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schüft unsere Stadt. Der 16 Jahre alte Flaschnerlehrling August Stotz von hier hatte sich unterhalb des hiesigen Bahuhss« auf die Schienen gelegt und wurde von dem um 8Vz Uhr hier ankommenden Zug augenblicklich getödtct. Was den jungen Menschen zu dieser unseligen That verleitet, ist noch nicht gewiß.
— Ge,ißlingen, 10. Okt. Mit Beginn der heutigen General. Übung der hiesigen Feuerwehr am Rathhaus stürzte ein Feuerwehrmann, der allem nach die Hackleiter unvollständlg eingehenkt hatte, mit dieser von dem hohen Dach auf die Straße und war nach wem- gen Augenblicken todt. Er war ein tüchtiger und fleißiger Arbeiter der Straub'schen Fabrik gewesen und hinterläßt eine Wittwe mit 4 unerzogenen Kindern.
— Crailsheim, 10. Okt. Der wuthverdächtige Hund, von welchem wir vorgestern berichtet haben, wurde gestern Abend auf der Staatsstraße von Onoldsheim gegen Crailsheim glücklicher Weise erlegt. Leider hatte er zuvor in Gründelhardt einen 4jährigen Knaben, der' mit andern Kindern vor dem Hause spielte, angefallen und in beide Wangen gebissen, auch in Onoldsheim selbst einen Schäferhund abgerauft. Am 8. und 9. d. M. scheini sich derselbe in den benach. barten Bezirken Hall und Gaildorf Herumgetrieben zu haben. Die Sektion des erlegten Thiers hat den Wuthverdacht durchaus bestätigt.
— Der Breisacher Bußgürtel hat Geschwister. Ein zweiter Arzt, der auf dem Breisacher Lande praklizirt, hatte eine kranke junge Frau zu untersuchen; da fand er bei ihr einen mit Knoten versehenen um den Leib gebundenen Strick. Wie kommen Sie dazu? fragte er. Pater I. aus dem Kloster O. hat mir denselben eigenhändig angelegt, als ich in die Bruderschaft des heiligen Sebastian ausgenommen wurde; andere Frauen dieser heiligen Bruderschaft müssen ihn auch tragen. Pater I. kommt auch von Zeit zu Zeit, um die Beiträge zu erheben und nach den Stricken zu sehen, ob sie gut sitzen. So erzählt dieser Arzt in der Freiburger Zeitung.
— München, 9. Okl. Der von dem Adreßausschuß mit 8 gegen 7 Stimmen angenommene Jöxg'sche Adreßentwurf an Se. Maj. de» König lautet: „Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König! Allergnädigster König und Herr! Indem die neugewählte Kammer der Abgeordneten dem Throne naht, um ihre Huldigungen darzubringen, liegt ihr vor allem die traurige Pflicht ob, Euer Majestät den Ausdruck tiefsten Beileids mit den schmerzlichen Verlusten darzubringen, die das Königshaus in kurzer Frist Schlag auf Schlag erlitten. In guten wie in schlimmen Tagen mit dem Lande innig verwachsen, haben die Hingeschiedenen sich ein dankbares Andenken begründet, das nie erlöschen wird. Das bäurische Volk hat den Augenblick ersehnt, wo es seinen Vertretern wieder gegönnt ist, ihre Bitten und Anliegen unmittelbar zu den Füßen des Königsthrones niederzulegen. In jeder Bedrängniß erwartet dieses Volk Hilfe und Rettung nur von seinem König und Herrn. Heute aber richtet es mehr als je bittende Blicke auf Ew. Majestät. Denn mehr als je fühlt sich das bäurische Volk bedrängt durch die friedlose Lage der Gegenwart und geling- stigt durch drohende Gefahren einer ungewissen Zukunft. Daher sind im ganzen Lande die jüngsten Landtagsneuwahlen als Moment von entscheidender Wichtigkeit betrachtet worden. Aber die gegenwärtige Regierung wollte nicht, daß der Hilferuf des treuen Baiecvolkes an Eure Majestät gelange. Mit allen erfindbaren Mitteln, gegen Geist und unbefangenen interpretieren Gesetzesbuchstaben, hat sie das Zustandekommen einer Abgeordnetenkammer zu verhindern gesuchtst wie eine solche bei unparteiischem Wahlvollzug sich ergeben haben würde. Die Neuwahlen sind auf Grund einer Wahlkreiseintheilung vvrge- nommen, bei welcher nicht Recht und Gerechtigkeit die Hand geführt, sondern die Absicht, die wahre Meinung und Gesinnung der großen Mehrheit des Baiernvolkes zu unterdrücken, desjenigen Volkes, welches unter allen Umständen seine treue Anhänglichkeit bewährt hat. Wie das Beispiel der obersten Behörde durch untergeordnete Organe bei Anordnung der Urwahlen nachgeahmt worden, davon werden Wahl- Prüfungen ei» getreues Bild ergeben. Wenn das gegenwärtige Mini- sterium das Vertrauen des Landes zu besitzen gemeint wäre, dann wäre es nicht auf Auskunftsmittel verfallen, die selbst ein Erfolg nicht zu beschönigen vermöchte. Nachdem aber der Versuch nicht einmal von einem gewünschten Erfolge begleitet gewesen, hätte die ncugewählte Kammer wohl erwarten dürfen, daß das Ministerium durch seinen Rücktritt der Kammer die unliebe Nothwendigkeit erspart hätte, mit einer Beschwerde Se. Maj. den König zu behelligen. Das Land bedarf und ersehnt den Frieden und ein vertrauensvolles Zusammenwirken der Regierung und der Landesvertreter. Den hingeschwundcnen Frieden wird aber weder eine Parteiregierung noch eine Regierung zu bieten vermögen, welche eine Seite des Hauses .gegen die andere verwendet ohne jemals eine aufrichtige Unterstützung von einer oder der andern Seite gewinnen zu können. Das Land ruft nach einer bäurischen Regierung, die sich, Recht und Gerechtigkeit zum alleinigen Leitstern nehmend, weder scheut noch sich zu scheuen Ursache h at , an
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die Stelle eines erkünstelten Gleichgewichtes durch allseitig freie Wah» len den wahren Ausdruck der Meinung und Gesinnung des Baiern- Volkes zu setzen. Nur eine solche Regierung wird, von der Volksvertretung nicht nur nicht behindert, sondern eifrig unterstützt, die erlah. mende Regierungsthätigkeit neu beleben können. Nur eine solche Regierung wird auch in dem höchsten Kollegium des Reiches jenes Ansehen genießen, das ihr reichsvcrfassungsmäßig gestattet und das auch unumgänglich nothwendig ist, wenn nicht, wie bisher ein Stück nach dem anderen von der baierischen Krone und den Landesrechten dahin fallen soll in einem Interesse, das sehr weit entfernt ist, das allgemeine deutsche zu sein. Im Geiste unwandelbarer Treue gegen Ew. Maj. und opferwilliger Hingebung an das baierische Vaterland bringen wir diese Vorstellung an den königlichen Thron, und bitten Ew. Maj., abermals jenes erhabene Königswort vernehmen lassen zu wollen: „Ich will Frieden haben mit meinem Volke." In tiefster Ehrfurcht erstirbt Euerer Königlichen Majestät allerunterlhänigst treu gehorsamste Kammer der Abgeordneten."
— Neben der unerhörten Heftigkeit der Sprache fällt in obigem Adreßentwurf vor allem auf, daß derselbe von dem Baiern in zwei fast gleiche Hälften theilenden kirchlichen Kampfe ganz schweigt. Man könnte aus dem Entwurf schließen, daß auf der einen Seile die Regierung stehe, auf der andern Seite das gesammte Land und es nur der Entfernung der Minister bedürfe, um den Frieden herzustellen. Die Thatsache, daß im baierischen Lande zwei Parteien von nahezu gleicher Kraft mit einander ringen, wird von der Adresse einfach verschwiegen. — Ueber den Werth der Adresse spricht sich ein baierisches Blatt ebenso kurz als treffend folgendermaßen aus: „Ueber den baie- rischeffLandtag lesen wir in der päpstlich-offiziösen „Voce della Verita", es werde von ihm ein neuer Abschnitt in der deutschen Geschichte beginnen. Da das römische Blatt über die Ansprüche, welche die bairischen Klerikalen an die Weltgeschichte machen, wohl sehr genau orien- tirt ist, so kann von zwei Dingen nur eins sein. Entweder gehen wir außerordentlichen Ereignissen oder die Münchener Adreßverfasser einer großen Täuschung entgegen."
— Berlin, 9. Okt. In Bundesrathskreiscu sieht man der Eröffnung des Reichstags unmittelbar nach der Rückkunft des Kaisers zum 26. oder 27. Okt. entgegen. — An Fertigstellung des Reichsmilitäretats wird nach Kräften gearbeitet. Die Etats für Sachsen und Württemberg werden von Kommissären der betreffenden Regierungen hier im Benehmen mit dem K. preußischen Kriegsministerium bearbeitet.
Pilsen. Schon 5 Mal Drillinge. Frau Antonie P., geborene F. aus Brüx gebürtig, derzeit in Pilsen "wohnhaft, ist Sonntag den 25. September von Drillingen entbunden worden und befinden sich die neuen Weltbürger ganz munter und gesund. Es ist dieß bereits das 5. Mal, daß Frau P. von Drillingen entbunden wurde utzd besitzt das gesegnete Ehepaar dermalen 12 Buben und 1 Mädchen (2 Buben sind im Dezmber 1873 gestorben), welche alle kerngesund sind. Der Ehegatte der erwähnten Frau P. zählt erst 26, die Frau 23 Jahre.
— Straßburg, 10. Okt. Gestern ereignete sich auf einem Fort bei Lingolsheim das Unglück, daß von mehreren mit der Füllung von Granaten beschäftigten Soldaten drei durch Explosion eines Ge- sckosses getödtet, sieben mehr oder minder schwer verletzt wurden.
Italien. Aus Rom wird über den Empfang in Italien berichtet, daß Kaiser Wilhelm von Cialdini, einem General und 3 königlichen Adjutanten an der Grenze werde empfangen werden; in Mailand sodann von der gesammten Königsfamilie.
Spanien. Madrid, 11. Okt. Dem Vernehmen nach richtete die Regierung nunmehr eine Note an den päpstlichen Stuhl, worin sie die Respektirung des Konkordats zusichcrt, ausgenommen die Bestimmungen, die der Curie irgendwelche Rechte bezüglich der inneren Verwaltung und der internationalen Stellung Spaniens einränmen. Die Note fügt hinzu, wichtige Staatsrücksichten machen die Wiederherstellung der katholischen Glaubenseinheit unmöglich, die auch, wenn schon im Konkordat ausgesprochen, nicht als ein unwandelbares Prinzip anzusehen sei. Die Regierung verletze nicht das Konkordat, sie se» aber gezwungen gewesen, die religiöse Toleranz zu respektiren.
Ba y offne, 9. Okt. Das Unwetter hat die Ankunft der Verstärkungen in San Sebastian verzögert. Don Carlos wohnte am 6. Okt. dem Bombardement >von Pampelona bei. Ein Ausfall der Besatzung zwang die Karlisten zum Rückzuge.
Perpignan, 9. Okt. Der Karlisten-General Alvarez ist mit mehreren andern Offizieren über die Grenze getreten und hier in Perpignan internirt worden.
Perpignan, 12. Okt. Saballs und sein Sohn, die sich nach Frankreich geflüchtet haben, beabsichtigen, in die Schweiz zu gehen. Die Karlistenbanden Kataloniens sind, Regierungsnachrichten zufolge, in vollständiger Auflösuntz begriffen. gt von A. OelschlSger.