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Wandervftsammlung der württ. Gewerbevereine zu den Bestrebungen des Cential-Verbandes deutscher Industrieller zur Beförderung und Wahrung nationaler Arbeit betr., worüber in letzter Zeit daS gedruckte Gutachten des R.Anw. Oßwald unter den Mitgliedern des Handtls- und Gewerbeverein- verbreitet worden ist, und worüber der Verein sein Gutachten abgeben soll, wurde in Anbetracht der Wichtigkeit der Frage auf eine besondere, in nächster Zeit abzuhaltende Versammlung verschoben.

Von den weiteren Beschlüssen der Wanderversammlung verdient noch Erwähnung die Wahl des R.Anw- Oßwald zum Vorstand und die Wahl des Ausschusses, in den die Städte Stuttgart, Reutlingen, Heilbronn, Heiüenheim, Biberach, Calw, Hall u. Eßlingen gewählt wurden.

Wgs noch über ^ den Unfpg der Wimderlager und 'über die Mittel zur LMM gesprochen würde, wird vielleicht in nächster Zeit in einem BesKusse der hiesigen Kaufmannschaft etwa nach dem Vorgänge der Kaufleutr von Speyer und anderen Städten (s. Wochenbl. Nr. 123) seinen berechtigten Ausdruck finden. _ , _

. Se. Köu. Maj. haben vermöge Höchster Entschließung vom 26. Oktober

die Vorstandschast der Centralstclle für die Landwirthschaft dem Direktor a. D. v. Werner unter gnädigster Verleihung des Titels und Rangs eines Präsi­denten allergnädigst zu übertragen geruht.

Kammerberichr.

Stuttgart. 27. Okt. In der gestrigen Sitzung der Kammer der Abg. kam nach Erledigung des Rechenschaftsberichts des ständischen Ausschusses der Antrag von Hopf und Gm. zur Berathung, wornach der §. 134 Abs. 2 der Berf.-Urk., welcher für die Wählbarkeit in die 2te Kammer die Zurückleg- ung des 30stcn Lebensjahrs fordert, dahin abgeändert werden soll, daß das Löste Jahr schon wahlfähig machen soll. Der Antrag, gegen den ein vernünf­tiger Grund sich kaum denken läßt, nachdem daö Liste Jahr (beim Adel) zum Eintritt in die erste Kammer und das Lüste zum Eintritt in den Reichstag befähigt, wurde zwar mehrfach von.Oesterlen, Probst, Pfeiffer unterstützt, aber auch mehrfach (von Mohl,?SchmidH bekämpft, und wurde mit k>2 gegen 28 Stimmen durch llebergakgi jur TO. erledigt. Eine Interpellation von Pfeif­fer und Gen.'ob einer Vorlage über die Bestcuerungsrcchte der Gemeinden bei dem Zusammentritt des neuen Landtags mit Sicherheit entgegengesehen werden könne, beantwortete Minister v. Sick dahin, daß zugleich mit den Ges.-Entwürfen über die Verwaltungsorganisation ein solcher über die Be- steurungsrechle der Gemeinden werde ausgearbeitet und dem nächsten Landtag vorgelegt werden.

Stuttgart. Am Mittwoch, den 25. Okt. starb hier die mit ihrem Gatten, Frhrn. v. Reinsberg, vorübergehend im Hotel Silber wohnende bekannte Schriftstellerin Jda v. Düringsfcld, die schon lange an einem organischen Herzfehler und damit verbundenen asthmatischen Beschwerden litt. Am andern Tage starb auch ihr Gatte, anscheinend an einem Herzschlage, in Folge der heftigen Auf. regung, da er seine Frau über alles liebte. Nach dem St. A. hat jedoch die vorgenommene Sektion seiner Leiche eine Cyankali-Dergif. tung ergeben, die sich damit erklären soll, daß unangenehme Fami­lien' und Geldvcrhältnisse dem Verstorbenen das Leben nach dem Tode seiner Gattin nicht mehr erträglich erscheinen ließen.

Pforzheim, 27. Okt. Mit Ende d. M. läuft nun auch der allerletzte Termin ab, bis zu welchem die hier und da noch vor- kommenden preußischen Einthalerscheine umgewechselt werden können. Wer also dergleichen noch besitzt, der eile, um den Umtausch zu be­wirken. Bei größeren Zahlungen, welche anderwärts in Zweimark­stücken geleistet wurden, ist es mehrfach vvrgekommrn. daß eine größere Anzahl von österreichischen Guldenstücken eingeschmuggelt wurde, wor­auf wir hiemit warnend aufmerksam machen.

Villingen, 25. Okt. Eine Perle von einer Gemeinde ist die 400 Einwohner zählende Brüdergemeinde Königsfeld im badischen Schwarzwald. In derselben ist seit 50 Jahren keine polizeiliche Be- strafung, geschweige ein schwerer Straffall, keine gerichtliche Versteige­rung, keine uneheliche Geburt, keine Ehrklage, kein Prozeß und kein Bettler vorgekommen.

Wien. Der Mörder des Postbriefträgers Guga ist, Dank den krampfhaften Anstrengungen der Polizei, entdeckt. Es ist ein junger Mann Namens Francesconi, 26 I. alt, der unter dem Namen Mendoza sich in Wien eingemiethet hatte. Von Baden (bei Wien) aus hatte er mehrfach Geldbriefe an seine eigene Adresse in Wien ab­gehen lassen» und als das letztem»! der Briefträger bei ihm eintrat, warf er ihm eine Schlinge über best Hals, schoß ihm aus nächster Nähe mit dem Revolver eine Kugel in den Kopf und schnitt ihm mit einem Dolchmesser den Hals durch. Alsdann raubte er aus dem Postsack 14,000 fl. Postauszahlungsgelder und flüchtete mit der Süd­bahn nach Klagenfurt, wo er bis vor 4 Monaten als Comptoirist angestellt gewesen war und eine Geliebte mit einem Kinde hatte. Durch verschiedene in der Kopflosigkeit in Wien zurückgelassene Dinge kam man auf seine Spur und so konnte er schon am zweiten Tag nach der That in Klagenfurt verhaftet werden. Es mußten bei seiner Einlieferung nach Wien besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, um ih nicht der Lynch Justiz der furchtbar aufgeregten Volksmasse Zerfallen zu lassen.

Klagenfurt, 23. Okt. (Der Raubmörder Franzesconi.) Die hier gepflogenen Recherchen nach dem fehlenden Theile der dem Briefträger Guga geraubten Summe hatte einen günstigen Erfolg. Es wurde ein Betrag von beiläufig 10,000 fl. in östcrreich. Noten u. 4000 Rm. in pr. Noten zu Stande gebracht. Der Raubmörder be­findet sich bereits auf dem Wege nach Wien, wo er heute Abend in Be­gleitung des Oberkommissärs Breitenfeld und von 4 DetektioeS eintrifft.

Wien, 25. Okt. Im Reichsrathe wurden gestern zwei Vor­lagen gemacht, die speziell das Land Galizien betreffen und zu inte­ressante Streiflichter auf die Sitten und Kulturzustände dieser Provinz werfen, als daß sie nicht besondere Erwähnung verdienten. Die eine der Vorlagen ist ein Gesetz zur Abhilfe wider unredliche Vorgänge bei Kreditgeschäften. Die Tendenz desselben ist gegen den in Galizien noch immer grassirenden Wucher gerichtet, der, ein wahrer Blutsauger, den Grundbesitz des Landes vernichtet. Die zweite der erwähnten Vorlagen ist ein Gesetz, womit Bestimmungen zur Hintanhaltung der Trunkenheit getroffen werden. Dasselbe bestimmt, daß. »wer sich in Gast- oder Schankräumlichkeiten, auf der Straße oder an sonstigen öffentlichen Orten im Zustande offenbarer Trunkenheit befindet, oder wer an solchen Orten einen Andern absichtlich in den Zustand der Trunkenheit versetzt, wird mit Arrest von 3 Tagen bis zu einem > Monat oder an Geld bis zu 50 fl. bestraft". Weiler wird bestimmt, biß Zechschulden nicht klagbar sind, wenn der Kreditnehmer zur Zeit der Verabreichung eine frühere Schuld gleicher Art an denselben Gläu­biger noch nicht bezahlt hat. Das Gesetz ist in seinen Hauplbestrmm- ungen dem französischen Gesetz vom 23. Jänner 1873 nachgebildet, welches sich jenseits der Vogesen vollkommen bewährt zu haben scheint.

Pest, 26. Okt. Gestern Abend waren große Sludentenhaufen in den Straßen versammelt; dieselben demonstrirten unter Anderen auch gegen Moriz Jokai, der zur Ruhe mahnte. Die Polizei schritt ein, sperrte die Straßen, in denen der türkische und der russische Konsul wohnen, ab und zerstreute die Haufen. Abends 11 Uhr war die Ruhe wieder hergestellt.

Paris, 20. Okt. Die indische Post meldet, daß sich in Cen- tral-Asien in Voraussicht eines Krieges Rußlands gegen die Türkei eine allgemeine Bewegung der Muselmanen gegen die russischen Be­sitzungen im Turkestan vorbereite und daß der Emir von Kabul an derselben theilnehme. Der französische Justizminister hat ein schar­fes Rundschreiben an die Staatsanwälte erlassen, worin letztere ersucht werden, mit größerer Wachsamkeit den Betrug da zu verfolgen, wo er sich als Verfälschung von Lebensmitteln äußert. Namentlich soll die Weinfälschung mit den strengsten Mitteln verfolgt werden.

(Die schwerste Strafe für solche nichtswürdige Angriffe auf die mensch­liche Gesundheit wäre ohne Zweifel diejenige, welche eine Inschrift an der Veranda des Restaurationshauses auf dem Kalenberg bei Wien empfiehlt: »Die Inschrift lautet: Wer Wein verfälscht und Biere tauft, ist werth, daß er sie selber sauft."

London, 26. Okt. Während der Nebel den Verkehr» über der Erde ernstlich hindert, zeigte der unterirdische Tunnel der neuen Ost-Londoner Eisenbahn gestern unter dem Themse-Ufer ein Leck, durch welches das Wasser so stark eindrang, um eine zeitweise Ein­stellung des Betriebes zu benöthigen. Das Unglück wurde am Tage in der Stadt bedeutend übertrieben, ist indessen glücklicherweise nicht gar zu ernstlich.

Lon don, 28. Okt. New-Aorker Nachrichten vom 27. d. mel­den von heftigen Stürmen, die am 3. und 4. d. in Mittelamerika stattgefunden haben. Die Stadt Managua wurde überschwemmt, 1000 Häuser zerstört, viele Menschen sind umgekommcn, 2 Mill. Doll. Schaden. In Bluefield 3 Mill. Schaden an Kaffeeernte.

Insbruck, 24. Okt. Der Uebermuth der'Svdsiaoen verfehlt jetzt nicht, seine Wirkung auf die Partei der Jtaliainfsimi im öster­reichischen Kaiserstaat zu äußern und sie womöglich zu gkicher Nach­ahmung anzutreiben. Ein russisch italienisches Bündniß gegen Oester­reich, dessen Preis in Abtrennung des welschen Ttzeiles von Südtirol, der Grafschaft Görz und womöglich von ganz Istrien mit Triest, der Inseln und Küstenstriche des Guarnero und Vereinigung aller dieser Länder mit dem Königreich Italien bestehen solle, ist der ziem­lich offen ausgesprochene Wunsch dieser Partei. An Beleidigungen der Wachen und frechen Angriffen auf Offiziere fehlt es jetzt auch nicht, und noch kürzlich hatte eine Rotte von Bösewichtern den scheuß­lichen Plan gefaßt, in der Nacht eine enge, hoch am jähen Abgrund vorbeiführendc Alpenstraße durch Abgrabungen und Hinwälzen von Felsblöcken an verschiedenen Stellen so zu beschädigen, daß ein Omni­bus mit 11 Offizieren vom Tyrvler Kaiserjäger-Regiment, der bri einer nächtlichen Heimfahrt von Borgo diesen Weg passiren mußte, sehr leicht verunglücken u. mit seinen Insassen in den Abgrund stürtzen konnte. Nur ein anfänglicher Zufall und später die vorsichtige Wach­samkeit der Offiziere, die den Weg zu Fuß zurücklegteu, vereitelte diesen heimtückischen Plan.

)elschläger in Ealw.