(Eingesendet.)
-s- Calw , 15. März 1870. Die letzte Nummer dieses Blattes bringt eine Zusammenstellung der gegen das Kriegsdienstgesetz zusammengebrachten Unterschriften. Wer da weiß, in welcher Weise in manchen Orten von den Ortsagenteu die Agitation betrieben wurde, und welcherlei Namen theilweise unter der Adresse stehen, wird sich nur darüber wundern, daß die Zahl der meistens von Haus zu Haus ersammelten Unterschriften gegen das „landesverderbliche Kriegsdienstgesetz" nicht noch viel größer ist. Wir wollen uns über die Agitation selbst aber nicht weiter auslassen, der Kampf wird jetzt an dem Ort zum Austrag gebracht werden, wohin er gehört, in der Stände- kammej. Dieß wäre auch ohne die maßlosen Volksdurchwühlungen so gekommen, denn diejengien Abgeordneten, welche den im letzten Blatt bemerkten Antrag zuerst eingebracht haben, haben fast durchweg an diesen Umtrieben keinen Theil genommen. Der Antrag ist, wie.der Agitations-Berichterstatter sagt, von der s o g e n a n n t e n großdeutschen Partei eingebracht worden, dann haben sich die Abgeordnete» der (sogenannten?) Volkspartei angeschlossen und deßhalb wird der höchst interessante Schluß hieraus gezogen „also die bedeutendsten Mäuner der Kammer". Diejenigen Abgeordneten der großdeutschen Partei, welche der Berichterstatter für bedeutend zu halten scheint, hat er namhaft gemacht, und wir wollen ihm nichts dagegen einwenden, aber dafür wären wir ihm dankbar, wenn er auch die bedeutenden Abgeordneten der Volkspartei in gleicher Weisen amhast machen würde. Es ist wohl möglich daß der gestellte Antrag bei der Beschlußfassung in derKammer die Mehrheit erhält, damit sind aber unsere früheren Behauptungen über die Gefährlichkeit dieses Experiments noch nicht widerlegt, und ist noch nicht bewiesen, daß dieser Beschluß nicht zum Schaden des Landes ausschlägt. Haben ja auch die Kammern seit Jahren oft mit eminenter Mehrheit Beschlüsse wegen Bahnhaulen gefaßt und jetzt kommt Mayer, der Generalbevollmächtigte der Volkspartei, und heißt diese Beschlüsse einen Haufen Schwabenstreiche. So gehts den Beschlüssen der bedeutenden und bedeutendsten Männer und wer Recht hat, das wird die Zukunft und Earl Mayer lehren. Es wird sehr die Frage sein, auf welcher Seite die befähigtsten und bedeutendste» Männer des Landes (in und außerhalb der Kämmer) in dieser Frage stehen und wo die Herzen für das Wökfl des Volkes und des Vaterlandes am wärmsten schlagein, jedenfalls sind sich die Gegner der Agitation recht wohl bewußt, was sie wollen und wofür sie in ehrlicher Weise kämpfen, sie feyen beßhult, auch Uber den Vorwurf der Angstschwindelci, Unwahrheit, Täuschung u. s. w. mit gebührender Verachtung hinweg.
HH Calw. In der Sitzung des K. Kreisstrafgerichts vom 5. März kamen 2 Fälle zur Verhandlung und Aburtheilung, und zwar: 1) die Untersuchungssache gegen den ledigen Fuhrmann Gottfried Schuon von Halterbach, OA. Nagold, wegen Körperverletzung. Derselbe hat am 30. Jan. d. I., Nachts 11 Uhr, hinter dem Sonnenwirthshause in Haiterbach dem Taglöhner Gottlob Helber von Sa, einen Streich mit einem Prügel auf den rechtenVorderarm versetzt, wodurch dessenEllenbogenröhre gebrochen wurde und eine Arbeitsunfähigkeit des Verletzten von 3—4 Wochen eintrat. Schuon wurde wegen im Affekte verübter Körperverletzung zu OjWochenKreisgefängniß und in dic Kostenvcrurtheilt. Rechtsconsulent Schwarzmann dahier verthei digte den Beschuldigten. 2) Die Unter- suchuugssache gegen Eva Katharina Baur, ledig von Gültstein, OA. Herrenbcrg, wegen Diebstahls rc. rc. Dieselbe hat an Martini 1868 ihrem Dienstherr:! Hirschwirth Schäberle in Thailfingen eine zinnerne Bettflasche gestohlen und im Januar und Februar d. I. verschiedene Betrügereien dadurch verübt, daß sie aus den Namen anderer Personen Bestellbriefe schrieb und darauf hin, sowie unter dem lügenhaften Vorbringen, sie sei von Krämer Böckle iu Nebringen dazu beauftragt, bei mehreren Kaufleuten in Herrenberg Maaren im Gesammtwerthe von 40 fl. 24 kr. ausnahm, beziehungsweise auszunehmen versuchte. — Sie wurde wegen eines erschwerten Diebstahls, wegen 5 Betrügereien und 2 Betrugsversucheu und wegen 6 Fälschungen von Privaturknnden zum Verluste der bürgerlichen Ehren- und der Dienstrechte und zu der Zuchtpolizeihausstrafe von? 7 Monaten verurtheilt.
>V6. Stuttgart, 13. März. (17. Sitzung der Kammer derAbgevrdn.) Als erster Gegenstand der Tagesordnung kommt zur Berathnng der Bericht der volkswirthschaftlichen Commission, betreffend den zwischen den Kronen von Württemberg und Baiern abgeschlossenen Vertrag über Herstellung seiner direkten Eisenbahnverbindung von Nürnberg über Ansbach mit Crailsheim. Die Commission stellt einstimmig den Antrag auf Zustimmung, verbunden mit dem Wunsche: cö möchte der Bau von Seiten beider Staaten soviel als möglich beschleunigt werden. Nachdem Elben die Böblinger Bahn als ein Glied der Breiten-Bahn von West nach Ost zur Sprache gebracht, wird der Staatsvcr- tr.ig von der Kammer einstimmig genehmigt. — Der zweite Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht der volkswirthschaftlichen Commission über einen GesctzeSentwurf, betreffend die Beschaffung weiterer Geldmittel für den Eiscn- bahnbau. Der Gesetzesentwurf verlangt 8 Millionen auf Abschlag für den
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Gesammtbedarf auf die Periode 1870/73. Die Commission stellt den cinstim migen Antrag auf Zustimmung. Elben verlangt Zulassung von concurri- rcnden Bankhäusern, dann erreiche man bessere Bedingungen, Emancipation von Rothschild und höheren CurS der Staatspapicre. Schwarz spricht zu Gunsten der Bahn Balingen-Ebingen. Hold er will Anlchcn nicht in kleinen Portionen ausnehmen, er würde unter Umständen eine Prämienanleihe vorziehen. Min. v. Varnbülcr hat sich aus konstitutionellen Gründen für die möglichst kleine Summe entschieden; es soll der Kammer in keiner Weise vorgegriffcn werden. Wolle die Kammer eine höhere Summe gewähren, so stehe er nicht im Wcze; ebensowenig sei die Aufnahme einer schwebenden Schuld ausgeschlossen. Mo hl: Die Zustände seien zu unsicher, als daß eine schwebende Schuld aufzunehmen wäre. Mayer von Besigheim: Trotz der Mihtranensäußerungen d:r Kammer vom Dez. 1868 sei die Regierung noch am Ruder. Das Mißtrauen treffe hauptsächlich den Herrn v. Varnbülcr, seine auswärtige Politik, seine Eisenbahnpolitik, seine Eisenbahnverwaltung. Mit dem jungen Abgeordneten der Start Ulm bedaure er, daß der freilich jetzt verschüttete Weg eines Subscriptions-Aulehens nicht rechtzeitig betreten worden sei. Er empfiehlt, mit jedem neuen Anlehen die Ausgabe von Papiergeld z» verbinden; so z. B. im vorliegenden Falle solle man 5 Millionen Staatsan- lehen und3Mill. Papiergeld essektuiren. Min.v.Mittuacht: erseiin denSaal cingetrctcn, als NrAbg. MayerjvonBesigheimvondemMißtrauenpvotum gebrochen, das dieser mit dem „jungen Abg. der Stadt Ulm* im Dez. 1868 zu Stande zu bringen gesucht. Ich glaube, sagt der Minister, politische Männer sprechen in diesem Saale nicht von einem Mißtrauensvotum, bis sie sich im Stande fühlen, selbst an die Stelle derjenigen zu treten, gegen welche sie ein Mißtrauensvotum ausgesprochen. Nun frage ich, ist die Partei des Herrn Abg. von Besigheim im Stande, das Ministerium zu übernehmen? Der „junge Abg. der Stadl Ulm" werde sich wohl nicht entschließen, in da) Ministerium cinzutreten, das nicht über eine Mehrheit zu verfügen hat. Ich glaube auch, daß die Zukunftsplane des HerrnAbg. Mayer von Besigheim nicht die Mehrheit der Volkspartei für sich haben werden; ich glaube sogar, daß Männer der gemäßigten Linken, wenn sie die Negierung übernehmen wollten, bald fühlen würden, daß sie eine demokratische Opposition gegen sich haben würden, abgesehen von der Opposition aus conservativer Richten a. Ja, meine Herren, wenn eine Partei im Stande ist, ein lebensfähiges Ministerium zu bilden, dann sind nuir.e Collegen und ich kein Hindernis;. Nichts ist mir'verächtlicher als die Gesinnung, welche in der Presse des Herrn Abg. Mayer von Besigheim mir und meinen Kollegen unterstellt wird, daß wir unsere Ueber- zeugung und das Wohl des Landes in die Schanze schlage». Der Herr Abg. Mayer von Besigheim hat sein Mißtrauen gegen den Minister der auswärtigen Angelegenheiten ausgesprochen. Ich erkläre, daß ich für Alles, was in der deutschen Politik seit meinem Eintritt in die Regierung im Jahre 1867 geschehen ist, die Verantwortung ausdrücklich niit übernehme. Die Kammer sei nicht absichtlich ferne gehalten (zu spät cinberuscn) worden, sondern sie halte keinen Stoff, das weih Jedermann, und um das abzuleugnen, muß man so sehr Patteimanu sein, daß man die Wahrheit bei Hellem Lichte nicht mehr sieht. (Vielseitiges Bravo!) Von Völnrle veranlaßt, gibt Min. v. Varnbülcr Auskunft über den estand der Verhandlungen wegen des Anschlusses der Allgäubahn an die bairischen Bahnen. Baiern sei bereit gewesen, eine Bahn von Memmingen über Lcutkirch nach Hergatz zu bauen, und zwar auf eigene Rechnung. Das wäre daun eine bairische Bahn gewesen, durch welche unsere Südbahn brach gelegt worden wäre. Man möge sich, im Allgäu gedulden: daö Staatsservitut,'das auf die lllm-HcidenheimcrBahn gelegt sei, daurc nur noch h Jahre; davon kommen 3 Jahre aus die Bauzeit. Das Servitut sei beinahe wcrthlos geworden. Er habe Baiern den Vorschlag gemacht, für die Bahnen eine gemeinschaftliche Tarifirung einzuführen, so daß die bairischen und die württcmbcrgischen Bahnen aus gemeinschaftliche Rcch- nuugzbetrieben worden wären. Baiern habe vorgczogen, bei seinem Differenztarif zu bleiben. Wendet sich dann gegen Mayer, der immer von seiner hohen Person per „Wir" spreche; ob derselbe sich selbst als süddeutsches Bundespräsidium, oder aber seine Parteigenossen als willenlose Subjekte betrachte, in deren Namen er spreche? — Römer: er und seine Freunde mischen sich nicht in den Streit, den sie für einen häuslichenAwist ansehen. Karl Mayer Verweist auf die Möglichkeit eines großdeutschen Ministeriums, dem von radikaler Seite keine allzu heftige Opposition gemacht würde. — Bei der Abstimmung wurde der Gcsetzcsentwurf mit allen (81) Stimmen gegen die von Hopf angenommen.
— In Oesterreich ist man über die Jesuiten sehr aufgebracht, weil sie sich in Dinge mischen, welche sie nichts angehen und der neuen Organisation des Staates immer neue Schwierigkeiten bereiten Der Finanzminister Hai von dem Kaiser die Weisung erhalten, im neuen Etat die Positionen, die für die Jesuiten und ihre Zwecke ansgesetzt sind, zu streichen.
Frankreich. Paris. Prinz Peter Bonaparte wurde von der Anklagekammer des Obergerichts (zusammengesetzt aus 5 Richtern) wegen vorsätzlichen Mordes vor das Obergericht zur Aburtheilung verwiesen. Die Verhandlung wird in Tours stattfindeit, woselbst der Prinz am 19. cintrefferr wird. Seine Gemahlin wird an demselben Tage dort eintreffen. Anck die Familie Victor Noir's hat sich Zimmer in einem Gasthbfe bestellt. Inzwischen versichern die Blätter, der Bruder Noir's habe noch keinen Anwalt finden können, welcher die Anmeldung als Civilparthie beim hohen Gerichtshof übernehmen wolle.
Spanien. Madrid, 12. März. Heute Morgen hat ein Duell zwischen dem Herzog von Montpensi r und dem Inlauten Don Enrique de Bourbon (Bruder des König-Gemahls Don Francisco und der Prinzessin Adalbert von Baiern) statlgesnnden, in welchem letzterer eine Kugel in den Kopf erhielt und todt auf dem Platz b.ieb. Der Grund des Duells war ein Pamphlet welches der Jnfant gegen den Herzog veröffentlicht hatte.
t von A. OelschIäge