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>— Wien, 10. August. In dem in der Praterstraße gelegenem Hotel „Lamm" hat heute Nachmittags gegen 4 Uhr eine bedeutende Gasexplosion stattgefunden, bei welcher mehrere Personen verwundet wurden. Einer der Gäste erlitt solche Beschädigungen, daß er sofort in das in der Nähe befindliche Spital der Barmherzigen Brüder getragen werden mußte; dabei rief er fortwährend: „Man hat mich erschossen!"
In Fi ume fanden Demonstrationen gegen Ton Alfonso und Donna Blanca bei deren Durchreise statt, ähnlich denen in Graz.
Daß die Ultramontancn eine wesentlich politische Partei bilden und daß ihre Führer den Einfluß auf die Gemüther ausschließlich für ihre Machtzweckc auszubeuten suchen, geht aus den Fragen hervor, welche anläßlich einer bevorstehenden Conferenz der belgischen Pfarrer in der Diöcese Namur letzteren von dem Bischöfe dieser Diöcese vorgelegt werden. — Wir heben aus diesem F'.agekasten folgendes hervor: Begeht der Pfarrer, welcher sich in keiner Weise bemüht, in seiner Gemeinde gute Wahlen vorzubcrciten eine Sünde, und wie schwer ist diese Sünde? Muß er die Pflichten der Bürger in dieser Angelegenheit bei der Christenlehre oder in der Pred'gt behandeln, oder ist cs vorzuzieheu, daß er davon im Beichtstuhl rede? In welcher Weise muß er sie in der Christenlehre und Predigt behandeln? Ist der Beichtvater verpflichtet, seine Beichtkinder zu fragen, für wen sie stimmen wollen? Muß man sich mit diesen wichtigen Angelegenheiten im letzten Augenblick und wenn die Wahl herrannoht, beschäftigen, oder muß man sich schon früher bemühen, um die Gunst der Wäbler zu gewinnen? Welches sind die besten Mittel, um diese Gunst zn erlangen?
Frankreich. Wie vorauszusehcn war, gedenkt Buffet die freie Hand, welche ihm die französische Nationalversammlung durch ihre Vertagung geschaffen, nicht in den Schooß zu legen. Die Verfolgung der republikanischen Presse wird mit verstärkter Energie betrieben und ebenso sollen die nichtconservativcv Gemeindevertretungen an das Messer geliefert werden. In erster Linie der Pariser Municipalrath. Die „Gazette de France" kündigt bereits seine Auflösung und die Einsetzung einer gouvernemcntalen Municipal-Commission an. Die Verbrechen, welche die Pariser Stadlrepräscntanz zu dieser Verurtheilnng reif gemacht hätten, wären folgende: Dieselbe weigeit sich erstens die Summe von 250,000 Fr. zu votiren, die zum Ausmalen der Pariser Kirche bestimmt sind, dann will sie die Gelder nicht bewilligen, welche die Regierung für den Ausbau eines Klosters der Brüder der christlichen Lehre, die über eine Million betragen, verlangt; drittens erhebt sie Protest dagegen, daß die Spitäler von Paris 120 Betten an die Clerikalen abtrcten, welche dieselben zur Gründung ihrer Universität nvthwendig haben. Da aber von der Sakristei die Ordonanzen auSgehen, durch welche in Frankreich die moralische',Ordnung herge- stelll werden soll, so müssen diese Akte des Hochverrats gegenüber dem Klerikalismus auch in schärfster Weise geahndet werden.
Paris, 6. August. Das „Journal Officiel" enthält nachstehende Beschreibung einer originellen stenographischen Maschine, welche erst kürzlich erfunden und konstruirt worden ist. Der Erfinder kann 200 bis 250 Worte in der Minute drucken, was der größten Anzahl von Worten entspricht, die ein Redner in derselben Zeit sprechen kann. Tie Maschine trägt eine Tastatur mit zwölf schwarzen und zwölf -weißen Tasten , deren Hebel mit einem breiten Pedal in Verbindung stehen, welch' letzteres dazu bestimmt ist, zu den niedergedrückten Tasten die supplementären Zeichen zu geben, um das Lesen der gedruckten Charaktere zu erleichtern. Die niedergedrückten Tasten drucken verschiedene Schriflzüge auf einen Papierstreifen, welcher, rvrc beim Morse'schcn Telegraphen, über eine Trommel aufgcrollt ist. Die schwarzen Tasten geben Linien, die weißen Punkte. Bei jedem Drucke auf die Tasten rückt das Papier in der Länge 1/200 Zoll derart weiter, daß auf jeden neuen Raum eine Kombination von 12 doppelten Zeichen, welche ,in drei Gruppen von je 4 Zeichen getrennt sind, gedruckt werden kann. Diese Anzahl der Charaktere, welche bei jedem Tastcngriffe übertragen werden kann, ist mehr als hinreichend, um alle Worte auszudrücken. Sehr häufig lassen sich Worte auf einen Buchstaben reduciren und dadurch mehrere Worte mit einem Tastengriffe aus drücken. Die Handhabung der Tastatur erfordert jedoch eine große Fertigkeit, und eine sechsmonatliche, ununterbrochene Hebung ist zum Mindesten nvthwendig, um die Fertigkeit für die Aufnahme einer Rede zu erlangen; dagegen ist das Lesen der stenographischen Zeichen sehr leicht. Der Papierstrcifen, auf welchen die Zeichen gedruckt werden, ist 4 Zoll breit, und die Wiedergabe einer einslündigen Rede erfordert eine hänge von 60 bis 70 Fuß.
Schweiz Zürich. Die Kaiserin Engenie besuchte letzten Sonntag mit ihrem Sohne das neue Hotel Fürst ans dem Uetlibcrg.
In der Mililarschnlc Thun ist am 9. August in Folge Ex- plodircnS einer Granate der Chef der Mnrstionskontiole, Hanptmann Lehmann, bedenklich verletzt worden.
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Italien. Rom, 6. August. Die Pilgerfahrten nach Rom bei Gelegenheit des Jubeljahres, welche wegen der heißen Jahreszeit momentan gestockt halten, beginnen allmählig wieder. In den nächsten Wochen werden nach einander vier aus Frankreich und Belgien kommende Pilgerkarawanen in Rom erwartet.
Spanien. Nach Madrider Berichten vom 8. d. zählt die Armee, welche in Katalonien mit der Verfolgung der Carlisten beschilft tigl ist, 40,000 Mann. — In Puigccrda sind bis jetzt zwei Zufuhren von Kriegs- und Mundvorrath für de» General Martine; CampoS cingetroffcn, welcher das Feuer gegen die Citadelle von Sco de Urgel lebhaft fortsetzen läßt. Er glaubt, binnen 10 Tagen Herr des belagerten Platzes zu werden. Die Carlisten sollen 33 Freiwillige erschossen haben, welche zu der Besatzung von Molda gehörten.
— Die Regierung hat beschlossen, zur schleunigsten Beendigung de- Krieges eine neue Aushebung von 400,000 Mann vorzunehmen. Natürlich werden sich von den durch diese Maßregel Betroffenen viele freikaufen, und man berechnet hieraus eine Einnahme von 250 Millionen Realen für den Staatsschatz.
Bourg madame, 11. August. Die Regierungstruppen brachten eine 3 Meter breite Bresche in den Befestigungen von Salsona zu Stande. Die Karlisten machten gestern einen Ausfall aus Seo d'Urgel und wurden mit Verlusten znrückgeworfen. Saga- sta und mehrere politische Freunde von ihm sind nach Frankreich gegangen.
Rußland. Petersburg, 6. August. Rußland hat einen Ausstand in Swanetien (Kaukasus) zu bekämpfen. Die „Russische Welt" widmet ihren Leitartikel heule diesem kleinen Berglande, das schwer erreichbar und, von einem wilden und rohen Stamm bewohnt, sich dem Reich mit bewaffneter Hand widersetzt.
Asien. Aus Kalkutta wird vom 5. ds. gemeldet, daß die nordwestlichen Provinzen von verheerenden Ueberschwemnmngen heimgesucht worden sind. Biele Eingeborenhäuscr sind zerstört und man befürchtet, daß im Innern des Landes der Verlust von Menschenleben ein ernstlicher war. (Nachrichten vom 7. zufolge war das Wasser in der Nachbarschaft von Allahabad im Fallen.)
Vermischtes.
Staatsmaun und Tondichter. Die „Tidaskalia" erzählt: Als Richard Wagner das letzte Mal in Berlin war, machten seine Freunde alle Anstrengung, um eine Sinecure für ihn zu erwerben, wodurch er an die preußische Hauptstadt gefesselt werden könnte. Wagner selbst soll sich für diese Idee auch nicht wenig erwärmt haben. Jedenfalls war er sehr erfreut, als er eines schönen Tages in dem Hause der Frau v.S. dem Fürsten Bismarck porgestellt wurde. Der Meister machte seine beste Verbeugung und sagte: „Ich bedaure unendlich, daß das Schicksal mir keinen Plotz vergönnt hat, der es mir ermöglicht, mit denffgrößten Staatsmann suneS Jahrhunderts in Einer Stadt zu leben!" — „Thut mir ebenfalls leid!" entgegnet-Bismarck; „da ich aber für's Erste noch keine Aussicht habe, nach München versetzt zu werden, so wird das wohl nicht zu ändern sein!" Der Maestro soll ein eigenthümliches Gesicht gemacht haben.
Der Gemeindediener eines Dorfes bei Metz zog miteincr Trommel durch die Straßen des Orts, um eine vom Bürgermeister erhaltene An-cige in der Gemeinde ausznrufcii. Dabei scheint er sich in mehrere Wirthshäuser verint zu haben, denn er empfand eine unerklärliche Müdigkeit, setzte sich in einer engen Gasse auf den Rand eines Brunnen und stürzte in schlaftrunkenem Zustande mit seiner Trommel hinein. Die Sache war bedenklich; es wurde Nacht, und unser Held stand bis an das Kinn im Wasser. Glücklicherweise fiel ihm die Trommel, die neben ihm schwamm, in die Hände, und er bearbeitete dieselbe mit den Fäusten aus Leibeskräften. In diesem Augenblick kam eine Frau an den Brunnen, erschrack über den Höllenlärm aber so, daß ihr der Eimer, den sie schon auf den Brunnen- rand gestellt hatte, entwischte und ,'im Hinabfallen die Trommel zerschmetterte. Indessen traten noch andere Leute hinzu, und mit Stricken wurde der Held in die Höhe gezogen. Er soll geschworen haben, nie wieder einen Schluck mehr zu trinken als er vertragen könne.
Ein Amerikaner, Namens Keely. will eine neue Maschine erfunden haben, welche aus Wasser und Luft, ohne Feuer oder Hinzufügen von chemischen Bestandlheilen, dieselbe Kraft erzeugen soll, welche seit- her nur durch Dampf erzielt werden konnte. Die Maschine ist von ihrem Erfinder Aotor« getauft worden und gibt gegenwär
tig der amerikanischen Presse viel Stoff zu Besprechungen. Eine Anzahl Kapitalisten hat dem Erfinder die Mittel an die Hand gegeben, sein Werk zur Ausführung zn bringen, und die ersten Versuche, welche neulich in Gegenwart Fachkundiger angesteUt wurden, sind zufriedenstellend ausgefallen. Vorläufig dürfte die ganze Sache als ein ame-
rikaniscker „Humbug' zn betrachten sein____
ron A. O-I s cbH gTS"" (Hiezu Nro. 32 des UulerhattungSbiallS.)