202
Hiesiges.
§§Calw, den 28. April 1871. Ihr letztes Blatt berichtet, daß der Bürgerausschuß auf das Gesuch einiger Gemeinderaths- Mitglieder um Dispensation von ihrem Amte beschlossen habe, dieser Bitte nicht zu entsprechen, da die zur Entlassung nöthigen dringenden Gründe nicht vorliegen und bei der Ende d. I. vorzunehmenden Gemeinderathswahl den nicht ohnehin zum Austritt kommenden Herren Gelegenheit zum Rücktritt gegeben sei.
In der Zwischenzeit hat auch der Gemeinderath sein Gutachten über das vom K. Oberamt zu entscheidende Gesuch abge-
Rachts abgeiasstn. Derselbe wurde unterwegs angchalten und nach seiner Abgangsstation zurückexpedirt. Die Blokade von Paris hat begonnen.
Versailles, 25. April, 3 Uhr Mrgs. Das .Journal offiziell" meldet: Eine 200 Mann starke Jnsurgentenabthcilnng hat vergangenen Sonntag Bagneux angegriffen, wo 2 Compagnien Re- gierungstruppen sich verbarrikadirt hatten. Die Insurgenten wurden zurückgeworfen. Ein gestern von einer etwa 1000 Mann starken Abtheilung neuerdings unternommener Angriff hatte dasselbe Schicksal wie der erste. Die feindliche Avantgarde erlitt sehr beträchtliche Berluste und büßte eine Fahne ein, deren Träger gefangen gemacht
geben, ebenfalls dahin gehend, daß seiner Ansicht nach die zur wurde. — In einer Depe>che Thiers', worin diese Vorgänge mit- Eutlassung nöthigen dringenden Gründe nicht vorliegen und daß gctheilt werden, bemerkt derselbe, daß die Vorarbeiten nunmehr been- er bedauern müßte, wenn Männer, deren Gewissenhaftigkeit und det seien und die entscheidenden Operationen nahe bevorständen. —> Uneigennützigkeit allgemein anerkannt ist, in Folge dieser vorüber- Diesen Morgen vernimmt man eine lebhafte Kanonade. Thiers begehenden Zerwürfnisse ihre Dienste der Stadt entziehen würden.! sichtigte gestern Mit Mac Mahon die bei Chatillon gezogenen Gräben. Diesem Gutachten wurde nach einmüthigem Beschluß die Bitte Versailles, 25. April, 10 Uhr Mrgö. Das „Journal
angehängt, die Petenten möchten aus diesen Gründen und iin Interesse des Friedens ihr Gesuch zurückziehen.
Denr Gedanken, daß im Dezember die nicht ohnehin zum Austritt kommenden Herren Gemeinderaths-Mitglieder Gelegenheit zum Rücktritt hätten, hat sich selbstverständlich der Gemeinderath nicht angeschlossen, denn wenn heute zu einem Austrittsgesuch dringende Gründe nothweudig sind, so sind sie auch im Dezember nothwendig und wenn heute das Vorhandensein solcher von den Collegien nicht anerkannt wird, so kann begreiflich im Dezember gar keine Rede mehr davon sein.
Tagesneuigkeiten.
— Sc. Kön. Maj. haben die Stelle des evangelischen Dekans nnd Stadt-
psarrerS in Calw dem Dekan Mezqer in Gaildorf übertragen. — Der Schulpräparand Crhard Fenchel von Obcrkollwangen ist zum Eintritt in den Seminarkurs (das zweite Stadium der Vorbildung) in Privatanstaltcn ermächtigt worden. — Am 24. April ist der evangel. Schulmeister Hole er lin zu Deckcnpfronn pensionirt worden. (St.A.)
— Reutlingen, 25. April. Gestern starb hier die älteste Person, nicht mir unserer Stadt und der ganzen Umgegend, sondern vielleicht die älteste unseres ganzen Landes: die Wtttwe des Bierbrauers Jette r, in einem Alter von 101 Jahren 6 Monaten und 14 Tagen, nachdem sie etwa 8 Tage krank gelegen war. An ihrem 100. Geburtstag, den sie in ihrem Familienkreise gesund und geistes- flisch, zwar mit erloschenem Augenlicht, feierte, wurde sie von II. MM. dem Könige und der Königin schriftlich beglückwünscht, nnd dieselben ließen ihr zum Audenkeu an diesen Tag eine Prachtbibel, in schwarzem Sammet gebunden, mit Goldschnitt und silberbeschlagen, überreichen
— Ulm, .24. April. Gestern Abend sind von den in Neu-Ulm internirten Kriegsgefangenen 21 entwischt. Dieselben öffneten eine der verschlossenen Kanoucnschießfcharten und schlüpften durch dieselbe ins Freie. Die Flüchtlinge waren theils in'Uniform, theils besaßen sie Civilkleider. Weit werden sie schwerlich kommen und sind bis heute auch bereits 4 Mann von der Gendarmerie wieder eingcbracht worden.
— München, 26. Ap.il. Wie verlautet, hat der Regierungspräsident von der Oberpfal; und Regensburg bei dem Kultusministerium in einer ernstlichen Vorstellung angefragt, was bezüglich der insallibilistisch gesinnten Reltgionslehrer M den Gymnasien seines Kreises zu thun sei. — Professor Friedrich wird in einigen Tagen ein motivirtes Schreiben veröffentlichen, worin er die über ihn erklärte Exkommunikation nicht anerkennt nnd sich für nicht exkommunizirt hält.
— Der Säkular-SeelsorgskleruS" der Stadt München hat dem Erzbischof Scherr eine Erklärung überreicht, worin die Unterzeichner versichern, daß sie nicht glauben wie Herr v. Döllinger.
— Berlin, 26. April. De „Prov. Corr." schreibt: Die Entlassung der Landwehr, welche bald «ach dem Abschluß der Friedenspräliminarien angeordnet war, konnte wegen der neueren Verhältnisse in Frankreich nicht so vollständig zur Ausführung gelangen, als beabsichtigt mar. Die Regierung ist bedacht, im Interesse der Land- wirthschaft und des bürgerlichen Erwerbes, sowie der betheiligten Familien auch die letzten Hindernisse, welche der Entlassung eiues Theils der Landwehrmänner noch entgegenstanden, nnverweilt zu beseitigen.
— Der Antrag des Bundeskanzlers, betreffend eine Krieg sdenk- münze für das Reichsheer, hat die Form eines Gesetzes von einem Paragraphen, welcher ausspricht: „Der Reichskanzler wird ermächtigt, die Kosten der Anfertigung der vo« dem Kaiser zur Erinnerung an den letzten Krieg mit Frankreich für das Rcichsheer gestifteten Kriegs- denkmünze für Rechnung des Reiches zu bestreiten."
— Der Gesetzentwurf, betreffend die Vereinigung von Elsaß und Lothringen mit dem deutschen Reiche, nebst Motiven ist im Reichstag vertheilt worden.
Frankreich. Amiens, 24. April. Von Ereil aus wurde ein Zug mit Lebensmitteln, die für Paris bestimmt waren, des
offiziel" konstatirt gelegentlich eines Artikels, welcher verschiedene in Paris verbreitete Gerüchte widerlegt, daß, so lange der Aufstand nicht gedämpft sei, die Regierung den Kredit nicht in wirksamer Weise in Anspruch nehmen könne, und die Forts auf dem rechten Seineufer deßhalb in den Händen der preuß. Truppen bleiben würden.—Heute Morgen haben die Batterien von Meudon, Breteuil nnd Chatillon das Feuer gegen die Forts Jssy und Vanvres, sowie den Point du jour eröffnet.
Paris, 25. April, Abends. Die Bevölkerung von Ternes, Neuilly und Sablonville, von der Einstellung der Feindseligkeiten Gebrauch machend, kommt massenhaft nach Paris. Diese Ortschaften bieten ein Bild der entsetzlichsten Verwüstung dar. Die Vorposten der Versailler stehen 150 Meter diesseits der Kirche von Neuilly. Die Lyoner Delegirteu richteten eine Adresse au die Kommune, worin sie einen warmen Mahnruf gegen die Fortsetzung des Kampfes erlassen. Sic binen d c Nationalversammlung, nicht auf die Gewalt zu bauen; sie warnen die Kommune, ihre Befugnisse nicht zu überschreiten; sie möchte vielmehr in die Grenzen der munizipalen Forderungen znrückkehren. Was diese Forderungen anbelangt, so sei dieß die Sache von Paris, die Sache aller Städte Frankreichs. Das Gerücht von der Räumung CharentouS ist unbegründet; es war durch die Anhäufung der Versailler und der föderalistischen Truppen in den benachbarten neutralen Ortschaften entstanden. Auch St. Denis ist noch immer von den Preußen besetzt.
Paris, 26^ April, 6 Uhr Abends. Das Feuer hat aus der ganzen Linie wi.der begonnen. Die Versailler ergriffen gegen die Südfront die Offensive. Die Belagerunzsarbeiten sind bis zur 2. Parallele vorgeschritten. Di- Föderirten fielen aus, nm die Arbeiten zu beunruhigen. Heftige Gefechte bei Bagneux, Elamart, Chatillon. Die Föderirten befürchten den Hauptangriff auf die Güdfront. Dahin senden sie die besten Bataillone und eine bedeutende Artillerie. Nur ist das Quartier Montrouge außer Stand, dem Angriff zu widerstehen, da die Nationatgarden dort schwierig werden. Gegenwärtig furchtbare Kanonade gegen Vanvres und Montrouge. Die Versailler überschütten die Forts mit Kugeln , die Forts antworten kaum. Der Hauptangriff wird heute Nacht erwartet.
Versal lles, 26. April, Abends. Seit Mittag schweigt das Fort Jssy. Nur die Batterien außerhalb desselben feuern. Die Parallele gegen Jssy ist eröffnet.
Der „Mn. Ztg." wird von einem ununterbrochenen brieflichen Verkehr zwischen Mac Mahon (dem Oberbefehlshaber der Regierungs- truppen) und dem Exkaiser Napoleon geschrieben. Nicht nur Mac Mahon, sondern auch der (inzwischen beseitigte) Reitergeneral Marquis de Galiffet und noch Andere, die unter Thiers gegenwärtig hervorragende militärische Posten bekleiden, korrespondiren mit dem Kaiser, und wenn den Berichten, die diesem zugehen, zu glauben ist, ständen seine Aussichten auf eine baldige Restauralion in höchster Blüthe. Er selbst kam in den letzten Tagen mehrere Male nach London nnd flanirte durch Pall Mall und Piccadilly. Um Versailles aber sollen bereits an 140,000 schlagfertiger Truppen angesam- mclt sein, die — so lautet eine Mittheilung des Marquis de Ga- lisiet — nicht nur durchaus verläßlich, sondern gegen die Pariser Kommune wuihentbrannt und im Herzen gut.kaiserlich gesinnt stad. In den nächsten Tagen soll der große Kampf beginnen und im Ver- sailler Lager ist die Ansicht stark vertreten, daß, wenn die Truppen erst auf zwei Punkten in die L>tadt eingedrungen sein werden, ein hartnäckiger Straßenkampf nicht zu befürchten fern dürfte.
Italien. Florenz, 25. April. Der Justizminister theilt dem Senate mit, die Regierung werde einen Gesetzentwurf, betreffend vollständige Trennung der Kirche vom S>taate, ein b ringen. _
Gottesdienste. S onnta g, den 30. April. Vorm. (Prcd.): Hr.Dcc Dorner. - Kind erlehre mit den Söhnen 1. El. - Feiertag P h ll. und Ja k o b r. Vorm. (Prcd.): Hr. Pfr. Bl um Hardt v. Voll. Nachm. 7,2 Ubr Mrssronsfest .
(Hiez» Nro. 17 des llntcrhaltungsblattcs.)
Redigirt, gedruckt und verlegt von A. Oelschlig er.