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Calw. Seminar-Angelegenheit.

Bei dem Interesse, das sich hier für die Errichtung des Schul­lehrer-Seminars zu erkennen gegeben hat, halte ich fiir angemessen, meinen in der Kammer der Abgeordneten dießbezüglichen Vortrag hier­nach zur Kenntniß der hiesigen Einwohner zu bringen, wobei ich be- merke, daß ick nach der Intention des Gemeinderaths mich enthalten habe, einen Antrag auf weitere Behandlung der Frage zu stellen, in Betracht, daß im Falle der Berwilligung der Gemeinde ein Opfer von ca. 40,000 fl. angesonnen war, was eine Erhöhung des Stadt­schadens von jährlich 2000 fl. zur Folge gehabt haben würde, ein Opfer, das für unsere Verhältnisse zu schwer gewesen wäre.

Am 25. Juni 1876. Abgeord, "" ^

Meine Herrn. Ich hatte im Sinne, gegen liche und entschiedene Vorstellung zu erheben, selbstverständlich nicht in der Absicht, die Bedürsnißfcage bestreiten zu wollen, nein, ich an­erkenne vielmehr, daß das dringendste Bedürsniß zur Errichtung eines vierten Schullehrerseminars vorliegt, sondern in der Richtung, gründ- lichcre Untersuchung zu beantragen, insofern die Frage hinsichtlich der Ortswahl meines Erachtens noch nicht spruchreif ist, da die Haupt­momente, welche für die Wahl Calws sprechen, von dem Hrn. Finanz­minister nicht in ihrer vollen Bedeutung gewürdigt worden sind, wäh­rend die angeführten Gegengründe von untergeordnetem Werthe erscheinen.

Ich bin zur Stunde noch derselben Ueberzeugung, werde aber einen dießbezüglichen Antrag vorläufig nicht stellen, namentlich deßhalb nicht, weil mir von dem Berichterstatter vor einigen Tagen mitgetheilt worden ist, daß die Stadt Nagold bedeutend höhere Offerte gemacht habe, ferner deßhalb nicht, weil nach einer in den letzten Tagen im Gcmeinderath Calw gepflogenen Verhandlung derselbe keine Ansicht dahin ausgesprochen hat, die Frage nicht weiter zu verfolgen, wohl aber die Gründe, welche für die Wahl Calws sprechen, hier zur Anerkennung zu bringen und die weitere Entscheidung hierüber diesem hohen Hause zu überlassen. Demgemäß ist es theils zur Begründung unseres Gesuchs, theils zu unserer Rechtfertigung, theils aber auch zu dem Zweck, damit Sie ein richtiges, vollständiges Bild v. der Sachlage erhalten, angezetgt, die Motive des Finanzministeriums näher zu beleuchten. Der Herr Finanzminister hat im Allgemeinen in den Motiven ausgesprochen, daß Calw als die ungleich größere Gemeinde, mit seiner gewerbsthä- Ligen Bevölkerung und mit seinen viel entwickelteren, besonders auch für die Familien der Seminarangestellten sehr erwünschten Lehranstalten in Betracht gezogen worden sei, zumal auch ganz anerkennenswerthe Anerbietungen, von Seite der Gemeinde und eines Privaten gemacht worden seien. Er hat sich aber enthalten, diese Vortheile und die Anerbietungen der Gemeinde im Einzelnen darzustellen, während er die Gründe, welche für Nagold sprechen, in den Motiven einzeln mit besonderer Vorliebe auSeinandergesetzt hat. Es ist nun nicht sowohl die Abweisung an und für sich, als vielmehr diese einseitige und stief­mütterliche Abfertigung, welche in Calw böses Blut gemacht und tiefe Mißstimmung erregt hat. (Redner zählt sodann die humanistischen u. realistischen Lehranstalten der Stadt auf und erwähnt die großen Opfer, welche die Stadt dafür gebracht, die in Folge davon eine Umlage von 20,000 fl. das 2l/2fache der Staatssteuer, zu tragen hat. Auch die Frauenarbeitsschule und das Gcorgenäum finden wohlverdiente Er­wähnung). Eben diese Rücksichten auf die höheren Bildungsanstalten Calw's haben auch die Oberschulbehöcden, das Konsistorium und das Kultministerium bestimmt, mit aller Entschiedenheit in erster Linie auf die Errichtung des Seminars in Calw hinzuwirken, während der Herr Finanzminister zu unserem größten Bedauern sich vom Anfang an bis zum Ende ablehnend dagegen verhalten hat.

Ueberdieß, meine Herrn, hat die Gemeinde Calw trotz ihres unbe­deutenden Gemeindevermögens, trotz ihres großen Stadtschadens noch zu folgenden pekuniären Opfern sich verbindlich gemacht:

1) Zu Erwerbung des Bauplatzes mit 2 Gebäuden auf dem Schloß­platz und einer Anzahl Gärten im Meß von 3V2--4 Morgen zum Kaufpreis von ca 20,000 fl.

2) Zar Herstellung einer Wasserleitung aus einer oberhalb des Bauplatzes gelegenen Quelle, welche so hoch gelegen ist, daß durch den natürlichen Druck das Wasser in das erste und zweite Stockwerk des Gebäudes geleitet werden könnte.

3) Zu Abtretung eines in neuester Zeit eigens für diesen Zweck ausge­suchten und aufgefundenen Steinbruchs, der vorzügliches Material liefert.

4) Zu Einrichtung cker nöthigen Lokale für die Sommer-Uebungs- schule in einem neuzebauten Gebäude neben dem Bauplatz.

5) Zur Uebernahme der Lehrerbesoldungen und

6) zu Correktion der etwas ansteigenden Straße für den Fall der Ausführung dieses Bauwesens. Meine Herrn, das sind Opfer,, welche einen Kapitalwerth von,40,000 Gulden oder 68,000 Mark reprä- sentiren, .wozu noch der pigesicherte Beitrag von einem patriotischen Privatmann in Calw mit 10^000 Mark kommt. Man hätte doch denken sollen, daß diese Bortheile und diese großen pekuniären Opfer

das Zünglein in derWage zu Gunsten Calw'S neigen und nicht unter­geordnete Gesichtspunkte den. Ausschlag geben würden, was mich nun zu der Widerlegung der Motive in der Vorlage Seite 10 führt.

Es wird hier der Bauplatz in Calw als ein minder günstiger, namentlich auch deßhalb beanstandet, weil derselbe aut einer nicht un­bedeutenden, theilweise nur auf steilem Wege zu erreichenden Anhöhe liege, was den Verkehr der Anstalt und darunter namemtlich die Be­nützung der Turnhalle erschweren würde. Die Widerlegung der ersten Behauptung hat der Hr. Finanzminister selbst durch die Thatsache ge­geben, daß, als er mit dem Hr. Kultminister die Gewogenheit hatte, in Calw an Ort und Stelle von der Baustelle Augenschein zu netz- Abgeordneter Sch ujld t^lmen, er, wie der Hr. Kultminister leichten und raschen Schrittes den die Vorlage ernste angeblich steilen Weg ohne die geringste Anstrengung pasfirte und oben wohlbehalten ankam. Hiezu habe ich weiter zu bemerken, daß ich auf den Wunsch des Hrn. Finanzministers demselben Situationspläne, Quer- und Längen Profile übergeben habe, die wohl vorliegen werden, wornach die Steigungso erhältnisse doch nicht so bedeutend sind, wie sie in der Vorlage geschildert werden. Ich habe die betreffenden No­tizen bei der Hand, hiernach beträgt die Strecke vom Marktplatze, dem Mittelpunkte der Stadt, bis auf den Schloßplatz 340 Meter, die Steigungsoerhältnisse sind folgende:

auf 140 Meter Länge 10«/g, auf 100 Meter 2«/<,, auf 50 Meter 6«/a, und auf 50 Meter 9o/g, durchschnittlich 8M/g.

Solche Steigungsverhältnisse bestehen auch in vielen Straßen Stuttgarts und gewiß wird niemand behaupten wollen, daß die Ver- kehrsvechältniffe dadurch erschwert werden.

Was nun speciell die Verkehrsverhältnisse in dieser in Frage stehenden Straße betrifft,, so habe ich in dieser Beziehung anzusügen, daß der Verkehr, wie der Hr. Finanzminister befürchtet, bei uns in keiner Weise dadurch erschwert wird.

(Redner schildert hier den bedeutenden Verkehr und die GewerbS- thätigkeit in dieser Straße.)

Was sodann die weitere Behauptung betrifft» daß die Benützung der Turnhalle dadurch erschwert sei, so ist uns diese Einrede nicht klar. Der Turnplatz liegt unterhalb des Schloßplatzes auf dem Brühl, einem mit einer Kastanien- und Linden-Allee versehenen großen öffentlichen Platze, zu dem, wie Redner ansführt, drei Wege führen. Ich begreife nun nicht, wie man da behaupten mag, die Benützung der Turnhalle sei erschwert. Diese Einredm, glaube ich, sind von so un­tergeordneter Bedeutung, daß sie keine Beachtung verdienen.

Schwerer dagegen wiegt der in der Vorlage gemachte Einwurf» der schwer zu bearbeitenden Calwer Sandsteine. Wir haben bedauert, daß unsere Sändsteine auf-diese Weise discreditirt worden sind, was dem Rufe und Absätze derselben gewiß nicht förderlich sein kann. ES > hat auch große Verwunderung erregt, daß der Herr Finanzminister unsere Steine für viele seiner Bauten, namentlich Eisenbahnbauten verwendet, und sie doch in solch ungünstiger Weise prädicirt, deßhalb werden wir auch annehmen dürfen, daß dieser Vorwurf nicht so ernft-i lich gemeint ist. In einer Beschreibung des Rems-Viadukts in einem der letzten Blätter desSchwäbischen Merkurs" ist wenigstens daS Gegentheil zu lesen, hier werden unsere Steine gerühmt, und gesagt: die Steinpfeiler seien aus dem bekannten schönen rothen Sandstein von Calw hergestellt. In einer solchen Weise wie geschehen, über unser Material ein abfälliges Urtheil zu fällen ist sehr bedauerlich, um sa mehr als die Erfahrung damit im Widerspruch steht. Es ist auch von all unfern Technikern, Eisenbahnarbeitern und Steinhauern ent­schieden dieser Vorwurf als ein unbegründeter bezeichnet worden.

_ (Schluß folgt.) _ , , -

W ildbad, 26. Juni. An der Fahrt der württ. Abgeordneten

hierher nahmen außer Herrn v. Mittnacht sämmtliche Herren Minister und etwa 70 Mitglieder Theil. Die Honneurs machte Geh. Rath o. Dillenius. Nach Besichtigung de» Klostets in Maulbronn und daselbst eingenommenem Frühstück, bei welchem der Elfinger,Prälaten» wein seinem Rufe alle Ehre machte, trafen die Herren gegen 1 Uhr hier ein, nahmen die vorhandenen Einrichtungen unter Führung des Geh. Hofraths v. Renz in Augenschein und mehrfache Wünsche be-^ treffS nicht vorhandener zur Kenntniß. DaS Diner wurde im Bad­hotel eingenommen und durch manche schöne Trinkfprüche gewürzt.' Demselben folgte ein kurzer gemeinsamer Spaziergang und dann nach dem Konzert auf dem Kurplatz die Heimfahrt, bei der unsere geehrten Gäste wohl des schön verlebten Tages gedacht haben werden.

Stuttgart, 28.Juni. Bei dem vorgestern durch das zweite Bataillon des 7. württ. Infanterie-Regiments Nro. 125 vorgenom­menen Felddienst wurde vor dem Cannstatter Wasen ein Zug zum Schwärmen befehligt. Ein Musketier kani dabei hinter einen Weiden­baum zu stehen, welcher hohl war. Beim Ntederknicen sah derselbe in der Höhlung des Baums Metall glänzen, was ihn zur Nachforsch­ung veranlagte. Der Erfund waren A silberne Eßlöffel und 5 fil» berne Kaffelöffel, welche vermuthl. schon vor langer Zeit irgendwo gestohlnr