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reitungen zu einem revolutionären Putsche. Merkwürdigerweise wa-' reu solche Gerüchte. und zwar über wirkliche Erhebungen in Paris, auch unter den politischen Gefangenen von Saint Pelagic verbreitet, daher große Aufregung unter denselben zu bemerken war. Auch ist in dem „Pays" eine Note der Polizcipräfektur erschienen, welche die durch solche Gerüchte erzeugte Beunruhigungen zu beschwichtigen sich bemüht. Am Schlüsse derselben heißt es: „Mögen daher die Wähler in voller Sicherheit abstimmen, sie haben nichts zu befürchten; die Regierung wacht." — Aus Algier treffen Berichte über eine Ernte von seltener Fülle ein, so daß die Noch ein Ende nehmen wird. Allerdings zeigen sich auch ungewöhnlich viele Heuschrecken.
Svanten. Madrid, l-5. Mai. In den Kortes verlangten verschiedene Amendements zu Art. 33 der Berfassung eine föderale oder demokratische Republik, wurden aber abgelehnt; ebenso ein weiteres Amendement, welches die Einsetzung eines Direktoriums aus 5, von den Kortes auf drei Jahre zu ernennenden Personen verlangte. Ein Amendement von Balaguer. welches eine demokratische Monarchie verlange. wurde zurückgezogen. Mit Zustimmung Olozaga's erhielt der Art 33 folgende Fassung: „Die Souveränität beruht wesentlich in der Nation, alle Gewalt geht von ihr aus." Ein Amendement Gar- § rido s, welches verlangte, daß der Monarch Spanier sein müsse, wurde mit 124 gegen 60 St. abgelehnt. Die Frage über eine nur einer einzigen Person zu übertragende Regentschaft beschäftigt fortwährend die Gemüther sehr lebhaft. — 17. Mai. Auf die Rede des Republikaners Serraclara über die Staatsform entgegnet im Namen des DerfassnngsauSschusseS Silv-la, daß die Republik zu großen inner« und äußern Verwicklungen führen würde. Er beschwört die Republikaner, nicht ihre Sitze in den Cortes aufzugeben, wenn die Abstimmung zu Gunsten der Monarchie ausgefallen sein werde, damit nicht der Bürgerkrieg ansbreche. Olozaga und andere Abgeordnete beglückwünschten den Redner. Die Unwniften bekämpfen vor wie »ach lebhaft dm Plan einer Regentschaft. Der Finanzministcr legte den Corte» das Ausgabebudget in der Höhe von 2987 Millionen vor. Das Deficit beträgt 800 Millionen. — 19. Mai. Wahrscheinlich morgen werden die Cortes über die Form der Regierung abstimmen und die Monarchie beschließen.
Die Amerikaner sind nicht faul, sie fordern von England 200 Miü. Pfd. St. Schadenersatz. Wofür? — Als Ersatz für den Schaden, den das Piratenschiff Alabama angerichtet hat. Dieses Schiff wurde zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs von einem Südländer in englischen Häfen ausgerüstet, fing zahlreiche Kauffahrer der Union weg und that der Union überhaupt unermeßlichen Schaden. Die Amerikaner schrieben die englische Zweideutigkeit aufs Kerbholz und verlangen jetzt Genngthunng und Schadenersatz. Es fliegen böse Worte herüber und hinüber, der neue amerikanische Gesandte in London nimmt die Sache in die Hand, aber voraussichtlich nicht im Sinne obiger Forderung, die von einem Heißsporn gestellt und von andern Gesinnungsgenossen acceptirt worden, auch hat Grant noch nicht gesprochen. Von den 200 Millionen wird wohl etwas herun- tergehen._
Belletristisches.
Ein Verbrecher.
(Fortsetzung.)
Länger als eine Stunde saß sie regungslos da. Der Garten füllte s>m mehr und mehr mit Gästen. Damen in den glänzendsten und kostbarsten Toiletten schritten auf dem Wege dicht an ihm vorüber. Sie warf kaum einen Blick darauf. Ein anderer Gegenstand erfüllte ihre Gedanken und auf ihn hatte sie ihre ganze Aufmerksamkeit gerichtet.
Hcrr von Buchen befand sich in der glücklichsten Stimmung. Endlich war er dem ersehnten Ziele nahe — es war so gut wie erreicht. Außerdem befand er sich in seinem Element. Lächelnd empfing er die Gäste. Er unterhielt und erheiterte sic und schien die Wünsche und Bedürfnisse eines jeden Einzelnen zu errathen.
Für die Diener bedurfte er nur eines leisen Winkes mit den Augen, um ihnen seine Befehle miizutheilen, so gut hatte er sie vorher dressirr. Dieser Tag, die Feier seines Polterabends, sollte all' die Feste und Gesellschaften, welche er je in seinem Leben gegeben, übrrtreffen und überstrahlen.
Jedem der Gäste wußte er ein verbindliches
und bald wandelte er an der Seite einer Dame, bald an der eines Freundes, den Arm vertraulich in dessen Arm gelegt.
Auch Frau von Friesen kam endlich an, ziemlich früh, um noch einen Theil des schönen Tage- im Garten zubringen zu können. Buchen wich jetzt nicht mehr von ihrer Seite.
Er Härte sich gern mit ihr an einen der stillen schattigen Plätze geflüchtet, allein die Freunde und Bekannten verließen ihn nicht.
Seine Braut am Arme, von mehreren Damen und Herren gefolgt, schritt er durch den Garten. Er kain auf jenen Weg, an dem hinter dem Baume versteckt die Geisteskranke noch immer regungslos wartend da saß. Er hatte keine Ahnung davon. Mit seiner Braut scherzend, nahte er sich der Stelle.
Das unglückliche Weib hatte ihn sofort erkannt. Freude strahlte auS ihrem Gesichte. Schnell, leicht sprang sie empor, trat aus dem Gebüsch hervor und eilte mir dem Rufe: „Da — da bin ich, mein Geliebter!" aus Buchen zu.
Erschreckt war dieser zurückgetreten; ehe er cs indeß hindern konnte, hing das Weib an seinem Halse und schloß ihn fest in ihre Arme.
„Da bin ich," wiederholte sie, „nun wollen wir unsere Hochzeit feiern."
Frau von Friesen war entsetzt znrückgewichen. Die Gäste blieben bestürzt stehen — sie begriffen das Ganze noch nicht.
Vergebens hatte Buchen die Wahnsinnige von sich zu stoßen versucht. Mir der Kraft der Verzweiflung klammerte sie sich an ihm fest. Mil letzter Kraft stieß er sie endlich von sich, daß sie taumelnd und laut schreiend zu Boden stürzte.
Diener eckten herbei.
„Wer hat die Verrückte hier eingelassen?" rief ihnen Buchen drohend, im heftigsten Zorne zu. „Habe ich nicht Befehl gegeben, jeden Eingang de» Gartens genau zu bewachen? Schafft sie fort, die Verrückte! Bringt das Weib mit Peitschenhieben vom Gute — ich werde Sorge tragen, daß sie in eiuem Jrrenhausc untergebracht wird."
Er zitterte noch vor Schreck und Aufregung.
Die Diener ergriffen die Unglückliche. Sie wehrte sich hartnäckig, als sie begriff, waS mit ihr geschehen sollte. Auf Buchen richtete sie flehend ihr irres Auge und rief: „Rette mich, — rette mich, Geliebter! Rette mich!"
Die Diener brachten sie mit Gewalt fort.
Buchen faßte sich am ersten wieder- Die Bestürzung der Gäste schwand, sobald sie erfahren hatten, daß cs eine Geisteskranke war, welche diese Störung hervorgebracht hatte.
Die Fortgeführte jammerte laut nnd klagend.
„Sie flößt nur Mitleid ein," sprach Frau von Friesen zu Buchen, der seinen Anzug wieder ordnete. „Du hättest nicht so hart gegen die Unglückliche sein sollen. — Die Diener mißhandelen sie am Ende."
„Sie verdient eine Züchtigung!" erwiederte Buchen.
„Sce weiß nicht, was sie gethan hat," fuhr die junge Wittwe fort.
„Laß ihr dieß senden," — und sie zog ihre Börse und reichte sie Buchen zu.j „Nein — nein!" rief dieser, überlaß mir das." Er nahm einen Zehnthalerschein und trug einem Diener auf, denselben der „närrischen Liefe" nachzulragen.
Die Gemüthlichkeit war für einen Augenblick gestört, Buchen gab sich indeß alle Mühe, um sie zurückzurufen; ihm selbst lag viel daran, tun Eindruck, den diese Storung auf ihn gemacht hatte, so bald als möglich zu verwischen und zu vergessen. Anfangs zwang er sich in eine heitere Stimmung hinein, bald hatte er den Vorfall in der That vergessen. — .
Heinrich saß währenddem mit Marie noch immer in dem kleinen Zimmer. Er dachte nicht an seine Mutter. Sie war oft den ganzen Tag entfernt. Die Zeit war ihm an Mariens Seite hingefchwunden, daß er cs selbst nicht bemerkte.
Ei» lautes Lärmen, Lachen und Jubeln auf der Straße ^trieb ihn an's Fenster. Erschreckend trat er einige Schritte zurück. Seine Wangen erbleichten. Seine Mutter, phantastisch aufgeputzt, MH er mit Gewalt von zwei Dienern dem Hnuse zugeschleppt. Sie weigerte sich, mit ihnen zu gehen. Ein Haufen Jungen folgte ihr, lachend, spottend, jubelnd.
„Was ist das?" rief er und seine Stimme bebte.
„Allmächtiger Gott, es ist Deine Mutter!" rief Marie, die ihm an's Fenster getreten war. (Forts, folgt )
Wort zu sagen!
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