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Die Calwer Spar- uad Borschußbank und die Haller Gewerbebank.
In Nr. 40 d. Bl. hat ein Correspondent sich die dankenswerthc Mühe gemacht, einen Vergleich zwischen dem Gebühren.der beiden «ben genannten Banken, wenn auch in etwas oberflächlicher Weise «nzustellen. Er wirft dabei, wa« die hiesige Spar- und Vorschuß» Lank betrifft, mit Zahlen um sich, die schon imponiren können und Hanz dazu angethan sind, bei den Mitgliedern dieses Institut» eine Art von Hochgefühl zu erwecken, um so mehr, als manchen derselben einzelne jener Zahlen ganz neu sein müssen, sofern der veröffentlichte 'Rechenschaftsbericht z. B. von einem Wechselconto kein Wort enthält. Nur Schade, daß so leicht hingeworfene Zahlen nicht eben viel beweisen. Wenn auch hin und wieder noch bekämpft, bricht sich doch die Ueber- zeugung immer mehr Bahn, daß die Genossenschaftsbanken dazu berufen seien, die Rolle des Vermittlers zwischen den größeren Geldinstituten und dem mittleren und kleinen Handels- und Gewcrbestand zu übernehmen. Die Hauptsache ist dabei, daß diese Genoffenschaftsbanken Len genannten Verkehrtreibenden alle nur denkbaren Vortheile einräumen. In diesem Sinne wird die Gewerbebank in Hall geleitet und daß sie sich dabet nicht schlecht befindet, mögen nachstehende vergleichende Zahlen beweisen, die den beiden Rechenschaftsberichten entnommen sind und die ich denjenigen des Herrn Correspondcnten ergänzend beizufügen mir erlaube.
Die Gewerbebank in Hall wurde im Jahr 1860 gegründet, die hiesige Spar» und Borschußbank (welche im folgenden unter „Calw" gemeint ist) im Jahr 1862.
Der Bruttogewinn betrug in Hall: in Calw:
1874 fl. 32,618. 46. fl. 9,620. 4.
die Unkosten .... fl. 7,026. 4. fl. 3,123. 25.
somit der Reingewinn . fl. 25,592. 42. fl. 6,496. 39.
davon wurde dem Reservefond
zugewiesen.fl. 6,413. 24. fl. 20. .24.
so daß dieser beträgt ... fl. 17,580. 49. fl. 4,381. 32.
Dividende für 1874 8v/g. 6"/g.
Die Haller Bürger mögen in manchen Dingen auch nicht ganz einig sein, auf volkswirthschaftlichem Boden aber scheint keine Uneinig, keit zu bestehen. Und bei uns? C. B.
— Calw, 19. April. Letzten Freitag Nachmittag halb 3 Uh^ fand der verheirathete 33 Jahre alte David Linden maier im Steinbruch am Wclzberg ans erschütternde Weise einen jähen Tod. Er war mit einem andern Sleinhauer damit beschäftigt, von der obern Schichte einen Felsen loszulösen, um ihn dann in den Steinbruch herabzulasscn, da löste sich beim sog. „G'wichten" eine Lage vom Felsen los, wodurch das Hebeisen zurückschnellte und der Unglückliche von der Gewalt des Schwungs über den '.schmalen Rand in die ca. 50 Fuß betragende Tiefe geschleudert wurde, was seinen sofortigen Tod zur Folge hatte. Derselbe hinterläßt eine Wittwe und 3 Kinder. Die äußerst zahlreiche Leichenbegleitung bei der gestern stattgefundenen Beerdigung bekundete die große Theilnahme, die man allgemein der so schmerzlich betroffenen Familie zollt.
— Tübingen. (Schwurgericht. Fortsetzung.) Am 6. Npri^ kam zur Verhandlung die Anklagesache gegen den 44 Jahre alten, verheiratheten Weder Gustav Vogt von Nehren, OA. Tübingen, wegen Brandstiftung und damit in derselben Handlung zusammentref- fcnder betrügerischer Anzündung versicherter Sachen. (Er hatte seine Fahrniß zu 900 fl. versichert, während ihr Werth zur Zeit des Brandes kaum die Hälfte jener Summe betrug.) Die Geschworenen sprachen ein Schuldig aus, worauf der Schwurgerichtshof auf eine Zuchthausstrafe von 7 Jahren erkannte. — Am 7. April wurde unter großem Andrang des Publikums eine Anklage wegen Meineids verhandelt. Der vergantete Dreher und Taglöhner Friedrich Köhler von Herrenberg war des Meineid? im Sinne des Z. 154 des St.G.B. und der Gemeinderath Christian Kußmaul von Bondorf, sowie der Bruder desselben, Johann Kußmaul von da, der Anstiftung zum Meineid angeklagt. Christian Kußmaul hatte Hopfen verkauft, und denselben in der viertägigen Zwischenzeit vor dem Sacken genetzt, um ihn schwerer zu machen, worauf der Angekl. Köhler, der den Hopfen sackte, den Käufer aufmerksam machte, infolge dessen dieser auf Aufhebung deS Vertrags und Schadenersatz von 75 fl. klagte, welcher Klage Christian Kußmaul ohne Widerrede stattgab. Nun wurde dieser aber wegen versuchten Betrugs in Untersuchung gezogen. Köhler ist nun beschuldigt, in dieser Untersuchung bei eidlicher Vernehmung falsche Angaben zu Gunsten Chr. Kußmauls gemacht zu haben, die beiden andern Ange- klagten.aber der Verleitung dazu. Die Geschwornen sprachen ein Schuldig aus, demzufolge Köhler und Christian Kußmaul je zu der Zuchthaus, strafe von 1 Jahr 3 Monaten, Johann Kußmaul zu der Zuchthaus- strafe von 1 Jahr verurtheilt wurden. Ueberdieß wurden die 3 An-
Siedil-irt. gedruckt und valegt »
geklagte« neben dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren, dauernd für unfähig erklärt, als Zeugen und Sachverständige eidlich vernommen zu werden. (Schluß folgt.)
— Böblingen. Am 13. d. M. entriß ein plötzlicher Tod einen hiesigen Gewerbsmann im mittleren Lebensalter seiner Familie auf eine höchst tragische Weise. Im betrunkenen Zustande verlangte er von einem Nachbar Branntwein, der alsbald solchen aus einem benachbarten Kaufladen im Milchhafen holen ließ. Kaum aber hatte der Betreffende den Inhalt geleert, als er auch vom Schlage getroffen niedersonk. Die näheren Umstände dieses Falles bewogen das Gericht und die Staatsanwaltschaft» einzuschreiten und durch Obduktion der Leiche zu konstatiren, in wie weit hier Selbstschuld vorliege. Ein nähe» reS Ergebniß drang nicht in'S Publikum.
— Heilbronn, 15. April. Am Sonntag Abend entstand auf der Straße von Weinsberg hierher zwischen jungen Leuten — Kauf» leuten und Metzgern — eine Rauferei, wobei einer der letzteren auf seinen Gegner mit dem Todtschläger dermaßen einhieb, daß der Ge» troffene sofort zusammensank und jetzt schwer verletzt im Spital liegt. Der Thäter ist verhaftet.
— Von der Tauber, 14. April. Die fabelhaft in die Höhe getriebenen Holzpreise sind mit einemmal bedeutend znrückgegangen. Dir letzten Holzversteigerungen zeigen ein Zurückgehen um ein volle» Drittel gegenüber den Preisen vor einigen Wochen; 4 Ster schönstes Buchenholz kosteten 25 bis 32 fl.
— Frankenthal, 15. April. Soeben ist die Kaiserglocke glücklich zu Schiff gebracht; nicht der geringste Unfall kam vor.
— In den letzten Tagen sind nach verschiedenen deutschen Münz» stätten Goldbarren in ziemlich großem Umfange befördert worden, um neue Ausprägungen von Reichsgoldmünzen vorzunehmen.
— Das Gehaltssperrgesetz (Höherhängen des Brodkorbs) hat nun auch im preußischen Herrenhause die erste Lesung passirt. Die Grafen Brühl und zur Lippe' und v. Kleist-Retzow sprachen sich gegen dasselbe aus, fast alle andern Redner für dasselbe und erklärten, nach der berüchtigten päpstlichen Ungehorsamkeits-Bulle (Encyklika) könne man nicht anders. Fürst Bismarck trat auf und fragte: Wie steht eigentlich der Streit mit der katholischen Kirche? — Seit dem römischen Concil von 1870 hat sich der Papst an die Stelle der Concile und Bischöfe gesetzt, die Bischöfe sind nur seine Präfekten (Statthalter); wie kann man da von einer Kirche sprechen? Wer dieser Papst-Kirchr gegenüber dem Staate wehren wolle, sein gutes Recht zu wahren, der sage sich von dem Standpunkte der evangelischen Kirche und von seiner Pflicht als Unterthan los. Jedermann soll es wissen, er, Bis» marck sei kein Feind der katholischen Kirche, sein Gegner, Graf Brühl (der die Bulle und die Unfehlbarkeit vertheidigt) sei ein größerer Feind der katholischen Kirche und schade ihr nuhr als er. Er, Bismarck, bekämpfe nicht die katholische Kirche, sondern jenes Papstthum, daSdieVerfolgung und Ausrottung der Ketzer als Grund» s!a tz hinstelle, das zugleich der Feind des Evangeliums und deS preußi- scheu Staates sei.
— Der preußische Kriegsminister General v. Kämeke ist nach einer Priv.-Depesche der „Allgemeinen Zeitung" zum commandirenden General des zweiten Armeecorps designirt. An seiner Stelle wird der commandirende General des elften Armeecorps, General der In» fanterie v. Bose, zum preußischen Kriegsminister ernannt.
Literarisches.
— Carl Spindlcr, der seinerzeit so berühmte Romancier, dessen Werke vor 1848 in Oesterreich verboten waren und darum nur um so begieriger gelesen wurden; Spindlcr, der, trotz mancher Mängel in den Produktionen aus seiner späteren Lebensperiode, doch an schöpfe» rischer Phantasie, klarer, sicherer Gestaltungsgabe, Lebendigkeit des Wortes und realistischer Wahrheit der Darstellung von keinem seiner Epigonen übertroffen worden ; den Heinrich Laube in seiner Literatur- Geschichte das erfindungsreichste Romantalent, Wolfganz Menzel dm deutschen Walter Scotl nennt — Carl Spindlcr ist bei der jüngeren Generation in unverdiente Vergessenheit gerathen. Schuld daran mag wohl zum großen Theile der Umstand tragen, daß seit Jahren eine den Anforderungen der Jetztzeit entsprechende Ausgabe seiner Werkt fehlte. Es ist daher ein dankenswerthes Unternehmen, mit welchem sich die Eduard Hallberger'sche Verlagshandlung beschäftigt, indem sie eine neue Ausgabe von C arl Spindler's bedeutendsten, anerkannt besten Romanen veranstaltet, die auf 85 Lieferungen von je fünf Bogen ver- anschlagt ist und folgende Werke enthalten wird: „Der Jude", „Der Jesuit". „Nonne von Gnadenzell", „Der Invalide", „Eugen von Kronstein", „Boa Constrictor", „König vonZion", „Fridolin Schwertberger", „Der Vogelhändler von Imst", „Der Bastard". Alle acht Tage wird eine Lieferung (ä 4 Sgr.) ausgegeben; es sind bereits einige Lieferungen erschienen, welche sich durch schönes, weißes Papier mit breitem Rande und deutlichen correkte n Druck vortheilhaftauszeichmn. (N. fr.Pr) on A. Oelschlägcr.