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Erwiedernnz.
Der Ausschuß de» Bürgerverein« hat in einem Extrablatt auf >en Artikel in Nr. 138 de» Wochenblatt» „zur Gemeinderathswahl* Antworten zu müssen geglaubt, und hat dies in einem nicht» weniger als parlamentarischen Tone gethan. Der Linsender de» angegriffenen Artikel» unterläßt es, dem Ausschuß i« gleichem Tone zu antworten, und beschränkt sich darauf, gegenüber der Verdächtigung» als habe er das Publikum »mit Unwahrheiten irreleitrn* wollen» »och eingezvgenen Erkundigungen constatlren zu können,, daß vom Bürgerausschuß ln einem Protokoll vom 29. Juli 1871 aus Anlaß der Genehmigung einer B eso l dun g s aufb e ss eru n g für den StadtpflegerauSdrücklichdieErklärung gegeben wurde, daß der Stadtpfleger über die Dauer seiner Wahlperiode 1870/76 nicht Mitglied de» Gemeinde« rath» werden dürfe. Wo ist da jetzt die »dreiste Behauptung*» zu deren Beantwortung der gesunde Sinn der Bürgerschaft angerufen »erden mußte? Bei der letzten Wahl vor 3 Jahren wurde, ob aus Versehen, »der mit Absicht, ist dem Einsender nicht bekannt, der gleiche Vorbehalt vom Bürgerau»schuß nicht gemacht, die Verhältnisse liegen j-doch heute nicht anders, als im Jahre 1871, und wenn der Etadtpfleger seit 1869, ohue Mitglied des Gemeinderaths zu sein, der Sladt seine guten Dienste geleistet hat, so ist nicht ersichtlich, warum seine Wahl in den Gemeinderath jetzt auf einmal besonders im städtischen Interesse gelegen sein soll. WaS daher eigentlich der Ansschuß de» B. B. in dem angegriffenen Artikel für .Unwahrheit* uud „Irreleitung* der Wähler auSgebeu will, ist nicht klar, auch der übrige Inhalt desselben wird vollständig aufrecht erhalten, weil er auf Wahrheit beruht» dran ein von einer öffentlichen Versammlung, zu welcher Jedermann eingeladen wurde» durch Mehrheitsbeschluß gewachter Vorschlag ist doch von «eit größerem Werth, als ein von einer einseitigen politischen Partei in geschlossener Versammlung gemachter. Uebrigens hätte dem ganzen Wahlkampf schon vor einigen Jahren ein Ende gemacht werden können, wenn der Bürgerverein die ihm mehreremal gebotene Hand zu einerVerständi g. »ng und - emei nschaft ltchem V orschlage u icht ohne Weitere» zurückgewiesen hätte! _
Von den Angehörigen deS K. Landjägerkorps ist wegen vorzüglicher
Dienstleistung u. A. öffentlich belobt worden - Landjäger Hermann in Neuweiler.
— Ealw, 8 . Dez. In voriger Woche trank ein Mann von Ottenbronn in Monakam 1 Liter Schnaps. Der schwer Betrunkene wurde in eine» Stall gelegt und war des andern Tage» eine Leiche.
— Bon allen Seiten des Landes und weit über seine Grenzen hinaus wird von dem furchtbaren Schneesturm berichtet, der am letzten Freitag gewüthet hat. Eisenbahnzüge blieben stecken, z. B. der Frankfurter Nachtschnellzug bei Breiten, der Stuttgart-Calwer Abend Zug kam mit ir /4 St. Verspätung an, auf verschiedenen Strecken, z. B. Riedlingen-Sigmaringen, Herbertingen-Jsny und and. fielen am 5. Dez. 14 und am 6 . noch 4 Züge aus, für die Postboten war
*es eine an Erschöpfung grenzende Krastanstrengung, um die Stadt zu erreichen und ohne Zweifel wird man noch von allerhand Unglück hören, das diese ungewöhnliche Naturerscheinung zur Folge hatte.
Heute den 8 . Dez haben wir den kältesten Tag diese». Winters mit — 160 R. Unsere Bierbrauer lachen dazu, denn sie bekommen jetzt Eis in Fülle, das sie in den letzten Jahren stets nur mit Noth bekommen konnten.
— Wildbad, 29. Nov. Die von Oberbamath Ehmann dem Finanzminister vorgelegten Pläne, betreffend Verwendung de» bei Nacht unnütz abflrrßenden ThermalwasserS sind nun genehmigt worden, uud soll mit den Arbeiten sofort begonnen werden. Badinspektor Mayer ist drßhalb gestern Nachmittag telegraphisch nach Stuttgart berufen worden. Nach Fertigstellung des geplanten Bauwesens wird unser Bad allen berechtigten Forderungen entsprechen, und werden die m den letzten Jahren laut gewordenen Klagen über Bädermangel ihre Erledigung finden.
— Tübingen, 23. Dez. Die Ergänzung des GemeinderathS ist gestern in aller Ruhe und Gemütlichkeit vor sich gegangen. Keine Hetzereien, keine Gehässigkeiten» keine persönlichen Angriffe durch Wort und Schrift, wie wir solche leider bei früheren Wahlen erlebt, haben stattgefun- den. Zum erstenmale vielleicht, seit überhaupt die Lebensläuglichkcit der Gemeindevertreter abgeschafft, hat sich hier das Merkwürdige zugetragen, daß nur Ein Wahlvorschlag gemacht wurde. In einer vom Volks« verein einberufenrn »allgemeinen Wählerversammlung*, bei welcher die verschiedenen Parteirichlungen vertreten waren, kam eine Einigung über die leitenden Grundsätze und die Auswahl der geeigneten Kandidaten zu Stande, gegen welche sich später kein öffentlicher Widerspruch erhob. Maßgebend bei Ausstellung des Wahlvorschlags waren persönliche Tüchtigkeit, zuverläßiger Charakter und Kenntniß der städtische» Verhältnisse; sodann möglichst gleichmäßige Vertretung der ver-
schieden«» Stäubt und BerufSarten. Endlich prinzipielle Mcht-Wieder- wahl der ausgetretenen GemrinderathSmitglieder. ohne Rücksicht auf persönliche Verdienste. Dieses auch von politischen Gegnern als »taktvoll* bezeichnet« Vorgehen des VolkSoereins leistete allen billigen Anforderungen Genüge, und es darf die eingetretrue Erkrnntniß, daß Gemetndewahlen nicht ausschließlich vom persönlichen und politischen Standpunkte aus zu behandeln sind, wohl als ein erfreuliche« Zeichen begrüßt werden, da« auch in andern Städten sich, gewiß nur zu ihrem eigenen Dohle, zur Nachahmung empfiehlt.
— MarkelSheim, 4. Dez. Die am vergangenen Montag stattgehabte GemrinderathSwahl favd lebhafte Betheiligung; rS wurden zwei bisherige und zwei neue Mitglieder gewählt. Da» Interessante dabei ist, daß e» im hiesigen Ort Sitte ist, daß erstmals gewählte Gemeinderäthe, nachdem ihre Wahl bekannt, den Wählern in den verschiedenen Wirth»häusern auf ihre Kosten ein »Gelage* veranstalten, bei welchem mehrere Hundert Mark aufgeheu, was auch heuec wieder der Fall war. (Auch nicht übel!)
— Ulm, 4. Dez. Die Unvorsichtigkeit, da« Portemonnaie einem außen am Kleide angebrachten Täschchen anzuvertrauen, Hot gestern ans hiesiger Messe mehreren Besucherinnen derselben ihr Geld gekostet.
— München. 2. Dez. Das »Schweinfurter Tagblatt* schreibt: Wie uns aus sicherer Quelle nntgetheilt wird, kommt die kürzlich ausgeschriebene und in der Presse besprochene, vier Millionen Mark große Otr'sche Erbschaft in Wien nun nach Ostheim o./Rhön an einen armen Taglöhner.
— Frankfurt, 4 Dez. Wie daS »Fr. I.' vernimmt, ist der GarantiesondS für daS 5. deutsche Turnfest auf fast 130.000 «A» angewachsen. Es kann demnach kein Zweifel mehr darüber obwalten, daß das Fest in einer seiner Bedeutung würdigen Weise abgehalteu werden wird. Bei den Zeichnungen soll sich der Mittel» stand wieder am «eisten bewähren, weniger die großen Bankhäuser. Die hiesigkn Brauer zeichnen sich besonders aus, sie stufen sich von 2500 bis zu 500 Die Platzfrage ist noch nicht entschieden; vier Plätze sind in Betracht.
— Münster, 1. Dez. Gesterk Nachmittag 3 Uhr belustigte sich die 17jährige Tochter des Friedrich Lauster auf dem Eis; die Decke, noch zu schwach, brach ein und das Mädchen sank dis an den Hals im Wasser ein, konnte sich aber mit einer Haud noch an der Eisdecke halten; einige Schulknaben hatten Geistesgegenwart genug, sich an die Rettung zu machen; der 13 Jahre alte Rudolf Maier hielt sich mit einer Hemd an einem Weidengcbüsch und bog sich bi» zu der Verunglückten hiu, ihr die frei gebliebene Hand bietend; da» Mädchen erfaßte sie, glitt jedoch an« und eist ,um zweiten Mal, al« ihr der muthige Knabe die Hand reifte, erfaßte sie sie fest; der kleine Reiter seinerseit wurde von den andern Knaben gehalten und so gelang die Rettung.
— Chemnitz 2. Dez. Gestern Abend ist im zweiten Zwickauer Brückcnbergschachte die Belegschaft durch schlagende Wetter verunglückt. Man befürchtet, daß 70—80 Mannschaften todt geblieben sind. Die Rettungsarbeiten sind in vollem Gange. (Der Frkf. Z. wird aus Zwickau den 2. Dez. Abends telegraphirl: Von der Belegschaft waren 150 Mann gestern gegen Abend im zweiten Brückcndergschacht angesahren. Um halb 11 Uhr erfolgte der Ausbruch schlagender Wetter. ES muß nothwendig eine gräßliche Zerstörung stattgrfunden haben. Entfernt Arbeitende wurden durch den vierten Schacht gerettet. Vielleicht 20 find todt, darunter Steiger Schumann und Weber. Vormittags halb 11 Uhr sind Direktor Berg und Osfizianten angefahren. Trotz Tclegraphirens erfolgte keine Antwort von unten.)
— Berlin, 4. Dez. „Aus guter Quelle wird versichert, daß bei den hier zwischen den österreichischen und deutschen Unterhändlern stattgkhabten Besprechungen wegen Vereinbarung eines Handelsvertrages die Frage der Errichtung einer deutsch-österreichischen Zollunion in ernstlichste Erwägung genommen worden ist. Nach weiteren Mittheilungen sind die diesseitigen Refforts, welche sich mit der fraglichen Angelegenheit zu beschäftigen haben, vom Reichskanzleramte angegangen worden, über diese in Aussicht genommene Zollunion sich gutachtlich zu äußern, und das nölhige Material beizubringen. Die österreichischen Kommissäre werden in 8—10 Tagen zur Wiederaufnahme der unterbrochenen Verhandlungen hier erwartet.*
St. Petersburg, 5. Dez. Der Kaiser begab sich gestern nach seiner Ankunft zunächst in die Kasan'sche Kathedrale, wo er ein kurzes Dankgebet verrichtete, und dann in das Winterpalais. In der kleinen Kirche des Winterpalais fand sofort nach der Ankunft eine Dankmeffe statt, welcher der Kaiser mit seiner Reisebegleitnng noch ia den Ressekicidern, sowie die kaiserliche Familie und alle zur Begrüßung erschienenen Würdenträger und Damen beiwohnten. Die Stadt ist beflaggt. Auf dem ganzen Weg vom Bahnhof bis zum Palais brachen die dichtgedrängten Dolksmassen in unaufhörliche Jubelrufe au»._
Redaktion Druck und Verlag von S. Oels chlLgcr in Kalw.
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