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Saulgau, 5. Juni Heute Bormittag war eine Trauung ln der Stadtpfarrkirche. Da« Orgelspiel brach auf eine auffallende Weise mitten inne ab, und als man nachsah, fand man den 79jäh rigen, seither noch rüstigen Orgrltreter Zimmrrmanu entseelt vom Schlage gerührt.

Karl» ruhe, 7. Juni. Einem Schreiner au« dem Würt- tembergischea, welcher bei der gegenwärtig hier statlfiudenden Messe feil Mt, ist seine Frau, Mutter von 5 Kindern, mit einem Andern durchgegangen.

Rastatt., 30. Mai. Ein 21jährige« Mädchen war, um den nach Karlsruhe fahrenden Eisenbahnzug zu erreichen, in höchster Eile der Station Malsch zugelaufen und hatte sich dabei so stark erhitzt, daß es im Eisenbahnwagen zwischen Malsch und Ettlingen starb.

Bayreuth, 5. Juni. Am Pfingstsonntag stürzten während de« Gottesdienstes in der Kirche am Brandenburger Thor zu Bayreuth die zwei Glocken vom Glockenstuhle herab, wurden aber vom Gewölbe aufgehalten. Der Schrecken in der Kirche war begreiflicher Weise ein sehr großer.

Am 30. Mai hat der bayerische Bevollmächtigte im BundeSrath in dessen Plenarsitzung zu dem Gesetzentwurf über Verfassung und Verwaltung Elsaß-Lothringens den Antrag gestellt »auf Konftatirung des Einverständnisses, daß die Sngliederunz der Statthaltcrwürde an den Chef eines regierenden bundesfürstlichen Hauses mit dem reichs ländischen Charakter von Elsaß-Lothringen nicht als vereinbar zu erachten sein würde.* EinEinverständntß" über diese Auffassung ist im BundeSrathe nicht erzielt worden.

Das k. Bezirksamt Pirmasens erklärt in einem Cirkular, daß »mit Rücksicht theils auf die ungünstigen Zeitverhältnisie und den zunehmenden Vermögensrückgang eines großen Theils der völkerung, theils auf die leider immer noch wachsende Rohheit und Verwilderung, dann aber auch Verschwendung und Putzsucht eines großen Theils der Jugend" keinerlei Erlaubniß zur Veranstaltung außerordeutlicher öffentlicher Tanzmusiken ertheilt wird.

Breslau, 7. Juni. Am Freitag setzte ein schweres Brand­unglück die Gemülher in Aufregung. Gegen 5 Uhr Nachmittags brach in den Kellerräumen des Hause« Ring Nr. 22 Feuer aus, indem beim Abfullen von Schweseläder der betreffende Ballon in Flammen gerieth und explodirte, so daß der mit dem Abfüllen beschäftigt ge- wesene Haushälter August Machner schwer verletzt wurde. Die vom Personal de» Droguenhändlers Koch sofort versuchte Unterdrückung des Brandes mißlang. Das inzwischen herbeigerusene Feuerwehr- personal ging nun seinerseits unter Leitung des Brandmeisters Basier vor. Als die Feuerwehr in den Keller drang, um etwaige weitere Explosionen durch Wegschaffung der anderen Aetherballons zu verhüten, wurden aber leider 4 Mann so schwer beschädigt, daß sie alsbald nach dem Hospital gebracht werden mußten. Als man sich noch weiterer Thätigkeit schon der Hoffnung hingab, daß die Gefahr unter- drückt sei, begaben sich unter Führung des Brandmeisters BäSler die Vorsteher de» FeuerrrttungSverein« Klempnermeister Scholz und Kaufmann Frankfurther in den Keller. Ein Feuerwehrmann trug eine brennende Laterne voran. Kaum waren die Genannten bis an den letzten Theil der Treppe gelangt, als plötzlich eine gewaltige Detonation erfolgte. Aufs Neue mußten ein Aetherballon oder die Gase sich entzündet haben. Schwer verletzt wurden die Herren BäSler, Scholz und Frankfurther aus dem Keller gebracht. Sechs Verunglückte haben im Allerheiligen-Hospital Aufnahme gefunden. Erst nach 7 Uhr war eS gelungen, das Feuer zu ersticken, so daß die Feuerwehr abzu­rücken vermochte. Außer den vorgenannten Herren find noch 6 Feuer­wehrmänner in bedenklicher Weise, mehrere andere leichter verletzt. Zwei von den Verunglückten sollen bereits gestorben sein; auch an dem Auskommen mehrerer anderer soll wenig Hoffnung sein.

Berlin, 7. Juni. Der ReichSanz. meldet: Der Zustand des Kaiser« hat bis jetzt stetige Fortschritte gemacht. Die Geschwulst der Kniescheibe hat von Tag zu Tag abgenommen, das Innere der Kniescheibe ist usbetheiligt. Heute wurde ein fixtrender Verband an­gelegt. Der Kaiser hat die Lage auf der Chaiselongue mit dem Sitz im Lehnstuhl vertauscht und auch schon eine kurze Strecke zu Fuß zurückgelegt.

Berlin, 6. Juni. Die Vertagung der Berathung über da« Eiscnbahngütertarifwesen erfolgte auf Antrag Württembergs. Der Entwurf war einzelnen Regierungen auf amtlichem Wege noch nicht einmal in vollem Umfange bekannt geworden. Die Berathung wird erfolgen sobald die Instruktionen für die Kommissäre vollständig einge gangen sind. Die Ausschüsse de« BuudeSrathö für Handel und Verkehr und für Justizwesen haben einen umfassenden Bericht über den Zwang zur Gestattung der Abimpfung an den BundeSrath ge richtet. Es handelt sich um eine bezüglich eine« solchen Zwangs in Württemberg erlassene SuSführungSbestimmung zu dem ReichSimpfge-

setz, deren Außerkraftsetzung der 8ande«verein für Homöopathie i» Württemberg bei der dortigen Regierung vergeblich beantragt hatte und die nun erneut von dem gedachten Verein bei dem BundeSrath verlangt wird. In den Ausschüssen fanden umfassende Erörterungen über die Frage statt, ob der württ. Regierung, welche sich auf eine landesgesetzliche Bestimmung vom Jahre 1818 beruft, ein Recht auf eine solche Berufung zustehe. Die Mehrheit der Ausschüsse bejahte diese Frage und beschloß, dem Gesuch keine Folge zu geben.

Berlin, 8. Juui. Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: »In den Blättern findet sich bereits seit mehreren Tagen die Nachricht, daß man in parlamentarischen Kreisen mit dem Gedanken umgehe, den Reichstag demnächst bis zum September zu vertagen. Neuerdings wird hinzugefügt, daß man in Regierungskreisen aicht abgeneigt sei",, diesem Plane sich anzuschließeu. Letzteres ist nach unseren Jnfor« mationen entschieden unrichtig. Dir Regierung wird darauf dringen, daß die Geschäfte in der gegenwärtigen Session ohne Unterbrechung derselben im Zusammenhänge erledigt werden. Sie wird um so weniger einer Vertagung zustimmeo, als das Interesse der gewerb­lichen Kreise eine baldige und unverzügliche Erledigung der sie in ihrem Lebensnerv berührenden Fragen erheischt."

Berliner Blätter melden: Da es in der Absicht des Polizei« präsidenden und des Ministers des Innern liegt, den Schluß sämmt» licher Lokale Berlins um 12 Uhr eintreten zu lassen, soll, um dir» zu Verbindern, oder doch zu erlangen, daß die Schlußzeit auf 1 Uhr festgesetzt werde, gegen die in Aussicht gestellte Maßregel agitirt werden-

Berlin, 9. Juni. Der Kaiser erläßt die partielle Amnestie für die anläßlich der vorjährigen Attentate wegen Majestätsbeleidigung verurtheilten Personen, natürlich nur für Preußen, da das Begnadigungs­recht den einzelnen deutschen Bundesstaaten zusteht. Wie dasD.M.-B." jedoch erfährt, wird gleichzeitig mit der vom Kaiser zu erlassenden- Amnestie auch seitens der übrigen deutschen Landesherrn eine solche für gleichartige Verbrechen erfolgen.

Insterburg, 8. Juni. Eine traurige Parodie des Diogenes bildet der schon seit längerer Zeit obdachlose Arbeiter B.; derselbe wohnt nämlich gegenwärtig mit seiner Frau und einem Säugling in der Chaufseewalze, die am Jnsterburger Exercirplatz steht. Sobald der Tag graut, kommt das Paar nach der Stadt, um sich den Lebens« unterhalt zu erbetteln.

Uebcr ein schaurrlicheS Familiendrama wird aus Königsberg berichtet:Der LoSmanu Bandsleben war auf dem letzten Jahr­märkte in Lyk und verkaufte seine Kuh. Unter dem Gelde erhielt er auch einenEiuhundertmarkscheiri". Zu Hause durchsuchte sein sechs­jähriger Sohu die Taschen des Vaters und fand diesen Schein. DaS Kind fing au, mit demselben zu spielen und zerrteß rhn schließlich- Als der Vater dies bemerkte, ward er derartig wüthend, daß er das Kind ergriff, es an den Hauklotz schleppte und ihm mit einer Axt de» Kopf abhieb. Nach der Thal erwachte sein Gewissen. Er ging und erzählte seine unmenschliche That der Frau, die gerade ein Kind badete. Diese fiel vor Schrecken in Ohnmacht, und in der Zeit ertrank nun auch das zweite Kind in der Wanne. Der Mörder ist verhaftet worden."

Wien, 9. Juni. Aus Teplitz wird gemeldet: Für die Ankunft des deutschen Kaisers werden Vorbereitungen getroffen. Zufolge starken Wolkenbruchs sind in Oefterreichisch Schlesien mehrere Ortschaften, überschwemmt und bedeutender Schaden verursacht worden.

Catania, 9. Juni. Der Ausbruch des Aetna hat fast gänz­lich aufgehört, desgleichen auch die Laoaströmung; es sind keine Erdstöße verspürbor, nur schwache» Getöse; vom Hauptkrater steigt noch Rauch auf.

Paris, 8. Juni. Eine Depesche des TempS aus Constanttne meldet: Der Stamm Uledaud in der Nachbarschaft von Batna ist ist in völligem Aufruhr. Der Sohn des Kaid und mehrere Häupt­linge wurden getödtet. Die in Batna angekowmenen Truppen haben auf dem Marsche viel gelitten. Die Bevölkerung von Batna ver­langt Gewehre.

London, 7. Juni. Die Taucher die in der vergangenen Woche au der Pommerania und dem großen Kurfürsten thätig waren besichtigten letzteren gestern abermals und fanden seine Lage unverändert. Sie überzeugten sich, daß die obwaltenden Hindernisse vermittelst Leutner's System sämmtlich überwindbar seien und nahmen ein genaues Maß des Riffes, welcher entweder durch einen luftgefüllten Ballon oder durch eine Eisenplatte verstopft werden soll. Die Taucher hoffen die Post- beutel und den Geldvorrath der Pommerania binnen wenigen Tagen in Sicherheit zu bringen, die Gesammtladvnz aber in wenigen Wochen. Innerhalb eines Monats soll der Große Kurfürst sicher iu seichtem Wasser liegen.

St. Petersburg, 9. Juni. DerRegierungSbote" meldet, die Hinrichtung de« Staats-Verbrecher« Solowjeff werde heute Morgen» 10 Uhr auf dem SmolenSkyfelde vollzogen.

Nedattiou Druck und Verlag von S. OelschlLger tu Salw.