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gefunden haben sollten, bis in die jüngste Zeit herein noch immer der Schauplatz von Versammlungen der bethörten Menge gewesen ist. Die Behörde hat sich deßhslb zur Anwendung der strengsten ihr zu Gebote stehenden Mittel gezwungen gesehen und Marpingen sammt Umgegend sozusagen in Belagerungszustand erklärt. Man kann nur hoffen, daß diese scharfen Maßnahmen die aufgeregte Bevölkerung zur Besonnen- Hut zurückführen werden. Aber notwendig ist es doch, nochmals ausdrücklich darauf hwzuwcisen, daß jene Gegend diesen immerhin be- klc>^nswcrthcn Ausnahmezustand nur dem Benehmen der Geistlichkeit zn verdanken hat.
— Berlin, 16. Aug. Für die Reichsbeamten, so meldet die „Trib.", soll bekanntlich eine besondere Uniformirung eingeführt werden, über wclcde seit längerer Zeit vielfach hin und her verhandelt wird. In Reichebcamtenkreisen sträubt man sich entschieden gegen den Uni- sormfrack mit den Epauletten, wie ihn die preußischen Civilbeamten tragen. Man wünscht vielmehr einen Ueberrock nach altdeutschem Schnitt, wie er für die Galauniform der preußischen Minister bei Ler Krönung des Königs Wilhelm zu Königsberg 1861 cingeführt worden ist. Wenn man sich nun. wie es wahrscheinlich ist, für diese Tracht entscheidet, so wird voraussichtlich dieselbe Uniform mit anderen entsprechenden Abzeichen auch für die preußischen Civilbeamten einge- führt werden. Eine gewisse Einheitlichkeit nach dieser Richtung soll den besonderen Wünschen des Kaisers entsprechen.
— Traunschweig, 13. Aug. Die hiesige Messe, welche ver- gangenen Montag angegangen ist, oder, man muß sagen, angehen sollte, wird wohl die schlechteste sein, die Braunschweig je gesehen hat. Mit Ausnahme der Verkäufer sind kaum so viel Leute zusammen wie auf einer Dorfkirchweih in Thüringen. — Die Verkäufer sitzen vor ihren Buden u. wachen bei der Hitze einer das Gesicht länger wie der andere.
— Straßburg, 12. Aug. Der alterthümliche, etwa 1400 Einwohner zählende, durch seinen Wildentensang berühmte Flecken Gemar imElsaß, 20 Minuten vom Bahnhof Rappoltsweiler rheinwärts ge> leaen, wurde am vergangenen Donnerstag, den 10. Aug. kurz vor Mittag von einem schweren Brandunglück betroffen. In Folge dessen sind 54 Haushaltungen total vernichtet, herabgebrannt bis auf die jämmerlichen Reste einiger Grundmauern; 80 Giebel liegen in Asche und außer dem Tode eines Kindes ist an Fahrniß, Einrichtungen, kaum eingeheemsten Feldfrüchten und Fultervorräthen zahlreiches Vieh und sonst an Geld und Geldeswerth den Betroffenen Alles vernichtet. Gemar, das noch unlängst, wie bei allen früheren ähnlichen Anlässen, seinen durch die Rheinüberschwemmung in Roth versetzten Nachbarn die hilfreiche Hand bot, wird sicher in der eigenen Noth nicht verlas sen stehen. Em Hilfscomite, an welches Gaben eingesendet werden können, hat sich daselbst gebildet.
Das Lokal» und Grenzcomite der ^Uisnoo lsrsöl. Universelle in Memel bittet um milde Gaben für das kürzlich abgebrannte jüdische Städtchen Kupischock im russischen Gouvernement Kowno. 400 Wohnhäuser mit allen Nebengebäuden, Speichern, Läden, in einem Umkreise von etwa 6 Werst gelegen, sind verbrannt. Die große Sy - nagoge, mehrere Bet- und Lehrhäuser sind mitverbrannt. Nichts ist gerettet, nichts versichert. Kupischok war ausnahmsweise ein wohl» hab ndes Städtchen; es war ein Stapelplatz des ausgedehnten litt- hauischen Flachshandels. Große Lager sind verbrannt; der Gesammt- schaden wird auf nahezu 1 Million Rubel angegeben. Etwa 3000 an Wohlstand gewöhnte Menschen sind mit einem Schlage arm und obdachlos, dem Elend und der Verzweiflung preisgegeben.
— München, 15. Aug. Heute früh sind Seine Majestät der König von Württemberg mit dem Lindauer Zug von Friedrichshafen kommend zur Besichtigung der Kunst-Industrieausstellung in Begleitung des Generallieutenants, Freiherrn von Spitzemberg, Excell. hier eingctroffen. Am Bahnhofe hatte sich zur ehrfurchtsvollsten Begrüß- ung der K. Gesandte, Freiherr v. Soden eingefunden, welcher alsdann Seine Königliche Majestät in seine Wohnung geleitete, wo Allerhöchst, derselbe abgestiegen ist. Kurze Zeit darauf erschien der König in der Ausstellung und wandte sich zurrst der württembergischen Abtheilung zu, welche in allen Details besichtigt wurde.
— Treptow a Nega, 7. Aug. Heute Morgen zwischen 5 und L Uhr fand im Königlichen Holze ein Pistolenduell zwischen dem Premier-Lieutenant v. Leyser und dem Sekonde-Lieutenant, Grafen v. WaitenSleben von der hiesigen Garnison (Neumärkisches Dragoner- Regiment Nr 3) statt, wobei Letzterer tobt auf dem Platze blieb.
— Wien, l4. Aug. Die Pfortcn-Regierung hat sich beeilt, aus freien Stücken hier ihr lebhaftestes Bedauern über die bekannte Grenzverletzung ausznsprechen und nicht bloß die vollständigste materielle und sonstige Genuittdnung dafür, sondern auch die strengsten Vorkehrungen zur Verhütung ävnlicher Ereignisse zugesichert. Damit wird die Sache ohne Zweifel um so mehr erledigt sein, als die betreffende (trockene) Gienze nur wcn'g oder gar nicht markirt war.
Paris, 16. Aug. Gestern um 1 Uhr ha ben di e Bonapartrsten
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in der Kirche St. Augustin ihre Erimierungsmcsscw stseu lassen, um den immer lauter werdenden Eifer ihrer Getreuen aufzufrischen. Es gab nicht mehr Leute als gewöhnlich, mir war die Zusammensetzung der Versammlung eine andere. Die Häupter der Partei fanden es dießmal nicht der Mühe werth, ihre Villegiaturen zu verlassen und sie haben der feilen Menge den Platz geräumt. Der Siecle konsta» tirt mit Bedauern der Anwesenheit eünger Zöglinge von St. Ehr unter den Besuchenden, sonst hat er meist nur weiße Blousen gesehen, Freunde und Dienerschaft aus der Nachbarschaft. Die Versammlung war lärmender als gewöhnlich und beim Ausgang hat es auch nicht an Kundgebungen, am Rufe: Vive Napoleon IV.! gefehlt.
London, 16. Aug. Die diplomatischen Vertreter Englands in Belgrad und Konstantinopel sollen angewiesen sein, der serbischen und der türkischen Regierung eintretenden Falles mitzutheilcn, England stelle bei einer Mediation seine guten Dienste zur Verfügung. In Konstantinopel sei außerdem geltend gemacht worden, England müsse sich gegen eine etwaige Thronevtsetzunz des Fürsten Milan erklären.
Petersburg, 16. Aug. Die „Internationale Tclegraphen- Agentur" meldet aus Semlin: Von gut unterrichteter Seite wird Mitgethcitt, daß nach dem Beschlüsse der strdijchcn Regierung und nach einem zwischen den Fürsten von Serbien und von Montenegro getroffenen Üebereinkommcn der Krieg bis zur vollen Befreiung der serbischen Nation fortgesetzt werden wird.
Die Bewohner der Insel Kreta haben an den kaiserlichen Divan eine Anzahl von Ansprüchen erhoben, deren wichtigste die folgenden sind: 1) Ermäßigung der Steuern von 12 auf 8 Proz. 2) Ernen» nung eines Statthollers christlicher Religion. 3) Gleichmäßige Zulassung der Christen wie der Mohamedaner zum Geudurmericdienst. Die Christen wie die Mohamedaner, welche in dieses Korps eintreten, sollen den numerischen Verhältnissen der beiden Bevölkerungen der Insel entsprechend in das Korps ausgenommen werden. Wie versichert wird, soll England die Verwirklichung dieser Forderungen unterstützen.
Konstantinopel, 15-. Aug. Der zur Abgabe seines Gutachtens über den Gesundheitszustand des Sultans hierher berufene Mediziner Leidesdorf hat sich dem „Levant Hcrald" zufolge dahin ausgesprochen, daß bei gehöriger Ruhe und Pflege die Wiederherstellung des Sultans in einigen Wochen erfolgen könne, da sein Nervensystem nicht derart erschüttert sei, daß die Wiedergenesimg ausgeschlossen sei.
Die im serbischen Kriegsministerium zusammcngestellten Verlustlisten weisen 6260 Tobte und 5600 Verwundete auf. Es dürft: aber noch viele Tausende an Vermißten, von den Tscherkeffen ermordeten und anderweitig Zugrundegegangenen geben. Man wird schwerlich fehlgehen, wenn man annimmt, daß bei 18000 Mann verloren sind.
Ragusa, 1-s. Bug. Die seit einigen Tagen andauernde Kriegs- unthätigkeit sowohl Nikilas als auch der türkischen Feldherren in Serbien wird daraus erklärt, daß sowohl Milan als auch Montenegro dem Großvezier telegraphisch Friedensanträge gestellt hätten, und daß diese Anträge von der Pforte eben in Erwägung gezogen werden. Hier hofft man daher schon auf das baldige Zustandekommen des Friedens.
Zara, 15. Aug. Gestern fand den ganzen Tag über ein Kampf zwischen Türken und Montenegrinern bei Kuci (im Süden von Montenegro) statt. Die Türken wurden zurückgeschlagen und von Fundina bis Podgoritza verfolgt. Sie verloren viele Waffen, Munition und Fahnen. Auch die Verluste an Tobten unü Verwundeten sollen bedeutend sein.
Literarisches.
Die beiden neuesten Nummern der Jllustrirten Frauen Zeitung (vierteljährlicher Abonnementsprcis 2. 50.) enthalten: I. Die Moden Nummer (31): Sommer-Toiletten für Erwachsen:, junge Mädchen und Kinder, Tücher in verschiedenen Formen aus Kaschmir, Seidenkrepp, Spitzengewebe, auch Filet und Strickarbeit, Kopfhüllen, Hüte, Morgenhauben, Sonnenschirme, seiner Fichüs, Kragen, Cra- vaten (trina <ii Isns) und Cravalenbänder, Kleidertaschen, Wirth- schafts- und Gartenschürzen. Schränkchen mit Malerei und Spritzarbeit, Notenständer mit Goldstickerei, Löffeikörbchen und Buntstickerer, Decken in Häkel und Spitzenarbeit, geklöppelte, gestrickte und gehäkelte Spitzen, gestrickte und Tülleinsätze, Madeirast'ckerei und ein co- lorirtes Modenknpfer. H. Die Unterhaltungs-Nummer (32): Harzreise. Humoreske von Otto Girndt. lV. (Schluß) - Zwei Gedichte von Joseph Viktor von Scheffel. — George Sand. Von O- von Leixner. — Das Kinderfest im Neuen Palais zu Potsdam am 14. Juni. — Oberbairische Charakterköpfe. Von Karl Stieler. (Schluß ) — Die Hausfrau und ihr Reich. Von Aglaia v. Enderes. 6. Die Wohnung, ll. — Verschiedenes. — Wirtschaftliches: Ein- macken nach französischen Rezepten — Briefmappe. — Flauen Gedenktage. — Ferner folgende Illustrationen: George Sand. Nach T Couture — Sonntagsjägerfreuden. Von Ed. Kurzbauer. — Das Kinderfest im Neuen Palais zu Potsdam am 14. Juni. Bon
Hermann LüderS. __^
OelsiblLaer in Calw. (Hiezu Nro. 34 be- llntcrhaltung-blatt-.)