grades an das in vielen Fälle» mit Gefahr verbundene Rettungiwerk.
Zürich, 12. Juli Der gestrige erste Festtag des eidgenössische» Sängerfestes hatte einen unbeschreiblich großartigen Verlauf. Die Wet.-- gesänge der Vo.ksvereine währten von 7—12Vz Uhr, die Kunstgesänge von 3—6 Uhr. Mittags fanden gemeinschaftliche Mittagessen in der Tonhalle und in der neben derselbe» erbauten Festhalle statt. In der Tonhalle, wo den fremden Gästen ihre Plätze angewiesen waren, wurden verschiedene Reden gehalten. Der Präsident der Stadt Zürich, zugleich «euer Präsident de« eidgenöff. Sängerbundes, toastirte aus das Vaterland, «eitere Redner auf die Gäste, die sestgebrndeu Vereine rc. Der Toast auf die Frststadt Zürich wurde von eine« Vertreter des .Schwäbischen Sängerbundes* (Nbg. Sachs aus Crailsheim) ausgebracht. Der Toast fand den lebhaftesten Beifall der großen Festversammlung und der Sladtpiäsident von Zürich drückte der Deputation seinen Dank in der herzlichsten Weis« aus. Et kann überhaupt nicht genug anerkannt und betont werbe», mit welcher Aufmerksamkeit dir Gäste förmlich überschüttet werden. Die abendliche Beleuchtung des Sees bot einen überaus malerischen Anblick. Tausende von farbigen Lampion« bewegten sich auf kleinen Kähnen auf dem See, alle Villen des reizenden Ufer«, soweit sie vom Kestplatz au« sichbar find, waren bengalisch beleuchtet, auf dem Festplatz brannten elektrische Flamme», es war ein Anblick, der jeder Beschreibung unfähig ist. Die Volksmenge zählte zu vielen Tausenden, von Nachmittag« 4 Uhr an sollen allein 16,0-0 Eintrittskarten auf den Festplatz verkauft worden sein, wobei zu beachten ist. daß alle Sänger freien Zutritt hatten.
An dem eidgenössischen Sängrrfeste in Zürich wird anch der elektrische Fernsprecher seinen Antheil habe». Wir lesen darüber in einem Schweizer Blatte: .Auf Wunsch einiger Eängerfreunde in Basel ist Hr. W. Ehrenberg, der Vertreter der Bell'schen Telephon-Kompagnie in New-Dork, beauftragt worden, während der Wettgesanges der Baseler Liedertafel am Sonntag Nachmittag von 3—4 Uhr eine Mikrophon Verbindung zwischen der Sängerhalle in Zürich und dem neuen Börsensaale in Basel herzustellen. Die eidgenössische Telegraphendirektion hat bereitwilligst die Benützung eines Leitungrdrahte« gestattet, welcher nun in Verbindung gesetzt werden soll mit einem kleinen Mahagonikästchen, das mit Erlaubniß drs Organisationk- komite's circa 15 Fuß über den Boden an einem Pfeiler der Festhalle angebracht wird. Das Kästchen in Zürich bleibt stumm» während ein gleiche» am anderen Ende der Leitung in Basel mitstngt und so denjenigen Sängerfreunden, die verhindert find, persönlich a« Feste in Zürich rheilzunehmen, die Möglichkeit bietet, in Basel selbst die Gesangsausfuhrung ihres Vereins mit anzuhören.'
Basel, 12. Juli. Das Mikrophon hat seine Probe bestanden. Samstags wurden Proben veranstaltet, die wenig Gutes versprachen; die Leitung von der Züricher Festhalle bis in einen Saal der neuen Post in Basel war für die interessante Untersuchung heigeftellt; doch haben wahrscheinlich der strenge Depeschendienst in den parallel lausenden Telegraphendrähten die Schallwirkung paralyfirt. Gestern Sonntags, zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags, al» die Basier Liedertafel in der Sängerhalle in
freilich, es wäre sehr umsonst, wenn ich er Ihnen verhehlen wollte, daß ich ganz in der Ferne eine Hoffnung schimmern sehe — erschrecken Sie nicht, ich verpflichte Sie zu gar nicht» — ich habe nur auch ein eigenes Interesse dabei, wenn ich Ihnen beweise, daß nicht alle Männer von seinem Schlage find ' —
Sie sah in Schrecken und Verwirrung zu ihm auf und begegnete seinen treuherzigen Augen, die von Muttz und Liebe leuchteten. Die Wärme seiner schüchternen und doch so lebhaften Huldigung drang ihr wshlthuend an das Herz, da» in den letzten Stunden so schmerzlich von Frost und Glut gelitten hatte. Und zugleich that es ihr leid, daß sie nicht das Mindeste für ihn empfand. Sie betrachtete ihn jetzt eigentlich zum ersten Mal m-t einiger Aufmerksamkeit. Bisher war er ihr nicht« gewesen, als ein alter Bekannter ibreS ungetreuen Geliebten, der nicht« für sich selbst bedeutete. Jetzt erhob er den Anspruch, auch etwas für sich zu gelten, und es beklemmte sie, daß er ihr dadurch wieder völlig zremd wurde. In der Verlegenheit über diese Entdeckung, die sie sich fast als Undankbarkeit ausiegte, antwortete sie ihm herzlicher, al» ihr zu Muth war.
.Sie sind ein edler Mensch/ sagte sie und erwiederte den Druck seiner Hand, während er die ihre an die Lippen drückte. „Thun Sie. was Ihr Gefühl Ihnen eingiebt; es kann nicht« Unrechtes sein. Ich werde es Ihnen ewig danken, daß Sie sich der Fremden, der ganz Freundlosen so ritterlich angenommen haben. Es gibt Freundschaftsbeweise, die man nicht mit Worren. nur mit der Empfindung vergelten kann. Und wahrhaftig, wer das an mir thut, mich erlöset von dem vernichtenden Gefühl der Ohnmacht gegen die empörendste Mißhandlung — der kann erwarten, daß ich an die Wahrheit und Zuverlässigkeit seiner Freund-
schast glaube! Ich fühle es, mein einziger Freund, Sie retten «ir das Leben!*
Sie hatte kaum diese Worte in halber Bewußtlosigkeit vor sich hingestammelt, als sie sie schon bereute. Ein Ausdruck von Freude flog über s sein Gesicht — er haschte von Neuem nach ihrer Hand — sie war ebe» im Begriff, die Unterhaltung wieder auf einen minder vertraulichen Ton herabzustimmen — da hörten sie die Schritte der Magd draußen sich nähern. Der Augenblick war nicht dazu angethan, sich näher zu erklären und jede Mißdeutung abznschneiden. Er trat rasch von ihr zurück und näherte sich der Thür.
„Sie lassen mich erfahren, war Sie thun, und war er etwa für Erklärungen giebt / rief sie ihm nach, da er schon auf der Schwelle war. „Denken Sie, mit welcher Ungeduld ich auf Nachricht warte. Und nochmals —*
„Es bedarf keines Wortes mehr!" rief er zurück. „Sie können mir blindlings vertrauen. Adieu, und auf Wiedersehen!'
Damit verließ er sie eilig, als fürchte er, daß sie die Vollmacht» die ihn beglückte. zurücknehmen oder beschränken könnte. Und seine Furcht war nicht unbegründet. Denn kaum hatte sie ihn aus den Augen verloren, als eine entsetzliche Angst sie überkam. Sie hätte Viel darum gegeben, wenn fir ihre: ersten Empfindung gefolgt nnd gleich nach dem Zusammentreffen mit ihrer Nachfolgerin abgereis't wäre. Nun war e« zu spät; sie kannte ja weder Namen noch Wohnung ihre« neuen Freunde». In der unseligsten Stimmung warf sie sich auf das Sopha und war endlich froh, in krampfhaften Thränen ihr gepreßtes Herz erleichtern zu können.
(Fortsetzung folgt.)
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