298
Unglückliche schon nach wenigen Stunden den Geist aufgab. Dieselbe, Mutter von drei noch jüngeren Hindern, wird allgemein bedauert, da fie sich eines guten Rufes zu erfreuen gehabt hat.
Bartenstein.23. Juni. Da» vielfach angefochtene Institut -er Kindersparkassen findet in unserer Gegend immer mehr Beifall und Zuwachs. ES besteht eine solche seit einem halben Jahr mit erfreulicher Betheiligung in der hiesigen kathol. Schule, und seit einem Jahr in unserer evangel. Schule zu Ettenhausen, in welch letzterer binnen dieser Zeit von etwa 90 Schülern, worunter wohl die Hälfte gering begüterten Eltern angehört, über 1200 »ik eingelegt worden sind. Davon, daß durch solche Kaffen in den kindlichen Gemüthern dir unedlen Leidenschaften der Selbstsucht, der Habsucht, des Neides u. dgl. wachgerufen werden, haben wir noch nichts gespürt. Mag dieß da und kort vereinzelt Vorkommen; dennoch dürfte nicht zu bestreiten sein, daß r« aus national-ökonomischen, sittlichen und politischen Gründen in gegenwärtiger Zeit ganz besonders angezeigt ist, dxn Sinn für vernünftige Sparsamkeit diesem goldenen Mittelweg zwischen Geiz sind Verschwendung vor Allem in unserer Jugend zu wecken und zu nähren.
— Frankfurt, 25. Juni. Die „Fr. Ztg.' schreibt: Das deutsche Schützenfest in Düffeldorf wird von hier aus stark besucht werden; ca. 100 Schützen rüsten sich zur Fahrt. Der Sammelpunkt der Wiener» Stuttgarter, Frankfurter Schützen ist Mainz, von wo sie gemeinsam aus einem eigen« hiefür gemirtheten Dampfboot nach der Feststadt fahren.
München, 24. Juni. Laut Beschluß der Polizeidirektion ist der sozialdemokratische Arbeiterverein hier geschloffen worden.
8— Berlin, 26. Juni. Bulletin von 1.0 Uhr Bormittag». Die Kräfte Sr. Majestät haben sich ungeachtet der großen Hitze in dem Grade gehphe«, daß der Kaiser ohne jegliche Unterstützung, den rechten Arm in der Tragekapsek, in der Linken einen Stock haltend, im Zimmer umhergehen konnte.
— Berlin, 24. Juni. DaS Befinden des Attentäters Nobiling hat sich io den letzten Lagen gebessert. Berliner Blättsr schreiben darüber: Nobiling richtet sich jetzt bereits im Bette aus, ißt Mit Appetit und gibt thetlweise Antworten auf an ihn gerichtete Frage«. Auf die am Sonnabend gerichtete Frage eines der behandelnden Aerzte, ob eS besser mit ihm gehe, antwortete er: „Etwas!" — Bei allen Antworten aber, die Nobiling gibt, spielt rin eigenthümlicheS Lächeln um seine Lippen: das eine» Blödsinnigen, und man glaubt in ärztlichen Kreisen bei der großen Menge Gehirn, die Nobiling verloren, in ihm immer nur einen blödsinnigen Menschen am Leben erhalten zu können.
— Berlin, 25. Juni, Da» Attentat Nobiling« hat rin Menschenleben zum Opfer gefordert! Die Ehefrau des Kriminalschutzmanns Süß. welcher unter den ersten Personen war, die in das Zimmer des Mörders eindrangen und irrthümlich als schwer verwundet bezeichnet wurde, ist in Folge der durch jene Nachricht erlittenen Aufregung verstorben, nachdem sie zwei Tage vorher von einem tobten Kinde entbunden war.
— Berlin, 25. Juni. Mit Rücksicht auf die Gegenkonzession Rußlands in Betreff der Befestigung der Balkanpäfse durch die Türken ist von Seiten anderer Kongreßmitglieder der Widerstand wegen Sofia'» und de» SandschakS Sofia, welches sie der Südprovinz rinverleiben wollten, aufgegeben. Durch diele Konzessionen soll die KonzUianz der Verhandlungen und deren Beschleunigung gefördert werden. Rußland legte rin große« Gewicht auf diese Frage und hat durch Belastung Sofia'« beim Fürstenthum Bulgarien rin großes Zugrständniß erlangt.
Die Zweitheilung Bulgariens, wie der Kongreß sie acceptirt hat, erregt nicht überall Befriedigung. Biele meinen, es sei damit wieder nur eine provisorische statt einer nachhaltigen Lösung gefunden. DaS neue Rumelirn, wie die Südprovinz genannt werden soll, fürchtet man, werde nur allzu bald dem zu schaffenden FUrstenthum Bul -arten gleichen wollen, und so dürsten in abermals zwei oder drei Jahrzehnten die Verhältnisse im Südosten unsere« ErdtheilS kaum anders liegen, wir vor zwei Jahren.
— Posen. 24. Juni. Die „Ostdeutsche Ztg.' meldet au» Ostrowo: Bei einer gestern stattgehabten katholischen Prozession in Kaltsch brach eine Revolte gegen Juden und Protestanten aus. Die Synagoge und viele Kaufläden wurden geplündert und 13 Personen grtödtrt. Das Militär schritt ein.
— Der „Echtes. Presse' geht über die telegraphisch gemeldete Judenhetzr in der russisch-polnischen GouvernementSstadt Kalisch ein Bericht vom 23. d. zu, dem wir Folgende» entnehmen; Heute fand seiten« der katholischen Christen au« Anlaß he« FrohnleichnamS- feste» der übliche Rundgang durch die Straßen der Stadt statt. Es w aren vier Altäre an verschiedenen Ecken der Straßen errichtet.
Verl«- von
Einer dieser Altäre war durch ruchlose Hand zum Theil zerstört. Sofort hieß es, die« habe ein Jude grthan. Ohne weitere« Besinnen stürtzte sich ein Theil der Katholiken auf die zufällig in der Nähe de- sinnlichen Israeliten und schlug diese zu Boden. In wenigen Minuten hatte sich die Prozession aufgelöst, ein großer Theil strömte nach dem Judentempel und in die Bethäuser, zerbrach alle« Werthvolle, riß das Allerheiligste und die Bundeslade auf, worin die Gesetzesrollen, und zerstörte letztere. Gleichzeitig drang die Masse mit Waffen aller Art, Sensen und Dreschflegeln bewaffnet auf alle ihr begegnenden Israeliten ein und machte ihnen unbarmherzig den GarauS. Zwölf Juden wurden gelöytet. Nun rettete sich Alles, wgs konnte^ in die Häuser, verschloß, verrammelte und oerbarrikadirte diese. Wer nicht Zeit gewinnen konnte, die Geschäftsläden zu sichern, dem wurde ein Theil des Inhalts geplündert. Auch die evangelischen Christen sind vor einem Ueberfall nicht sicher. Man sieht Viele auf preußisches G-biet flüchten, darunter namentlich die jüdischen HandeSleute» die bedeutende Summen aufbitten, um mittelst eines Wagens schleunigst über die Grenze zu kommen. Zum Unglück ist Kalisch zur Zeit ohne jegliche« Militär; die Garnison, ein Regiment schwarzer Husaren, ist vor ca. 14 Tagen auSgerückt.
— Hannover, 2b. Juni. Der „Hannover'sche Kurier' will au» angeblich zuverlässiger Quelle wissen, daß zwischen der preußischen Regierung und dem Prinzen Ernst August ein Abkommen getroffen sei, wonach der Prinz den Titel Herzog von Cumberland und Erbprinz von Braunschweig'Lvneburg annchmen und ihm das beschlagnahmte Vermögen deS Königs Georg V. zurückgezeben werden solle.
W ien, 24. Juni. Es bestätigt sich, daß Serbien und Montenegro in entschiedener Weise von Rußland benachrichtigt wurden, sie hätte» in keinem Falle mehr auf russisch: Unterstützung zu rechnen, wen» sie sich nicht den sie betreffenden Kongreßbeschiüssen sügea würden. Daran schloß sich der Rath, die in Berlin weilenden Vertreter der beiden Fürstenthümer mögen sich bei Zeiten mit dem Grafen Andrassy za verständigen suche», noch bevor der Kongreß ihre Angelegenheiten verhandelt. Diese für Oestreich recht günstige Haltung Rußlands soll auf deutsche Einwirkung sowie auf englische Unterstützung des Andras- sh'schen Standpunktes znrückznführen sein.
— Wien, 26. Juni. Die „Pol. Corrisp.' meldet aus Konstantinopel vom heutigen: Die Pforte beschloß, den aus dem schwarzen Meere mit Bestimmung nach San Stefano anlangenden Truppen oder Munition führenden Schiffen den Eintritt in den Bosporus zu untersagen.
Mailand, 23. Juni. In abgelaufener Woche verging kein Tag, ohne daß mehrere Personen von Hunden gebissen und im großen Spital gebrannt wurden. Sämmtleche Hunde ohne Maulkorb (man fing jeden Tcg mehrere Duzend) wurden sofort gelödret und der LoS-- kauf derselben in Betracht der außerordentlichen Gefahr durch rin städtisches Gesetz verweigert. In Anbetracht der strengen Maßregeln unserer Gemeindebehörde wurden in diesen Tagen 500 bisher uneinge- schrirbene Hunde angezeigt; es darf aber immer r och angenommen werden, daß weitere 1500 ohne Maulkorb und nnangezeigt find. Nach einer Schäzung befinden sich in der Stadt 6000 Hunde, von welchen bisher nur 4000 rechtmäßig eingeschrieben wären.
Madrid, 24. Juni. Die junge Königin von Spanien Moria Mercedes, erkrankte vor Kurzem an einem gastrischen Fieber, das aber bald einen typhösen Charocter annahm und so besorgnißerregend geworden ist, daß am Morgen des 24. d. derselben in Gegenwart deS König« und der königlichen Familie durch den Patriarchen von Indien- die letzten Sacramente gespendet worden sind.
Paris, 26. Juni. Die Ag. Hava« meldet aus Paris von heute, Mittags 12 Uhr 35 Min. Die Königin Maria Mercedes (vermählt mit König Alfons den 23. Jan. d. I.) ist gestorben.
Madrid, 26. Juni. Die Leiche der Königin wird morgen öffentlich ausgestellt und am Freitag nach der Begräbnißstätte EScurial übergeführt. In den Kammern, welchen das Ableben der Königin mitgetheilt wurde, drückte der Präsident das allgemeine Bedauern über den unersetzlichen Verlust aus; die Sitzungen wurden bi» auf Weitere» aufgehoben. In Madrid herrscht große Niedergeschlagenheit.
London, 26. Juni. Nach hier eingelangten Kongreßnachrichten ist man Uberringekommen, daß die Okkupationsfrist für alle durch die Russen besetzten LandeStheile durchweg nach 9 Monaten vom» Friedensschluß von San Stefano ab gerechnet, zu bemessen sei und die allseitige Evaluation in weiteren 3 Monaten beendet sein muß.
Athen. 26. Juni. Aus EpiruS und Thessalien liegen Meldungen vor, wonach die Türken in verschiedenen Orten Christen niedermetzelten. Die Christen setzten bewaffneten Widerstand entgegen und vertrieben die Steuerhebel: au» mehreren Ortschaften- Der Ausbruch einer allgemeinen Revolution gilt als bevorstehend.