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^—Hirsau. In Nro. 80 dieses Blattes hat sich „ein Lust« gast" über den schlechten Zustand des Feldwegs nach Calw beklagt; er schränkt zwar im Verlauf seines Artikels seine Klage auf die Hälfte des Wegs ein und so wird Hirsau eigentlich gar nicht davon betroffen, denn genau „halbwegs" nur geht die Hirsauer Markung, innerhalb welcher die Gemeindebehörde allein verpflichtet und berechtigt ist Wege zu verbessern.
Die Waldwege, die der Herr Luftgast lobt, sind nicht alle vom Staat hergestellt: auch die Gemeinde hat, unter Leitung des Herrn Reviersörsters, eine Strecke derselben angelegt.
Im Prinzip ist zuzugeben und im Auge zu behalten, daß ein Luftkurort Rücksicht auf seine werthen Besucher zu nehmen hat; das verkennt auch die Gemeindebehörde zu Hirsau nicht; aber trotzdem wird rS nicht möglich sein, Wege die nun eben nicht bkos von den zarten Füßchen schöner Damen betreten, sondern auch von prosaischen Holz», Stein« und Mistfuhrwerken befahren werden, im Stand zu erhalten gleich den Promenaden eines Badeorts.
Wir bitten den Herrn „Luftgast" um gütige und billige Nachsicht.
. Ein Hirsauer.
Die K. Postdirektion macht bekannt, daß erhaltener Mittheilung zufolge der Postvorschußverkehr zwischen Deutschland und Oesterreich. Ungarn mit Ablauf des 12. d. Mts. bis auf Weiteres eingestellt wird. Nach diesem Zeitpunkt in letzterem Postgebiet eingehende Vor« schußsendungen werden nach dem Aufgabeort zurückgeleitet.
Im Postanweisungsverkehr tritt die Beschränkung ein, daß in Oesterreich.Ungarn bis auf Weiteres von einem Aufgeber an denselben Empfänger höchstens zwei Anweisungen an einem Tage angenommen bezw. ausgezahlr werden.
— Friedrichshafen. Am 12. d. M. Vormittags um 10 Uhr 40 M. wurde auf einem Wegübergang bei Saulgau eine alte, dem Vernehmen nach taube Frau, welche bei geschlossener Barriere die Bahn betreten hat, durch den Personenzug 160 überfahren und sofort getödtet. Untersuchung ist eingeleitet.
— Karlsruhe, 10. Juli. Se. Großh. Hoheit Prinz Karl von Baden schwebte vorgestern in großer Gefahr. In einer belebten Straße wurden die Pferde seines Wagens scheu und giengen durch; der Prinz und sein Begleiter sprangen heraus und Elfterer verletzte sich am Rücken und an der Schulter, so daß gestern sein Zustand be> deutlich war. Diesen Morgen ist Besserung eingetreten. Einem Bericht der heutigen „Kr. Nachr." entnehmen wir, daß der Unfall durch das Peitschenknallen eines an der Equipage vorüberfahrenden Fuhrmanns, das die Pferde scheu machte, verursacht würde.
— Bruchsal, 10. Juli. Gestern hatte Goldarbeiter Schneider von hier das Glück im Kammerforst ein schweres Wildschwein (Keuler) im Gewicht von 140—150 Pfd. zu erlegen.
— Bingerbrück, 10. Juli. Gestern Nachmittag ereignete sich hier ein gräßlicher Unfall. Der Bahnwärter oberhalb der hiesigen Station hatte seine Barriere vorschriftsmäßig geschlossen, weil ein Rangirzug Wagen in verschiedene Geleise abstellte. In dem Augenblick, als der Uebergang frei von dem Rangirzug wurde, öffnete der Ladmeister von der Rheinischen Bahn die Barriere und wollte mit seinen zwei Knaben im Alter von 11 und 13 Jahren den Uebergang passiren. bemerkte aber nicht, daß im entgegengesetzten Geleise eine Maschine herangebraust kam. Hierdurch kam es, daß die zwei Knaben von der Maschine erfaßt wurden und dem einen der Kopf abgefahren wurde. Der Andere erlitt so gräßliche Verletzungen, daß er kurze Zeit darauf seinen Leiden erlegen ist. Der Vater konnte sich, im Moment die Gefahr wahrnehmend, noch durch einen kühnen Sprung retten.
— Würzburg, 10. Juli. Der Kaiser ist um 2 Uhr 20 Min. Nachmittags hier angekommen und von dem Publikum enthusiastisch begrüßt worden. Eine Stunde vorher kam, von der Bevölkerung ju, belnd begrüßt, Fürst Bismarck an. Die Stadt ist festlich geschmückt; für heute Abend ist seitens der Einwohner ein großer Fackelzug vorbereitet.
— Wien, 10. Juli. Serbische Blätter versichern, der Großfürst Wladimir sei im serbischen Hauptquartier angekommen. Derselbe solle König von Bulgarien werden. — Die Türken erhielten bei NW 25,000 Mann Verstärkung. Drei türkische Freiwilligenkorps sind unterwegs. Die Lage der Serben wird dadurch kritisch.
— Wien, 11. Juli. Die Nachrichten, welche bis jetzt über das Ergebniß der Reichstadter Zusammenkunft verbreitet werden, sind ziem- lich dürftig und sehr allgemeiner Natur. — Solange die Türkei mit Serbien und Montenegro im Kampfe begriffen ist, verpflichten sich beide Staaten zur entschiedenen Respektirung des Nichtinterventionsprinzips. Rußland erkennt an, daß die Vereinigung Bosniens mit Serbien den Interessen Oesterreich-UngarnS zuwiderläuft und verpflichtet sich in diesem Sinne, seinen Einfluß zu Gunsten der Interessen Oesterreichs geltend zu machen; dafür erklärt sich Oesterreich-Ungarn nach einem entscheidenden Siege der türkischen Waffen bereit , mit
Rußland für die Integrität des serbischen Gebietes und die Berliner Reformxrinzipien einzustehen.
— Wien, 11. Juli. Nach einer Meldung der „Presse" aus Zara wäre in Folge der Reichstädter Abmachungen der Hafen von Klek von heute an für Ausschiffungen türkischer Truppen gesperrt.
— Wien, 12. Juli. Die „Polit. Korresp.« meldet aus Widdin, das der Schauplatz der Hauptaktion zu werden scheint: Osman Pascha benutzt eine Pause in den Operationen, um sein Korps durch Heranziehung von Mannschaften und Kanonen zu verstärken. Die Serben beschäftigen sich mit der Organisirung von Streifkorps. Ein solches Streifkorps in Stärke von 3000 Mann ist bis zu der zwei Stunden von Widdin entfernten Ortschaft Gangowa vorgedrungen. — Aus Belgrad meldet die „Polit. Korresp.": Der Kricgsminister hat dem Obersten Leschjanin 7000 Mann Verstärkungen geschickt. Leschjanin ist in dem Paschalik Widdin ziemlich weit vorgerückt; ein Zusammenstoß mit den Türken wird als bevorstehend angesehen. General Ranko Alimpitsch organisirt bei Bjelina 6000 bosnische Freiwillige, ebenso ist General Tschernajcff bei Akpalanca mit der militärischen Organ!« Lrung zahlreicher bulgarischer Freischaaren beschäftigt. Die Drina- Armee hat 3000 Mann Verstärkungen erhalten.
— Wien, 12. Juli. Das „Telegraphen-Korresp.-Bureau" meldet aus „besonderer Quelle" von Serajewo, 11. d.: Bei Wischegrad (an der Drina, der serbischen Südwestgrenze gegenüber) fand heute ein größerer Kampf zwischen Serben und Türken statt, dessen Ausgang noch unbekannt ist. Die Serben beschießen Novibazar anhaltend. Ferner von Skutari, 11. Juli: Heute fanden zwei größere Gefechte zwischen den Montenegrinern und den Türken statt, eines bei Kernica' in der Kraina, ein zweites bei Podgorwza. Die hier einlaufenden Nachrichten lauten weniger günstig für die Türken, welche stärkere Verluste erlitten haben sollen.
Schweiz. Zürich, 10. Juli. In Elgg, im Kanton Zürich, sind Samstag Nacht 52 Häuser abgebrannt, wobei 2 Frauen'um. kamen; ein der Brandstiftung verdächtiger Mensch ist verhaftet worden.
Türkei. Während die Serben ihre Kräfte «verzetteln, ist die Pforte bemüht, durch fortwährende Nachschübe von Truppen an den entscheidenden Punkten das Uebergewicht zu erlangen; wie der Spezial- Berichterstatter der „Presse"in Konstantinopel meldet, gehen fortwährend über Rustschuk nach Widdin und Uber Sofia nach Nisch Verstärkungen ab. Da die kriegerischen Ereignisse vorläufig die Thätig- keit der türkischen Minister hauptsächlich in Anspruch nehmen, ist die Ceremonie der Schwertumgürtung ins unbestimmte verschoben worden. — Ein Korrespondent des „Standard" schreibt aus Belgrad: Ich habe Unterredungen mit einigen verwundeten Soldaten gehabt, die hier von der Drina angekommen sind. Sie berichten fürchterliche Details über den Kampf in Bjelina. Die türkischen Frauen schossen mit Revolvern aus den Fenstern. Ein Soldat sagte: „Je mehr Türken wir tödleten, desto mehr erschienen, um gegen uns zu kämpfen. Es war, als ob sie aus der Erde wuchsen." Diese Soldaten konstatiren, daß 6000 Serben in Bjelina verwundet wurden.
Belgrad, 11. Juli. (Amtliche Meldung). Mali Zwornik, auch Sakhar genannt, eine innerhalb der Grenzen Serbiens gelegene, - den Türken gehörige Enklave, gegenüber Groß-Zwornik in Bosnien, wurde von den Serben nach einem Kampfe, in dem die Türken 200 Todte auf der Wahlstadt zurückließen, eingenommen. — In der Gegend von Widdin erhebt sich die Bevölkerung in Massen und bildet die Avantgarde der serbischen Armee. Die türkische Bevölkerung von Widdin ist in die Citadelle geflüchtet.
Belgrad, 11. Juli, Nachmittags. (Offiziell.) Osman Pascha wurde bei Bregova in einer großen Schlacht total geschlagen. Das Widdiner Türkenkorps ist in der Auflösung begriffen. Osman Pascha retirirte bis Widdin. Die serbische Grenze ist frei von Tür» ken. — Abends: Eben wird ein Sieg Tschernajeff's über Abdul Kerim Pascha verkündet. Die türkische Hauptarmee wurde angeblich bis Sofia zurückgeworfen.
Belgrad, 11. Juli. Die Serben nahmen das türkische Lager bei Jaruna (?). Der serbische Oberst Ostoitsch besetzte die von Widdin nach Nisch führende Heeresstraße und schnitt die türkischen Verbindungen ab. ..
Bukarest, 11. Juli. In der Kammer verlaß der Munster- Präsident eine Depesche, wonach die Türkei auf Verlangen Runräniens eingewilligt hat. die Donau zu neutralisiren, unter der Bedingung, daß Rumänien die Bildung bewaffneter Bande» und jede Waffenlieferung verhindere. Serbien willigte ein» die Jnselfestung Adakale (türkische Festung auf einer Donauinsel zwischen Serbien, Ungarn und Rumänien) nicht anzugreifen, welche von Rumänien verproviantirt wirb.
Lettin je, 11. Juli. Die-Montenegriner erstürmten Gaczko (früheres Hauptquartier Mukhtar Pascha's), der Dugapalast wurde von Türken ganz gesäubert. . '
(Hiezu Nro. 29 des UntechÄtungSblall s/
Redaktion, Druck und Verlag von S. OelschlSger in Calw