216

deutschen Berfassungsangelegcnhcit im Sinne der in den Moti­ven ausgestellten Grundsätze alsbald in Angriff zu nehmen. Ja­kobi sagte: er sei gegen die Reichsverfassunz, weil sie wesentliche Polksrechre aufhede. Die Wassenthaten seien der Freiheit nicht zu Gute gekommen Der begrabene deutsche Bundestag werde in Berlin seine Wiederauferstehung feiern Redner pevtestict Na­mens seiner Wähler im Voraus gegen Len voraussichtlich zustim- menven Beschluß des Abgeordnetenhauses. Die Verkümmerung der Volksrechte könne nicht zu nationaler Größe und Macht füh­ren Die unbedingte Militärherrschaft Preußens werde Deutsch­land zu einer fortwährenden Gefahr für die Nachbarvölker machen. Die Verfassung wurde aber, wie vocauszusehen, mit 226 ge­gen 9l Stimmen angenommen.

Berlin, 6. Mai. Der preußische Militärbevollmächtigte in Paris, Major v. Burg, ist heute in wichtiger Mission nach London gereist, wahrscheinlich um dem Botschafter bei der Konfe­renz zu assistiren.

Berlin, 7. Mai. Die zunehmende Arbeitslosigkeit, schreibt das Fr. I., das fast gänzliche Ausbleiben aller im Frühjahr ge­wöhnlichen Arbeitsbestellungen reizt nicht wenige dazu an, über die praktischen Konsequenten der Blut- und Eisenpolitik nachdenk­lich zu werden. Die Eintracht, welche hier zwischen den kürzlich anwesenden französischen Deputaten und der Fortschrittspartei im Abgeordnetenhause sich kundgab, legt den Gedanken nahe, ob nicht das persönliche Regiment, welches hüben und drüben die parlamen­tarische Regierung verdrängt har, viel dazu beitrage, jeder Erre­gung nationaler Empfindlichkeit einen gefährlichen Charakter zu geben In einer großen Arbeiterversammlunz, welche für nächsten Sonntag beabsichtigt wird, dürften solche Gedanken leicht einen scharfen Ausdruck erhalten. An Schulze-Delitzsch kamen gestern dringende Einladungen, einer auf Mittwoch in Leipzig angesetzten Volksversammlung za präsidiren. Durch die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses ist Schultze verhindert, der Einladung Folge zu geben. Noch immer haben wir aber zu fürchten, daß die Er­eignisse über alle Friedensresolutionen zu einer blutigen Tages­ordnung übergehen werden. Graf Bismarck war heute im Abge­ordnetenhause sehr unruhig; es fand ein fortwährendes Ab- und Zugehen am Ministertisch statt Im königlichen Kabinet waren diesen Vormittag viele Militärs versammelt. Der Kriegsminister v. Roon erschien in voller Uniform einen Augenblick im Hause; auch des General v. Moltke Kopf wurde einmal hinter den Gar­dinen sichtbar. Mnn sagte sich im Hause, es werde wiederum ernstlich erörtert, ob nicht die fortgesetzten Rüstungen Frankreichs energische Gegenrüstungen nothwendig machen

Berlin, 6 März. DieKöln. Ztg." mahnt zum Frieden mit folgender Erwägung:Daß im Falle eines Krieges Frank­reich von seiner Uebermacht zur See Gebrauch machen werde, liegt auf der Hand Und zwar würde die Ostsee ebensowohl, ja, vielleicht noch mehr als die Nordsee zum Kriegsschauplätze werden; denn daß die Neutralität der skandinavischen Länder nicht länger dauern würde, als bis eine französische Flotte in den bal­tischen Gewässern erschienen, kann nicht bezweifelt werden, solange Art. V. des Prager Friedens von Preußen nicht ausgeführt ist. Alle Hoffnungen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika sich Preußens annebmen würben, sind Chimären, und ebensowenig wird sich Rußland auf einen Schutz der preußischen Küsten ein- laffen, solange es selbst nicht am Kriege Theil nimmt, wozu vor-, läufig keine Aussicht vorhanden ist. Zu einer solchen Einmischung fehlte es an jeder Veranlassung, au jedem Rechtstitel und an jeder Präcedenz. Es kann nichts helfen, sich Illusionen zu machen. Wenn es nothwendig ist, daß Preußen isolirt, ohne mit einer Seemacht verbündet zu sein, Krieg führt, so muß die Vernich­tung unsere? Seehandels, der Ruin der Landwicthe in den Kü­stenprovinzen und was sonst damit zusammenbängt, muthig er­tragen werden. Aber obne die dringendste Veranlassung darf ein solcher Krieg nicht unternommen werden.

Berlin, 9. Mai. England übernimmt die Garantie für Luxemburgs Neutralität in begrenztem Umfange. Für Vereini­gung Luxemburgs mit Belgien wollte Belgien 12 Mill Frcs. zahlen. Frankreich und Holland waren einverstanden, Rußlands Ansicht ist unbekannt, Preußen batte Bedenken. (Tel.d.Schw.M)

! Ueber die Fortdauer der Rüstungen in Frankreich er­halten verschiedene Blätter wie es scheint, verläßliche Nachrichten.

! So soll an der französischen Ostgrenze der Pserdehandel immer noch im besten Schwung sein. Auch die Provinzialkorrespon- den; konstatirt die Fortbauer der französischen Rüstungen und s sagt: Preußen halte noch die Friedenshoffnung fest; doch nur eine schleunige friedliche Entscheidung der Konferenz werde der Regierung die Notwendigkeit ersparen, Vorsichtsmaßregeln zu er­greifen, welche sie der Sicherheit Preußens und Deutschlands schuldet. Zu einer Deputation der Konservativen, welche den Ministerpräsidenten Grafen Bismarck am Jihrestage des gegen ihn von Blind unternommenen Attentats beglückwünschte, äußerte derselbe: die Situation sei jetzt ernster als je zuvor.

DieWienerAbendpost" enthält ein Telegramm aus London, wonach in der Konferenz ein bereits ausgearbeiteter Vertragsent­wurf vorgelegt worben, welcher mit Ausnahme eines einzigen Ar­tikels allgemeine Zustimmung gefunden, so daß gegründete Aus­sicht auf baldige Verständigung vorhanden sei ! Agram, 6. Mai. Der frühere Hofkanzler und nunmehrige . Abgeordnete v Mazuranic hat in Folge einer auf ihn von Wien aus geübten Pression sein Mandat heute niedergelegt. Damit ist bas größte Hinderniß der Union beseitigt.

Italien.. Florenz. 7. Mai Der Gesetzesentwurfüber die Armee-Reorganisation bestimmt den Friedensstano des Heeres aus 200,000, den Kriegsstand auf 555,000 Mann, wodurch eine Re­duktion um 100,000 Mann erzielt würde Der Finanzminister hat heute einen neuen Vertrag betreffs der Liquidation der geist­lichen Güter unterzeichnet.

Frankreich. Paris, 7. Mai. Die France erklärt das Ge­rücht. die Regierung beabsichtige eine Anleihe zu fordern, für un­begründet Dasselbe Blatt sagt: die Gesundheit des kaiserlichen Prinzen (der sich seitdem 5. in St. Cloud befindet) habe sich merklich gebessert. DerMoniteur" (vom 9.) sagt: Frankreich hat ein Programm der Mächte über die Neutralistrung Luxemburgs an­genommen, welche die Räumung zur unmittelbaren Folge bat. Einzig die Eingebungen der Mäßigung und der Uneigennützig­keit zu Rathe ziehend, hat Frankreich damit ein Pfand der Ver­söhnlichkeit gegeben Die Anschauungen der Großmächte erlauben eine günstige Lösung zu hoffen. (Also eine ungünstige für Preußen?)

England. London. 7 Mai, Abends. Das Reuter'sche Bureau meldet: Heute Nachmittag 3 Uhr fand die erste Sitzung der Konferenz statt Die Gesandten der Großmächte, ferner die Gesandten Belgiens, Hollands und Italiens, sowie zwei Vertre­ter des Großherzogthums Luxemburg, wohnten der Sitzung bei. Eine Garantie für die Neutralisirung Luxemburgs wurde für un­umgänglich erklärt und soll die Grundlage der Verhandlung bil­den; die Bevollmächtigten haben sich deßhalb telegraphisch an ihre Regierungen um Weisungen gewandt. Die nächste Sitzung findet Tonnerstag den 9. statt 8. Mai. Dcks Reuter'sche Bureau sagt: England zögert, die verlangte Garantie für die Neurral'tät Luxemburgs zu geben; Preußen wird auf diesem Punkt bestehen Stanley hatte heute E nzelbesprechungen mit meh­reren Konserenzmitgliedecn, deren Gegenstand die Garantiefrage war. Dte Stimmung in den diplomatischen Kreisen ist hoffnungs­voll für den Frieden. 9. Mai. Dis Times, Post, Herald halten das Resultat der Konferenz sür gesichert. Daily News ist dagegen.

Niederlande Haag. 7. Mai Eine Luxemburger Depu­tation, bestehend aus dem Bürgermeister und zwei Schöffen, kon fecirte gestern mit dem Prinzen Heinrich, und reist heute nach London behufs Ueberceichunz einer Adresse an die Konferenz.

Amerika. Die mexikanischen Imperialisten melden die Zu­rückeroberung Puebla's; die Republikaner melden, Maximilian habe die Kapitulation Oueretaro's angeboten, wenn ihm persönlich die Abreise gestattet würde; Juarez habe abgelehnt.

Telegramm.

London. 9. Mai, Abends. Die Garantie der Groß­mächte für Neutralisation Luxemburgs ist von allen Betheiligten angenommen Der Vertrag wird morgen f oder Samstag unterzeichnet. - (Exrrabl. v. Schw M.)

Vcvrgirr, gedruckt uus verlegt von A. Gelsq leger.