Ü72
Standesamt Calw.
Vom 26. Novbr. bis 3. Dezbr. 1876. Geborene.
22. Nov. Georg Marti» Friedrich, Sohn des Johann Martin Leeger, Schlossers dahier.
24. . Marie Christiane, Tochter der Johanne
Christiane Pfeifsle, ledig dahier.
25. , Emma Friederike, Tochter des Johann
Georg Holzapfel, Schwanenwirths dahier. 27. , Gertrud, Tochter des Emil Zöppritz,
Fabrikanten dahier.
1. Dezbr.Pauline, Tochter des Georg Friedrich Schmelzle, Lakiers dahier.
Gestorbene.
26. Nov. Anonymus, Sohn des Jakob, Lamparlh, Fabrikbareiters dahier.
25. , Christiane Catharine, geh. Bader, Ehcfr.
des BahnhofkasfierS Hermann Vaigle. 27. , Joseph Jakob Koch, Sohn des Joseph
Jakob Koch, Wagenwärters dahier 9 Monate alt.
Die Rettung Schiffbrüchiger.
Vortrag von Emil Zöppritz.
Gehalten zu Calw den 10.-November 1876.
(Fortsetzung.)
Es bleibt mir nun noch übrig, Ihnen eine Beschreibung der Rettungsmittel zu geben, die auf'unseren Stationen in Anwendung sind.
Wie Ihnen schon bekannt ist, spielt das Rettungsboot eine Haupt, rolle. Zu einem solchen kann in Nothfällen schließlich jedes gute Boot gemacht werden, indem man demselben durch Befestigung leerer Füßchen oder sonstiger wasserdichter Behälter unter den Sitzen soviel Tragfähigkeit verleiht, daß cs, selbst wenn es durch eine Welle voll Wasser geschlagen wird, trotz der Belastung durch Mannschaft u. s. w. nicht uutersinkt. Es wird jedoch ein dieser Art hergerichtetes Boot) in seltenen Fällen den Ansprüchen genügen, die an ein eigentliches Rettungsboot gestellt werden.
Die Haupteigenschaften, die von einem guten Rettungsboot verlangt werden, sind:
1) Große Tragfähigkeit, selbst für den Fall, daß das Boot voll Wasser geschlagen wird.
2) Die Eigenschaft, selbst beim unruhigsten Seegang noch gut lenk- bar zu sein, und möglichst große Sicherheit gegen das Umschlagen (Kentern) zu bieten.
3) Für den Fall, daß das Boot wirklich Umschlägen sollte) sich wieder selbst aufzurichten, resp. in die normale Lage zuröckzukehren. Ferner ist die Einrichtung der Selbstentleerung, wenn das Boot
voll Wasser ist, eine sehr schätzenswerthe, obwohl sie nicht in allen Fällen anzubringen ist.
Die Erfindung der Rettungsboote läßt sich auch auf das im Ein- gange erwähnte Unglück der ^äventurv zurückführen. Die Rettungs- gesellschaft in Sbiellls setzte, wie schon gesagt, Preise für Konstruktion von Booten aus, die auch bei heftigem Sturme die See halten konnten, und so wurden die ersten dieser Boote gebaut, die sich von den gewöhnlichen Booten jedoch meist nur dadurch unterschieden, daß sie stärker gebaut waren, und zum Schutz gegen das Untersinken sowohl unter den Sitzbänken als am Hinter- und Vordertheil mit Korkblöcken versehen waren, auch hatten sie meist außen um das ganze Boot herum einen Korkgürtel.
Dieser Art blieben nun die Boote, mit manchen Abänderungen natürlich, wie Anbringung von Luftkasten, und solche, die das Umschlagen zu erschweren bezweckten, bis l841 bei einem Konkurrenzaus- schreiben der Bootsbauer karron ein Boot brachte, das mit einem lustdichtschließenden doppelten Boden versehen war. Dieser zweite Boden war über der Wasserlinie des Bootes angebracht, und stand durch mehrere Röhren in Verbindung mit der unteren Beplankung. In diesen Röhren waren Ventile angebracht, die sich nach unten öffneten, so daß, wenn das Boot voll Wasser war, dieses über dem das Boot umgebenden Wasser stand, und dann durch die Röhren und den Boden des Bootes hinaus aublaufen konnte. Durch diese Con- struktion hatte man erst unversinkbare Boote, denn alle bisherigen Boote lagen, sowie sie einmal vollgeschlagen waren, bis zu dem Augenblick, in dem sie wieder annähernd leer geschöpft waren, so tief im Wasser, daß sie kaum zu regieren waren.
Mit diesem Boote glaubte man nun damals alles denkbar mögliche erreicht zu haben, bis im Jahr 1849 das schon erwähnte Unglück einlrat, daß bei einem Rettungsversuche mit einem solchen Boote sowohl die ganze Mannschaft des Bootes als auch die vermeintlich geretteten im Ganzen 22 Personen durch Umschlagen des Bootes ihren Tod fanden. Auf dieses Unglück hin wurden Preise ausgesetzt auf die Ovnstrukti'on eines Bootes, das außer den Vortheilen des kar- ron'schen Bootes noch den haben sollte, daß es sich nach dem Umschlagen von selbst wieder aufrichte.
Den Preisrichtern wurden nun nicht weniger als 250 Modelle präsentirt, unter denen sich besonders das von Bootsbauer Leeckinß- konstruirte vortheilhast auszeichnete; es wurde ihm daher! ein Preis zu- rrkannt, und ein Boot nach diesem Modell gebaut. Bei der Prüfung dieses Bootes stellten sich jedoch verschiedene Mängel heraus, worauf dann ein Mitglied der Prüfungskommission teak ein Boot konstruirte, das die vorhandenen Mängel soweit als möglich vermied. Besonders wurde auch die Selbstentleerung verbessert, so daß das Boot sich in wenigen Augenblicken entleerte, während es früher Minuten dazu brauchte.
(Fortsetzung folgt.)
j —Stuttgart. In letzter Zeit hat sich hier ein „württembergischer
Kunstgewcrbeverein" konstituirl, dessen Leitung von vornherein in berühmte Hände gelegt worden ist, wofür die Namen v. Leins, v. Egle, Schnorr, Herdtle, Bruckmann, Deffner u. A. bürgen. Der Verein stellt sich die Aufgabe, durch Beschaffung der Hilfsmittel, welche Kunst und Wissenschaft dem Kunftgewerbe bieten und durch Erleichterung der Benützung derselben, sowie durch Veredlung des Geschmacks auf die Vervollkommnung der Erzeugnisse in dieser Richtung hinzuwirken. Diese Aufgabe verfolgt der Verein durch: 1) Förderung oder Veranstaltung von Ausstellungen, 2) Förderung und Unterstützung bestehender Zeitschriften kunstgewerblichen Inhalts, 3) Vermittlung von kunstgewerblichen im Privatbesitze befindlichen Gegenständen älterer Zeit an einzelne Gewerbetreibende rc. 4) Preisausschreibungen, 5) Besorg- ung von Abgüssen und Zeichnungen musterhafter Originale, 6) Ver- loosungen kunstgewerblicher Arbeiten von Mitgliedern, 7) Abhaltung kunstwissenschaftlicher Vorträge und Besuche kunstgewerblicher Sammlungen und Anstalten, 8) Förderung der Benützung der vorhandenen Fachbibliotheken durch die Gewerbetreibenden, 9) Anbahnung von Beziehungen zu andern kunstgewerblichen Vereinen und Korporationen. >Es ist nur zu wünschen, daß der junge Verein in allen Kreisen mit jenem Interesse ausgenommen werde, welches für die Erfüllung der gesteckten Ziele unerläßlich ist.
— Langen sch emm e rn, SA. Biberach, 30. Nov. Gestern Vormittag ist die Torfremise von Sebastian Kräutle vollständig abgebrannt. Das in der Nähe stehende Wohnhaus wurde durch rasches Eingreifen der Feuerwehr gerettet. In der Torfremise war zugleich der Viehstall und sind 19 Stück Vieh in den Flammen umgekommen, auch wurde der größte Theil der bedeutenden Erntevorräthe ein Raub der Flammen. Brandstiftung wird vermuthet.
— Gmünd. In der „Wiener Presse" lesen wir: „Vor einigen Tagen logirte sich im Hotel „Zur ungarischen Krone" ein Passagier ein, der ins Fremdenbuch einschrieb: „Karl Fr. Härtl." Devot, wie Zimmerkellner und Portiers schon zu sei» pflegen, glaubten die betreffenden Würdenträger des genannten Hotels, das „Fr." nicht für eine Abbrepiatur des Vornamens Friedrich, sondern für die des Titels „Freiherr" ansehen zu müssen und so ward in den polizeilichen Meldzettel „Karl Freiherr v. Härtl" eingetragen. Damit war aber dem unfreiwilligen Baron ein sehr schlechter Dienst erwiesen worden. Der Name „Karl Freiherr v. Härtl. fiel der Polizei deßhalb auf, weil der Präsident der niedcrösterreichischen Adookatenkammer so heißt) man erkundigte sich näher nach der Persönlichkeit des verdälbtigen Passagiers, und da stellte es sich heraus, daß der neugebackene Baron Eduard Pichler heiße, Kasstrer in Gmünd in Württemberg war und von dort nach Unterschlagung einer Geldsumme von 30,000 durchgegangen war. Eduard Pichler wurde verhaftet und vorläufig zum Bezirksgerichte der inneren Stadt gebracht, wo er wegen Falschmeldung zn drei Tagen Arrests verurtheilt wurde; er wird nach Be- richtigung dieser kleinen Angelegenheit nach Württemberg 'ausgeliefert werden. Ans diese Weise haben Portier und Zimmerkellner des Ho- telS „Zur ungarischen Krone" durch die respektvolle Behandlung ihres Passagiers der Würtiemberger Polizei einen sehr schätzenswerthen Dienst geleistet."
— Wien, 30. Nov. Nachrichten zufolge, die aus Konstantinopel hier eingetroffen sind, haben die Demarkalionskvmmissäre aus Nlexi- natz nach Konstantinopel gemeldet, daß keine Aussicht vorhanden sei, ihre Aufgabe vor Mitte Dezember zu lösen.
Rapperswyl, 30. Nov. Auf der Bergbahn Wädensweil- Einstedeln ist heute Nachmittag ein Zug mit 1 Lokomotive und 1 Wagen in rasendem Lauf nach Wädensweil gefahren. 2 Tobte, 10 Verwundete, Material zertrümmert.
St. Petersburg, 30. Nov. Gutem Vernehmen nach ist dem Fürsten Milan gegenüber von hier aus mehrfach darauf verwiesen worden, daß, wie die Dinge sich auch gestalten mögen, Rußland nicht daran denke, den Planen gewisser panslvvistischer Agitationen Vorschub zu leisten. Wolle Serbien unter dem Schutze Rußlands seine berechtigten Ansprüche geltend machen, so stehe ihm dieser Schutz zur Seite; aber weder serbische Königskronen, noch wüste Agitationen, die alle faktischen Verhältnisse und Beziehungen außer Acht lassen, hätten etwas mit dem zu thun» was Rußland vertrete. Der serbische Präsident Marinovics überbrinqt die Versicherungen des Fürsten Milan, daß Serbien stch der russischen Anschauung unterordnen werde.
Redaklwn, Druck und Verlag von S. Oelschldzer in Calw.