Tagesneuigkeiten.
>— Calw. Tagesordnung der Sitzung des K. Kreisstrafgerichts am Dienstag, den 29. Oktober: 1) Vormittags 9 Uhr: Gottlob Diet'erle, Seiler in Weil im Schönbuch, OA. Böblingen, wegen Bestechung; 2) Vorm. 10 Uhr: Jakob Armbrust er, lediger Taglöhner von Spielberg, OA. Nagold, wegen Diebstahls.
LH Calw. In den öffentlichen Sitzungen des K. Kreisstrafgerichts vom 16. Ostober kamen folgende Fälle zur Verhandlung und Ab- urtheilung: 1) Der ledige Taglöhner IAH. Michael Stockinger von Altensteig Dorf, Wl. Nagold« welcher schon mehrfach wegen Diebstahls bestraft worden ist, hat im Ortsber 1871 eine nicht besonders verwahrte Tabakspfeife im Werth von etwa 12 kr. gestohlen. Gei "seinen Vorstrafen begründet dieser Diebstahl den 2. Rückfall. Mit Rücksicht auf den freiwilligen Ersatz des Gestohlenen und den geringen Betrag desselben, wurde er, weil die That vor dem I.Jan. 1872 verübt wurde, rzach den Bestimmungen des Württ. Strafgesetz, buchs zu der Gefängnißstrase von zwei Monaten und 15 Tagen verurtheilt. 2) Gustav Kurz, ZimmermalerS-Geselle von Kirchheim u. Teck verübte in Wildbad auf einfache Weise zwei Gelddiebstähle im Betrag von 32 fl., wegen welcher er, der erst 16 Jahre alt ist, zu der in der Anstalt für jugendliche Verbrecher zu vollziehenden Ge« sängnißstrafe von 2 Monaten verurtheilt wurde. Endlich 3) ist der verheirathete Taglöhner Gottfr. Wolfs von Ober-Schwandorf, OA. Nagold, wegen eines seinen ersten Rückfall begründenden einfachen Diebstahls in Anbetracht mildernder Umstände zu der Gefängnißstrase von drei Monaten nunmehr rechtskräftig verurtheilt worden.
— Calw. Mit dem t. November tritt ein neuer Eisenbahn-Fahr- tenplan und im Anschluß daran auch ein neuer Postcurs in Wirksamkeit. Unsere Verbindung mit Stuttgart und Nagold bleibt ziem- lich gleich wie seither, nämlich: Abgang in Calw: nach Stuttgart um 6 U. Mrgs., 12 U. Mitt., 4?» Nachm, und W« Abends; uach Nagold: um 9^ Mrgs., 2l2 Nachm., 6? Abds. und 10^ Nachts. — Die Postfahrtrn nach Pforzheim finden um 6 U. Morgs., Iiso Vorm, und 442 Nachm.; noch Wildbad um 5^ Mrgs. und 235 Nachm, statt. Näheres im Fahrtenplan des nächsten Blattes. (Bon Mittwoch an sind Eisenbahn-Fahrteupläne, mit angehängten Postcursen, worunter specielle (Lokal-Fahrtenpläne) für Calw, Tei- nach und Althengstett, im Comptoir d. Bl. zu haben.)
— Stuttgart, 24. Ost. Wie wir hören, sind die Berathungen wegen Erhöhung der Gehalte, sowie der Taggelder, Diäten und Reisekosten der Amtskörperschafts- und Gemeindediener im Ministerium des Innern in vergangener Woche zum Abschluß gebracht worden. — Ebenso wurde zu Ausführung des Art. 75 der Neuen allgemeinen Bauordnung der Entwurf einer Verordnung, betr. die Zuständigkeit der Regierungsbehörden in Baupolizeisachen, festgestellt. (St.-A.)
— Stuttgart, 25. Okt. Die volkswirthschaftliche Commission
der zweiten Kammer trat am letzten Mittwoch zu Berathung der GesetzeSentwürse, betreffend die weitere Ausdehnung des Eisenbahnnetzes und den Bau von Eisenbahnen in der Finanzperiodc von 1870/73 zusammen und beschloß, der Kammer folgende Anträge vorzuschlagen: 1) sich für den Bau der Eisenbahn von Hall über Backnang nach Waiblingen mit Abzweigung von Backnang nach Bietigheim, und ebenso der von Stuttgart Uber Böblingen nach Freudenstadt auszusprechen, wobei von Stuttgart aus die Bahn eine Strecke weit neben der Ludwigsburger Bahn geführt werden soll; 2) den Bau der Bah- neu von Nag old nach Horb, von Calw nach Pforzheim, von Leutkirch nach Jsny und von Hechingcn nach Balingen, ferner Lie Inangriffnahme der Bahnen von Altshausen nach Pfullendorf, von Crailsheim an die Landesgrenze, von Balingen nach Ebingen- Sigmaringen, von Heidenheim durch das Brenzlhal über Gingen, Niedrrstotzingen nach Langenau und Ulm, in der Finanzperiode 1870 bis 73 zu beantragen; dagegen 3) den Bau der Bahn von Waiblingen nach Backnang in der Fiuanzperiode 1870/73 nicht zu befürworten. (Lt.-Anz.)
— «Stuttgart, 25. Okt. Durch den Zug 59 wurde zwischen Essingen und Aalen auf Posten 80 ein Mann überfahren und ge- lödtet. Der Getödtete ist Josef Sch aal von Nägeleshof, welcher
— wegen eines Gelddicbstahls g-fänglich eingezogen — ans dem Arrest entsprungen ist. Es liegt ein Selbstmord vor, den der Bahnwärter nicht verhindern konnte.
— Tübingen, 23. Okt. (Landtags-Abgeordneteuwahl.) Von 1294 abgegebenen zeitigen Stimmen erhielt Obertribunal-Rath von Stein 721 Stimmen, ist somit gewählt. Reichmann erhielt 492 St.
— Karlsruhe, 16. Okt. In der heutigen Sitzung der Strafkammer wurde die Anklage gegen Apotheker L. Döll von hier und K. Rinck, Magazinier bei Bassermann und Herschel in Mannheim wegen fahrlässiger Tödtung verhandelt. Der einzige Sohn der Wittwe
Redigiri, gedruckt uns verlegt von A. Oelschlägcr.
Seyfried von hier wurde im Juni d. I. in Folge einer Verwechslung durch blorpkium muriatioum vergiftet. Der Gerichthof sprach den Apotheker, welchem Morphium statt Chinin ans der Fabrik geschickt war, frei, vernrthcilte hingegen den Magazinier, welcher in der Fabrik die Verwechslung vorgenommen und die unrichtige Aufschrift der Flasche geschrieben hatte, zu 2 Monaten Gefäugniß.
— Die Welt weiß es, daß die deutschen Bischöfe aus Sau- lussen der Unfehlbarkeit zu deren Paulussen geworden sind und daß dieses Wunder nicht der heilige Geist, sondern der Jesuitismus gewirkt hat. Der Bischof Kcttelcr von Mainz, der jetzt mit dem feurigen Schwert für das Dogma auftritt und das deutsche Reich in Zwietracht stürzt, hat den Papst auf den Knieen beschworen, das Dogma nicht zu verkündigen, es müsse die Geister in Deutschland empören und Unglück anrichten. Bischof Hesele von Rottenburg trat selbst nach der Annahme des Dogma's als Gegner desselben auf, er klagte in Briefen (die jetzt gedruckt vorlicgen) die deutschen Bischöfe an, „daß sie über Nacht ihre Ueberzeugung geändert hätten und die Gegner des Dogmas verfolgten." Ich sehe mit Schrecken, schrieb er am 11. November 1870,- daß in allem Religionsunterricht in Deutschland die Unfehlbarkeit die erste Rolle spielen wird, und ich kann mir den Schmerz der Eltern vorstellen, welche ihre Kinder solchen Schulen überlassen müssen. Ich werde das Dogma nicht verkündigen. Ich will lieber den bischöflichen Stuhl als die Ruhe des Gewissens verlieren. Solche Abschlachtung hätte nur verhütet werden können, wenn sämmtlichc deutsche Bischöfe sich widersetzt hätten. Von den Schweizer Bischöfen ist nur Greith in St. Gallen ein Gegner des Dogmas; er wird es so lange möglich machen wie ich, aber wenn man ihm einmal das Messer an den Hais setzt, wird er sich unterwerfen." Das Messer ist an den Hals geletzt worden dem St. Galler Bischof und ihm, Hefelc selber; denn unter den Bischöfen der Fuldaer Denkschrift für die Unfehlbarkeit und für die Bravheit und Frömmigkeit der Jesuiten steht der Name Hefele.
— Der berühmte Bienenvater Pfarrer Dzierzon in Karlsmarkt ist von der Universität München zum Ehrendoktor ernannt worden.
Im Nassauischen hat sich eine Räuberbande aufgethan, vor der selbst die besten Gcldschränke nicht mehr sicher sind. In Diez haben sie einen solchen Geldschrank mit großer Leichtigkeit geöffnet und das Geld gestohlen. Sie ließen einen Zettel zurück, auf dem stand: „Unserer find dreißig, bei Nacht sind wir fleißig, bei Tag gucken wir zum Fenster 'naus und lachen die GenSdarmen aus."
1— Berlin, 24. Okt. Der Schiedsspruch des Kaisers in der San J«an-Fragc erklärt, daß die Ansprüche der Vereinigten Staaten völlig Lbereinstimmcn mit der wahren Interpretation des Vertrags vom 15. Juni 1846, und daß also die Grenze durch den Haro- Kanal zu laufen habe.
— Der langt dauernde Kampf zwischen der großen Pflug'schen Fabrik für Eisenbahnbedarf und den Arbeitern in Berlin hat zu Gunsten der Arbeitgeber geendet. Als die von Agitatoren verheißenen goldenen Berge ausblieben, die Frauen und Kinder aber zu Hause immer lauter nach Brod schrieen, da kehrten die Arbeiter in die verlassenen Werkstätten zurück, um sich nicht länger von Leuten am Narrenseil herumführen zu lassen, welche allen Capitalisten, Fabri-, kanten; und Arbeitgebern den Untergang zugeschworen haben. Diesen Ausgang hat dieser große Strike genommen, obwohl angeblich hinter ihm 30,000 Maschinenbauer und viele Gewerke Berlins standen, und obwohl Sendlinge nach allen Richtungen ausgeschickt worden waren, um Beiträge für die Sinkenden zu sammeln.
— Auf den Marktplätzen in Graz ist mit Hilfe der Polizei eine praktische Neuerung getroffen worden. Man sondert nämlich die Bauern streng von den Wieder-Verkäufern und schafft so einen Bauernmarkt, der sich Seitens des Publikums des lebhaftesten Zuspruchs erfreut. Die Maßregel hat den Zweck, den Landmann dem Markte wieder zu gewinnen und zu erhalten und der überhand nehmenden Theuerung zu steuern.
Türkei, lieber die Frage der türkischen Souverainetüt oder vielmehr Souzeruinetät, d. h. Oberhoheit über Montenegro, is5 bei Gelegenheit des letzten Ueberfalles viel diskutirt worden. Thatsächlich verhält sich die Sache so, daß Montenegro diese Oberhoheit niemals anerkennen wollte und die Mächte darin einverstanden waren, daß es zu dieser Anerkennung nicht gewaltsam von der Türkei gezwungen werden solle. Aber die Mächte haben auch niemals die Unabhängigkeit Montcuegro's förmlich anerkannt.
Amerika. In Folge des Umsichgreifens der Canadischen Roßkrankheit sind in Newyork 7000 Pferde von einem Katarrhfieber heimgesucht worden, wodurch der Verkehr gefährdet ist. Die Regierung hat in Folge dessen die Pferdeeinsuhr ans Canada verboten.
(Hiezu Nro. 13 des UnterhciltungSblattS.)