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solchen Fall« befinden wir un» gegenüber der Anklage wegen Diebstahl», unter welcher der Schuhmacher Jakob Gackenheirner von Zavelstein und dessen Ehefrau am Mittwoch den 5. Mai vor dem dies. Schöffengericht standen. Die Fra« hatte in dem Zavelsteiner Gemeiudewald Tannenreisiz, da« in der MH- ihrer erkauften 6 R«. Holz herumlag, aufgebunden und dem dazu ge- kommeneu Waldschützen erklärt, daß sie dieß nur mit der Absicht thue, einen Anschlag daran machen zu lassen und diesen zu bezahlen, da sie annehm,, daß dar vereinzelt herurnliegende Reisig beim Verkaufe übersehen worden sei und die Gemeinde ihre Handlungsweise billigen werde, und der Ehemann, der eine Büschel nach Hause trug, hatte gegen den Waldmeister ganz dieselbe Absicht ausgesprochen. Mann und Frau haben ei» tadelloses Leumunds- Zsngniß und wachte auch ihr Benehmen vor Gericht den entschiedenen Ein druck, daß die Grundlage des Begriffs de« Diebstahls, reinlich die Absicht sich einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, hier gänzlich fehlte. Auch der öffentliche Ankläger mußte diese Ueberzeuqung gewinnen und stellte den Antrag auf Freisprechung, dem auch das Schöffengericht sofort zustimmtr, nachdem auch der einzige Zeuge, der Waldschütz Rupps. keine beschwerenden Angaben gegen die Beschuldigten vorzubringen im Staude war, vielmehr die sie entlastenden Aeußerungen lediglich bestätigen mußte. Die Anklage stand hienach aus äußerst schwachen Füßen und wäre bei de« gute» Leumund der Beschuldigten, denen zudem auch der Besitz von Vermögen bezeugt ist. und bei dem geringen Werths des Objekts von 50 Pf. wodl besser unterblieben. De» Beschuldigten aber möge es wenigstens einige Genugthuung gewähren, wenn ihre Freispreci ung von der entehrenden Beschuldigung des Diebstahls in demselben Umsasge in die Oeffrullichkeit gelangt, in dem ihre Anklage bekannt geworden!
— Calw. 11. Mai. Nm Sonntag Nachmittags ist in Simmozhei« ein unbedeutender Brand ausgedrochen, von dem der Abends 8 Uhr hieber kommende Feuerleiter die Melduug brachte, daß er bereits gelöscht sei. Die Sage, daß dabei ein Kind im Rauche erjirckt sei, hat sich glücklicherweise nicht bestätigt.
— Tübingen, 9. Mai. Die Zahl der Studirevden, welche im letzte» Winter 1iX4, im »origen Sommer 1196 betrug, überschreitet im gegenwärtigen Semester zum Erstenmal die Ziffer »on 1<00. Den erheblichsten Zu wachs weilt die evangsiisch-thecllogrsche Fakultät aut, für welch« sich etwa 300 Hörer eingeschrieben haben.
— Rotlweil, 9. Mai. Nach eine« eingetroffenen Telegramm ist diesen Morgen 8 Uhr in der mit der Rottweiler vereinigten Pulverfabrik Düneberg bei Hamburg eine Explosion während des Reinigens der Maschinen erfolgt, durch welche 3 Arbeiter gelobtet, 2 schwer verwundet wurden.
— Weingarten, 8. Mai. Gestern Morgen ereignete sich hier ein schwerer Unglück. Es ist üblich, wenn die Blutsfreitags Prozession auf einer Station ongekommeu ist, Böllerschüsse zu lösen. Die Geschütze sind auf einem Hügel bei der Stadt ausgestellt. Eines derselben platzte und traf den Schützen so unglücklich, daß ihm das rechte Bein vollständig zerschmettert wurde. Die Aerzte fanden nach seiner Ueberbringung in den Spital eine Amputation für nothwendig. Aber bald nach Ausführung derselben stsrb der Unglückliche, welcher eine Frau, di« kaum Wöchnerin war, und 6 unversorgte Kinder hinterläßt.
— Aus tem Wutachthals, 6. Mai. Ueber unser stilles Thal hat das geheimnißvolle Walten der Naturkräste Verwirrung und Schrecken gebracht. Bergrutsch ist kaum der richtige Name für das, was sich vor unseren Augen vollzieht, denn es ist nicht eine Verschiebung lockerer Massen, vielmehr haben sich die Felsen, ja der Berg selbst gespalten Die Unglücksstelle befindet sich am rechten User des Krottenbachs, eines Nebengewässers d-r Wutach, etwa 20 Minuten von Achdorf und halb so weit von Eichach tzim badischen Amtsbezirk Bonndorf) entfernt. Am Morgen des 3. Mai, eiwa um 6 Uhr, bot Alles noch ein Bild tiefen Friedens. Bald darauf vernahm ein Landmann,
der Reirwellen machte, ei» Krachen» etwa wie vom Streich einer Holzaxt, da» sich aber bald in ganz anderer Tonart wiederholte.. Ein ganzer Hügel hatte sich von dem Gebirgszuge loSgeriffen und war jetzt durch einen tiefen, mehrere Meter breiten Spalt von demselben getrennt. Bald folgte ein zweiter Hügel. Einen Augenblick hielten sich diese isolirten Kegel aufrecht. Dann begann das Abbröckelungswerk. Die höchsten Buchenstämme und haushohen Felsen verschwanden fast spurlos in der gähnenden Tiefe. Ja ei« ganzer Morgen Walbland mit kräftigen Eichenbestand brachte keine merkliche Aendernng in den Schluchten hervor, aus denen Rauchwolken nach brandigem Geruch emporstiege«. Das Phänomen, das etwa 1 Stunde vor Mittag und ein paar Stunden nachher am heftigsten auflrat, gewann immer mehr an territorialer Ausdehnung und bald waren ungefähr 120 Morgen verwüstet. Auch gegen die Ebene heraus häuften sich auf den Felder» die Frlstrümmer. Glücklicherweise ist kein Menschenleben zu beklagen, da keine menschliche Wohnung in unmittelbarer Nähe lag. Die Bevölkerung sammelte sich bald am Platze der Katastrophe und sah machtlos. m>t Tbränen in den Äugen und Hände ringend den Fortschritten der Zerstörung zu.
— Seit einiger Zeit ist in Cre seid eine Wucherhetze im Gange: Man schreibt der Wests. Z. darüber unterm 5. Mai: Einem als Halsabschneider verschrieener» Pferdehändler wurde vor 14 Tage» von einer großen Volksmenge eine Katzenmusik gebracht, und vorgestern wurde einem andern Einwohner, dem man gleichfalls unsaubere Geldgeschäfts nachsagt, das Haus de« molirt. Gestern mußte den ganzen Tag dss bedrohte HsuS, au dem nicht nur die Fenster eingeworfen, sondern auch Thürs und Wände beschädigt sind, von mehreren Polizisten bewacht werden. Wie wir der Crei. Ztg. entnehmen, fanden auch am Dienstag Abend wieder ruhestöreude Ansammlungen einer nach Tausende» zählenden aufgeregten Volksmenge statt und zwar blieben dieselben diesmal nicht auf einen Punkt der Stadt beschränkt, sondern erfolgten in kurz aufeinander folg. Zeit in 3 verschiedenen Stadtiheilen.
Preßburg, 7. Mai. Gegen 6 Uhr Abends ging hier em seit Men« scheugedenken nicht erlebtes Hagelwrtter nieder. Schloßen in der Größe von kühner-Eiern fielen durch eine Viertelstunde. Alle Fensterscheiben an der Nord und Westseite wurden zertrümmert, Ziegel- u«d Schindeldächer durchlöchert und abgedeckt. Eine Menge Vögrl wurde erschlagen, Bäume kahl gemacht, Zweige abgeschlagen. Die Obst- und Weinernte sind gänzlich vernichtet. In der Bevölkerung herrscht eine lebhafte Bewegung über das schreckliche Unglück.
London. 7. Mai. In Mansion House fand gestern unter dem Vorsitze des Hordmsyors ein öff Meeting statt, um über die Mittel und Wege zu berathen, dem durch die Hungersrwth in Kurdistan, Armenien und Prrfien herbeigesührien »amenlosen Elende möglichst Einhalt zu thun. Förster theilte aus dem Briefs eines Freurttes in Konstantinop'l folgender mit: „Tausende sterben dahin. Aus verschiedenen Orten kommen uns Berichte zu, daß dir Sterbenden sich von dem Fleische Todter nähren, Männer ihre Kmder tödlen und Hunderte von Kindern verlassen auf der Straße de« Hungerstod entgegensetzen. Es braucht kaum gesagt zn werden, daß die türkische Negierung nicht im Stande ist, Etwas zu thun." Henrigues rheilt fernerhin mit, daß Lady Strangford einen Fonds ins Leben gerufen habe und bislang 3000 Psd. Sterl. eingegangru seien. Die Versammlung beschloß einen Fonds zur Abhilfe der Roth, — Gestern fand in der St. James Halle unter dem Vorsitz der Vikomtesse Harberton ein zahlreich besuchtes und enthusiastisches Damen- Meeting zur Befürwortung der Verleihung des Wahlrechts an Frauen statt
Madeira, 8. Mai. Der der Union - Company gehörige Postdampser „American" ist auf dem Wege nach dem Cap der guten Hoffnung cmz 23. April in der Nähe des Acquators untergeganzen. Sämmtliche Passagiere und Mannschaften haben sich glücklich in 8 Boote» ei»geschifft. wovon 3 von Schiffen ausgenommen, die übrigen 5 aber nach dem Cap Palmas gehend gesehen worden sind.—
erschienen zwei Personen: ein Mann und eine Frau.
Ter Mann war Gaston Lorioi, die Frau war Bertha Langevin.
Und Bertha glich Mölanie so vollkommen in dem Halbdunkel des Zimmer«, das nur durch eine Lampe matt erleuchtet war, daß Melanie glaubte, sie stehe vor ihrem Toilettenspiegel und sehe ihr eigenes Bild.
Sie errieth nun Alles.
Gaston war indessen auf Bertrand zugestürzt und hatte ihn bei der Gurgel gefaßt.
„Sie sind ein Elender!" rief er.
„Halten Sie rin, mein Herr!" wandts sich Molarste an Gaston. „Es ist unnütz? hier Lärm zu machen und die Bewohner dieses Hauses dadurch herbeizulocken. Sie und ich haben eine furchtbare Rechnung mit diesem Mann au-zuglnchen, aber es muß in Ruhe, ohne Aufsehen geschehe» "
Bertha, welche Mölanie nie gesehen halte, betrachtete sie mit staunenden Blicken.
Melanie hielt noch immer die Pistole in der Hand. Sie verschloß selbst die Thüre, dann wandte sie sich an Bertrand:
„Mein Herr, wir müssen uns nun erklären," sagte sie.
Gaston wollte sprechen, doch sie gebot ihm mit einer Handbewegung, zu schweigen. Dann fuhr sie fort:
Mit Hilfe dieses Geschöpfes haben Sie versucht, mich zu entehren."
,O Madame, verzeihen Sie mir," rief Bertha, auf die Knie sinkend.
„Ich verzeche Ihnen," erwiderte Mölarsts in würdevollem Ton, „doch müssen Sie hierbleiben, bis dieser Mann seine Schuld gesühnt bat."
„Melanie beherrschte so sehr die Situation, daß Gaston nicht wagte, sie zu unttrbrechen.
Sie fuhr fort:
„Wenn ein Edelmann seinen Namen und seinen Stand vergißt, um Lakaien-Jntriguen anzuzetteln und ein Mädchen zu entehren, muß dieser Manu gestraft werden. Ich will entweder Ihre Ehre oder Ihr Lebe«."
Bertrand versuchte seine Ueberlegenheit wieder zu gewinnen.
Stolz erhob er das Haupt.
„Versuchen Sie nicht, mich einzuschüchtern." sagte er.
„Ich will Sie nicht einschüchteru," erw.derte sie. „Ich stelle Ihnen nur die Wahl frei"
Bertrand versuchte zu lachen.
„In der Tchat. ich verstehe Sie nicht I" rief er.
„Wählen Sie zwischen Ihrer Ehre und Ihre« Leben!"
„Bah!" rief er. alle seine Kühnheit zusammenraffend, „ich möchte doch wissen, wie Sie mich entehren könnte«!"
„Paris soll erfahren, was für ein Mann Sie sind."
„Und Sie wollen es bekannt machen?"
»Ja."
^Ah ! Ah! rief Bertrand. „Und wie wollen Sie das beginnen?"
„Nein, Sie selbst werden es thun", sagte Melanie.
.Ich?"
»Ja."
Uhl Der Scherz ist doch zu stark!"
„Ich will", sagte Melanie, „Niemanden zur Vertheidigung meiner Ehre anrufen. Ein einziger Mann wäre befugt, mich zu oertheidigen. Das ist mein Vater, und mein Vater ist augenblicklich schwer krank . . .
„Mein Fräulein", rief Grston, „wollen Sie mir gestatten, diesen Mann zu tödte« ?"
„Nein", antwortete Mölauie. „Es geht nur mich an."
Und zu Bertrand sich wendend, fuhr sie fort: . „„
„Ich gebe Ihnen zwei Minuten Bedenkzeit, und so wahr ich em anständiges Mädchen bin. schwöre ich, daß ich Sie niederschieße, wenn Sw mcht einen Brief an Olivier Brauchen? schreiben, den ich Ihnen diklrren werde.
Bertrand zweifelte nicht mehr, daß sie ihre Drohung ausführen werde.
„War soll ich schreiben?"
Melanie wandte sich zu Gasto«.
^Fortsetzung folgt).