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Umsichgreifen zu verhindern. Zur Sicherheit wurde der betreffende Walddistrikt die Nacht hindurch bewacht und dadurch der weitere Zu« tritt des Publikums verhindert. Ob -aS Feuer durch frevelnde Hand oder durch Unvorsichtigkeit entstanden, konnte bis jetzt noch nicht er« mittelt werden.
— Kir chheim, 3. Mai. Der „T. B." schreibt: Heule Vor« mittag wurden wir durch die ebenfalls höchst unangenehme Nachricht überrascht, daß auch der seitherige Buchhalter der Spar« und Vor- schußbank, C. Niethmüller, feit gestern Nachmittag von hier verduftet ist. Es wäre dieß, wenn man seiner nicht mehr habhaft werden sollte, um k unangenehmer, da derselbe gewiß über Manches noch im Dunkel schwebende hätte Aufschluß geben können und was jedenfalls im Interesse der Mitgliedschafi über kurz oder lang hätte geschehen muffen. Jetzt heißt es mehr als zuvor .— die Augen auf oder den Beutel, — wenn das Verduften so an der Tagesordnung ist.
— Vom Lande, 4. Mai. Sechsundzwanzig Knaben der Ober- Nasse einer Volksschule in einer größeren Stadt verabredeten dieser Tage während des Jntecstitiums um 9 Uhr, nicht mehr ins Schul- zimmer zurückzukchren, führten dieß auch aus und trieben sich 2 Stunden in der Stadt herum. Um t l Uhr erschienen sie wieder in der Schule, aber nur um ihre zurückgelassenen Ranzen abzuholen. Der als sehr tüchtig und gewissenhaft bekannte Klassenlehrer stand ob dieser neuen Art von „Sinke" rathlos da und mußte sich zunächst damit begnügen, dem Schulinspektorat Anzeige zu machen, welches sofort die Eltern schriftlich von dem Vorzckommenen benachrichtigte; jeder dieser 26 Schüler mußte diese Anzeige selbst schreiben.
— Biberach,2. Mai. Seit heute Morgen 6 Uhr fällt eine so lche Masse Schnee, daß man glauben könnte, wir befinden uns im tiefsten Winter. Unsere prächtig blühenden Bäume und Sträucher brechen unter der Last und von den gestern noch im reinsten Gold- glanze strahlenden Rcpsfeldern findet heute daS Auge keine Spur mehr, so winterlich bedeckt ist die ganze Gegend geworden. (Buch von verschiedenen Orten der Schwöb. Alb wird uns reichlicher Schneesall vom gestrigen Tage gemeldet.)
— Ravensburg, 2. Mai. Heute feiert Hr. Bäckermeister Spring und seine Ehehälfte durch Kirchgang und Festessen das Fest der goldenen Hochzeit.
— Waldsee, 3. Mai. Soeben durchläuft die Schreckenskunde unsere Stadt, daß vergangene Nacht die etwas abgelegene Mühle in Jzgenau sammt 6 Personen ein Raub der Flammen geworden ist. Der Eigenthümer und der Schweizer-Knecht wurden, als sie das Vieh loslassen wollten, durch das Rutschen der Strohbedachung und das Wiedereindrängen des befreiten Viehes vom Fenertode ereilt. Zwei Kinder, von denen eines nicht zu Hause war, stehen vor den Trümmern von Haus und Hof, in denen ihre unglücklichen Eltern und Geschwister, die alte Großmutter und ein treuer Dienstbote als verkohlte Leichen begraben liegen. Mitverbrannte auch sämmtliches Vieh, zwei Pferde ausgenommen. Neber die Entstehungsursache ist noch nichts bekannt.
— Heidelberg, 1. Mai. Der Erbgroßherzog hat sich für den Besuch der Vorlesungen jede besondere Veranstaltung verbeten. Er nimmt seinen Platz unter den Studirenden sauf Bänken, welche die grausamen Zeiten der Tortur ins Gcdächtniß zurückrufen.
— Darmstadt, 3. Mai. Heute Morgen fand, nach dem „Fr. I.", ein Pistolenduell zwischen zwei Polytechnikern statt. Der eine, Jung aus Grünberg, erhielt eine Kugel in den Unterleib und starb wenige Stunden darauf im Hospital. Sein Gegner ist B. aus Frankfurt.
— Sigmaring en, 1. Mai. Auf dem Kuppetthurme des erb« prinzlichen Palais hier mußten kürzlich Ausbesserungen durch Schieferdecker vollzogen werden; da aber, schreibt man dem „Grenzb.", die Haken zur Befestigung der Steigleitern zum Erklimmen des Schieferdaches nur mit einem gewöhnlichen Drahtstifte befestigt waren, so zog die daran hängende Leiter den Drahtstift heraus, und der Mann rutschte mit Blitzesschnelle mit der Leiter über das Dach hinunter und wäre seinem Tode gewiß nicht entgangen, wenn nicht ein zweiter Arbeiter den Stürzenden mit Riesenkraft noch rechtzeitig an den Füßen gepakt und an sich gezogen hätte. Die Freude der beiden' Familienväter über das gelungene Rettungswerk war eine ergreifende.
— Berlin, 2. Mai. Die dritte Berathung der Eisenbahnvorlage im preußischen Abgeordnetenhause, welche gestern stattfand, ergab für die Regierung eine noch größere Majorität als die zweite. In namentlicher Abstimmung wurde das Gesetz mit 216 gegen 160 Stimmen angenommen, in zweiter Lesung waren bekanntlich 206 Stimmen für, 165 gegen die Vorlage abgegeben worden. Bei der gestrigen Berathung sprachen die Abg. Hänel und Windthorst (Meppen) gegen die Vorlage, Ersterer, weil dieselbe unwirtschaftlich und unpolitisch sei. Letzterer, weil sie die Selbstständigkeit der Einzelstaaten
beschränke und gegen das Prinzip der Freiheit verstoße, v. Sybek und Löwe nahmen das Wort für die Vorlage, die nirgends die Freiheit gefährde und in nationaler wie in wirthschaftlicher Beziehung nur Vortheile biete. Damit wurde die Generaldebatte geschlossen.
— Berlin, 2. Mai. Die „Post" schreibt: Der bevorstehenden Zusammenkunft der drei Kanzler in Berlin wird allseitig eine große Bedeutung beigelegt. Auch nach der Weiterreise des Kaisers von Rußland am 13. Mai verbleiben di; fremden Kanzler noch einige Tage hier, um mit dem Fürsten Bismarck über die orientalische Frage zu konferiren.
— Wien, 3. Mai. Die „Presse" meldet', der österreichisch- ungarische Ausgleich sei perfekt geworden. Das bisherige Quoten« verhältniß der Beitragsle'stung beider Reichshälften zu gemeinsamen Staatsausgaben ist auf weitere 10 Jahre beibehalten, die Streitfrage der Verzehrungssteuer fallen gelassen. Bezüglich der Zollrestitution macht Oesterreich Zugeständnisse. Betreffs der Bankfrage bleibt, die Einheit der Zettelbank und Währung. Die Frage, ob ein Metall- schatztheil nach Pest kommen wird. soll erst bei den Verhandlungen Ungarns mit der Nationalbank über Verlängerung des Privilegiums, welches Ende 1877 obläuft, entschieden werden.
— München, 3. Mai. Von der k. Polizeidirektion München wurde ein Ausschreiben erlassen, wornach zwei im Alter von 14 bis 15 Jahren stehende Knaben, Söhne angesehener und wohlhabender Eltern aus Begeisterung für die Sache der Insurgenten in der Herzegowina heimlich entflohen, um sich auf den Schauplatz des Ausstandes zu begeben und in die Reihen der Kämpfer einzutrcten; die Behörde ersucht um Anhaltung derselben und telegraphische Benachrichtigung.
Frankreich. Paris, 2. Mai. In Orleans begann soeben das 447. Fest der Erinnerung an Jeanne d'Arc. Es wird bis zum 14. Mai dauern. Das Hauptschauspiel ist der historische Zug, in welchem ein Mädchen die Heldin darstellt. Dupanloup hat ausdrücklich gefordert, daß nicht eine Frau zu dieser Rolle bestimmt werde. — Das „Bien public" meldet für gewiß, daß der Marineminister bereits Befehl gegeben habe, die Transportschiffe „Loire" und „Friedland" ausznrüsten, damit sie die politischen Verurteilten» deren Begnadigung durch den Präsidenten der Republik beoorsteht, von Neu- Kaledonien abholen.
England. In mittelalterlicher Weise wurde in London am 1. Mai unter dem Klange der silbernen Trompeten der „Staats- trompeter" der City, der neue Titel der Königin durch die Sherifs von London und Middlesex vor dem Londoner Volke ausgerufen, einmal vor der Börse und ein zweites Mal innerhalb des viereckigen Hofes der Börse. Wie in den Shakespeare'schen Stücken folgten dem Ausrufe laute Hurrahrufe der gerade anwesenden Leute, die eben so wenig befugt waren, sich als „die Bürger Londons" auszugeben, wie die Schauspieler auf der Bühne bei den erwähnten Aufführungen.
Literarisches.
Demnächst erscheint im Verlage von IV. 8kLN^.?iM in Stuttgart ein hervorragendes Unternehmen: Die Erde und ihre Völker, ein geographisches Hausbuch von Frieärick von Lekkivakel, worauf wir schon jetzt aufmerksam machen möchten. Es fehlt in Deutsch, land gänzlich an einer umfassenden Länder- Md Völkerkunde, welche mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und Schönheit der Darstellung den Reiz künstlerisch ausgeführter Abbildungen verbände. Diese Lücke soll obiges Werk ausfüllen, Fr. v. Aekkwakä, der Redakteur des „Auslandes", ist wie wenige berufen, ein solches Werk zu verfassen. Die 1. u. 2. Lies, dieses Werkes liegen uns vor, und können wir mit vollem Recht bezeugen, daß dasselbe nach Inhalt und Ausstattung unter der Lltteratur dieser Branche eine ganz hervorragende Stellung einnehmcn wird. Jede Lieferung enthält ein Tondruckbild in ausgezeichneter Ausführung und eine Menge in den Text eingedruckter fein geschnittener Holzschnitte mir wirklich künstlerischer Zeichnung. Das Werk wird in fünfzig Lieferungen erscheinen und bis Weihnachten nächsten Jahres vollendet sein. Ein besseres Werk zur Belehrung sowie zum Schmucke des Büchertisches wüßten wir nicht zu empfehlen.
Vermischtes.
In eine feine Conditorei in Berlin trat ein Bäuerlein mit seiner Frau und ließ sich Kaffee geben. Der Kaffee schmeckte ihnen vortrefflich, nur über die Gläser Wasser, die dazu gestellt wurden, schüttelten sie die Köpfe. Die Bäuerin war aber nicht auf den Kopf gefallen, ehe sie weggieng, spülte sie mit dem Wasser die beiden Taffen gründlich rein, wie sichs in einer so feinen Wirtschaft schickt. Di Berliner spötteln über die Leute vom Dorfe und ahnen nicht, daß diese sich für vieles, was sie in der Kaiserstadt sehen, gründlich revanchiren
-iedaktion, Druck und Verlag von S. OelschlSger in Calw. (Hiezu Nro. 19 des Unterhaltungsblatts.)