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Heber unsere Fortbildungsschulen.
Es ist eine erfreuliche Erscheinung unserer Jetztzeit, in der das Bedürfnis vermehrter Bildung und Erwerbung vielseitigerer Kenntnisse für unsere Jugend immer dringender hervortritt, daß auf die schulen und damit verwandte Institute in jeder Beziehung mehr verwendet und ihnen eine weit größere Aufmerksamkeit geschenkt wird, als früher Die Zeiten liegen noch gar nicht so lange hinter uns, in denen an die Schüler der Volksschulen keine größeren Anforderungen gestellt wurden, als daß sie bei ihrer Confirmation etwas lesen, schreiben und rechnen konnten. Realschulen, wie sie jetzt in jedem mittelgroßen Städtchen bestehen, traf man früher bloß in großen Städten, und es ist der beste Beweis für die Nothwendigkeit weiterer Verbreitung derselben, daß eine Menge von Schülern, welche sonst auf die Volksschule angewiesen gewesen wären, mm die Realschulen besuchen. Aber auch die Volksschulen haben eine erfreuliche Erweiterung ihres Lehrstoffs gewonnen, was sicher nicht ohne guten Einfluß auf stets fortschreitende Volksbildung bleiben wird. — Das aber war schon früher als nothwendig anerkannt worden, daß die Schüler nach der Eonfirmatwn noch irgend einen Unterricht genießen sollten, weil sie das in der Schule Erlernte sonst gar zu schnell wieder vergessen hätten. Man richtete deßhalb Sonntags schulen ein, welche, sowenig umfangreich der Lehrstoff gegenüber den jetzigen Fortbildungsschulen auch war, doch unzweifelhaft viel Gutes gewirkt haben. Bei der nngemei- ten Enwicklung der Verkehrsverhältnisse, welche auf die industriellen Verhältnisse so tief eingreifend wirkten, brach sich indessen die Erkenntnis; immer allgemeiner Bahn, daß wenn wir nicht Zurückbleiben wollten hinter andern Jndustriebezirken, unsere Jugend mehr lernen müsse, und namentlich, daß sie auch nach dem Verlassen der Schule noch Gelegenheit finde, einen umfassenderen Unterricht in verschiedenen Fächern zu genießen. So entstanden die Fortbildungsschulen, diese segensreichen Institute, welchen schon mancher Gewerbsmann zu Dank verpflichtet ist, weil er sich in denselben schätzenswerthe Kenntnisse erworben hat, die ihm jetzt in seinem Geschäftsbetriebe zu Gute kommen.
Wie indessen alles Neue mit Hindernissen zu kämpfen hat, so ging es auch den Fortbildungsschulen, und zwar kamen diese Hindernisse merkwürdigerweise hauptsächlich von denen, für die sie ausdrücklich bestimmt waren, nämlich von den Schülern derselben, und Solchen, die sie nicht besuchen wollten. Was die Herren Lehrer, welche sich mit rühmenswerther Ausdauer und unverdrossener Mühe dem Unterricht widmeten, seither mit Lauheit, Gleichgiltigkeit, Trägheit Unarten und Versäumnissen eines großen Theiles der Schüler durchzumachen hatten, davon wissen sie zu erzählen. Wenn bei Beginn des Winterhalbjahrs die Zahl der Schüler 60 betrug (während sie leicht das Doppelte betragen könnte), so waren es am Schluffe desselben ihrer kaum noch die Hälfte, die andern waren nach und nach weggebliebcn.
Von Seiten des hiesigen Gewerbevereins und einzelner hiesiger Industriellen werden schon seit Jahren Prämien für die eifrigsten Fortbildungsschüler ausgesetzt; vergangenen Herbst wurden die hiefür gesammelten Gelder dazu benützt, einer Anzahl derselben Gelegenheit zum Besuche der Zeichnungsaus stellung in Stuttgart zu geben, um ihren Eifer zu erwärmen, die hiesige Stadtgemeinde thut ebenfalls das Möglichste, um durch Vielseitigkeit und Gediegenheit des Unterrichts die hiesige Fortbildungsschule denen anderer größerer Städte würdig anzureihen. Der jetzt als Behörde der Fortbildungsschule eingesetzte Gew erbe sch ul rath läßt es auch seinerseits an Nichts fehlen, um den Besuch dieses Instituts möglichst zu fördern, und namentlich der seitherigen Unregelmäßigkeit im Besuche entgegenzuarbeiten. Letzteres kann indessen nur dann von gutem Erfolge begleitet sein, wenn sich auch die 8 ehr Herren mehr für die Fortbildungsschulen interessiren. Leider begegnet man hier oft auch großer Gleichgiltigkeit, während man doch denken sollte, es müsse jedem Lehrherrn selbst daran liegen, daß seine Lehrlinge nicht bloß in ihrem technischen Fache, sondern auch geistig weiter ausgebildet werden. Es wäre daher sehr zu empfehlen, wenn künftig kein Lehrvertrag mehr abgeschlossen würde, worin nicht die Bedingung enthalten ist, daß der Lehrling vom Lehrherrn zum regelmäßigen Besuche der Fortbildungsschule angehalten werden müsse.
Es ist nun eben einmal dringend nöthig, daß selbst der einfachste Handwerksmann sich mehr Kenntnisse erwirbt, als früher, was "E"—vedlgirt, gedruckt und vt
sich, wenn einmal unsere Bahnverbindung im Gange ist, noch mehr Zeigen wird, und wenn auch die jungen Leute den besten Schulunterricht genossen haben, so haben sie dochjnochsviel, sehr viel mehr zu lernen.
Um nun sowohl den Lehrherren, als den Eltern und Allen, welche sich dafür interessiren, ein genaues Bild unserer Fortbildungsschule" zu geben, hat der hiesige G e we rbcverein auf nächsten Dienstag Abend eine allgemeine Versammlung veranstaltet, zu welcher Jedermann eingeladen wird, und welcher bei der Wichtigkeit der Sache, und der Unklarheit, die da und dort noch darüber herrsche« mag, eine recht zahlreiche Theilnahme zu wünschen ist. —
Tagesneuigkeiten.
— Zwei strebsamen Arbeitern dersK. Gewehrsabrik in Oberndorf, den Brüdern Wilhelm und Paul Mauser, ist es nach vielfachen Versuchen gelungen, ein Hinterladungsgewehr nach eigenem System herzustellen ?Die Handhabung der Waffe ist sehr leicht, weil bloß 3 Handgriffe erforderlich sind. Die Zahl der Schüsse kann bei gewandter Handhabung auf 15 in der Minute gebracht werden. Die Waffe wird nächstens den militärischen Sachverständigen zur Prüfung übergeben werden.
— Frankfurt, 20. Nov. Die BundeSliquidatioilskommisfion bat für jede der ehemaligen Bundesscstungen zwei Kommissionen eingesetzt, deren eine aus drei Offizieren zur Abschätzung des Artillerie- und Geniematerials, die zweite aus drei Derwaltungsbe- amten für Abschätzung der Einrichtungen in den Kasernen, Spitälern, des Proviants rc besteht. PreußenHund Oesterreich schicken in jede dieser Kommissionen Mitglieder; die dritten Mitglieder schickt für Mainz Heffen-Darmstadt, für Ulm Württemberg, für Rastatt Baden, für Luxemburg und Landau Baiern. Die Mitglieder dieser Kommissionen versammeln sich, bevor sie ihre Funktionen antreten, am 1., resp. 10. Dez. hier in Frankfurt.
— In Dörnhof bei Redwitz ist unter dem Rindvieh die Wuthkrankheit ausgebrochen. 4 Ochsen mußten sofort getödtek werden. Ein Hündchen hatte einen Ochsen vor einiger Zeit gebissen und man hatte das Hündchen nicht für krank gehalten.
— Berlin, 20 Nov. Aus dem Ministerium des Innern sind bereits Anweisungen ergangen, welche die Freizügigkeit zwischen den alten und neuen Landestheilen anordnen
— Berlin, 21. Nov. Das Abgeordnetenhaus hat heute nach dreistündiger Debatte die Generaldiskussion über das Budget geschlossen Der Minister des Innern brachte einen Gesetzentwurf wegen Regelung der bairisch-preußischen Grenze ein.
Frankreich. Paris, 20. Nov. Der „Etendard" veröffentlicht folgende Nachricht: Mexiko, 6. Nov. Der Kaiser Maximilian ist unvermuthel abgereist, nachdem er seine Reise nach Veracruz erst für den 21 angekündigt hatte. Marschall Bazaine ist am 3 Oktober nach Veracruz abgereist, um vor dem General Castelnau dort zu sein, und ist am 9 zurückgekehrt, ohne denselben gesehen zu haben. — Letztererist am 12. Okt. in Veracruz angekommen.
Amerika. Newyork, 9. Nov, Der Konsul der Ver. Staaten in Veracruz ha> Seward benachrichtigt, daß Kaiser Maximilian die Stadt Mexiko am 21. Oktober v erlassen hat. — Der Dampfer Susquehanna geht in wenigen Tagen mit Shermann und Campbell nach Veracruz oder einem anderweitigen Hafen ab, um Juarez anzutreffen. Sherman soll genügende Zeit in Mexiko bleiben, um die Regierung des Juarez fest herzustellen.
Mexiko. Kaiser Max ist seiner Absetzung durch die Franzosen und dem General Castelnau, der statt seiner die Regierung übernehmen sollte, aus dem Weg gegangen; um kein Schriftstück von sich geben zu müssen, das nachher als Abdankungsurkundr gegen ihn verwendet werden könnte, hat er mündlich den Marschall Bazaine ersucht, einstweilen statt seiner zu regieren, und ist ohne Abschied, oder wie andere sagen, mit kurzem grobem Abschied von seinen psäffischen Ministern weggelausen, begleitet von einer Handvoll Oesterreicher. In Vera Cruz, wenn er es glücklich errei-bt, wird er den Dampfer Avsnis abwarten, der ihm Nachrichten von feiner geisteskranken Kaiserin bringen soll. Seiner aber wartet der österreichische Kriegsdampser Dandolo, um ihn, nachdem die traurige Komödie zu Ende ist, nach Europa zurückzutragen. __
::egt von A V »tschtäger.