576
sei schon oft gefühlt worden. Es ist das ein Beweis gräulicher und! strafwürdiger Nachlässigkeit (seitens der Admiralität), aber noch mehr! 'der Herzlosigkeit, wenn nicht Feigheit der Seeleute von Harvich, welche mehr als 12 Stunden nvtzloß verstreichen ließen, ohne mit Len vorhandenen gewöhnlichen Booten Versuche zur Htetlung zu machen." So die Times. Und was das für qualvolle Stunden waren, davon nur ein paar Worte. Die Mehrzahl der Passagiere und Schiffs- Mannschaften hing in den Masten und Tauen mit erstarrten und erfrorenen Händen und Füßen und einer nach dem andern ließ los und stürzte in das Meer. Mehrere wurden wahnsinnig, Einer schoß sich todt. Die Leute auf dem Deck, meist Frauen und Kinder, wurden von den Wellen über Bord gespült, ihr Jammergeschrei war schrecklich anzuhören; noch schrecklicher das Geschrei der Mütter, denen die Linder von den Wellen aus den Armen gerissen wurden. In der Kajüte knieeten fünf barmherzige Schwestern und beteten: „O Herr, mach's kurz!" Da stürzte eine Welle herein und mochte es kurz. Alle fünf ertranken. —
» — Die »Weser-Zig." bringt über die Explosion in Bremerhafen
in einem Extrablatt einen sehr detaillirten Bericht, dem wir folgendes entnehmen: Wie ein Augenzeuge, der sich zur Zeit der Explosion auf der „Mosel" unter der Lemmvntvbrücke befand, erzählt, sah er fast gleichzeitig mit dem furchtbaren Lnakl eine große Anzahl schwarzer Klumpen in der Luft umherfliegen, während von den am Lande befindlich gewc jenen Personen wenig mehr zu gewahren war. Im ersten Augenblicke «ine Keffelexplosion fürchtend, warf er sich auf das Deck, wo er von einem Hagel von Sand. Glas, Fleischstücken u. s. w. überschüttet wurde. Die Verheerung an Bord de« Dampfer« spottet jeder Beschreibung. In den Skylight« auf dem Teck war kein Fenster heil geblieben» die Bockbordskammern im Dordertheil der »Mosel waren eingedrückt und zerschmettert, Schöffe und Kojen zertrümmert, selbst auf der Steuerbordseite waren die Kabinen durch den g> wattigen Luft druck auseinander gepreßt in der hinten im Schiffe bcligenen ersten Kajüte waren Flaschen, Gläser, Lampen zerbrochen. Die Slitenplatie» des Schiffe« sind ge: ersten, die Seitevgläser nebst den Rahmen und Nieten ,n das Schiff hineingeworfen; dabei war alles durch Etui und Fleischklumpeu beschmutzt. Im Raum und in ollen Theilln des Schiffes fanden sich Arme, Beine und sonstige Theile menschlicher Leiber, so legen z. B. im Unterraum mehrere menschliche Eliedma ßen, die durch die offenen Luken gefallen waren. Die SeileMhüren der Luken waren durch den Luftdruck zersprengt und aus den Riegeln zerrissen, die Borderwand de« auf dem Teck stehenden Navigation-- zimwerS eingedrückt. Auf dem Lande war an der Elellr, wo die Kiste abgeiaden worden war, ein 6—7 Fuß tiefes Lock enkstonder, weiches den Eindruck macht, als sei das Erdreich noch unten gedrängt; der ganze Platz war mit Giieemaßen, zerrissenen Kleidern wie übrr- fäet. In großen Blutlachen lag hier ein Arm, dort ein Bein. Eingeweide, verstümmelte Körper. Ter Dampfer »Simsvn" ist veihält- nißmäßig Keffer davon gekommen, da derselbe niedriger als die Kai maucr lag und also den starten Trnck nicht ouszudalten hatte. Zwar ist das ganze Teck zertrümmert und an den oberen Thciien des Schiffes fast kein Brett ganz geblieben, der Schaden dürfte sich jedoch leicht repariren lassen. Auch die Mannschaft ist mit dem Schrecken davon gekommen, die Matrosen sind sämmilich unbeschädigt geblieben und nur die Maschinisten und Feuerlenle hoben leichte Verletzungen davongctragen und klagen über Brustbeschwerden, haben jedoch sämmt lieh ohne fremde Hilfe den Weg nach ihren Wohnungen anlieten können. Sofort nach der Explosion war eine Abteilung Miliiär, die gerade vom Exerzierplatz tingerückt war, sowie die Briweihavencr Polizei, am Plötze, um die Verwundeten und Todten, sowie diejenigen welche, weil weiter entfernt nur betäubt waren, aufzunehmro und in «wem am Teiche stehenden Schuppen niederzulegen, von wo die Ver wundeten und später auch die Todten nach den außerhalb der Stadt stehenden Barocken geschafft wurden. Der Weg dorthin war durch Blutspnrcn leicht kenntlich. Der Anblick, welcher sieh dort bot, war «nisetzlich. Die veistümmeltcn Körper, die durch Schmerz verzerrten Gesichter, einzelne durch Wunden fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt, tiefe Rißwunden, fehlende Gliedmaßen, dazu das Wimmern und Aech- zen der Sterbendem, eS war schrecklich. Die Bremerhafener Aerzie hatten bereits die erste Hilfe geleistet, als gegen 2^ Uhr von Bremen ein Exlrazug mit 20 Doktoren und 4 barmherzigen Schwestern autz dem Diaconiffenhause und 4 Krankenwiegen eintraf. Die Herren fanden schwere Arbeit. Hier mußte ein Bein ampnlirt, dort ein -tiefer Riß zugenäht oder eine Wunde verbunden ry«den. Mehrere der Verletzten starben gleich nach dem Transporte. Nach den Aus. sagen der Aerzte sollen die Verletzungen viel schrecklicher sein, als die im Kriege vorkommenden, einigermaßen sollen dieselben den durch Granaten und Shrapnclls verursachten Verwundungen ähnlich sein. Viele ber Verletzten sind in Privathäusern untergebracht. Die Todten und Vermißten sind größteniheils Einwohner von Bremerhaven, von den
SicdigirtHdruckt und verlegt
Passagieren dürften nur wenige von der Explosion betroffen sein. Wie Llugrnzeugen erzählen, sollen die Menschen 40—50 Fuß in dik Höhe geschlrudert sein. Der Lloydinspektor Poppe wurde erst im Lause de« Nachmittags ohne Kopf und gräßlich verstümmelt miedet- gesunden und konnte nur an seinem Trauringe identifizirt werden. Kapitän Wencke, der die Aufsicht über die Stauung der Dampfer führt, wird bis jetzt noch vermißt. Schwer betroffen ist die Familie deS Herrn PH. Eimer, die einem nach Kalifornien reisenden Sohn daS Abschiedsgcleüe geben wollte. Herr und Frau Eimer, so wie deren abreisender Sohn und Schwiegersohn CH. Clauffen sind todt, die Frau deS letzteren mußte die Amputation eines Armes durchmachen, ein anderes K'nd hatte eine Hand verloren. Eine Frau wurde quer über den Dampfer »Simsvn" gegen die mittschiffs befindliche Treppe und dann weiter in den gegenüberliegenden Radkasten geschleudert, wo noch Nachmittags Stücke von der Lunge und den Eingewciden zu sehen waren. Nachmittags waren sämmtliche bis dahin ousgesundenc Leichen noch den Barocken geschafft und ging man nun daran, die Gliedmaßen in Körbe zu packen und ebenfalls dorthin zu bringen. Die Leichen sind in den Baracken behufs Jdcnnfizirunz auSgelegk, viele sind jedoch dermaßen verstümmelt, daß dieselbe kaim möglich sein wird. Lei der Schwere der Verletzungen dürsten noch viele in de» nächsten Tagen sterben. Die in Bremerhaven herrschende Aufregung und Niedergeschlagenheit ist groß. Tie mit den übrigen Effekten zur „Mosel' beförderte Kiste, durch welche die Explosion entstanden ist, war von dem Spediteur Westerwom in Bremerhaven verladen und wurde von Hrn. Tuwsörde noch dem Schiffe begleitet. Letzterer soll bis jetzt nicht aufgefuvden sein, die Splitter des Wagens sind »ach allen Himmelsrichtungen zerstreut, das Pferd ist aus die Seite geschleudert, hat alle vier Beme oberhalb der Hufen gebrochen und verloren und liegt noch aus der Kaimauer. Schließlich wollen wir noch eines Gerüchtes erwähnen, das allerdings der weiteren Bestätigung bedarf. Wie man sich erzählt, soll ein Passagier der 1. Kajüte der Eigenthümer der' fürchterlichen Kiste gewesen sein: derselbe habe sich nach der Explosion in seine Kabine znrückgerogen und mit einim Revolver, der Iheuwnie noü geladen bei ihm vorgesunden sei, sich eine Kugel durch den Kopf gejagt. Tbatsgche ist, daß der Mann sich in seine Kammer eingrfchlcffin hat, wo er noch gewaltsamer Oeffnung der Thüre mit einer argen Wunde kor der Stirn aufgefunden wurde. Derselbe ist ebenfalls ine Hoipital geschafft worden. Für die .Mosel wird der Dampfer »Salier" in den nächsten Tagen die Reise nach Newhork ontrrten; dfsy„Neckar", welcher erst am Tonneistag auf der Weser eingetrrffen ist, wird am nächsten Sonnabend folgen. Unter den Verwundeten befinden sich folgende Württemberger: Adalb. Zink au- Frrudenstlldt und Wilh. Schmidt.
Dieser Lage hat narr inBudweiS in Böhmen «inen frommen Schwindel euldeekt, der an Orginolttöt seines Gleichen sucht. Es batte sich nämlich in der genannten Stadt eine Gesellschaft gebildet, die in der folgenden klassischen Weise zusammengesetzt war: Ein Geistlicher, Poker Gichllir, der ehemahige Beichtvater der Kaiserin Maria Anna, dann eine jüdische Auskocherin, ferner ein Einjährig- Freiwilliger, dann noch einige Betschwestern und diesen gesinnungS«
! verwandte Herren. Dir also zusammengesetzte saubere Gesellschaft ! fälschte und verausgabte auf den Nomen der Kaiserin und einiger Erzherzoginnen Wechsel unter der Vorspiegelung das Geld gehöre zu Fiauenzwecke» und »erde sehr gut verzinst werden. Bis jetzt weiß mau von beiläufig 100,000 Gulden, welche in jener Gegend zumeist armen Leuten abgenommen wurden. Von den Säuldigen sitzen einig« darunter auch Poier G'eitler, bereits im Gefängniß. Die jüdische Auskocherin scheint die Pfiffigste in der frommen Sociek äl gewesen zu sein, denn sie hat da« Weite gesucht und man konnte bis jetzt ihrer nicht habhaft werden.
— Wien, 13. Hcz. Deutschland und Rußland haben Oesterreich aut die Formuiirung seiner inhaltlich bereis genehmigten Reform- Vorschläge für die Türkei übertragen.
Frankreich Paris, 9. De;. Gestern stieg der Ballon »Uni- Vers* unter der Leitung Godard's und des Obersten Laubat mit im ganzen ackt Personen zur Vornahme wissenschaftlicher Untersuchungen auf und zerriß in einer Höhe von 230 Metern. Der Ballon stürzte zur Erde, fünf Personen sind mehr oder minder schwer verletzt.
England. London, 11. Dez. Der Kabel der »United States Company" ist seit gestern Abend und zwar an derselben Stelle wie seiner Zeit unterbrochen.
Der Prinz von Wales fuhr am 9. von Colombo auf Ceylon ab, und landete am 10. in Tut'.coria, wo er in der festlich geschmückten Stadt seinen Einzug hielt. Von da wird er Madura und Trich- nopoly besuchen und am 13. in Madras landen.
Hiezu eine Belage: Generalanzeiger sjir äa» Königreich
A üriiember g Nro. 43. _
voH. OelschlLger.