Dortrage voll reichen Inhalts mehr als nur einzelne Gedanken wieder» zugeben, die aber vielleicht dazu dienen, da und dort eine Erinnerung an das Gehörte zu wecken.
»Hans Sachs war ein Schuhmacher und Poet dazu: sei ein zwar allbekannter Reim, begann der Redner, aber doch sei H. Sachs mehr genannt als bekannt. Und doch verdiene dieser ehrt. Biedermann, mit seiner idealen Auffassung des Lebens, seinem klaren Blicke und seiner nicht zu verachtenden poetischen Begabung, dieser scharf ausgeprägte Charakter die volle Beachtung einer Zeit, die an ausgebildeten Charakteren eigentlich Mangel habe. Besondere Veranlassung, ein Bild desselben vorzuführen, liege in der Gedächtnißfeier, die am 20. Jan. d. I. als dem Tage, an dem H. Sachs vor 300 Jahren grst., in Nürn- berg gefeiert worden. Indem sodann der Redner die Zeit am Ende des XV. und Anfang des XVI. Jahrhunderts schilderte, in der große Gährung. auf politischem und religiösem Gebiete war und große Ereignisse, wie die Entdeckung des Seewegs nach Ostindien, die Entdeckung v. Amerika, die Erfindung der Buchdruckerkunst und vor Allem die große Kirchenreformation die Welt im Athem erhielten, und in- bem er von der engeren Heimath unseres Helden, von Nürnberg, dem Stapelplatze des deutschen Handels und der Pflegstätte der edlen Künste und Wissenschaften, an der ein Albrecht Dürer, Peter Fischer u. A. wirkten und schafften, ein anziehendes Bild entwarf, hatte er den Boden geschildert, dem Hans Sachs entsproßte, auf dem er lebte und wirkte. Als eines unbemittelten SckneiderS Sohn 1494 geboren , mußte er mit 15 Jahren seine Studien unterbrechen, und sich 2 Jahre lang auf den Pechstubl setzen, fand dann in der Schule der Meistersinger wieder geistige Anregung, erlernte von Meister Nunnen- beck die Tabulatur, d. h. die Regeln der Dichtkunst und ging dann auf die Wanderschaft. Das wilde, rohe Treiben des Wanderleben« eckelte ihn aber an, aber auch das Handwerk entleidete ihm, und als er gar der Liebe Leid erfahren, ging er unter die Jäger des Kaisers Maximilian, und trug sich selbst mit dem Gedanken, ein Landsknecht zu werden. Fünf Jahre dauerte das Wanderleben, von den Alpen bis Lübeck, das Rhein- und Donauthal entlang, da kam das Heim weh über ihn. Rein und unbefleckt, aber gestärkt im Geiste kehrte er heim ins Vaterhaus, machte sein Meisterstück und schusterte daraus los, ohne aber das Dichten zu vergessen. Die Gründung eines eigenen Hausstandes (1519) brachte ihm Freud und Leid, da seine Ehehälfte etwas allzu schneidig war. Dem von Natur milden und freigebigen
Geiste voll elastischer Spannkraft war da die Pflege der Poesie eine
unentbehrliche Erholung, und 4275 Meistergesänge und über 6000 Dichtungen der verschiedensten Art, Schwänke, Dramen und dgl., wenn such oft rauhen und harten Tones oder plump und unbehülflich, geben Zeugniß von dem rastlos sä affenden Geiste und von dem guten Kerne, der in der rauhen Schale lag. Man fühlt, wie er aus dem Volke heraussprach, und die Kittern PMen, die er den Menschen eingeben
wollte, wußte er mit Witz und Humor zu überkleiden. Alle seine
Gedichte, zu denen er den Stoff theils auf der Wanderschaft gefunden, auk der sein klarer Geist ihn auch das Unbedeutendste höher aufsassen ließ , theils im Studium der Clafsikcr, Chroniken oder Kirchenväter schöpfte, haben etwas Lehrhaftes, sie sind in hervorragender Weise Zeitgedichte, in denen er die Schäden und Gebrechen seiner Generation zeichnete. Vor allem aber lag ihm das sWohl des deutschen Vaterlandes am Herzen, dessen-Uneinigkeit im Innern ihn allen Ständen den Leviten lesen läßt. Insbesondere aber schenkt er der socialen Frage seine Aufmerksamkeit; er sieht, wie von vielen Besitzenden der Arme ausgebeutet wird und wie es auf der andern Seile gährt. Darum fühlt er sich glücklich als ein Mann des Mittelstandes. Wenn es aber besser werden soll, müsse die Besserung an der Familie anfangen. Und wie schön besingt er die Herrlichkeit des häuslichen und ehelichen Lebens, in dessen Schattenseiten hinein er seinen Trost zu spenden veiß! Glück in der Familie und im Vaterlande kann er sich aber nur denken bei wahrer Gottesfurcht; darum hat er die Reformation mit so inniger Freude begrüßt. Noch im 60sten Jahre war er voll Sangeslust, doch begannen ollmählig seine Kräfte zu schwinden und von der treuen Liede seiner zweiten Gattin gepflegt, schlug dem hochbegabten Poeten, der am Ende seines Lebens noch ein Kind geworden, am 20. Januar 1576 die ErlösungSstunde. In Nürnberg war ein großes Trauern und Hunderte von Meistern sangen an seinem Grabe. UnS aber sieht der biedere Meister, den Eöthe wieder zu Ehren gebracht, nachdem französischer Geschmack ihn eine Zeit lang verdrängt hatte, heute noch als ein seltener Charakter da, der neben geistiger Vollkraft und Sastsülle sich einen so offenen Sinn bewahrte für die hohen Gedanken de« sittlichen und realen Lebens."
Dem Herrn Redner aber, der uns diese herrliche, urdeutsche Gestalt mit solcher Wärme vor Augen geführt, muß sich das Publikum, dem diese, obwohl etwas lange Stunde eine Stunde angenehmster Belehrung war, zu aufrichtigem Danke verpflichtet fühlen.
Allerhand aus dem Publikum.
Schulsache. (Eingesendct.)
Seit einigen Tagen beginnt der Consirmationsunterricht Morgens 7 Uhr und dadurch kommt es vor, daß Schüler des Reallyceums von Morgens 7—12, und an mehreren Tagen der Woche Mittags von 1—5 Uhr Unterricht haben; bis die Hausaufgaben gearbeitet sind, wird es oft Nachts 9 bis i/zIO Uhr. da doch die Knaben, wenn sie um 5 Uhr Abends endlich ausschnausen können, nicht gleich wieder an ihre Hausaufgaben gesetzt werden können. Nach dem Stundenplan soll an einigen Wochentagen der Unterricht Mittags um VZ2 Uhr, aber nicht um 1 Uhr beginnen, ebenso sollen ihnen an manchen Tagen Freistunden zufallen, die jedoch ebenfalls meistens durch einen der Herren Lehrer mit Beschlag belegt worden. Auch die Mittwoch, und Sams- tag-Nachmittage bleiben den Knaben nicht mehr frei, denn wenn auch kein Unterricht auf dem Stundenplan steht, so werde sic von dem gleichen Herrn Lehrer in die Schule beordert, und dort 1—-IVo Stunden beschäftigt. Wenn man nun auch die gute Absicht des Herrn Lehrers in vollem Maße anerkennt, so erheischt doch auf der andern Seite die Sorge für die Gesundheit und das leibliche Wohl der Knaben, daß der Unterricht nicht übertrieben werde, und es ergeht daher die Bitte, cs doch bei dem Stundenplan zu belassen, welcher gewiß allen Anforderungen Rechnung trägt. Die Knaben selbst werden maßleidig, wenn sie sehen, daß man ihnen ihre Erholungestunden garzu sehr beschränkt.
— Stuttgart, 21. März. Wie wir vernehmen,^at der frühere Staatsminister, ReichStagkabgeordnete v. Barnbüler eine Denkschrift verfaßt, worin er seine Ansicht über den Verkauf der deutschen Eisenbahnen an das deutsche Reich darlegt. Wie verlautet, ist Freiherr v. Varnbiiler entschieden gegen die Erwerbung der Bahnen durch das deutsche Reich und beleuchtet in seiner Denkschrift die dadurch entstehenden Schattenseiten in eingehender wissenschaftlicher Weise. Das etwa 72 Seiten starke Buch erscheint in etwa 8 Tagen in Eduard v. Hallbergers Verlag und wird gewiß in ganz Deutschland Aufsehen erregen.
— Wenn man den Kalender zur Hand nimmt, darin den 20. März als Frühlingsanfang verzeichnet findet, und damit nun die Schnee- landschaft vergleicht, welche sich heule früh bei 5 Grad k. Kälte den Blicken darbot, so könnte man glauben, daß auf unserem Planeten irgend etwas „nicht mehr recht stimme". Uebrigens mag darauf hingewiesen sein, daß diese Abnormität einmal wirklich im Einklang mit dem 100jährigen Kalender steht, welcher sagt: 10. bis 22. März kalt, von 23. bis Ende schön. Nachts aber Frost.'
— Crailsheim, 20. März. Das räthselhafte Verschwinden eines siebenjährigen Mädchens, dessen gemeldetes Auffinden in der Jaxt sich nicht bestätigt hat, beschäftigt noch immer alle Gemüthcr. Faßt man die näheren Umstände, die dabei in Betracht kommen, in« Auge, so steht man vor einem Dunkel, das bisher durch nichts ge- lichtet werden konnte und die Frage, ob man es hier mit einem Fall wie der der Anna Eöckler zu thun hat oder ob das Kind mit kaltem Blut ermordet und beseitigt wurde, wird allseitig erörtert. Darüber daß das Kind in seinem vorgeschrittenen Alter und bei der Beschaffenheit, des Joxtufers nicht von selbst in die Jaxt gerathen ist, kann für den Ortskundigen kein Zweifel obwalten.
— Künzelsau, 21. März. Im hiesigen fürstlichen Schloßkeller springt seit einiger Zeit ein klarer Quell. Die alten Weingärtner sind darüber freudig erregt. Sie bezeichnen diese Quelle mit dem Namen „Weingalle" und wollen darin das sicherste Vorzeichen eine« guten Weinjahres erblicken. — In dem benachbarten Niedernhall wird seit 10 Tagen die erwachsene Tochter achtbarer Eltern vermißt. Ihre Schuhe, Gürtelund ein Körbchen fand man am Ufer des Kochers; es läßt sich daraus vermmhen, daß sie freiwillig ihren Tod in den Wellen gesucht hat.
— Langenargen, 20. März. Von hiesigen Fischern wurde gestern Mittag in der Vrgenmündung der Leichnam eines älteren ManneS aufgefundeu, in welchem der seil Sonntag den 20. Februar spurlos verschwundene Fidel Lang aus Gitzensteig erkannt wurde. Derselbe gieng an jenem Sonntage Abends von dem Wirthshause „zur Giesen- brücke" allein nach Hause, wird in der Dunkelheit den Weg verfehlt haben und bei dem damaligen großen Wofferstande in die Argen gelaufen sein, wo er den Tod fand.
Schweiz. Solothurn. In Günsburg sind 150—160 Jucharlen Wald, Weide- und Mattland im Rutschen begriffen. Der Zustand soll für das Dorf EünSburg nicht ohne Gefahr sein. Seit Donnerstag früh ist die ganze Gemeinde mit der Ableitung des Wassers aus den Rutschhalden beschäftigt. Das Baudepartement war'an Ort und Stelle und ordnete in Vervollständigung der Hilfsarbeiten das Nothwendige an. Für die Nacht wurde HilfSmannschast ausgeboten. Von Donnerstag früh 9 Uhr bis Freitag Morgen hat sich der gewaltige Erdrutsch um 18 Fuß vorwärts bewegt. Es wird Tag und Nacht an der Ableitung des Wassers gearbeitet._
Redaktion, Druck und Verlag von E>. OelschlSger m Ealw. (Hiezu Nrv. 13 des UnterhaltungtblattS).