— Berlin, 29. April. Nach den Vorschlägen de» SeniorenkonventS soll die Session am 11. Mai (Dienstag vor Pfingsten) abgeschlossen werden. Zur Erledigung sollen namentlich noch gelangen: Sozialisten , Wucher,, ViehseuSen- gesetz, Handelsverträge mit Oesterreich und Belgien; wegen der Innungen ist »sch keine Verständigung erzielt; zurückgestellt sollen «. a. werde«: Stempel, gesetz, Brausteuer, Münzgesetz, Dienstwohnungen, Antrag Völk wegrn Herab, setzung der Beschlvßkähizkeitsziffer. Wie weit die Vorschläge an den betr. Stellen gutgeheißen «erden, bleibt abzuwarten; wahrscheinlich ist deren Durchführung.
E» verlautet, daß der Reichskanzler dis Ablehnung der Samoavorlage ziemlich gelassen hingenommen habe, dagegen über die Haltung der Zentrums in der Sache auf's Aeußerste empört sei. W«s das Tabakmonopol betrifft, so wird die jüngste Re.chstagsabsttmmuisg den Kanzler schwerlich adhsltsn, der Verwirklichung seiner Idee weiter nachzugehen. Er soll fester als je dazu entschlossen sein.
-- Zu der Abstimmung am Schluß der Tabakmonopoldebatte de« Reichs, tags ist noch szu bemerken: Der Abg. Römer (Württ.) hatte von seinen
politischen Freunden, der Liberalen Gruppe. den Auftrag erhalten, die Ab. sta.amung gegen die sämmtlichen, zu dem Antrag de» Abg. Richter (Hagen) wegen des Tabakmonopols gestellter; Anträge damit zu «otivireu. daß sie rein theoretische Erklärungen in dieser Angelegenheit nicht skr angemessen
erachten, ihre ablehnende Haltung aber im Nebligen nicht zu Gunsten der Tabakmonopols gedeutet werden dürfe. In Folge des Schluss-s der Debatte kam der Abg. Römer nicht mehr zum Wort.
O e st e r r e i ch U n äi a r n.
Wien, 28. April. Die Vorlage über die Militärtsxe (Wehrsteuer) wird im österreichischen Abgeordnrtenhause mit derselben Eile durckgepeitschr, mit der man seit zwei Wochen alle Froges abthud Die Rechte spricht, wenn sie will,
aber der Linken wird einfach das Wort abgeschnitten. Die Vorlage bezweckt
die Linhebung von Taxen voa allen oenjenigen, dis aus irgend einem Grunde der Militärdienstpflichr nicht Nachkommen. Im Prinzip erfährt die Vorlage keine Anfechtung, wohl aber werden ihre Einzelheiten bekämpft; die von den Liberalen beantragten Verbesserungen dringen indrß zum weitaus größten Thrile nicht durch Tie Taxe ist sehr hoch für die mittleren und ärmeren Volksklass^n, vielfach drei, und viermal höher als die Wehrsteuer in der korrrspondireriden deutschen Vorlage, während d-s Klaffen mit großen Est-kommsn verhältniß- «üßiz niedere Taxen entrichten sollen.
Frankreich
Paris. 29. April. War es der Regen oder die Marseillaise? Aus Avignon wird ein kurioser Vorfall gemeldet. Der neue Bischof dieser Diözese, Harley, sollte vorgestern seinen feierliche» Einzug halten, und wie es das Konkordat verschreibt, sollten ihm die Truppen der Garnison mit klingendem Spiel die Ehren erweisen. Dis ganze Stadt war aus den Beinen; aber als die für di; Zeremonie festgesetzte Stunde herbeikam, erfuhr man, daß der Einzug des Regens wegen unterblieb. War wirklich der Regen an dieser Enttäuschung der guten Bürger von Avignon schuld? Der Reoeil du Midi behauptet das Gegenlheil. Er erzählt, daß der Bischof und sein geistlicher Generalstab in Erfahrung gebracht, die Truppen würden unter den Klängen der Marseillaise duS Gewehr präseutirsn, und da eine Verwendung beim Kommando erfolglos geblieben, hätten sie lieber auf den ganzen Einzug verzichtet.
Schweiz.
Der dem deutschen Bundesrarh vorliegende Gesetzentwurf der Wrhrsteurr entspricht in einiger Beziehung dem schweizerischen MMärpflichtersstzgesetz, wie solches im Jahr 1876 dem schweizerischen Volke vorgelrgt und von diesem verworfen wurde. Die Demokraten hatten in der BundeSversammlnng eine gewisse Progression durchgesetzt, die i» der Voklsadstimmung von einer Koalition konservat iver und sozialistisch,radikaler E le mente zu Falle gebracht wurde.
Andern." stieß Oiivirr mühsam hervor.
Und er schloß die Augen, so daß Melanie mit einem Angstschrei aussprang.
„Sie glaubte, er sei todt.
Der Arzt stürzte, durch ihren Schrei herbeigerufen, in das Zimmer. Er fand Oiivier ohnmächtig.
„O, retten Sir ihn! Retten Sie ihn!' rief ihm Melanie zu.
Der Arzt war ei« alter Mann, der nicht viel mehr von den Geheim- nisien des Herzen» verstand. Er sah überein, daß die Anwesenheit Melsnie'S einen üblen Einfluß auf die Nersen seiner Patienten ausüben müsse, er aut wartete daher in ziemlich unfreundlichem Tone:
„Wenn Sie wollen. Laß ich ihn rette, müssen Sie sich entfernen, denn ich sehe, daß Ihre Anwesenheit seinen Zustand verschlimmert hat."
Bestürzt zog sich Mälanie zurück, ganz außer sich gebracht durch die mysteriösen Worte Olivier's.
Zu Hause angekommen, »erschloß sie sich in ihrem Zimmer und sann über diese Worte nach.
„Was wollte er nur damit sagen: Sie lieben also doch?"
Einen Augenblick dachte sie daran, ihrem Vater nichts zu sagen und selbst Bertrand de Morlux aufzusucheu, um von ihm eine Erklärung der Worte Olivier's zu verlangen.
Da ereignete sich aber etwas, was sie noch mehr verwirren sollte.
„Mademoiselle," sagte ihre Kammerfrau, die Thüre halb öffnend, »darf ich eintreteu?"
Melanie erhob sich rasch von der Causeuse, in der sie gelegen hatte und griff mit beiden Händen an die Stirne, wie um ihre Gedanken zu sammeln.
„Was willst Du, Mariette?" fragte sie.
Die Kammerfrau trat ein mit einer Platte in der Hand.
Auf der Platte lag eine Karte.
Jnstivctmäßig warf Melanie, bevor sie die Karte in Empfang nahm, einen Blick auf die Uhr am Kamin.
Das 1878 auegearbeitete und vom Volke angenommene Gesetz hat die Progression gänzlich fallen lassen und besteuert den Pflichtigen zunächst mit einer Personalste»» v. 6 Fr . sodann «it je r Fe. 50 Ct. für jeNs Tausend Vermögen und jede« Hundert Einkommen. Vo« Einkommen sind aber bei jedem Pflichtigen 600 Fr. frei; das Maximium der Steuer beträgt 3000 Fr. Die Militärersatzfleuer, die dem Pflichtigen ungleich weniger Opfer auferlegt, als dem, der den Militärdienst thut, gilt in der Schweiz für die gerechteste aller Steuern. Vom vollendeten 32. Altersjahr bis -um 44., wo die Militärpflicht aufhört, sinkt die Steuer chis auf die Hülste obiger Ansätze herab.
Italien.
Rom, 30. April. In der Kammer stsnd gestern und vorgestern dis Be- rathrrsg über die Verlängerung der Finanrgkbahruug- bis Ende Mai auf der Tagesordnung. Die Kommission beantragte die Tagesordnung und den Ausspruch des Bedauern«, daß die Negierung die Verläugerung der provisorischen Finanzverwaltung verlangen mußte. Der Ministerpräsident Cairoli wies diese Tagesordnung als ein Mißtrauensvotum zurück, und erklärte sich für den Antrag auf einfache Tagesordnung, brr aber mit 177 gegen 154 Stimmen ebgelehnt wurde. In Folge di.ses gegen das Ministerium ausgesprochenen Mißtrauensvotums bat Cairoli um Sasprndirung der Sitzungen, lns da» Ministerium die Befehle des König; eingeholt habe. Nach dem gestrigen Ministrrrathe überreichte sodann Cairon dem Könige Abends die Demission des Kabiners.
Bulgarien
Es ist eine ausgemachte Sache, daß Fürst Alexander von Bulgarien sich «it einer Tochter des russ. Fürsten Dffsupow vermählen wird. Der Fürst, der kaum weiß, wie viele Millionen er besitzt, gilt in Petersburg als ein Original. Er hat seine Kamins gehsirathel, und da er dies nach der orthodoxgriechischen Religion nicht dürft;, schloß er seine Ehe in pestreich. Ver- gedens bat er den Zar Nikolaus um einen Dispens. Erst nach dem Tods Nikolaus' betrat er wieder russischen Boden. Er hat keinen Sohn, aber 2 Töchter, von denen dis ältere nun Fürstin von Bulgarien «erden soll. Fürst Pussupow hat nicht vergessen, daß im Auslände geschloffene Ehen vom rus« sisLen Gesetze bemängelt werden körnen und deshalb jeder seiner Töchter, um ihre Zukunft zu sichern, etliche Millionen angelegt. In seinem Palais arbeitet eine ganze Beamtenschaar, um die zahllosen Güter zu verwalten, welche der Fürst in Rußland und im Auslav.de besitzt. Seine Jahresrente beträat etwa 15 Mill. Fr.
Rußland.
St. Petersburg. 29. Aprü. Rowoje Wremja meldet aus Wladiwostok vom 28. April: Aus Shanghai emgelaufenen Nachrichten zufolge seien in China groß? Krirgsvorbercitungen im Gange. Hier sind chinesische Räuber erschienen und sind Mordanfälle vorgekommen.
Petersburg, 29. April. Ein offizielles Bulletin meldet: Der Zustand der Kaiserin erlitt während der verflossenen Woche keine wessutliche Veränderung. Die Anfangs der Woche bemerkte Schlafsucht hat sich vermindert, der Hustrn ist mäßig, der Appetit befriedigend, aber die Kräfte haben nicht zugenvAmen.
Tagesordnung
des K. Amtsgerichts Calw in den öffentlichen Verhandlungen.
I. am Mittwo ch, den 5. Mai 1880, Vormittags 9 Uhr:
Strafsache gegen
1) Friedrich Wilhelm Schott, Nagclschmied von Knittlinzen OA. Maulbronn wegen
Beitels.
2) Justine Laux, Ehefrau des Schneiders Valentin Laux in Mühlhausen, bad. Amts
Pforzheim, wegen Betrugs.
3) Jakob Gackcnheimer, Schuhmacher von Zavclstein und dessen Ehefrau Magdalena ged.
Braun wegen Liebftahls.
Vormittags 10 Uhr:
4) Georg Jakob Dong us, S ch uhmacher von Deckenpfrvnn wegen Diebstahls. _
Es war kaum halb elf Uhr.
„Dieser junge Mann wünscht Sie zu sprechen," sagte dis Kammerfrau.
Melanie blickte aus di« Karre. Ihr entgegen blickte brr Name:
Gasts« Loriot.
Das war der Name des jungen Manne«, der sie schon einmal gerettet hatte.
MSanie's Herz pochte heftig.
Vielleicht brachte er Licht in das tiefe Dunkel, das sie seit einer Stunde umgab
»Ich sagte ihm," fuhr die Kammerfrau fort, „daß Mademoiselle ihn jetzt nicht empfangen könne . .
„Und er bestand darauf?" fragte Melanie zitternd.
„Er antwortete: „Sagen Sie Fräulein de Valbonne, daß es für sie voa großer Wichtigkeit ist, mich sofort zu empfangen."
„Wo ist er?"
Zm Salon."
Mölanis ordnete hastig ihre Toilette.
Zwei Minuten später trat Gaston Loriot ein.
So scheu ein Manu auch sein mag, er verliert seine Scheu, sobald er sich von einem Mädchen geliebt weiß.
Und Gaston hatte in seinen Händen die Hände Bertha Langevin's ge- halten, die nach seiner Meinung Melanie de Valbonne wär.
„Mademoiselle." sagte er. indem er das junge Mädchen mit einer re« spectvollen Vertraulichkeit grüßte, welche Melanie auf's Höchste überraschte, „glaube« Sie mir, daß ich nur durch die dringendste Nothwendigkeit mich veranlaßt sehe, die Schwelle ihres Hauses zu betreten."
Melanie halte trotz ihrer Erregung jene äußere Rnhe wiedergewonnen, welche die in der feineren Gesellschaft ausgewachsene Dame kennzeichnet.
„Aber, mein Herr," erwiderte sie, auf einen Stuhl deutend, „habe ich Sie nickt gestern etngeladrn, uns zu besuchen?"
„Ah!" rief Gaston. (Forts, folgt.)