566
Zur Abgeordnetenwahl.
Die Programme.
III.
Daß die norddeutsche Bundesverfassung, unter deren Schutz und Schirm das neue Deutschland geeinigt werden soll, an gewissen Mängeln leide, gestehen beide Programme ein, und ich hätte es Hrn. Schuldt Dank gewußt, wenn er sich hierüber etwas deutlicher ausgesprochen hätte. Er hat das gute Vertrauen zu der Regierung, daß sie sich nicht überstürzen und nicht mehr Souveränitätsrechte aufgeben werde, als dieß zur Erreichung des Zwecks absolut nöthig sei. Dieses Vertrauen hat auf den ersten Blick einen Schein von Berechtigung; denn wir haben uns, wenn es sich um Ausbildung unseres Verfassungslebens, um Fortschritte auf dem freiheitlichen Gebiete namentlich handelte, noch nie über überstürzendes Vorwärtsdrängen unserer Regierung zu beklagen gehabt, und ein Festhalten an gewissen Souveränitätsrechten sollte von der Regierung und Krone Württembergs um so selbstverständlicher vorausgesetzt werden dürfen, als gerade in dieser Be-
! Beide haben sich darüber klar ausgesprochen: Herr Schuldt will § diese schwere Last auf sich nehmen, wenn auch ungern, Herr G. F. Wagner will es nicht, und darum ist Herr Wagner unser Mann.
Soll ich noch mit wenigen Worten das Verhalten der beiden Programme zu den inneren, speciell württembergischen, Fragen berühren, so hat sich Hr. Schuldt in einer besonderen Ansprache darüber detailirter ausgesprochen, als Hr. Wagner. So bedcu- tend, als in der deutschen Frage, scheint die Differenz zwischen beiden Männern hier nicht zu sein. Beide sprechen sich z. B. für Beseitigung der Privilegien in der Volksvertretung aus, nur geht Hr. Wagner noch einen guten Schritt weiter, und erklärt sich gegen das Zw eikamme rspstem, das in Wahrheit auch mit der deutschen Bundesverfassung unvereinbar sein wird. Reformen in der Verwaltung, Steuergesetzgebung rc., würden beiden Candidaten am Herzen liegen und beiden steht für ein ersprießliches Wirken in dieser Richtung eine langjährige öffentliche Thätigkeit einpfeh. lend zur Seite. Nur das hat unangenehm berührt, daß Herr Schuldt die Str eufrage in der Weise bespricht, wie er es thut,
ziehung die Regierungen sonst unnahbar zu sein pflegen. Die ^ ^ »Apriait, wie er es iqu
ganze Energie eines auf die Wahrung seiner Selbstständigkeit!^ unbe annt e n kann daß der ganze Schwerpunkt
eifersüchtigen Fürsten drückt sich in dem noch überall im Volks-j L'e 6wg m rner be nedlgenden und gerechten Aus uhrung .O.-O cm—r. _, c - ^ der Ablösung beruht, und es über die Kompetenz emes Abge-
munde lebenden Worte unseres verstorbenen Königs Wilhelm aus: „Einem Hohen zoll ern unterwerfe ich mich nicht." Allein diese Berechtigung zu blindem Vertrauen in die Regierung ist auch nur scheinbar; denn die Ereignisse, d. h. die bereits bekannt gewordenen Bedingungen, unter denen unsere Minister, vorbehältlich der Genehmigung der Stände-Versannnlung, mit Preußen den Vertrag über den Beitritt Württembergs zuni Nordbund, oder wie er künftig heißen soll, zum deutschen Bund abgeschlossen, haben dasselbe bereits getäuscht. Diese Bedingungen erscheinen zwar auf den ersten Blick günstiger, als die mit Baden und Hoffen abgeschlossenen Verträge; allein es ist darin mit keinem Worte der Abkürzung der P räsenzz eit gedacht, die ohne das Da- zwischenkommen des Krieges bei uns, wie in Baiern, sicherlich auf ein allseitig befriedigendes Maß, vielleicht auf 1 Jahr herabgesetzt worden wäre; es steht kein Wort darin, daß die Nord- bundsversassung eine Abänderung in wirklich constitutionellem Sinne dahin erleiden werde, daß die künftigen Minister des deutschen Reiches verantwortlich sein werden, und ebenso wenig wird die Diätenlosigkeit der Abgeordneten zum Reichstage aufgehoben, durch welche der Werth des allgemeinen Stimmrechts, dieser scheinbar volksthümlichen Institution im Nordbunde, deren sich noch nicht einmal alle süddeutschen Staaten, z. B. Baden und Baiern nicht erfreuen, wieder vollständig neutralisirt wird, indem die Wähler dadurch genöthigt sind, mehr auf den Reichthum des Candidaten, als auf seine sonstige Befähigung zu sehen, die Kennt-! niß der Leiden und Wünsche des Volkes aber nicht gerade ein Privilegium der Reichen ist. Wenn aber dreijährige Präsenz die Errungenschaft sein soll, welche unsere braven Soldaten durch ihre Hingebung im Dienste des großen Vaterlandes für sich gemacht haben, wenn die Stellung unter ein unverantwortliches Re ich sministerium und die Theilnahme an einem diäten losen Reichstage, dem nicht einmal die wichtigste Frage im Völkerleben, die Entscheidung über Krieg und Frieden zusteht, wenn dieß der hohe Gewinn sein soll, den Württemberg für die Aufgabe seiner Selbstständigkeit eintauscht, ohne zu reden von den großen materiellen Opfern, die wir zu bringen haben werden, und die sich durch vermehrten Militärauswand allein auf jährlich 2 Millionen Mehrkosten berechnen sollen, so darf doch billig jeder Bürger, bei dem im Einheitsrausche der Sinn für seine Freiheit nicht gänzlich abgestumpft worden ist, die Frage stellen, ob es nicht möglich sei, diese schlimmem Aussichten in
ordneten hinausgeht, in Beziehung auf Streuabgabe bei dem gegenwärtigen Stand der Frage auch nur die leiseste Hoffnung zu wecken und die Möglichkeit ihrer Gewährung zwischen den Zeilen durchscheinen zu lassen. Auch hätte Manches, was er von seinen wirklich unläugbaren Verdiensten während seiner langjährigen öffentlichen Wirksamkeit sagt, ungleich besser geklungen im Munde eenes Wählers, als im Munde des Candidaten selbst.
Bleibt also in Beziehung auf innere Fragen kein erheblicher Unterschied zwischen den beiden Candidaten, so ergibt sich, daß entscheidend für den Wähler einzig und allein ihr Verhalten in der deutschen Frage sein kann, und kann ich nach allem bisher Gesagten zu keinem andern Resultate kommen, als daß der richtige Candidat nur Herr
G. F. Wagner
ist, der für die Schaffung der Einheit mit der ganzen Kraft seines Willens eintreten wird, der aber ebenso energisch bei diesem großen Werke unsere Freiheit und Selbstständigkeit zu schützen sich bemühen wird.
Calw, den 29. November 1870.
E. Hör lache r.
Offene Fragen an Herrn Jul. Staelin
Die Erklärung des Hrn. Jul. Stalin in der Beilage zu Nro. 139 ds. Bl. nöthigt mich als Vorstand des Volksvereins und als Wortführer der Volkspartei in Calw, zu folgenden Fragen:
1) Welche Thatsachen (Worte oder Handlungen^ berechtigen Hrn. Jul. Stälin, von republikanischen Tendenzen der Volkspartei zu sprechen?
2) Welche Lehren der Volkspanei sind gefährlich?
3) Welchen Schaden hat das immerwährende Wühlen der Volkspartei bis jetzt dem Gemeinwohl gebracht?
Diese Frage könnte aber auch so gestellt werden: wie bezeichnet Hr. Jul. Stälin die energische Thätigkeit seiner und der deutschen Partei in Wahlangelegenheiten, wenn ganz dieselbe Thätigkeit der Volkspartei ein gemeinschädliches Wühlen sein soll?
4) Womit kann Hr. Jul. Stälin beweisen, daß die Lehren der Volkspartei die erste Bedingung im Staate, „dieOrdnun g", zu untergraben drohen?
^ . ... So öffentlich diese schweren Anklagen gegen die Volkspartei
bessere zu verkehren, oder ob, wenn dieß absolut unmöglich seiniAoden worden sind, ebenso öffentlich darf ich mir wohl auch die sollie, es nicht räthlicher wäre, wie man sagt , zu temporisiren, ! ^und ung derselben erbitten. Kann diese nicht gegeben d. h. zuzuwarten, bis Preußen, dem an dein Zustandekommen P^rren, so wird es nur gewiß kern Unparteuschcr verargen, wenn der Einheit zum mindesten soviel gelegen ist, als uns, von selbst i Ausdrucke des Hrn. ^zul. Stälin ganz in dieselbe Kategorie
bessere Bedingungen bietet. Jedenfalls haben wir das nicht zu befürchten, daß, wenn der Nordbnndssprung heule nicht gemacht
stelle, in welche die von einem Anonymus gegen Hrn. G. F. Wagner ausgesprochene Behauptung der Abhängigkeit von Carl
wird, uns morgen die Thüre vor der Nase zugeschlagen werde; Äscher gestellt werden mußte, nämlich m die Kategorie grund- ist absolut nichts Besseres zu erreichen, so sind wir unter den uns ^ser, und darum sich selbst richtender Verdächtigungen, heute gestellten Bedingungen auch morgen und übermorgen noch Eal iv^,^lJNovbr. 18 tO. E. Horlacher.—
willkommen im deutschen Bunde. ^ — Dcr hcutige „StaatSauzcigcr" nithall den Wortlaut des zwischen Württemberg
Aufgabe unserer Stände ist es, bei Berathung des ihnen ! unddcmNorddcutschcnBundcvcrcinbartcn BundcSvoltragS,sowicdirGrundzüge vorzulegenden Entwurfs diese Frage reiflich ZN erwägen und es j ^"d-'d^stassungdes xcutschen Bimdes»,welche derdcinnachstzubcrusmdenSlände-
L ^ - ... - - -- o. v . I ^.0 o ^ l Versammlung bcS LcmdkvversclssrmaSmasnclen Genebnuauna voraeleat wer-
ist kaum anzunehmeu, daß sich eine Kammer finden werde, welche den soll. Sobald die Bcrhältnisse cö uns gestalten, werden wir nähere Mittheilung z. B. unser schon vorher schwer auf dem Lande lastendes Militär- s darüber mache . Die Red.
gesetz gegen ein das Land und Volk noch viel schwerer belastendes! Offiziell. Moreuil, 28. Novbr. Gestern bis nach Eintritt vertauschen möchte. Aufgabe der Wähler aber ist es, ihre Can-flicr Dunkelheit siegreiche Schlacht der erste» Armee (Man- didaten über ihre dießsälligen Absichten auf's Gewissen zu fr agen.steuffcl) gegen die im Vorrücken begriffene feindliche Nordar mcP
Redigirt, gedruckt und verlegt von A. Oetzchiiiger.