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Berlin» 8. Juli. Dir hauptsächlichen Arbeiten de- KongresseS werden al» erledigt bezeichnet. Batum bleibt bei Rußland und wird Freihafen, wie bereit- gemeldet. In der heutigen Kongrrßfitzung, welche unter Thrilnahme sämmtllcher Delegirter um 2>/i Uhr begann, sollen noch einige Detailfragen bezüglich Batum- geordnet werden. In der heutigen und der folgenden Sitzung dürste sich der Kongreß mit den Detailarbeiten der Kommissionen beschäftigen. Die Unterzeichnung de- Vertrage- und Schlußprotokolle- wird Donnerstag oder Sonnabend erwartet.

Glogau, 6. Juli. Die 4. Kompagnie des 5. Fuß-Artillerie- Regiments wurde am heutigen Schlußtagr der diesjährigen Schießübung von einem schweren Unglück betroffen. Eine 15 Centimeter-Granate krepirte vor dem Einsetzen in da- Rohr. 2 Kanoniere wurden auf der Stelle getvdtet. 1 Unteroffizier und 2 Mann schwer, Hauptmann Brennecke, 1 Unteroffizier und 2 Mann leicht verwundet.

Selbst in unserer an scheußlichen Verbrechen so reichen Zeit scheint e» unglaublich, wa» man über gewerbsmäßig betriebenen Kindermord von Danzig hört. Die Voruntersuchung der dortigen Eriminalpolizei gegen eine verheirathete Frau hat bereits ergeben, daß diese Frau seit 6 Jahren da- Beiseiteschaffen neugeborener Kinder besorgte. Mehrere Frauenspersonen sind als Mitschuldige verhaftet. Bei einer Haussuchung in der Wohnung der Berbrecherin fanden sich verschiedene chirurgische Instrumente und Arzneimittel, welche auch noch auf andere schwere Unthaten schließen lassen. Im Keller waren 5 vom Rumpfe getrennte Köpfe neugeborener Kinder vergraben. Da- weibliche Scheusal wollte sich durch Zurückweisung von Speisen und Getränken der strafenden Gerechtigkeit entziehen und erkrankte in Holge davon an einem gastrischen Fieber, es soll jedoch bereits einige Besserung eingetretrn sein.

Posen, 4. Juli. Ein entsetzliches Verbrechen, das in der letzten Nacht in unserer Stadt verübt worden ist, hat Alle- in die schrecklichste Aufregung versetzt. Eine Frau, hoch in den siebziger Jahren stehend, den ansehnlichsten Kreisen unserer Stadt angehörig, ist heute Nacht der verruchten Hand eine- MöderS zum Opfer ge- fallen, und damit nicht genug» ist auch ihre Nichte, die aus der Kerne, au- Guhrau in Schlesien zur Pflege und Gesellschaft ihrer greifen Tante hierher gekommen war, erdrosselt worden. Noch bis zu dieser Stunde find über die Thäter, denn kaum ist anzunehmen, daß das Schreckliche von einem Verbrecher nur geschehen, nicht mehr als Bermuthungen verlautbar geworden, deren öffentliche Verwertung in einer Zeitung wir noch zu scheuen haben. Das aber steht fest, daß e» sich um einen Mord aus den elendesten Motiven, um einen Raub- mord handelt. Gestern Abend noch war die alte Dame in dem gleichnamigen Geschäfte auf der Wilhelmsstraße gewesen; gegen 8 Uhr hatte sie sich mit ihrer Nichte nach der Wohnung zurvckge. zogen. In der Nacht will ein Dienstmädchen des Hause- ein Ge> räusch vernommen haben; daß die Ermordeten bet dem Uebersall laut geschrieen haben, ist indeß nicht anzunehmen. Heute früh ging rin Dienstmädchen die beiden Damen wecken; als dieselben auf das erstemal nicht aufgrstanden waren, wiederholte das Mädchen ihr Wecken, und da erst merkte sie, was geschehen. Die beiden Unglücklichen lagen erdrosselt in ihren Betten. Die Nichte hatten die Verbrecher vor der Ermordung mit einem Stricke gebunden. An ihrem Halse find deut­liche Fingerspuren, dir von der Erwürgung herrühren, zu sehen. Die Schrankthüren standen offen, auch eine Kommode war erbrochen.

Hamburg, 5. Juli. Abermals ist Unsere Stadt durch eine grauenvolle Mordthat in Aufregung versetzt worden. Heute früh um 4 Uhr fanden patrouillirendr Konstabler in einem nahe der Stadt (in Ham) belegenen Park die Leiche eine» seit einigen Tagen vermißten 11jährigen Knaben, Sohne- eines hiesigen geachteten Kaufmanns (Blon), in einem Schrecken erregenden Zustande. Dem Knaben war nämlich der Bauch aufgrschlitzt, aus welchem die Gedärme heraus- hingen. Der Mund war mit einem Taschentuch« verstopft» und verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß an demselben noch ein weürre- bestialische- Verbrechen verübt worden ist. Glücklicherweise ertappte man bald nach der Auffindung der Leiche da- Verbrecher» Monstrum; denn so darf man de« Thäter wohl nennen, weil die Bermuthung nahe liegt, daß dieser auch zwei früher in unserer Stadt vorgekommene ähnliche Verbrechen verübt hat, von deren Urheber bisher eine Spur noch nicht aufgrfunden worden ist. Das Scheusal ist ein Bäckergeselle in dm 20er Jahren; man saßt: ihn in der Nähe seine- Opfers, wo er sich versteckt hielt, um, wie man meint, da- Taschentuch und ein bei der Leiche zurückgelaffeneS Taschenmesser in Sicherheit zu bringen.

Wien, 8. Juli. Die N. Fr. Presse meldet aus Eerajevo: Beim Brkanokverdrn de- bevorstehenden Einmarsches der Oestreicher wurde der Bazar geschlossen. Die Türken versammelten sich bewaffnet. Unter den Christen herrschte Anfangs Panik, später fraternisirten sie

mit den Türken. Gegen die Okkupation wurde telegraphisch beim Kongreß protestirt. Vor der Kaserne hat eine Demonstration statt- gesunden, dir Absezung de- Militärkommandanten Bosnien- wurde verlangt und erwirkt. Sein Exzeß wurde verübt, jedoch ist die Lage bedrohlich.

London, 5. Juli. Die Time- glaubt als wahrscheinlich be­zeichnen zu dürfen, daß Batum unter der Bedingung Rußlund zuge­sprochen werde, diesen Platz nie zu befestigen.

London, 6. Juli. Wenn einem bei Lloyd eingelaufenen Tel. zu glauben ist, hat inzwischen der König Wilhelm auf seiner Heim­fahrt in der Nähe von Norderney am 29. v. M. einen neuen Zu­sammenstoß erlebt; diesmal ist er allerdings nur gegen eine Fischer­barke (Tom von London) angrfahren, was dieser das Bugspriet, den Bezanmast und einen Theil der Takelage kostete.

London, 8. Juli. Im Uuterhause gab der Staatssekretär de- Innern Croß auf Befragen HartingtonS folgende Erklärung ab: Im Hinblick darauf, daß Rußland einen Theil der asiatischen Türket behalte, wurde am 4. Juni eine bedingungsweise Konvention abge­schlossen, daß für diesen Fall England die Türkei gegen zukünftige Angriffe vertheidige. Zu diesem Zweck trete die Pforte Cypern an England ab. England ergreift jetzt sofort Besitz von Cypern, Wolfe- ley ist zum Administrator ernannt.

Lo n b on, 9. Juli. Der , Morning Post" zufolge reist General Wolseley in einigen Tagen nach Cypern. Eine Abtheilung indischer Truppen geht gleichzeitig dorthin ab. Alle Zeitungen,Daily News" ausgenommen, besprechen die englisch-türkrsche Konvention günstig und nennen sie einen kühnen politischen Schritt, geeignet die englischen Interessen in Indien und am Suezkanal zu schützen. DieDaily News" tadeln die Konvention, indem sie die große Verantwortlichkeit Englands hinsichtlich der asiatischen Türkei hervorheben.

Konstantiuopel, 6. Juli. Die türkischen Kongreßdelegirten in Berlin erhielten die Weisung, mit den österreichischen Delegirteo die Modalitäten der Okkupation Bosniens festzustellen.

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Amerika. »Heirathen werden hier umsonst geschlossen," lautet die Inschrift an derOffice" eines Friedenrichters in Ohio, der daneben" eine Wirthschaft hält und genug Geld durch das Besorgen der Hochzeits-Mahlzeiten und des Hochzeitstrunks verdient, um da» Kopuliren gratis besorgen zu können. !

New-Jork, 14. Juni. Enorme Ernte Ergebnisse stehen in ! Aussicht. Die Weizenernte wird, wie man alle Ursache anzunehmen ^ hat, die größte sein, welche jemals in diesem Lande gewachsen ist.

Die Ueberstedelung von Hunderttausenden von kräftigen Arbeitern nach den Staaten des fernen Westen» und der ermuthigende Erfolg, den dir Farmer im Verkauf der außergewöhnlich reichen letztjährigen Ernte erziehlt, hat zur Folge gehabt, daß das Areal der kulttoirtrn Länder­eien eine bedeutende Erweiterung erfahren hat.

New-Aork. 7. Juli. Die Nachrichten über den Krieg mit den Indianern sind ernster Natur. Die Indianer dringen nach Norden vor. Eine starke Kolonne versuchte den Columbia zu überschreiten.

Die Stadt Canyion City ist von Indianern umzingelt, das ganze Gebiet in größter Erregung.

China. Der Reichthum an Steinkohlen in China ist nach neueren Berichten rin ganz enormer. Die chinesischen Kohlenfeldrr nehmen nämlich einen Raum von 400,000 (engl.) Quadratmeilen ein, während für England seine 12000 Quadratmeilen Kohlenlager ge­nügten, um es industriellsten Laude der Welt zu erheben. In der Provinz Hu-Nan findet sich ein Kohlenfeld, das sich über 21,70l> Quadratmeilen ausdehnt. Dieser Ländrrstrich zeigt zwei von einander vollkommen verschiedene Kohlenbecken, eines derselben besitzt nur bitumin­öse, das andere dagegen sogenannte Glanzkohlen. Die Kohlenlager der Provinz Schan-Si nehmen den kolossalen Raum von 30,000 Quad- ratmrilen ein. Ein derartiger Kohlenreichthum ist im Stande, für Tausende von Jahren den Bedarf für die ganze Erde zu liefern. Die Tiefe dieser Kohlenbecken variirt sonst von 1230 Fuß, die der letztgenannten Provinz erstreckt sich bi» auf 500 Fuß.

Vermischte».

In einem Aufsatz eine- Arzte» über dieSelbstmordsucht unserer Zeit" nennt de: Verfasser unser Jahrhundert nicht ganz mit Unrecht

da-Jahrhundert des Selbstmords." Schon die Statistik über

Stedattwn» Druck und vertag v»u

Selbstmorde iu der Zeit von 18001857 hat dargelegt, daß binnen dieser 57 Jahr« nur allein in Deutschland über 8M.ÖOO Mensche» durch Selbstentleibung au- der Welt geschieden sind! Eine Selbstmord­statistik von 185778 würde noch gräßlichere Resultate aufweisen ^ ist -och seit mehreren Jahren die Selbstmordsucht unter Jung und All zur wahren Manie geworden! Entsetzlich, daß eia solch' großer Prozent» satz von Christen sich selbst zum Tode verurthetlt und hinrichtet!