334
Schweiz. Zürich, 13. Juli. Das Eisenbahnunglück auf der Westbahn in der Waadt am Freitag Morgen war entsetzlich. In Folge einer unglaublichen Nachlässigkeit stieß ein rechtzeitig um 4 Uhr 45 Morgens von Romont abgegangcner Güterzug mit glück- licherweise nur einem Personenwagen zwischen Palezieux und Chexbres (beim Gensersee) auf einen um 7 Uhr von letzterer Station abgegangenen andern Güterzug. Die Passagiere des ersten Zugs sahen ihren Wagen stückweise zerbrechen und sprangen aus den Fenstern, eine Frau wurde erdrückt, ihr Ehemann brach beide Beine, andere Passagiere sind verwundet und mehrere Angestellte fanden einen mar- tervvllcn Tod. Erst des Nachmittags Z'/o Uhr kam ein Hilfszug aus Lausanne, der die verunglückten Passagiere nach Chexbres brachte.
Frankreich. Paris, 17. Juli. Der „Agence Havas" wird von Ragusa aus slavischer Ouelle gemeldet: Am 14. Juli wurden in einem heftigen Gefecht bei Ljubowitza unweit der Grenze bei Klein- zwornik die Serben geschlagen. Die Türken eroberten Geschütze und zerstörten die Flöße, welche auf der Drina zum Zweck der Invasion in türkisches Gebiet bereit lagen. Die Serben verloren 500, di« Tür»
Paris, 15. Juli. Nach Prioatberichten, welche der „Agence Havas" mitgctheilt sind, wären die Strafen der aus Anlaß der Mord- thoten in Salonichi Verurtheiltcn erhöbt worden; gegen den Polizeiches Wäre Degradation und 15jährige Zwangsarbeit, gegen einen Fregattenkapitän Degradation und 10jährige Haft verhängt.
— Lyon, 12. Juli. Die deutsche evangelische Gemeinde in Lyon hat in diesen Tagen das 25jähr. Amtsjubiläum ihres Gründers und Pastors, des vr. G. Mayer aus Deckenpsronn, OA. Calw, ge- feiert. Aus Dankbarkeit hat sie demselben sein Empfangszimmer prächtig möb'lirt, der Frau Pfarrern, einen Ballen Leinwand behändigt, und ü. der Kirche ihm Dorvs Prachtbibel feierlich überreichen lassen. Die allgemeine freudige Theilnahmr der Deutschen an dieser Feier, bei der auch Israeliten und Katholiken sich einstellten, machte den besten Eindruck. Unter den vielen Wohlthätern der Gemeinde wurde auch der verstorbene König Wilhelm von Württemberg genannt, der auf seiner Durchreise »ach Nizza sich derselben angenommen und an höchster Stelle es erwirkt hat, daß die Gemeinde in den Organismus der lutherischen Kirche Frankreichs cingereiht und gegen die Angriffe ihrer Gegner gesichert wurde. Mit diesem Vorrecht und der Beharrlichkeit ihres Pfarrers konnte sie auch den Kriegssturm überdauern. Die Freude der Feier wurde noch dadurch erhöht, daß in dem Augenblicke, wo die Prachtbibel übergeben wurde, der Postbote an der Kirchthüre ein Packet abgab, das den preuß. rothen Adler-Orden 4r. Kl. und ein anerkennendes Handschreiben des Fürsten v. Hohenlohe mit herzlichem Glückwünsch enthielt.
— St. Johann-Saarbrücken, 13. Juli. Heute passirten 100 Mann des 30. Jnf.-Reg aus Saarlouis mit zwei Offizieren den diesigen Bahnhof, deren Bestimmungsort das Dorf Marpingen bei St. Wendel ist. Daselbst soll nämlich die Mutter Gottes erschienen sein, welche einen blind geborenen Knaben sehend gemacht habe. Bei der bevorstehenden großen Prozession befürchten die Behörden Unruhen und es ist zur Verhütung derselben Militär requirirt worden. — Nach den neuesten in Trier eingegangenen Nachrichten über dieses Madonnen-Abenteuer sind bereits die beiden Frauenzimmer, welche die Madonnen-Erscheinung darstellten, dem Arme der Gerechtigkeit verfallen und an einen sicheren Ort gebracht worden. Die Aufregung der Menge, die nach Tausenden zählte, soll eine ganz maßlose gewesen sein.
England. London, 15. Juli. In einer Ansprache Lord Derby's an die Deputationen, welche eine neutrale Haltung Englands befürworteten, sagte der Minister u. A.: Wir haben das Mögliche ge- than, um den Ausbruch des Krieges zu verhindern, und wir werden jetzt unser Bestes thun, um denselben innerhalb fester Grenzen ab zuschlicßen s)7 ' ' 7"
So weit menschliches senken reicht, ist ein europäischer Krieg in Folge der jetzigen Wirren schlechterdings unwahrscheinlich und eine Hypothese, die kaum des Nachdenkens werth ist.
London, 15. Juli. Lin schwerer Unfall ereignete sich gestern Nachmittag an Bord des Panzerschiffes Thunderer, welches eben bei Portsmouth seine Probefahrt machte. Das Schiff batte sich eben in Bewegung gesetzt, ms eine gewaltige Explosion erfolgte. Man empfand den Stoß 3 Meilen weit am Lande. Das Schiff war in diesem Augenblick in dichte Rauch- und Dampfwolken gehüllt, und cs dauerte eine Weile ehe Offiziere und Mannschaft in die untern Räume eindringcn tonnten. Dort stellte sich dann heraus, daß einer der Dampfkessel ganz zerschmettert mar. Der Raum war mit Tobten und Verwundeten bedeckt. 25 Personen wurden theilS sofort grtödtet, theils erlagen sie kurz nachher ihren Verwundungen. Weitere 53 liegen
im Hospital und den neuesten Nachrichten zufolge dürfte auch von diesen nur die Hälfte wieder aufkommen.
^ ' Rußland. St. Petersburg, 10. Juli. Die alte Plage unseres kurzen Wald, Gras und Erdboden ausdörrenden Sommers hat trotz aller Vorsichtsmaßregeln wieder begonnen; sowohl zu beiden Seiten tur Petersburg-Finniändischen Eisenbahn, wie in der südlichen Richtung der Residenz wüthen kolossallc Waldbrände, welche bereits mehrere Ouadratwerst Forst- und Nuschareal in glühenden Aschenboden verwandelt haben. Bet dem Mangel an Menschenkrasteu und bei der herrschenden Dürre ist jetzt an eine radikale Unterdrückung der Waldfeuer nicht zu denken, sondern beschränkt man sich hier auf eine Lokali- sirung des Brandes.
Türkei, lieber die Glaubwürdigkeit der Nachrichten vom Kriegs' schauplatz schreibt die Presse": „Wir haben uns die Mühe nicht ver' drießen lassen, aus der bunten, an Widersprüchen reichen Kolonne der beiderseitigen offiziellen Telegramme eine annähernde Verlustliste für beide Armeen zusammenzustellen. Das Resultat ist nicht nur ein charakteristisches, es ist geradezu erheiternd. Nach den türkischen Berichten siud bisher 8100 Serben und 243 Türken kampfunfähig geworden. Aus diesen Angaben müßte man, da nirgends ein großer entscheidender Schlag erfolgt ist, annehmen, daß die Serben in allen bisherigen Treffen geschlagen wurden und dabei übermäßige Verluste erlitten haben. Wie wenig stichhaltig eine solche Annahme wäre, geht aus der Berücksichtigung der bisher feststehenden Thatsache hervor, daß sich die Serben noch mit allen ihren Operalionsfronten bisher auf türkischem Boden befinden. Die serbischen Berichte geben dagegen an, daß bisher 3600 Türken und 350 Serben kampfunfähig geworden seien.
Belgrad, 13. Juli. Gestern versuchte Osman Pascha abermals Zaitschar zu forciren. Ein heftiger Kampf dauerte den ganzen Tag und endigte damit, daß Leschjanin die Türken zurückwarf. Inzwischen setzte Ostoics seinen Flankenmarsch bis unterhalb Widdin fort und gewinnt immer mehr Terrain: er erbeutete viel Proviant und Schlachtvieh. Von anderen Armeen werden keine größeren Veränderungen, blos Vorpostengefechte, gemeldet. Die Nachricht von der Abberufung Zach's bestätigt sich nicht.
Ragusa, 15. Juli. (Slavische Quelle. Der südöstlich von Metokia (— Gaczko) liegende befestigte Ort Lipnik ist von den Montenegrinern besetzt worden. Die türkischen Truppen haben sich nach Metokia zurückgezogen, welches, obgleich von 6000 Türken besetzt, die weiße Fahne aufhißte. Die ganze Hochebene von Gaczko ist von den Montenegrinern besetzt, ausgenommen die Verschanzungen oberhalb MetokiaS, in welchen 2000 Türken blokirt sind. Fürst Nikolaus marschirt auf Nevesinje.
Ragusa, 17. Juli. Aus slavischer Quelle: Die Montenegriner trafen in Blagaj. eine Stunde von Mchtar entfernt, »ach widerstandsloser Passirung des Defiles ein. Die Einnahme von Mostar wird erwartet.
Widdin, 16. Juli. Dem Wiener Telegraphm-Korrespondenz- bureau wird von hier gemeldet: In Folge der um Mittwoch bei Widdin stattgefundenen Kämpfe sind die Serben, von den Türken verfolgt, über den Timok zurückgegangen.
Kalafat, 12. Juli. Soeben um l Uhr Mittags greifen 8 Bataillone, 2 Batterien und Tscherkessen, die bei Gensooac (in der Nähe von Widdin) verschanzten und vereinigten serbischen Streifkolonnen an. Der Kampf dürfte erst morgen entschieden werden. — Turri'Severin, 14. Juli. Das Wiener „Tagblatt" erhält von hier folgende Depeiche: Die mehrtägigen Gefechte bei Wid- bin waren anfangs für die Serben glücklich, endeten aber schließlich mit einem Siege der Türken. Leschjanin verlor seine gesammte Ar- tillerie und gieng über den Timok zurück.
Visegrad, 1l. Juli. (Aus türkischer Quelle.) Mehr als 3000 Serben, welche die um Visegrad gelegenen Verschanzungen an- Man d^7f'hoffen,"daß'dieses'Zi'el erreicht werden wird. > gegriffen hatten, wurden von den ottomanischen Truppen vollständig
"geschlagen und in die Flucht gezagt. Dre Verluste der Serben sind beträchtlich. Die Anzahl ihrer Tobten ist noch unbekannt.
Salonichi, 13. Juli. Das deutsche Mittelmeergeschwader, welches kürzlich den hiesigen Hafen zum Zwecke einer Uebungsfahrt verlassen und vor demselben gekreuzt hatte, ist jetzt wieder im Hafen vor Anker gegangen.
Amerika. Philadelphia, 7. Juli. Die Medermetzelunz des Generals Custer und seiner Truppen rief gestern im Repräsentantenhaus eine kurze Verhandlung hervor, indem die Republikaner die Demokraten der Kargheit in Bezug auf die Ausgaben in der Armee beschuldigten, da wegen Beschränkung derselben nur eine ungenügende Streitmacht im Jndianerland erhalten werden konnte. Nach offiziellem B-richt betrug der Verlust Custer's 15 g-tödtete, 2 vermißte Offiziere, 265 getödtete und 62 verwundete Soldaten.
Reoaition, Druck und Verlag von S. OelschlLger in Ealw.