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Herzogin Wera von Württemberg, Großfürstin von Rußland, ist heute Ätzend um 5 Uhr von Zwfllingsprinzessinnen glücklich entbunden worden. Die hohe Wöchnerin und die neugeborenen Prinzessinnen befinden Sich, den Umständen entsprechend, wohl. Die Königliche Familie ist durch dieses Ereigniß in große Freude versetzt worden.

Stuttgart. Auf dem Militärschießplatz an der Dornhalde übte sich gestern Vormittag die 4. Kompagnie des Grenadierregiments »Königin Olga" im Scheibenschießen. Em Mann war eben im Anschlag, als das Unglück wollte, daß ein Soldat mit dem Fuß den in die Zeigerhütte führenden Glockenzug, der übrigens seit Einführung der neuenBestimmungen über das Scheibenschießen der Infanterie" nur noch beim Gefechtsschießen in Gebrauch kommen soll, berührte. Einer der Zeiger befolgte das altgewohnte Signal und trat ans seiner Deckung hervor; im gleichen Augenblick fällt der Schuß und trifft, statt der Scheibe, den Zeiger, der aber, wie wir hören, nur eine un, gefährliche Fleiickwunde erhalten hat. Nach einem in Heslach ange- legten Nothvcrband wurde der Verletzte ins Militärspital verbracht, wo er hoffentlich in Bälde seiner Genesung cntgegengeht. Auf! verflossenen Montag halte ein hiesiges Brautpaar seine Hochzeit ange­setzt, und hiezu von entfernter Gegend Gäste und Verwandte eingela­den. Das Brautpaar begab sich im Hochzeitsschmuck mit den Zeugen vor den Civilstandesbcamten» um den bürgerlichen Akt der Trauung vollziehen zu lassen, und nachher den kirchlichen Segen einzuholen. Aber wie erstaunt war das Brautpaar und die übrigen Festgenassen, als sie wegen einer mangelhaften Ulkundc zurückgcwiesen wurden. Der Standesbeamte des Geburtsorts des Bräutigams hatte die Beisitzung von des Letz eren Geburtstag unterlassen. Was war zu thun? Das Festessen war einmal bestellt und Alles vorbereitet, das Braut­paar und' der betreffende Gastgeber li ßen also durch diesen Zwischen

'fall sich nicht stören und der Hockzeiteschmauß wurde in herkömmlicher Weise abgehalten, auch munter musizirt und getanzt bis zum Morgen. Uebrigens dürfte dieser Fall zu einer genauen Prüfung der Legitima­tionspapiere, ehe man auf das Rathhaus geht, mahnen.

Cannstatt, 29. Febr. Von einer Hochzeit weg gieng in der verflossenen Nacht ein hier wohnhafter Eisenbahnbrcmser allein nach Hause und stürzte in demselben in den Souterrain hinab, wobei er solche Verletzungen erhielt, daß er heute Vormittag gestorben ist. Er hinterläßt eme Wtttwe und 5 arme Kinder.

Cannstatt, 1. März. In der Nähe des Pragwirthshauses auf der Lndwigsburger Straße wurde gestern Nacht ein bekannter Silbersandhändler, welcher vermuthlich nicht ganz nüchtern und deßhalb nicht gehörig aus der Hut war, von einem Fuhrwerk überfahren und so von einem des Wegs daherkommcnden und durch das Gewimmer aufmerksam gewordenen unbekannten Manne gefunden Dieser brachte den Verunglückten, welchem vermuthlich die Rippen eingebrochen sind, in einen hiesigen Gasthof und von da in den Spital, wo es sich zeigen wird, ob der Verletzte zu retten ist.

Schnaith im Remsthal, 29. Febr. Heute mußten wir einen Mann zu Grabe tragen, den ein tragisches Ende ereilt hat. Christian Ellwanger, ein wohlhabender Weingärtner hier, hatte am letzten Samstag mit seinem Schwager einen Theil von seinem Wein verkauft, war nach 11 Uhr Nachts in Begleitung seines Schwagers heimgekehrt und hatte sic., zu Bette gelegt. Nach einer halben Stunde stand er wieder auf und gieng zur Stube hinaus. Plötzlich vernahmen die Seinigen ein Gepolter und als sie darnach sahen, lag ihr Vater unten an der Treppe mrt gebrochenem Genick. Ohne Zweifel hatte derselbe einen Fehltritt gethan, stürzte die hohe und steile Treppe rücklings hinunter und war augenblicklich todt.

Baltmannsweiler, 1. März. Einem Akt schändlicher Rohheit, zwischen hier und Reichenbach verübt, dürfte ein Menschen­leben zum Opfer fallen. Herr Gerbermeister S., gebürtig aus Schorndorf und wohnhaft in Reichenbach kam heute in Begleitung eines hiesigen Bauernsohns, der in der Nähe von Kirchhcim sich auf­hält, hierher; auf dem Rückweg nach Reichenbach kamen, wie man erfährt, Beide in Streit, der damit endete, daß S. einen Stich in Magen und Eingeweide bekam, der für sein Leben die ernstlichsten Besorgnisse hegen läßt. Der Thäter wird telegraphisch steckbrieflich verfolgt.

Heiden he im, a/Br., 1. März. Vorige Woche kam man in der Württ. Cattunmanufaktur größeren, wie eS scheint durch dort beschäftigte Personen systematisch betriebenen Diebstählen von Cattun auf die Spur und wurden verschiedene Verhaftungen vorgenommen.

Nürtingen, 29. Febr. Eine Büberei gemeiner Art wurde dieser Tage am hiesigen Rathhaus verübt; der daselbst zu Veröffent­lichungen des Standesamts angebrachte AuShängkasten wurde zwischen 12 und 1 Uhr in frevelhafter Weife zerschnitten und ruinirt; der Thäter wurde aber, nachdem er in der gleichen Nacht noch in d?r hiesigen Mühle den Versuch gemacht haben soll, einen Pferdediebstahl zu begehen, in der Person de- kaum au« dem Zuchthaus entlassenen Laglöhner« Neidthardt aus Oberensingen entdeckt und in Gewahrsam

gebracht.

München» 28. Febr. Zwischen Staltach und Seeshaupt ist gestern Abend der Eisenbahnzug entgleist. Die Lokomotive, der Ten­der und der Dienstwagen stürzten über die Löschung. Zwe> Heizer blieben todt, Lokomotivführer Horn und Kondukteur Hascher wurden verletzt, die Passagiere sind unversehrt.

,. Berlin. Kurz nach dem französisch-deutschen Kriege ist ein eigenes Eisenbahnregiment gebildet worden, um im Kriege zerstörte Bahnen wirderherzustellen oder in aller Schnelligkeit neue Bahnen dazu erbauen, wo sie als dringendes Bedürfniß erscheinen. Daß aber dieses Regiment auch im Frieden, und hoffentlich für alle Zei­ten nur im Frieden sich nützlich machen kann, hat es in letzter Woche bewiesen, indem es auf Requisition der Direktion' der neuen Dresdener Bahn einen Eisenbahndamm, der durch di« vom kog. hohen Flemming herabstürzenden Wasser des Dahme-Fluß-GcbietS durä krochen war, überbrückle. Drei Stunden nach dem ergangenen Hilferuf war alles an Hilfsgeräthen und Baumaterialien Erforderliche in Berlin an die Bahn geschafft. Nack einer Nachtfahrt begann am Freitag Mor­gen die Arbeit und am Montag Morgen hatte d»S Regiment eine 506(L lange Brücke aufgebaut, über die sämmtliche Züge der Bahn fuhren und die nach dem Urtheil von Sachverständigen wohl einige Decennien dauern könnte. T as Regiment soll jetzt auch von der Potsdamer Bahn um Hilfeleistung bei den weit erheblicheren Tamm« durchbrächen in den Niederungen bei Magdeburg angegangen sein. Die Berichte aus Schönebeck sind äußerst traurig: Der Verkehr in den Straßen, die trotz des Falles der Hochflulh noch 5' unter Wasser stehen, wird durch Pontons vermittelt, mit deren Hilfe die Ueber- schwemmten entweder flüchten oder wenigstens ihre Einkäufe in dem kleinen, trocken gebliebenen Theile der Stadl machen Aerzte und Hebammen werden den schwer Kranken in Kähnen zugeführt, doch durch die Apotheken strömt das Wasser. Mindestens 2t >00 Personen sind obdachlos, 3040 Häuser sind eingestürzt, die übrigen, in denen die Hausgeräthe herumschwimmen, sind mehr oder weniger ruinirt und auf lange unbrauchbar. zum mindesten der Gesundheit schädlich. Staat­liche Hilfe wird der Privathilfe zur Seite treten müssen.

In den benachbarten Dörfern Pimmelte und Glinde ist das Unglück gleich groß. Die Bewohner haben sich auf die Haueböden geflüchtet und das Vieh in die Stuben gebracht, wo es aber ebenfalls noch zum größten Theil im Wasser steht.

Frankreich. Paris, 29. Febr. Don Carlos ist in Beglei­tung des Grafen Caserta gestern Abend 7 Uhr in Mauleon ange­kommen und nach Pau weitergereist. Cs verlautet, er werde sich nach England begeben. Er ist von dem Präfekten in Pau bedeutet worden, daß ihm nicht einmal für ganz kurze Zeit der Aufenthalt in der Nähe der Pyrenäen gestattet werden könne, dagegen dürfe er vorläufig in einer Stadt im Norden von Frankreich seine Residenz nehmen.

Literarisches.

Auf mehrfache an die Redaktion gerichtete Anfragen wegen Abon­nement von illustrirtcn Zeitschriften, resp. zu welcher von denselben wohl am meisten zu raihen sei, bringt die Redaktion hiermit zur all­gemeinen Kenntniß, daß sich in diesem Jahre die in Leipzig erschei­nende illnstrirte Zeitschrift: Ulrdtt- wohl am

meisten hervorgethan hat und zwar sowohl durch vortreffliche Novel­len, wie z. B. »Ohne Ziel" von E. M. Vacano.Em edles Frau­enherz" rc., rc, als auch durch Beiträge der verschiedensten Art, die alle offenen Fragen zu berühren suchen und somit wirklich auf wahre Volksbildung Hinzielen. Dazu bietet das Neue Blatt einen Bilder­schmuck, anziehend in den Motiven und tadellos in der Ausführung, daß man von dem Abonnementspreis, eine Mark und 50 Pfg. viertel­jährlich, wirklich nicht anders als im Sinne einer staunenswerthen Billigkeit reden kann, denn es sind nur knapp 12 Pfg. pro Woche, die der Leser durch das Abonnement auf Anregung und Belebung der geistigen Interessen, zur Befestigung und Förderung der errungenen Bildungsstufe ausgibt. Das aufrichtigste Bestreben, die Unterhaltung im besten Sinne des Wortes mit der Belehrung Hand in Hand gehen zu lassen, erstreckt sich sogar bis auf die Prämien, die gegen kleine Nachzahlungen verabfolgt werden. Da ist neben einem Pracht- vollen Oeldruckbilde,Eheglück" betitelt, das als Prämie für 2 Mk. 50 Pfg zu haben ist. während es im Laden 24 Mark kostet, als zweite Prämie dos berühmte Meyersche Hand-Lexicon für nur 6Mk. zu haben. Das Werk, enthält etwa 60,000 Inforwaliouen sowie viele Karten und Pläne. Line noch nützlichere Prämie akr äiese wirä sich nie ersinnen lass««. Aus hiez Mitgetheiltem wird gewiß Jeder leicht zu der Ueberzeugung gelangen, daß man etwas einbüßt, wenn man eine Erscheinung mit^solchen Vorzügen unbenutzt an sich vorüber gehen läßt. Das neue Blatt erscheint im Verlage von A. H. Payne in Leipzig und ist für den Preis von eine Mark u. 50 Pfg, pro Vier- teljahr bei allen Buchhandlungen und Postanstalten zu abonniren.

Redaktion, Druck und Verlag von S. OelschlSger in Calw. (Hiezu Nro. 10 des Unterhaltungsblatts.