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Buch aus dem alten Wunderlande Egypten mitgebracht, das zu den ältesten und interessantesten gehört, die es gibt. Die egyplischen Prie­ster schrieben ihre Bücher in Bilderschrift aus Blätter der Papyrus- Staude und zwar auf die geglättete Haut zwischen Mark und Rinde, die sich zu einer Art Pergament verdichtete; diese beschriebenen Blätter wurden zusammengerollt. Eine solche Papyrus-Rolle, etwa 3400 Jahre alt, hat vr. Ebert in Theben entdeckt und erworben, und der König von Sachsen hat sie der Unioersuät Leipzig geschenkt. Sie enthält auf 110 Seiten ein Handbuch der altegyptischen Arzneikunst, welches die Leiden jedes Körpertheils beschreibt und die Heilmittel an» gibt. Neun Seiten sind den Augenkrankheiten gewidmet, in deren Be­handlung sich die Egypter vor allen Völkern auszeichneten. Diese Rolle ist so wohl erhalten wie keine andere bis jetzt bekannte, kein Buchstabe fehlt, vr. Ebert wird seinen werthvollen Fund veröffent­lichen. Das britische Museum hat eine ähnliche Papyrus-Rolle im vorigen Jahre für 3000 Pf. Sterling erworben.

Von sächsischen Reichstagsabgeordneten wird auf Grund genauer Ermittelungen ihres Wahlcomites über die Stimmung der Wahlkreise berichtet, daß aus dem Königreiche Sachsen mindestens fünf Social- Demokraten in den nächsten Reichstag gelangen werden.

Berlin, 20. Mai. In seiner heutigen Sitzung nahm der! Reichstag nach kurzer Debatte in dritter Lesung fast einstimmig das Gesetz über den Umlau der Festungen an, ebenso fast einstimmig den Antrag Tellkamp's und Genossen betreffs Vorlegung eines Bankgesetzes. Der Bundeskommissar Michaelis erklärte, der Bundesrath verkenne nicht die Dringlichkeit und stehe die Vorlage eines bezüglichen Gesetz, rntwurfs mit Sicherheit in nächster Sitzung in Aussicht. Der Antrag Prtersen's und Genossen wegen Vorlegung eines Gesetzentwurfs über den Schutz von Fabrik- und Waarenzeichen wird gleichfalls angenommen. E undeskommisar Weiman simerte eine anderweitige Erwägung des Antrags durch den Bundesrath, der bislang die bezüglichen Bestimmun­gen der Strafgesetze für genügend gehalten habe, zu.

Der Art. 1 des vom Reichstag angenommenen Gesetzes über den Umbau der Festungen bestimmt, daß au» der französischen Kriegs- enlschädigung 72 Millionen Thaler zur zeitgemäßen Umgestaltung und Ausrüstung der Festungen Köln, Koblenz, Mainz, Rastatt, Ulm, Ingolstadt, Spandau, Küstrin, Posen, Thorn, Danzig, Königsberg, Giogau, Neiße, Memel, Pillau, Kolberg, Swinemünde, Stralsund, Friedrichsort, Sonderburg, Düppel, Wilhelmshaven, sowie der Be­festigungen der unteren Weser und der unteren Elbe ausgeschieden werden sollen.

Berlin, 19. Mai. Von informirter Seite wird versichert, daß der Kaiser hohen Werth aus die Erledigung des Militärgesetzes legt. Unter den Bundesräthcn fürchtet man hingegen mit Recht, daß der Reichstag, nachdem er das Budget durchberathen und in die Pfinast- serien gegangen, sich kaum entschließen wird, die schwierige und jedenfalls lang andauernde Berathung - es Militärgesetzes vorznnehmen Deß- hald ist ernstlich wieder die Rede von der Abhaltung einer Herbstsession, wenn nicht etwa der Grund durchschlägt, daß der b.treffenden Vorlage eine Vertagung auf ein Jahr Nichts von ihrer Wichtigkeit benimmt.

Berlin, 21. Mai. Ueber die Reisepläne de» Kaisers erfährt dieProvinzial-Corrrspondenz". daß derselbe am Id. Juni nach Frank- furt gehen wird, um mit dem Kaiser von Rußland zusammenzutrcffen und gemeinsam mit diesem einen Besuch in Jugenheim und Darm­stadt zu machen. Don dort dürste in der zweiten Hälfte de» Juni die Reise des Kaisers Wilhelm nach Wien erfolgen. In der ersten Juli-Woche wird er zur Kur nach EmS gehen. Der Besuch des Schah von Persien am hiesigen Hofe erfolgt voraussichtlich am 5. Zuni.

Der Gründer aller Gründer wird der Baron Reuter werden. Ihm ist es gelungen, von dem Schah von Persien das ausschließliche Recht zum Bau von Eisenbahnen und Canälen und zur Ausbeutung der Bergwerke und Forsten im ganzen Lande deS Schah's zu erhalten. Seine Concession erstreckt sich auf 70 Jahre. Das Grundeigenthum

Der König von Belgien wird am 21. von Brüssel hieher abreisen. Der Prinz von Wales will an demselben Tage in London ein-' treffen. Der Kronprinz von Dänemark ist heute von hier adgereist. Ein prächtiger Hirsch wollte sich offenbar auch die Ausstellung in Wien ansehen und von dem Gastrecht profitircn; denn er spazirte langsam und majestätisch zur Vorstadt Wieden herein und besah sich die Leute und die glänzenden Schaufenster, hinter denen er oft Kame­raden zu sehen glaubte. Man kreiste ihn endlich ein und fieng ihn, er war offenbar aus dem kaiserlichen Thiergarten entkommen.

Schweiz. Bern, 18. Mai. Das hiesige Kantonalcomite der Ultramontanen fordert in einem Aufrufe, der heftige Auslassungen gegen die Staatsbehörde enthält, alle Katholiken, die treu zu Rom stehen, auf, sich bei einer Volksversammlung, welche am 25. Mai zn Correndlin stattfinden soll, zahlreich zu betheiligen. Es sei jetzt genug proteitirt und es sei Zeit, sich nunmehr an das Volk selbst zu wenden,

Bern, 20. Mai. Der Kantonalralh von Solothurn hat bei der Berathung der Strafgesetze die Todesstrafe mit 70 gegen 11 Stimmen aufgehoben und die Bestimmungen gegen den Mißbrauch der Kanzel angenommen.

Frankreich. Versailles, 20- Mai. In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung wurde die Bildung der Bureaux und die Wahl des Präsidiums vorgenommen. Von den gewählten Präsidenten der Bureaux gehören 13 der Rechten oder dem rechten Centrum und nur 2 dem linken Centrnm an. Zum Präsidenten der Nationalver­sammlung wurde Buffet mit 359 Stimmen gegen Märtel, auf den '' 239 Stimmen fielen, gewählt, de Goulard, Benoist d'Azy und Vitet wurden zu Vizepräsidenten erwählt. Märtel hatte auch hier nicht die genügende Majorität erlangt. Minister Dufaure legte dem Han den Entwurf eines Wahlgesetzes vor. Die Regierung erklärte sich d>. mit einverstanden, daß die von der Rechteneingebrachte Interpellation erst am Freitaq zur Verhandlung komme.

Die Wahlen der Nationalversammlung zeigen, daß von.r Versöhnlichkeit und einer Rücksichtnahme der Majorität gegen die Mi- norität nicht mehr die Rede ist. Das gelammte Bureau wurde auS Männern der Rechten und des rechten Centrumö zusammengesetzt, und Goulard dabei für seine Entlassung durch ein Vertrauensvotum seiner Partei entschädigt.

Paris, 19. Mai. Auf der Boulevard-Börse herrscht große Unruhe in Folge der Kammersitzung. Die pariser Garnison soll auf vier Tage consignirt sein.

Italien. Rom, 21. Mai. Die Depulirtenkammer verwarf mit 179 gegen 157 Stimmen den Antrag Mancini's auf vollständige Ausweisung der Jesuiten.

Spanien. Perpignan, 21. Mai. Einer Meldung aus Cer­vera vom l 9. d. M. zufolge hätten Tristany, Canals und Prinz Al- Phons den Flecken Sanahuja nach lebhafter Verthcidigung durch 15» Freiwillige genommen. Die Freiwilligen hätten sich unter der Be­dingung der Schonung deS Lebens ergeben, seien aber trotzdem er­schossen worden.

England. DieTimes" schreiben in ihrem Cityartikcl:Die Angaben, daß der Schah von Persien fünf Millionen Lstr. (60 Mil- lionen Gulden) für die Unkosten seiner Reise nach Europa bestimmt hat, bleibt trotz ihres anscheinend widersinnigen Charakters unbestritten.*

Schweden. Stockholm, 12. Mai. Die feierliche Krönung des Königs und der Königin hat heute in der Hofkirche stattgefunden. Der König legte den Weg vom Schlosse nach der Kirche, welch« in ihrem festlichen Schmucke einen prachtvollen Anblick gewährte, trotz heftigen Regens zn Fuße zurück; die Königin bediente sich des Wagens. Eine unübersehbare Menschenmenge war versammelt und begrüßte da» königliche Paar mit endlosen Jubelrufcn. Die Spccialgesandten der auswärtigen Mächte, die übrigen hier accreditirten Mitglieder des di- plomatischen Corps, die Mitglieder des Reichstages und die hohen Würdenträger wohnten der Ceremonie bei.

Rußland. Petersburg, 12. Mai. Wie dieOstsce-Zcitung" gibt der -itaather; das Privateigcnthum wird billig expropriirt; von i berichtet, hat der KriegSnünifter Befehl crtheilt, bei der fast im seinem Gewinn zahlt Baron Reuter 1520 pCt. an den Staat. Mittelpunkte Rußlands gelegenen Gubernialstadt Orcl ein 2000 Persien ist noch jungfräulicher Boden für Gründungen und zu hoffen, Morgen umfassendes Grundstück anznkaufen, auf dem großartige Mi- daß die europäischen Gründer, von denen viele z. B. in Wien jetzt j litä.-Casernen, in denen 300,000 Mann untergebracht werden können,

Ferien haben, nach diesem gelobten Lande answandern. Proviant-Magazine und Waffeu-Arsenale für die ganze russische Armee

Wien, 18. Mai. Der Kronprinz und die Kronprinzessin f des ^ erbaut werden sollen. Dieser Punkt ist deßhalb gewählt worden, weil deutschen Reiches haben sich heute früh nach Venedig begeben und ge- ^ Orel einen Hauptknotenpnnkt des vorzugsweise für strategische Zwecke denken über Mailand und die italienischen Seen am 3. Juni im! berechneten russischen Eisenbahnnetzes bildet, von dem ans im Falle neuen Palais bei Potsdam wieder einzutreffen. Dieselben reisen im seines Krieges leicht nach allen Seiten Truppen, Waffen und Kriegs­strengsten Inkognito unter dem Namen Graf und Gräfin von Lingen. i Munition versandt werden können, und der für den Feind, selbst wenn Der Kaiser hatte sic zum Bahnhof begleitet, nachdem er vorher in ^ er siegreich im Lande vordringt, schwer erreichbar ist.

Hetzendorf, wohin er sich schon um 6 Uhr begab, gemeinschaftlich mit Petersburg, 22. Mai. Der Schah von Persien list heute ihnen das Dejeuner eingenommen hatte. Der Abschied zwischen dem Mittag angekommen. Der Schah und der russische Kaiser fuhren

Kaiser und den kronprinzlicher Familie war ein überaus herzlicher. i zusammen, dahinter die Großfürstin und Gefolge.

Redgin, gedruckt und verlegt von A. OelschlLger-

(Hiezu Nr. 21 de- Unterhaltung«bl.)