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ften Tage durch schmale Kost, verurtheilt und zum Ersätze der Kosten des Verfahrens und deS Strafvollzugs verpflichtet. 3) Gegen den verhcirathctcn Bauern Gotllieb Lutz von Althcngstett, OL. Calw, wurde wegen seinen ersten Nückiall begründender Körperverletzung im Affekte, eine Kreisgefanznißstrafc von sechs Wochen, sowie die Verpflichtung zum Ersätze der Kosten seiner Haft, des Verfahrens und des Strafvollzugs erkannt, weil er in der Nacht vom 81,22. Jän. d. I. auf der Straße zu Althcngstett den Wagner Martin Geh­rung vvn Möttlingen in der Aufregung des Zornes mit verstärkter Hand eine An,»hl Streiche an den Kopf versetzt und ihm hiedurch bedeutende Verletzun­gen HrksifliHt hat, welche eine Arbeitsunfähigkeit des re. Gehring von der Bauer von etwa 12 Tagen zur Folge hatten. Diesen Erfolg seiner Handlung konnte der Beschuldigte als sehr wahrscheinlich vorherschen. Am 10. Mai:

Die Untersuchungssache gegen den 11 Zuhre alten Christoph Philipp Bart von Calmbach, OA. Neuenbürg. Derselbe hat etwa Anfangs des Monats April d. I. bis zum 17. desselben Monats auf mehrcremal in der Wohnung des Metzgers Jakob Friedrich Seyfried in Calmbach auS einer verschlossenen und von ihm mittelst de« durch Entwendung heimlich zur Hand gebrachten Schlüssels geöffneten Commode Geld im Gcsamnitbetrage von etwa 14 fl. ge­stabten. Daß der Betrag S-z entwendeten Geldes ein höherer war, konnte nicht bewiesen werden. So wurde der Beschuldigte unter Freisprechung hin­sichtlich höherer Verschuldung wegen ans erster Stufe ausgezeichneten, in fortge­setzter Handlung verübten Diebstahls zu der in der Anstalt für jugendl. Verbrecher tu vollziehenden KrciSgefängnißstrafc von zwei Monaten verurtheilt. Die Bertheidigung führte der dem Beschuldigten wegen seines jugendlichen Alters vvn Amtswegrn beigegebene Rechtsanwalt Klinger in Calw.

Ulm, 11. Mai. Heute Abend 7 Uhr 35 Minuten geht ein Extrazug mit 1000 Gefangenen, worunter sämmtliche Turcos (350) vvn hier ab nach Vesoul.

München, 12. Mai. Der baierische Bevollmächtigte bei den Friedensunterhandlungen in Brüssel, Graf Quadt, begab sich auf Einladung des Fürsten Bismarck von dort nach Berlin, um daselbst den Friedensvertrag im Namen Baierns mit zu unterzeichnen.

Berlin, 12. Mai. In der heutigen Reichstagssitzung ergreift Fürst Bis marck zu einer Mittheilung das Wort. Er erklärt: Bei Abschluß der Friedenspräliminarien bestand die Hoffnung, die Arbeiten in 4 bis 6 Wochen zu beendigen; wobei gerechnet war, daß die fran­zösische Regierung 'sich der unbestrittenen Herrschaft erfreue. Diese Hoffnung hat sich nicht verwirklicht. Weitere Verzögerungen mußten die Befürchtung erregen, ob die französische Regierung im Stande bleiben werde, ihren Verpflichtungen zu genügen. Bezüglich der Ab­tretungen von Land war das Objekt in unseren Händen, und die Aus­führung der Bestimmungen nicht zweifelhaft. Die Befürchtungen bestanden darin, ob die französische Regierung gewillt und fähig war, die Bestimmungen bezüglich der Kriegskontribution ausznführen. Ernst­liche Besorgnisse veranlaßtcn m-ch, persönliche Besprechungen zu ver­suchen. Wenn wir uns nicht verständigt hätten, würden wir Paris tmrch ein Abkommen mit der Kommune oder durch Gewalt genom­men und dann von der Regierung verlangt haben, ihre Truppen hin­ter die Loire zurückzuziehen und alsdann die Verhandlungen fortzu- setztn. Ich ging in der Absicht nach Frankfurt, einige schwebende Fragen zur Entscheidung zu bringen, nämlich die Zahlung der Kriegs- kontribution, die Verkürzung der Fristen, und die Verstärkung der Garantien; da sich jedoch die Aussicht zeigte/ definitiv abzuschließen, so hielt ich dieß für einen Gewinn für beide Länder, da hiedurch für Deutschland die militärische Last erleichtert und die Konsvlidirung Frankreichs erzielt wird. Die französische Negierung ist nunmehr in der Lage, am Besten die Wünsche des französischen Volkes nach Her- stellung des Friedens zu erfüllen. Jede andere Regierung, die sich au ihre Stelle setzen wollte, hätte das Bedenken gegen sich, daß sie den Frieden nicht ebenso vollständig sichere. Es werden allerdings noch nachträglich Ausführungsbestimmungen nothwendig sein, jedoch ist der definitive Frieden erreicht. Die Zahlungsfristen sinsd verkürzt worden, die erste halbe Milliarde wird innerhalb 30 Ta­gen, welche der Einnahme von Paris folgen, bezahlt. Betreffs der Zahlungsmittel wurde festgesetzt, daß nur Metallgeld oder Noten sicherer Banken (englischer, niederländischer, preußischer, belgi­scher) angenommen werden, oder Wechsel erster Klasse. Die zweite Zahlung, von 1000 Millionen, hat im Laufe d. I. bis Ende Dez. stattzusinden. Erst h ierau f sind w ir v erpfl i cht e t d ie B e-

estigungen vor Paris zu räumen. (Bravo.) Die vierte halbe Milliarde wird bis zum 1. Mai nächsten Jahres gezahlt. Für die letzten 3 Milliarden bleiben die Bestimmungen des Präliminar­friedens aufrecht, dieselben sind bis zum 1. März 1874 vollständig abzuzahlen. Die französische Regierung hofft den Anforderungen ge­nügen zu können. Schwierigkeiten ergab die Frage der Handels­beziehungen. Die französische Regierung will den Handelsvertrag lösen. Sie scheint hiervon eine Steigerung der Zoll-Einnahmen zu erwarten. Ich begnügte mich mit der Bestimmung, für uns das Recht der Meistbegünstigten zu erlangen. Unter den Meistbegünstig­ten sind zu verstehen England, Belgien, Niederlande, Schweiz, Oester­reich, Rußland. Bezüglich der Frage der Grenzregulirnug wurde be­stimmt, daß der AusdruckRayon von Belsort" nicht im technischen Sinne zu verstehen sei, sondern derselbe wurde ans 45 Kilom. aus­gedehnt. Es schien wüuschenswerth, einige deutsche Gemeinden bei

Thionvillesmit Rötlingen zu erwerben. Aber die französische Regie- rung erklärte, sich in der Unmöglichkeit zu befinden, dieß zuzugcstehen. Ich habe deßhalb vorgeschlagen, diese Frage der Ratifikation der Nationalversammlung zu überlassen und ich beantragte hiefür noch weitere Abtretungen bei Belfort. Die übrigen Bedingungen werden Sie aus den demnächst bevorstehenden Veröffentlichungen ersehen. Wir haben die Bahnstrecken der Ostbahn in Elsaß-Lothringen für bestimmte Summen erworben. Für die Ratifikation durch den Kaiser und die Nationalversammlung ist eine zehntägige Frist bis znm 20. Mai festgesetzt. Fürst Bismarck schließt:Ich glaube, daß erreicht worden, was wir von Frankreich vernünftiger Weise verlangen konnten. Wir haben unsere Grenzen gesichert. Wir haben die Bezahlung der Kriegs- entschädigung gesichert, soweit nach menschlichen Verhältnissen möglich. Noch weitergehende Forderungen hätten größere Opfer erfordert. Ich habe das Vertrauen, es sei die Absicht der französischen Negierung, den Vertrag auszuführen, und daß die Kräfte dazu vorhanden sein werden. Die Behauptung, die Höhe der Kriegsentschädigung fei un­erschwinglich, wurde von idem französischen Finanzminister nicht ge- theilt." Der Reichskanzler spricht schließlich die Hoffnung aus, daß der Friede ein dauerhafter und segensreicher sein werde, und daß wir der Bürgschaften, deren wir uns versichert haben, um gegen erneute Angriffe gesichert zu sein, in langer Zeit nicht bedürfen werden.

Frankreich. Ter mächtigste Mann in Paris ist dermalen Deles cluze, Vorsitzender des Wohlfahrtsausschusses und Kriegs­minister. Er ist thatsächlicher Diktator. Die Verhafteten Schölcher und Floquet waren Pariser Deputirte. Die Behauptung von Ber- rath, Bestechung u. dergl., womit Delescluze die schlimme Situation ächt französisch zu erklären ud zu beschönigen sucht (siche unten), ist selbstverständlich mit Vorsicht anszunehmen. Vielleicht ist es be­reits das Vorspiel der Unteiwersimg.

Paris, 11. Mai. Eine Proklamation des WohlfahrtsanS- schusses sagt: Tie Kommune und die Republik sind einer tödtlichen Gefahr entgangen. Der Verrath schlich sich in unsere Reihen. Gold, mit vollen Händen gestreut, fand käufliche Seelen. Das Aufgeben des Forts Jssy war der erste Akt des Drama's, er traf zusammen mit einer inneren monarchischen Insurrektion. Die Uebergabe eines Thors sollte folgen. Alle Fäden des Gcwebs sind in unfern Händen. Der größte Theil fder f Schuldigen ist verhaftet; das Kriegsgericht ist permanent. Ern Rapport von Delescluze besagt: Die Bewachung, der Wälle sei hinreichend gut; Reserven für den Fall der Ueber- raschung bereit. Fort Vanvres, momentan verlassen, wurde von Wroblewsky mit dem Bayonnet wieder genommen.

Paris, 11. Mai, 6^ Uhr Abends. Cluseret wurde gestern durch Miot, Balles und Bermorel verhört und nach dem Verhör »ach Mazas zurückgeschickt. Floquet ist auf Befehl der Kommune verhaftet. Bei dem heutigen Kriegsrath, unter dem Vorsitz von Delescluze, waren Cecilia, Dombrowski und Wroblewski gegenwärtig.

Pariss, 11. Mai, Abends. Fort Vanvres, Nachts von den Versaillern heftig angegriffen, soll zeitweise in ihrer Gewalt gewesen,, allein heute Morgen von den Föderirten wieder genommen worden sein. Gerüchtweise verlautet, die Versailler hätten das Lyceum (zwi­schen Jssy und Vanvres) genommen. Die Batterien von Montrrtout und Valerien beschießen die Bastionen des Point du jour und die bei Auteuil wüthend. Die Nationalgarden können sich hier nicht mehr halten.

Versailles, 11. Mai. (Nationalversammlung.) Thiers stellt die Alternative: Die Kammer erthcilt ihm ein Vertrauensvotum oder er tritt zurück. Die Kammer genehmigte mit 495 gegen 10 Stimmen folgende motivirte Tagesordnung:Die Kammer, im vollen Vertrauen in den Chef der Exekutivgewalt der französischen Republik, geht zur Tagesordnung über."

Versailles, 12. Mai. 9 Uhr Morgens. Montretout und die anderen Batterien feuern fortwährend mit großer Heftigkeit. Die Annäherungsarbeiten machen an verschiedenen Punkten Fortschritte. Fort Vanvres wird in Kürze vollständig cernirt sein.

Paris, 12. Mai. DerMonde" veröffentlicht einen Brief des Grasen Chambord. Chambord weist als Verlänmdung die Be­hauptung zurück, er verzichte auf das Glück, Frankreich zu retten. Frankreich sei monarchisch gesinnt. jEr protestirt gegen die Behaup­tung , er wolle eine unbeschränkte Regiernngsgewalt; die traditionelle Monarchie sei vereinbar mit der Gleichheit vor dem Gesetz. Er würde reele Garantieen für die Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhles und für die Freiheit der Kirche fordern, als erste Bedingung deS Friedens der Geister. Er wolle nicht mit einer Partei herrschen, son­dern mit Hilfe aller derer, welche Religion, Frieden, Eintracht zurück­führen wollen.

. Aus Algerien bessere Nachrichten. In einem Gefecht am 6. Mai fiel Aga Mskrani, der Chef der Insurrektion, der Kampf hörte alsbald auf.

Rcdigirt, gedruckt und rerlegl von A. Oclschlag er.